Echte Wölfe und blöde Fragen

  • Na ja, dann geht's los mit der Theorie und Praxis...
    Wenn ich es richtig im Kopf hab, richtet sich die Größe eines Reviers nach Beuteverfügbarkeit, Gruppengröße..
    Die Zahlen variieren da wohl deutlich zwischen 25Quadratkilometern und bis über 1000... Je nachdem... Auch von Kontinent zu Kontinent unterschiedlich...
    So weit zur Theorie.
    Dann kommt der Faktor Praxis mit ins Spiel - ob es zB Rudel sind, die inzwischen wirklich darauf spezialisiert sind, sich leicht verfügbare Beute (Schafe) zu holen.
    Und leben die jetzt in einer Region, in der es viele Schafe gibt, kommen sie theoretisch mit weniger Platz aus...
    Stehen aber dennoch uU in Konkurrenz mit dem Nachbarrudel, wenn die Schafe zB genau in dem Areal angesiedelt sind, wo sich Reviergrenzen überschneiden.
    Zack - Jagdruck vorhanden.

    Siedelt man nun ein Rudel um, kann das zwar uU den Jagddruck verringern (wenn kein anderes Rudel nachrückt), aber es ist ja uU noch immer der Fall, dass das Rudel auf Schafe spezialisiert bleibt und auch das umgesiedelte Rudel wird sich nicht zwingend nicht mehr von Nutztieren ernähren...

    Ich könnte mir zwar durchaus vorstellen, dass eine Entzerrung der Rudel in einigen Gebieten zumindest dahingehend "Erfolg" bringen, dass weniger Nutztiere gerissen werden, aber wohin will man denn nen komplettes Rudel versetzen und vor allem, wie will man ein komplettes Rudel einfangen?

  • Aber ist es wirklich arttypisch, dass immer wieder mehrere Tiere gerissen werden ohne einen wirklichen "Bedarf" zu decken? Ist es wirklich noch arttypisch, dass diese Tiere weit in Siedlungen vordringen?

    Ein/zwei Tiere reißen kann ich da noch drunter verstehen, aber mal spitz gesagt 20 Stück auf einmal?

    Das stimmt, das hat mich bei Berichten auch immer sehr gewundert. Aber Berichte in den schießen auch mal vorschnell raus, bevor überhaupt per DNA untersucht ist, dass es sich um Wolfsrisse handelt. Andererseits, und da habe ich wirklich zu wenig Wissen...unerfahrene Jungwölfe, die erstmal nur Jagderfahrung sammeln wollen? Schliesslich muss man auch bedenken, dass ein bei einem normalen Riss im Wald ja maximal ein Reh zur Zeit erbeutet wird. Auch bei Rudel konzentrieren sie sich ja eher nur auf ein Einzeltier aus einem Sprung. Der Rest des Sprungs bleibt ja nicht in der Nähe stehen und guckt zu, sondern ist dann entsprechend weg. Bei Nutzvieh siehts ja anders aus. Die können nicht weg, bleiben in irgendeiner Ecke stehen und gucken bedröppelt zu...ich denke, dass dieses Verhalten auch schnell zu einer neuen Jagdgelegenheit triggert.

    Vor ein paar Tagen war bei uns in der Nähe ein "angeblicher" Wolfsriss bei 5 Schnucken. Der Bericht ist da, bevor überhaupt feststeht, dass es ein Wolf war. Gerade in Siedlungsnähe, was ja die Kritik ist, könnte es genauso gut ein/mehrere Hunde gewesen sein. :ka: Schafe bei Rettmer gerissen - LZonline

  • Zum Thema Blutrausch: hört euer Hund auf, einem Ball nach zu hetzen, nur weil er gerade einen gefangen hat?

    Jagdtrieb ist, bei Hund wie Wolf eine Instinkhandlung. Ist der Reiz da, wird ihm nachgegangen. Ist er weg, halt nicht mehr.
    Bei Wölfen wie bei Hunden gilt, sich bewegende Beute ist spannender als tote Beute.

    Jagt der Wolf ein Rudel Rehe und erwischt eins, sind die anderen über alle Berge, wenn er nach dem Riss hochguckt.
    Springt er über einen Zaun in eine vernünftig gesicherte Schafherde, nun, wo sollender Schafe hin? Die sind gefangen. Der Reiz bleibt.

  • Tja, nur wer entscheidet das, wann ein Wolf "gefährlich" ist?

    Das brauch niemand zu entscheiden - das ist so. Ein Prädator dieser Größe ist per se gefährlich. Punkt. Das ist ein Wildschwein genauso.

    Was die offiziellen Stellen aber klar definieren müssen, ist, wann diese, ich nenn es mal "Grundgefährlichkeit" ein Problem darstellt.
    Und da gibt es doch schon gute Ansätze, klare Entscheidungskriterien zur Verfügung zu stellen.

    Als Beispiel:


    Auch "Problemverhalten" in Sachen Nutztierrissen lässt sich doch relativ klar definieren.
    Ein Wolf ist mit Sicherheit kein Problemwolf, wenn er ungeschützte Schafe reisst.
    Wird nach diesem Übergriff aber der Herdenschutz aufgerüstet und der Wolf kommt immer wieder und wieder, wird er ein Problem-Wolf, weil er sich durch Herdenschutzmaßnahmen nicht mehr abhalten lässt. Da müssen s. g. Verteidigungsabschüsse machbar sein. Sonst bricht das ganze wackelige Konstrukt in sich zusammen.
    Das Celler Rudel ist für mich ein klar definiertes Problemrudel - wer 1,20 E-Zaun plus Flatterband überspringt, stellt in Sachen machbarem Herdenschutz ein Problem dar. Beim Rosenthaler Rudel z. B. hat es damals geklappt mit dem Flatterband, die Übergriffe auf die Herde haben aufgehört. Es waren allerdings auch nicht mehr viele Schafe davon übrig.
    Auch das Cuxland-Rudel mit seinen zahlreichen Rinderrissen ist ein Problem-Rudel. Alle Rinderflächen im Cuxland wolfsabweisend einzuzäunen, ist bei diesen Flächengrößen finanziell für niemanden machbar. Weder für die Tierhalter selbst, noch für das Bundesland Niedersachsen. Nicht mit diesen Förderrichtlinien, da nützt auch die Aufstockungsbewilligung durch die EU nichts. Das zur Verfügung stehende Geld für den Herdenschutz reicht nicht. Punkt. Da, wo diese Gelder nicht reichen, müssen andere Maßnahmen her, wenn es zu verstärkten Übergriffen auf Nutztieren kommt.
    Auch gibt es tatsächlich Regionen, wo es höhere Werte als den Wolf gibt - auch hier wieder ist das Cuxland ein gutes Beispiel, Stichwort Deichschutz. Dort ist der Herdenschutz nicht so wie nötig machbar - Wölfe, die sich da an den Schafen vergreifen, sind Problem-Wölfe. Weil sie die Deichsicherheit gefährden.

    Solange der Herdenschutz von offiziellen Stellen aus nicht intensiviert wird, gehören solche "Herdenschutz-Problem-Wölfe" aus meiner Sicht abgeschossen. Meiner Meinung nach hat die Gesamt-Population der Wölfe da deutlich mehr von, als "schwarze Schafe" unter den Wölfen, die das Zusammenleben unmöglich machen, auf Deibel komm raus mitzuschleifen.

    Herdenschutz muss sein, ja, aber er muss auch machbar und finanzierbar bleiben.
    Es gibt genügend Wölfe, die zeigen, dass sie sich von relativ problemarm durchführbaren Herdenschutzmaßnahmen von den Nutztieren fern halten lassen.
    Die, bei denen das nicht funktioniert, müssen erschossen werden. Und auf gar keinen Fall dürfen sie sich auch noch vermehren und ihre Erfahrungen weiter geben.

    Um zu sehen, welche Rudel Probleme machen, kann man z. B. einzelne Rudelmitglieder besendern.


    Aber ist es wirklich arttypisch, dass immer wieder mehrere Tiere gerissen werden ohne einen wirklichen "Bedarf" zu decken? Ist es wirklich noch arttypisch, dass diese Tiere weit in Siedlungen vordringen?

    Das ist das s. g. surplus killing - das Thema hatten wir hier schon mehrfach.
    Ursache dafür ist, dass bei eingezäunten Weidetieren, die in Panik hin- und herrennen, die einzelnen Abschnitte der Jagd immer wieder aufs Neue ausgelöst werden. Während Wölfe also grad ein Schaf niederreisst, wird die Jagdsequenz "hetzen" durch die rumrennenden Schafe immer wieder aufs Neue ausgelöst. Und der Wolf packt dann eben immer wieder und wieder zu. Bis die übrigen Schafe sich z. B. irgendwo in einer Weideecke zusammendrängen. Erst dann kann der Wolf in Ruhe fressen.
    Gruppe Wolf Schweiz - KONFLIKTE : SCHÄDEN AN NUTZTIEREN

    Übrigens könnten sich Wölfe ja theoretisch dann über Tage hinweg von den gerissenen Schafen ernähren - man läßt sie bloss nicht.

    LG, Chris

  • Danke für die Infos!

    Bin halt wirklich Neuling auf der Sparte und kann mit dne offiziellen Sachen nicht so wirklich was anfangen.

  • Vor ein paar Tagen war bei uns in der Nähe ein "angeblicher" Wolfsriss bei 5 Schnucken. Der Bericht ist da, bevor überhaupt feststeht, dass es ein Wolf war. Gerade in Siedlungsnähe, was ja die Kritik ist, könnte es genauso gut ein/mehrere Hunde gewesen sein. Schafe bei Rettmer gerissen - LZonline

    Wie wahrscheinlich ist es denn, dass Wolfsrudel in ihrem Territorium "Hunde-Rudel" tolerieren?

    LG, Chris

  • Auf Dauer tritt ein Gewöhnungseffekt ein, ähnlich wie bei Lappenzäunen und Co, deren "Wirkungsdauer" in Tests von einigen Tagen bis hin zu drei Monaten anhält. Danach haben die Wölfe es raus, dass ihnen dadurch nichts passiert.

    Das leuchtet ein, Chris, aber würde ein Wolf das Licht nicht mit dem Schmerz von einem Schock assoziieren? Dann würde das Licht ihn ja im Dunkeln ja nur darauf hinweisen, wo der Zaun ist, der ihm vielleicht schon einmal Schmerzen bereitet hat. Und ich weiß, dass Zäune Wölfe auch nicht immer abhalten, aber je mehr man macht, desto besser, oder?

  • Wie wahrscheinlich ist es denn, dass Wolfsrudel in ihrem Territorium "Hunde-Rudel" tolerieren?
    LG, Chris

    Naja, es gibt ja keine freilebenden Hunderudel...zumindest hier im LK Lüneburg. ;) Aber das Nutztierrisse von Hunden stammen können, ist ja hinreichend bekannt. Warum diese Hunde jeweils die Gelegenheit hatten, ist mir zwar auch ein Rätsel, aber unverantwortliche Hundehalter gibt es ja zuhauf.

  • Das leuchtet ein, Chris, aber würde ein Wolf das Licht nicht mit dem Schmerz von einem Schock assoziieren? Dann würde das Licht ihn ja im Dunkeln ja nur darauf hinweisen, wo der Zaun ist, der ihm vielleicht schon einmal Schmerzen bereitet hat. Und ich weiß, dass Zäune Wölfe auch nicht immer abhalten, aber je mehr man macht, desto besser, oder?

    Ich halte das für doppelt-gemoppelt. Wölfe sind mit Sicherheit "pfiffiger" als unsere Hunde und meine Hunde wissen, auch bei Zwischenzäunen, die nur vorübergehend da sind, immer sehr gut, wo die Zäune sind, ohne jedes Mal im Dunkeln dagegen zu donnern. "Zaun = Aua" können die Wölfe auch ohne Lampen verknüpfen. Eine zusätzliche Absicherung bringen die Lampen da nicht. Ich würde mir solche Dinge für besondere Momente aufbewahren wollen - zur Lamm-/Kalbezeit, um zusätzliche Irritationen bei den Wölfen zu schaffen, z. B. Oder, wenn es in der unmittelbaren Nachbarschaft aktuell einen Riss gab. Solche "Irritationen" halten nie allzu lange an, deshalb sollte man sie nur einsetzen, wenns wirklich angebracht ist.

    Naja, es gibt ja keine freilebenden Hunderudel...zumindest hier im LK Lüneburg.

    Eben. Und es wird auch nur wenige Streuner geben. Entweder haben sie sich verzogen, oder sie sind bereits tot.

    Aber das Nutztierrisse von Hunden stammen können, ist ja hinreichend bekannt.

    Ja, können sie. Aber die Häufung von angeblichen Hunderissen immer dann, wenn sich in einer Region die Wölfe ausbreiten, ist schon arg auffällig. Und Risse durch Hunde in einer bereits etablierten Wolfsregion sind einfach noch unwahrscheinlicher. Wölfe dulden noch nicht mal durchwandernde Artgenossen in ihrem Territorium. Wenn da ein Hund regelmäßig des nachts wildern ginge, würden sie ihm bald erzählen, wo der Bartl den Most wegholt.

    LG, Chris

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