Echte Wölfe und blöde Fragen

  • Solche guten Tierhalter und Landwirte brauchen wir und nicht solche, die nur rumjammern und glauben, sie wären allein auf der Welt und die Welt (Flächen/Tiere/"Verbraucher") wäre nur ihre Produktionsgrundlage (Stichpunkt "nützlich/"schädlich"/"was habe ich davon").

    Das ist eine ziemlich voreingenommene und sehr einseitige Sicht auf die Landwirtschaft und die landwirtschaftliche Tierhaltung, die ich nicht teilen kann.
    Ich hatte bereits 2 x zu einer Antwort angesetzt, in der Zwischenzeit haben @nepolino , @Nocte und @Quarus praktischerweise schon in auch meinem Sinne geantwortet.

    Ein wichtiger Aspekt fehlt mir noch - nämlich die Relation von überhaupt zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzfläche und der Bevölkerung, die von dieser ernährt werden muss.

    Wenn man die in D zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche (die Zahlen sind problemlos im Netz zu finden) im Zusammenhang mit der Einwohnerzahl sieht, stellt man fest, dass es pro Einwohner Deutschlands etwa 1500 m² Ackerfläche und etwa 600 m² Grünland zur Versorgung gibt, um das Bedürfnis nach Ernährung, das dazu nötige Tierfutter und Bio-Energie zu füllen.
    Würde man versuchen, sich auf solchen Flächengrößen selbst zu versorgen, würde man feststellen, wie schwierig das ist, aus dem wenigen an Land das herauszuwirtschaften, was man für ein Jahr benötigt.
    Es ist ein Dilemma, das uns alle trifft. Ohne nennenswerte Alternative führt momentan noch kein Weg daran vorbei, einen grossen Teil der landwirtschaftlichen Flächen konventionell zu bearbeiten, inklusive Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen, inkl. all dem, was man bereits jetzt mit grosser Skepsis betrachtet und was oftmals Folgen hat, die man erst im Verlauf absehen kann. Alles bio wäre sicher wünschenswert, ganz besonders in der landwirtschaftlichen Tierhaltung - funktioniert aber nicht, weil dann die Erträge im Ganzen (es gibt einige Bereiche, in denen wir in D so viel anbauen, dass wir es exportieren, dafür aber andere, in denen wir auf den Import angewiesen sind) nicht mehr für alle genügen würden. Das ist ein Dilemma, das nicht allein über die Landwirtschaft zu lösen ist und vor allem eines, für das man nicht allein die Landwirtschaft verantwortlich machen kann.

    Herdenschutz ist nicht immer so leicht machbar, wie es gern dargestellt wird. Und ob die als Grundschutz definierten Maßnahmen tatsächlich effizient sind oder nicht, hängt immer ein wenig von den Wölfis in der Region ab. Wenn von den Tierhaltern, egal, ob gewerblich oder privat, erwartet wird, sehr viel Geld, Zeit und Arbeit in den Herdenschutz zu stecken und zwar nicht nur, um einen Zaun einmal zu bauen und einmal Hunde zu kaufen, sondern auch, um den Zaun regelmäßig zu warten, ihn freizumähen und Ausbildung und Unterhalt für die Hunde zu leisten, dürfen die auch schon mal jammern, auch die, die noch gar nicht damit angefangen haben, aber eine ziemlich genaue Vorstellung davon haben, was auf sie zukommt. Das ist nämlich ein Haufen Arbeit, ein Haufen Zeit und ein Haufen Geld, der dabei drauf geht. Und für manche Tierhalter war dieser Haufen Arbeit, Zeit und Geld noch dazu umsonst, nämlich dann, wenn man - wie die Rinderhalter in Lamstedt - feststellen muss, dass der von Experten vorgeschlagene Zaun genau gar nichts hilft. Viele Tierhalter sind einfach dabei zu resignieren. Denn natürlich verfolgt man, wie "es" woanders läuft und stellt fest, dass es niemals einen wirklich sicheren Schutz vor dem Wolf geben wird. Ausser natürlich, man sperrt die Nutztiere ein. In gemauerte (!) Ställe - hier in Oberfranken allerdings gibt es die fast gar nicht, hier wird traditionell mit Holz gebaut. Die Ertragsmöglichkeiten in der Schaf- und Mutterkuh-Haltung sind eher gering. Jeder weitere erhebliche Kostenfaktor und das ist der Herdenschutz, kann da die Weiche zur endgültigen Aufgabe stellen.

    Grad Herdenschutz in der Mutterkuhhaltung kann immer nur ein Kompromiß sein - weder lassen sich die entsprechenden Flächengrößen wolfssicher einzäunen, noch ist das auf allen genutzten Flächen tatsächlich auch so erlaubt oder gar möglich.

    selbst der Weidezaundraht muß zum Vegetationsende abgebaut werden.

    Da würde ich bei den von Dir genannten Flächengrößen vermutlich ein halbes Jahr für brauchen. :lol:

    Das extrem kopfstarke Rudel in Brandenburg macht mir wirklich Sorgen - wenn sich das auch in den übrigen Wolfsgebieten so entwickelt in Zukunft, dann weiss ich nicht, wie da der Herdenschutz noch aussehen soll. Wir sollten allmählich anfangen, gute HSH zu klonen, soviele kriegt man doch sonst gar nicht zusammen. Und ich weiss auch nicht, wie da das Leben in den Dörfern in solchen Regionen künftig noch aussehen soll.

    LG, Chris

  • wo ist denn die Trennung zum Hobbyhalter?Ntürlich sind nicht alle Hunde geeignet. DU schreibst von Größenordnungen im zwei und dreistelligen bereich, ok, hier hane die Schäfer so um die 800 Tiere, also deutlich im dreistelligen Bereich, aber keine Hobbyhaltung. Der Verdienst hat setzt sich nicht aus dem reinen Wert der Tiere zusammen, sondern der Schäfer wird hauptsächlich für sein Tun bezahlt, hab ich weiter oben ja schon angeführt. Der Schäfer ist Landschaftspfleger und sollte so bezahlt werden

    Die Trennung ist vielfältig - von Gewinnerziehlungsabsicht über Herdengröße bis BG-Pflicht. Mal platt gesagt, kann die Tierhaltung einen nicht ernähren oder sich selbst auch nur bei +/- 0€ tragen, ist es Hobby. Wäre schön, wenn Schäfer überall für ihre Arbeit bezahlt würden, es ist aber nicht so. Selbst die Landschaftspfleger bekommen nicht immer Geld. Wir bekommen keinen Cent dafür und andernorts gibt es nur noch teure Pachtweiden. Mal zum Vergleich. Meine Miniatur-Winter-Weide, fest eingezäunt hat 6000m². Ich habe selbst eingezäunt, Strom, Zufahrt, Wasser - Fehlanzeige. Die kostet im Jahr 400€ Pacht. Dazu kommen Tierseuchenkasse, BG, Kosten für Ohrmarken, Kosten für den Tierarzt (z.B. Entwurmung), Tierkörperbeseitigung ab und an, Winterfutter, Mineralleckmassen, Salzlecksteine, Transportkosten, Kosten für Strom, Zaunzeug, Wartung, Fleischbeschau (bei uns 40€ pro Stück), Schlachter u.s.w. Dem stehen ab und an mal Einnahmen gegenüber, wenn ein Tier verkauft wird. Unsere Tiere sind aber klein und z.B. für die Skudden gibt keiner mehr als 30 - 40€ aus. Was natürlich nicht gerechnet wird, ist meine Zeit, die ich beim Zaunbau, beim Umsetzen, der Pflege, dem Scheren etc. investiere. Wirtschaftlich ist da gar nichts und auf meinen Pflegeflächen kann ich nicht nur keinen Untergrabschutz bauen, ich darf es auch nicht. Ich darf nur Netze nutzen und muss diese natürlich mit der Herde auf- und abbauen. Jegliche feste Einzäunung untersagt. Im Uferbereich ist es noch schwieriger. Der Uferbereich ist kritisch, wenn es um wolfssichere Zäune geht, aber genau da dürfen große Weidetiere nicht hin - also auch keine Esel und wo immer das in der Hochwasserauslaufzone liegt, darf nicht einzegäunt werden, von Untergrabschutz ganz zu schweigen. Während auf meiner einen Pflegefläche der Untergrabschutz nicht so dringend nötig wäre, da es eine Kargweide ist, die auf einer Steinsohle steht, wäre genau im weichen Uferbereich sowas wünschenswert. Und nun? Wir dürfen nur Zäune bzw. Netze benutzen, die keinen effektiven Wolfschutz darstellen. Das kann ich mir auch mit den vorgelagerten Litzen nicht schön reden. Herdis kommen nicht in Frage. Reicht die Dichte an menschlichem Besuch nicht mehr aus und die Siedlungsdichte auch nicht, um die Verlustzahlen nicht über unsere derzeitigen Risszahlen steigen zu lassen, dann werden wir die Haltung eindampfen. Das hat dann zur Folge, dass ein paar Ein-Euro-Lohnsklaven mit Motorsensen im Uferbereich rumklettern müssten, wofür aber keiner bislang je Zeit gefunden hätte. Genau darum haben wir ja die Ufer beräumt und pflegen sie. Ob die Ein-Euros überdies freiwillig durch Wolfs- und Luchsland klettern sei mal dahin gestellt.

    Fakt ist, dass in so manchem ländlichen Siedlungsgebiet ein Leben mit dem Wolf nicht ohne Weiteres möglich sein wird. Es gibt bereits erste Dörfer, in denen die Menschen bestimmte Bereiche als "Sperrzone" betrachten müssen. Jedes alleinstehende Haus wird mit Wölfen in der Nachbarschaft kaum mehr freiwillig bewohnt werden. Es muss umgedacht werden beim Thema, wieviel Vergrämung erlaubt sein darf und welche Rudelgröße wo angemessen ist. Hobbyhalter und kleinere Weidehaltungen sind lediglich Kollateralschäden.

  • @ Nocte

    hier scheint es anders auszusehen, die Schäfer, in der Großregion Aachen, können davon leben nicht besonders gut, aber es scheint zu gehen. Die Städteregion Aachen zahlt für die Beweidung, die EU gibt was dazu. Flächen werden kostenlos zu verfügung gestellt, das ist eine win-win Situation. Auch im Nationalpark werden so Flächen freigehalten, erst recht in NSGs

  • Die Wölfe dort scheinen sich auf Rinder spezialisiert zu haben:
    Wolf reißt tragendes Rind in Armstorf

    Der Wolf oder die Wölfe trieben die Herde auseinander und hetzte sie über einen Kilometer. Das tragende Rind flüchtete in einen Graben, wo es getötet wurde.

    Gar nicht weit soll (!) am WE auch ein Kalb gerissen worden sein - das ist allerdings eine noch unbestätigte FB-Meldung, allerdings mit Bild vom toten Kalb.

    Vor ein paar Tagen hab ich noch gefragt, ob Lamstedt das 2. Wietzendorf wird. Ich sage mal: Es ist es schon. Ich hoffe nur, dass die Förderkulisse für den Herdenschutz auch dort auf Rinder ausgeweitet wird.

    Diese Entwicklung macht mir grosse Sorgen.

    LG, Chris

  • Die Wölfis haben es definitiv raus wies funktioniert. :/

    Was ich so inoffiziell mitbekomm... Tatsächliche Risse und die Risse, die in der Zeitung auftauchen, ist ein großer Unterschied. Auch weil teilweise die Landwirte erst gar nicht melden, teils weils unter den Teppich gekehrt wird.

  • Die Wölfis haben es definitiv raus wies funktioniert. :/

    Was ich so inoffiziell mitbekomm... Tatsächliche Risse und die Risse, die in der Zeitung auftauchen, ist ein großer Unterschied. Auch weil teilweise die Landwirte erst gar nicht melden, teils weils unter den Teppich gekehrt wird.

    Das Melden ist für einen Teil von uns der Mühe nicht Wert. Erstens, weil Du einen Haufen Aufwand hast, bis einer kommt, die Proben nimmt und so weiter und zweitens, weil man eh nicht entschädigt wird, wenn man z.B. nicht BG-pflichtig ist oder wie so oft gesagt wird, dass dir wegen XYZ keine Entschädigung zustünde. Ergo hast du Aufwand, Zeitverlust, bekommst eh keine Entschädigung, hast aber schlafende Hunde geweckt und zusätzlich noch ein paar durchgeknallte Wolfsromantiker, die so gar nicht verstehen, dass man das grad nicht nett von Wölfi findet, dass es statt der Rehe deine Tiere tötet.

  • Find ich auch vollig verständlich. Würde ich vermutlich nicht anders handhaben. Für die öffentlichen Zahlen natürlich schon ungünstig. Verzerrt die Realität sicher enorm. Aber wenn ich höre, dass offiziell zb 5 Wölfe in Region x gelistet sind, obwohl die zuständigen Wolfsbeauftragten von mindestens 30 zb ausgehen.. Das selbe Thema wie mit den DNA Spuren. :pfeif:

  • Noch ein interessanter Bericht dazu:
    Cuxhaven: Wolf reißt trächtiges Rind | Jawina

    Auf Dauer wird sich der maximale Schutz des Wolfes nicht mit der für den Agrarstandort Niedersachsen existentiellen Weidetierhaltung
    vereinbaren lassen“, so Angermann.
    Mit der Förderung von Präventionsmaßnahmen allein werde sich das Problem jedoch nicht lösen lassen, betont der CDU-Wolfsexperte: „Die Weide, auf der das Tier angegriffen wurde, liegt im Kerngebiet der niedersächsischen Milchproduktion. In einem Umkreis von 50 Kilometern befinden sich rund 180.000 Hektar Grünland. Die Kosten für eine grundlegende Prävention würden bei mehr als 100 Millionen Euro liegen. Das ist utopisch.“
    Angermann weiter: „Dauerhaft wird Niedersachsen nicht um wirksame Maßnahmen zur Bestandsregulierung umhin kommen.

    Meine Stimmung in Sachen Wolf ist grad........sehr gedämpft.

    LG, Chris

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