Echte Wölfe und blöde Fragen

  • Leider habe ich auch schon gehört/gelesen usw., dass gefangene Wölfe als Sparringpartner benutzt werden.


    Gesehen in Videos habe ich wenn, dann eher das „Testen“, ob sich der HSH eher ängstlich oder eher offensiv/selbstbewusst benimmt gegenüber einem Wolf. HSH, die Angst vor Wölfen haben, sollten eigentlich weder an die Herde noch in die Zucht. Der Wolf ist dabei im Gehege/Käfig und weder Hund noch Wolf werden verletzt (super toll ist das für den Wolf meist trotzdem nicht und eine ganz schöne Quälerei, aber eben ein wirksamer Test.


    Aggression gegenüber Fremdhunden ist eher von Vorteil, da ein Wolf, genau gesehen, auch ein „Fremdhund“ ist. Aggression gegenüber Menschen ist beim Owtscharka erwünscht, beim Kangal unerwünscht. Aber gegenüber fremdem Raubzeug müssen sie scharf sein! Ein HSH und seine Aggression müssten anders bewertet werden, damit man hier mit den HSH an der Herde richtig arbeiten kann; richtiges Verhalten gegenüber HSH an der Herde z.B., damit man weniger einzäunen muss - HSH arbeiten eben ohne Zäune am besten. Man muss das Risiko der Gefahr in Kauf nehmen, wenn man einen solchen Beschützer einsetzt. Und ja, die Forderung, dass ein (Herdenschutz-) Hund zivilisiert und stets ungefährlich sein muss wäre in Wolfsland schlicht absurd. Aus diesen Gründen ist der HSH dann wohl leider keine Patentlösung für den Wolf in Deutschland...

  • Übrigens, wer wirklich tieferes Interesse hat: das polnisch-deutsche "Handbuch Wolf" von Henryk Okarma und und Sven Herzog ist seinen vergleichsweise hohen Preis wirklich wert. Tolle, umfassende Lektüre.

    Wirklich toll das Buch! Mit 45 Euros, wirklich kein Schnäpperkin, aber jeden Euro wert.

    Ich hätte schon alle guten Bücher über den Isegrimm. Aber das ist wirlich sehr empfehlenswert.

    Danke für den Tipp.

  • Wie würde das (unter den besten Bedingungen) aussehen? Kannst Du dieses "Kampfüben" zwischen Herdenschutzhund und Wolf ein bisschen beschreiben?

    Da wurde in der Zwischenzeit schon einiges geschrieben - in Freiweide, also ohne Zaun drumrum, sehen die Interaktionen zwischen Wölfen und Hunden vollkommen anders aus als, als bei HSH, die hinter Zaun arbeiten müssen.

    Anderswo werden durchaus auch Jungwölfe gefangen und den Hunden vorgeworfen - das ist brutal. Es gibt im Netz Videos davon - aber ich verlinke sowas nicht. Es ist widerlich.

    Hier in D sind die Hunde im Zaun gefangen und werden über kurz oder lang den Wölfen vorgeworfen. Das ist ebenfalls brutal.

    Richtige Hunde-Teams fangen ab 10 aufwärts an. Da muss man sich nichts vormachen.

    Bei 2-er-Teams sind nichtmal alle verfügbaren Positionen der Arbeitsaufteilung besetzt. Die wichtigsten davon sind Melder, Steller, Herdenhunde.

    Wenn nur 2 Hunde da sind und 2 Ablenkungs- Wölfe am Zaun stellen, ist die Herde in ihrem Rücken vor dem 3. und 4. Wolf, die von hinten kommen, ungeschützt. 1 Hund allein braucht am Zaun gar nicht antreten.


    Laut Buschfunk ist dieses Mini-Rudel zu Viert unterwegs.


    Jean Marc Landry forscht sehr intensiv zum Thema Herdenschutz mit Hunden - von ihm stammen zahlreiche Nachtaufnahmen von HSH in Freiweide, einige davon findet man hier:

    https://www.ipra-landry.com/re…eferences/videos-canovis/

    Die Seite ist auch sonst sehr interessant.


  • Danke!


    Seltsamerweise hab ich ich dusslige Vorstellungen im Kopf, wenn ich an die 'freie' Begegnung Wolf und Herdenschutzhund denke. Ich frage mich, wie die sich finden, "erkennen" ... und ist da ein Respektvorsprung, den HSH einem Wolf gegenüber haben, weil der körpersprachlich sozusagen die Ursprache spricht? Gibt's notorische Missverständnisse?

    All so krauses, romantisches Zeugs eben. ;-)

  • Seltsamerweise hab ich ich dusslige Vorstellungen im Kopf, wenn ich an die Begegnung Wolf und Herdenschutzhund denke. Ich frage mich, wie die sich finden, "erkennen" ... und ist da ein Respektvorsprung, den HSH einem Wolf gegenüber haben, weil der körpersprachlich sozusagen die Ursprache spricht? Gibt's notorische Missverständnisse?

    All so krauses, romantisches Zeugs eben. ;-)

    Meine zeigen die Präsenz grosser Beutegreifer im Umfeld sehr deutlich an. Luchs und Wolf.

    Dann grollen sie nur noch.

    Auf optisch wolfsähnliche Hunde reagieren sie nicht so. (Fragt mich jetzt nicht, wie sie auf xy%-Wolfhunde reagieren, das weiss ich nicht.)

    Die wissen das also ziemlich genau.


    Die Mutterkühe wussten damals, bevor die Mc`s da waren, auch, wenn ein Durchzieher in der Nähe war.

    Und die Rinder reagieren auch jetzt auf dieses Grollen der Hunde und halten sich dann mittig auf den Weideflächen auf.

    Das dürften genetisch verankerte Ur-Instinkte sein.

  • Naja der HSH verteidigt seine Herde. Und man erkennt doch an der Körpersprache was wer will.

    Hunde und Wölfe sprechen schon gemeinsam.

    Als Mensch kann man (wenn man da erfahren ist) auch von hinten sehen, was das Schätzelein vorne an der Leine grad zum entgegenkommenden Fiffi sagt.

    Und man erkennt mit Erfahrung, wann ein Hund jagen will, oder sogar schon jagt, oder auskundschaften ist. Das sehen auch die Beutetiere.

    Es gibt massenhaft Videos von Antilopen und Löwen ect am Wasserloch, die nebeneinander saufen.

    Die Tiere untereinander sehen das auch. Die Körpersprachej erzählt das. Mit jeder Mimik und Gestik.

    Und dann der Geruch und auch das Heulen der Wölfe zeigt den HSH die Anwesenheit. Die Hunde wissen, wenn ein Wolf anwesend ist.


    MEINE verhalten sich mit dezentem und sehr schnellem Rückzug. Also Angst

    Die Kangals von Chris zeigen die Anwesenheit der Wölfe mit deutlichem "Abwehrverhalten" (das ist das Knurren....Krach machen...Melden) und mitnichten Angst. Eher erhöhte Wachsamkeit.

    Dann gibt es die auf "null-Aggression" gezogenen Jagdthunderassen, die wohl eher nicht checken, dass ihnen Gefahr droht und evt. noch fideln mit dem Wolf.


    Und dann ist es eben Selektion durch Zucht.

    Im Gegensatz zum HSH, gibts ja den "Wachhund", der bewacht das Grundstück. Das muss man dem auch nicht antrainieren, der will keine Briefträger auf "seinem" Hof und schnackt da nicht lang rum.

    Und dann gibts noch den Border, der ja auch mit seiner Herde kommuniziert, und sie ebendso jagd, wie der Wolf. Nunr dass er das Vieh dann nicht tötet. Und Vieh merkt sofort, wer wie guckt, egal wie weit weg.


    Deine Frage ist leicht zu beantworten.

    Der Wocf möchte etwas, was dem HSH "gehört". Bestenfalls werden die HSHs ja mit dem Vieh sozialisiert. Es wäre also vergleichbar damit, dass der Wolf den Sozialpartner des HSHs töten möchte.


    Auch hier wieder, warum beschützen manche Hunde ihre Besitzer? Und warum laden manche Hunde Fremde gerne in ihr Wohnung ein und andere nicht.


    Es liegt in der Genetik. Und die Wolfssprache (ich müsste jetzt gänzlich flasch liegen) die ist ja zumindest weitestgehend identisch mit Hundesprache. Es gibt Hunderassen, die können das nicht mehr lesen und auch nicht mehr kommunizieren. Aber das sind die Ausnahmen (Mops und Co als Beispiele) (Labbis nehme ich wieder raus, weils noch mal komplizierter ist, weil hier ja die Aggressivität "wegselektiert" wurde.)

    Und dann kommt zur Genetik immer die Erfahrung hinzu.


    Bei jedem Mensch und Tier.

  • Hier ist eine ähnliche Spaziergänger mit Hund-Wolfsbegegnung wie neulich im Burgdorfer Holz beschrieben:

    https://www.nordkurier.de/ueck…-verfolgt-1742461602.html

    Ich finde, die HH hat sich sehr besonnen verhalten.


    Ein gerissenes Kalb im Pegnitztal/BY:

    https://www.nordbayern.de/regi…ar-es-der-wolf-1.10847403

    Von diesem Riss habe ich ein Video gesehen, das war ein sehr emotionales Video vom Landwirt, der mit der Kamera die Pfotenabdrücke langgelaufen ist.

    Aufgrund des Gewackels konnte man nicht viel sehen - mir kamen die Abstände der Trittsiegel aber sehr gering vor. Ich hab hier ja täglich Fuchsspuren neben den Kangal-Spuren vor Augen.

    Dazu das Rissbild selbst: die Ohren des Kälbchens abgerissen, ein Frass-Loch am Rücken neben der Wirbelsäule. Der Bauch intakt. Das Fell des Kälbchens war noch "krüschelig", es war von der Mutterkuh noch nicht trockengeleckt, wie es scheint. Die Klauen konnte man auf dem Video nicht sehen - die sind zur Geburt mit einer schützenden Schicht umzogen, damit die Geburtswege nicht verletzt werden. Sobald das Kalb das erste Mal steht, sieht man das den Klauen sofort an. Bei den starken Minusgraden zum Geburtszeitpunkt könnte also auch eine Totgeburt oder ein lebensschwaches, gleich verstorbenes Kalb vorgelegen haben.

    Es würde mich nicht wundern, wenn da tatsächlich Fuchs bei der DNA rauskommt. Als Riss-Verursacher oder als Nutzer.


    Solche Artikel stelle ich ein, weil man m. M. n. aus jeder geschilderten Begegnung und auch aus jedem Riss etwas lernen kann. Über Wölfe und über Herdenschutz.


  • Danke, auch an McChris, für eure ausführliche Erläuterung!


    Ich hatte bei meiner Frage auch den Moment der direkten ersten Begegnung vor Augen. "High noon"-Kopfkino quasi. ;)


    Ist da erst drohendes Knurren, Kommentgepose - bei beiden Seiten bzw. das beide Seiten auch problemlos körpersprachlich verstehen? Oder lautloses Anspringen und Verbeißen mit eindeutiger ungebremster Beschädigungsabsicht? Organisieren sich die HSH in einer solchen Situation gegen die Wölfe sozusagen wie ein Rudel bei der Jagd ... also in Formation, mit der Kompetenzaufteilung, die die HSH untereinander haben? (Danke McChris für die anschauliche Schilderung der Arbeitsteilung.) Zeigen sich die Wölfe irgendwie überrascht, wenn sie die HSH vorher nicht gewittert oder gesehen haben und dieser ebenbürtige, innerartliche "Gegner" plötzlich auftaucht - und dann auch noch in Rudelgröße? Ziehen sie sich dann kurz zurück und greifen erneut an, oder ist da gleich der ungebremste Wolfsangriff?


    Aber ich vermute, der obige Linkhinweis ist für solche Fragen sicher auch aufschlussreich, den schau ich mir nachher in Ruhe an. :-)

  • Ich hatte bei meiner Frage auch den Moment der direkten ersten Begegnung vor Augen. "High noon"-Kopfkino quasi. ;)


    Ist da erst drohendes Knurren - bei beiden Seiten? Oder lautloses Anspringen und Verbeißen? Organisieren sich die HSH in einer solchen Situation gegen die Wölfe sozusagen wie ein Rudel bei der Jagd ... also in Formation, mit der Kompetenzaufteilung, die die HSH untereinander haben? Zeigen sich die Wölfe irgendwie überrascht, wenn sie die HSH vorher nicht gewittert oder gesehen haben und dieser ebenbürtige, innerartliche "Gegner" plötzlich auftaucht - und dann auch noch in Rudelgröße? Ziehen sie sich dann kurz zurück und greifen erneut an oder ist da gleich der ungebremste Wolfsangriff?

    Das ist situativ sehr unterschiedlich - Wolfsangriff ist ja nicht gleich Wolfsangriff. Und Hunde hinter Zaun müssen anders vorgehen, als Hunde in Freiweide.


    Das Prinzip beim Herdenschutz mit Hunden beruht ja in der Hauptsache darauf, dass Wölfe von Grund auf auch eine gewisse - absolut sinnvolle - Vorsicht an den Tag legen. Da findet schon ein Art Kalkül statt, ob sich der Aufwand, erst die Hunde auszuschalten, um an ein Beutetier zu kommen, wirklich lohnt, wenn auch die Gefahr der eigenen Verletzung besteht.


    Wirkliche unmittelbare Konfrontationen finden kommunikationslos statt - da gehts nur noch ums Töten. Da wird nicht mehr kommuniziert.



    Hunde, die eine gute Präsenz zeigen, können - so ihre Anzahl hoch genug ist - verhindern, dass Wölfe überhaupt drüber nachdenken, diese Herde anzugreifen.

    Aber Wölfe sind unglaublich schlau.

    Deshalb sind sie in der Lage Gelegenheiten zu erkennen.

    Das kann bei Herdenschutz ohne HSH der Sturm sein, der den Zaun zu Boden drückt.

    Das kann der Nebel sein, der es den Hunden schwer macht, die Wölfe rechtzeitig zu entdecken, weil Nebel auch Gerüche blockiert und natürlich die Sicht einschränkt.

    Das kann das ausführliche Beobachten sein, verbunden mit der Feststellung, dass einer der erfahrensten Hunde grad gesundheitlich angeschlagen ist. Oder das Hundeteam verkleinert wurde, weil 2 läufige Hündinnen vorübergehend a. D. sind.

    Von der Goldenstedter Wölfin wurde glaubhaft berichtet, dass sie beim Aufrüsten des Zaunes zugeschaut hat.

    Es kann in Freiweide das Schaf sein, dass sich zur Geburt etwas von der Herde absondert.

    Das kann das geschickte Ausnutzen von geografischen Gegebenheiten sein - aber auch von Windrichtung und Co.


    Das ist viel zu komplex, um es auf ein "das läuft dann so und so" runterbrechen zu können.


    In den Hunden steckt z. B. "Wolfswetter" auch einfach drin.

    Die sind bei Nebel, Blizzards und sonstigen Unwettern unglaublich angefixt.

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