Echte Wölfe und blöde Fragen

  • Für ein einzelnes oder auch zwei Netze in die BG einzutreten und Papiere auszufüllen, sehe ich eher nicht.

    Dann zahlst Du eh mehr für die BG, als die Netze kosten würden.


    Ich kapier irgendwie nicht so recht, worum es Dir geht, deshalb schreiben wir immer wieder um Haaresbreite aneinander vorbei, glaub ich.


    Im Fall der Goldenstedter Wölfin, siehe Link zur Analyse ihrer Nutztierübergriffe oben, wird festgestellt, dass eben in zahlreichen Fällen kein wolfsabweisender Grundschutz vorhanden war. Für NS ist der klar definiert VORIS Anlage 1: Definition des wolfsabweisenden Grundschutzes für Schafe und Ziegen in der "Förderkulisse Herdenschutz" | 26-22202/05 | Verwaltungsvorschrift (Niedersachsen) | Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen und Zuwendungen zur Minderung oder Vermeidung von durch den Wolf verursachten wirtschaftlichen Belastungen in Niedersachsen (Richtlinie Wolf) | i. d. F. v. 30.11.2015 | gültig ab 30.11.2015 | gültig bis 31.12.2019


    Ich bin einfach nur der Meinung, dass solch ein Grundschutz für Klein-Schafhaltungen problemlos durchführbar ist und auch nicht mit exorbitant hohen Kosten verbunden ist. Noch dazu, wenn eh bereits Netze vorhanden sind.


    Und im Fall der Nutztierrisse der Goldenstedter Wölfin gab es bei 33 von 37 Übergriffen keinen ausreichenden Grundschutz, das kann man in dem Bericht im Kapitel 6. Herdenschutz ab Seite 47 nachlesen - und das ist eben etwas, was ich nicht nachvollziehen kann. Der Grundschutz für Schafe und Ziegen ist nicht unerfüllbar, für Kleingruppen nicht exorbitant teuer und wird doch so wenig angewendet. Und ich frage mich immer noch - warum?


    Nur mal als Rechenbeispiel:
    90-cm-Netze gibt es ab €49,- pro Stück a 50 Meter.
    mobile Zaunpfosten in einer ausreichenden Höhe (1,50, dann liegt das eingespannte E-Band bei 1,30) kosten 20 Stück - ausreichend als Ergänzung für 2 Schafsnetze) 33,90
    250 m 1-cm-Breitband - vom Widerstand her für die Zaunlänge von 100 Metern ausreichend, kosten 7,99.
    Günstiges Weidezaungerät für kurze Zäune - max. 100,-


    Wenn die meisten Schafhalter im Goldenstedter Raum schon einzelne Bestandteile des Grundschutzes haben und nur "nachrüsten" müssten, ist der Kostenaufwand so gering, dass ich mich wirklich frage, wieso man es da einfach abwartend in Kauf nehmen sollte, dass die Tiere gerissen werden.


    Es gab mal einen Zeitungsbericht über 2 ältere Schafhalter, die 2 Schafe in einer mit Maschendraht eingezäunten Koppel stehen hatten. Die haben lieber die Zeitung gerufen und lamentiert (Anlass war ein Schreiben vom Vet-Amt, dass auf den Wolf und dringend nötigen Herdenschutz hinwies), als an die vorhandenen Zaunpfosten einfach Dachlatten anzuschrauben, ein paar Isolatoren reinzudrehen und Litze als Erhöhung und Litze als Untergrabungsschutz zu spannen. Die wollten aus Prinzip nichts zum Schutz ihrer Tiere vor dem Wolf tun und sowas kann ich einfach nicht nachvollziehen.


    Versteh mich bitte nicht falsch - ich finde es auch absolut doof, dass viele Tierhalter aus den Förderprogrammen einfach rausfallen und engagiere mich dafür, dass sich an dem Präventionskonzept etwas ändert, dass früher gefördert wird, dass auch nachträglich gefördert wird, wenn jemand den Herdenschutz vor Ausrufung der Förderkulisse bereits begonnen hat, was ja für alle Nutztierhalter in einer Wolfsregion nur von Vorteil ist und dass eben auch Klein-Gruppen-Halter Fördermaßnahmen beantragen können oder anteilmäßig gefördert wird, wenn jemand auf Nummer sicher gehen möchte und deutlich höhere Netze einsetzen möchte, dann könnte das anteilige Geld für 90-cm-Netze gefördert werden und der Rest geht dann halt auf die eigene Tasche.


    Aber solange das noch nicht so ist, lasse ich doch trotzdem meine Tiere nicht ungeschützt.


    LG, Chris

  • Dann zahlst Du eh mehr für die BG, als die Netze kosten würden.
    Ich kapier irgendwie nicht so recht, worum es Dir geht, deshalb schreiben wir immer wieder um Haaresbreite aneinander vorbei, glaub ich.(...)

    Ich glaube, wir schreiben wirklich aneinander vorbei. Wer stellt denn den nicht ausreichenden Grundschutz fest? Ich sehe in der Landschaft mindestens E-Netze und weit öfter Alcatraz-artige Gehege für Ziegen und so manches Schaf. Bei denen kann ich mir nicht vorstellen, dass der Grundschutz nicht ausreichend gewesen sein soll. Im Grunde kann er doch nur dann nicht ausreichen, wenn die Entladeenergie zu schwach ist oder der Zaun falsch aufgebaut. Genau das hält aber auch die Tiere im Zaun sicher an Ort und Stelle und bewahrt vor so manchem Zauntod. Wieso sollten die Leute nicht so schützen? Gerade Schafe und Ziefen sind für ihre Ausbruchskünste bekannt - ein Festzaun, der nicht im Boden eingelassen oder mindestens zugsicher verankert ist, ist für Schafhalter nahezu undenkbar. Mir erscheint das nicht glaubwürdig.


    Gerade wegen der unmittelbaren Anwesenheit der Wölfin sind in unserer Gegend die Nutztierhalter, Spaziergänger etc. seit Monaten alarmiert. Jeder warnt den anderen und eigentlich hat keiner mehr Tiere draußen, wenn sie nicht durch Strom, die Hofhunde oder einen stabilen Zaun geschützt sind. Bei Großtieren sieht es anders aus. Die stehen wie vorher in ein paar Litzen oder drinnen. Unser Nachbar z.B. hat seine Rinder gar nicht mehr draußen. Die Weide mit Zaunzeug nachzurüsten, wäre zu teuer. Bei unserem Riss schwören die Nachbarn Stein und Bein, einen Wolf gesehen zu haben. Das kann ich mir nicht vorstellen, aber das Schaf (Zwergschaflamm) war komplett verschleppt und ist nie wieder aufgetaucht. Es können also keine Spuren gesichert werden und Trittsiegel egal wofür gab es wegen des Starkregens eh nicht.



    Deine erste Frage war ja, warum manche keinen Grundschutz haben und da sehe ich verschiedene Gründe:


    - das, was als ausreichend erachtet wird, ist es in der Tat nicht und darum machen sich die Leute die Mühe nicht
    - die Leute zäunen Tiere ein, deren Grundschutz nicht gefördert wird, aber die laufenden Meter an neuem Zaun sind sehr teuer
    - die Leute haben baurechtliche Probleme (Eingraben oder Festzaun nicht gestattet)
    - die Leute haben nicht genug Zeit für die Mehrarbeit (Im Winter den Schnee um den Zaun wegschaufeln)
    - oder sie hoffen einfach drauf, dass der Wolf nicht vorbeischaut

  • Wer stellt denn den nicht ausreichenden Grundschutz fest?

    Hast Du Dir den Link zur Analyse der Nutztierrisse durch die Goldenstedter Wölfin mal angeschaut - da sind die einzelnen Risse ausführlichst dokumentiert. Bei Frank Faß weiß ich aus Telefongesprächen, dass er zwar "pro Wolf" ist, aber er arbeitet sehr eng mit Nutztierhaltern zusammen, im s. g. Arbeitskreis Wolf NS, um Lösungen zu finden, wie man die Nutztiere vernünftig und machbar schützen kann. Herr Faß weiß ziemlich genau, dass die Ko-Existenz mit dem Wolf nur funktionieren kann, wenn wir Nutztierhalter nicht im Regen stehen gelassen werden und engagiert sich in dieser Hinsicht sehr.



    das, was als ausreichend erachtet wird, ist es in der Tat nicht und darum machen sich die Leute die Mühe nicht

    Das ist so ein Huhn-Ei-Ding für mich - wären die meisten Schafe von Anfang an vernünftig geschützt worden, hätte es möglicherweise dieses Problem nicht in dieser Form gegeben.
    Das soll aber nicht bedeuten, dass ich die "Schuld" dafür den Tierhaltern aufbürden will, sondern ich sehe die Problematik eher darin, dass das ganze Präventionssystem nicht praxis-tauglich ist. Es läßt den Wölfen viel zu viel Zeit, um sich an Schafe als Beute zu gewöhnen. Daran müsste man mit aller Kraft arbeiten.
    So, wie es hier Den Weidetierhaltern verpflichtet | Südkreis | Lokalnachrichten | DIE HARKE auch gefordert wird:


    Mit großer Sorge schaut Landtagsabgeordneter Ernst-Ingolf Angermann auf die rasche Ausbreitung dieser Art, denn der Wolf sucht sich seine Nahrung durchaus nicht nur in der freien Natur. Im Land Niedersachsen leben inzwischen an die achtzig Wölfe. Für die Weidetierhalter ist der Wolf somit zu einer echten Gefahr geworden, seit 2009 kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Schafe, Rinder und Pferde. Allein im Landkreis Celle jagen inzwischen fünf Rudel Wölfe, und jede Weide, die nicht wolfssicher eingezäunt ist, leistet eine leichte Beutebeschaffung für den Wolf und ist ein Risiko für die Weidetierhalter. „Die Präventionsunterstützung des Landes muss verstärkt und auch für Hobbytierhalter ermöglicht werden. Auch muss über Präventionsmöglichkeiten für Rinder- und Pferdezüchter nachgedacht werden“, berichtet Ernst-Ingolf Angermann. Die seit 2014 geltenden Wolfsrichtlinien zum Umgang mit dem Wolf reichen seiner Meinung nach zur Absicherung für Tierhalter und Menschen bei weitem nicht aus. Hier müsse unbedingt nachgearbeitet werden.

    Ich finde nicht alles toll, was Herr Angermann so von sich gibt, aber in diesem Punkt hat er meine volle Unterstützung.


    Mir geht es mittlerweile tatsächlich so, dass ich am besten und effektivsten mit realistischen Pro-Wolflern zusammenarbeiten kann. Also Verbände, Institutionen, die durchaus pro Wolf sind, aber eben auch die damit verbundenen Probleme realistisch einschätzen und sich dafür einsetzen, dass Herdenschutz gefördert und verbessert wird und zusammen mit Nutztierhaltern nach Lösungen suchen.


    So engagieren sich z. B. die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe und der Freundeskreis freilebender Wölfe ungemein in Sachen Herdenschutz:




    In den Rudelnachrichten der GzSdW wird über ein von ihnen finanziell unterstütztes Projekt "HSH an Mutterkühen" berichtet:
    rn_5_6_2015_herbst_winter.pdf


    Auch die enge Zusammenarbeit mit WikiWolves trägt da allmählich Früchte - der Helferkreis wird immer größer, es bieten sich immer mehr Betriebe an, die Freiwilligen in Sachen Herdenschutz zu schulen und es entwickeln sich immer mehr Kontakte zwischen Freiwilligen und Nutztierhaltern.


    Neues von WikiWolves


    Es passiert also schon unglaublich viel - in Zusammenarbeit von Nutztierhaltern und Wolfsschützern (nicht den gnadenlosen Kuschlern) und diese Zusammenarbeit scheint mir bisher der effektivste Weg zu sein, um den Herdenschutz voran zu bringen.


    Was überhaupt nichts bringt, ist den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass schon nichts passieren wird oder darauf zu warten, dass andere sich schon kümmern werden.


    LG, Chris

  • Hier kocht es ja im Moment so richtig. Die einen laden Herrn Wenzel ein, sich in der Natur mit den Wölfen zum Diskurs zu treffen, die anderen wollen ihn per one-way-ticket auf den Mond verfrachten. Kann ich beides nachvollziehen.


    Einen öffentlichen Artikel gibts heute
    http://www.cellesche-zeitung.d…nen-Jahr-in-Niedersachsen
    Darüber hinaus gibts noch einen Artikel zur Vergrämung des Munsteraner Wolfes und einen weiteren mit Elternstimmen zu ihren Kindern in der Natur.


    Mit der Kindergeschichte habe ich einerseits ja immer ein bißchen Probleme, dass Wolf nu extra am Kindergarten langschlendert, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Aber wenn ich an meine Kinderzeit denke... im Grundschulalter mal eben mit Freunden und auch den Familienhunden zum Bach und Dämme bauen... oder zum See und Kaulquappen fangen... Hütten bauen. Ja, da hätte ich wohl auch Bauchschmerzen mit. Das Leben auf dem Land verändert sich doch deutlich und viele der Vorteile, die man möchte und deswegen z.B. schlechte Verbindungen im ÖPNV in Kauf nimmt, kehren sich ein bißchen ins Gegenteil um. Ein großer eingezäunter Abenteuerspielplatz (den es hier auf dem Land natürlich nicht gibt) erscheint da jetzt doch verlockend.


    Für mal Entspannen scheint sogar ein eingezäunter Hundeauslauf verlockend :shocked: Dass ich so was mal schreibe...


    Abseits von Nutztiergeschichten werden da zunehmend wohl noch ganz andere Probleme auftauchen.



    Gestern traf ich die Besitzerin der Pferde samt Koppel, auf meiner allmorgendlichen Arbeitsstrecke. Das ist 750m von meiner Gartenpforte entfernt. Da hats an einer Straßenseite Häuser, auf der anderen Seite eben die Koppel und Wald. Dort dürfen die Collies auch munter markieren und so, weil sie sich ja sonst benehmen müssen und keine Hecken und so anpinkeln dürfen. Das ist die Ecke, die ich schon mal erwähnte, wo die Collies morgens einmal plötzlich weg waren und dann zuhause vor der Tür standen. Sie sagte, der Wolf war jetzt zweimal da. Und sie hat große Probleme, die Pferde dann überhaupt in die Boxen zu bekommen. Die treten wild um sich und wollen selbst aus den Boxen einfach nur kopflos flüchten.
    Ausreiten im Wald traut sie sich deshalb auch nicht mehr.


    Eigentlich müßte ich die Collies da morgens anleinen. Aber damit nehme ich ihnen die paar Hundert Meter Entspannung und Markieren dürfen. Irgendwie alles doof.

  • Vergrämen ist ja schön und gut. Aber was ist dann? Dann zieht der besagte Wolf vielleicht weiter und das Problem ist nur verlagert.

    Der soll ja so vergrämt werden, dass er das eindeutig mit Mensch verknüpft. Den Versuch find ich schon sinnvoll.


    Was anderes ist die Goldenstedter Wölfin. Da würd ich nicht erst besendern.... das dauert mMn auch schon viel zu lange.

  • Vergrämen ist ja schön und gut. Aber was ist dann? Dann zieht der besagte Wolf vielleicht weiter und das Problem ist nur verlagert.

    Beim Vergrämen geht es darum, dass er verknüpft: Menschen sind laut und machen Ärger. Die Beute, die nach Mensch riecht, ist laut und macht Ärger. Also quasi den mensch komplett als "problematisch" einstuft, scheuer wird und sich in Wälder usw. zurückzieht. und seinen Nahrungsbedarf aus Wild deckt.

  • Chris, ich hab mir das angesehen, aber ich stelle einfach fest, dass das mit meiner Wahrnehmung so gar nicht übereinstimmt. Ist letztlich aber auch egal, weil jeder sich in erster Linie um seine Weidetiere kümmern muss.


    In dem Artikel steht ein Satz, den ich nicht für weit hergeholt halte, nämlich, dass es in Niedersachsen über kurz oder lang keine Weidetierhaltung mehr geben wird, wenn man am derzeitigen Konzept festhält.


    Ich habe meine Haltung dort komplett aufgegeben - es hat einfach keinen Sinn mehr. Was daran traurig ist, ist dass damit über kurz oder lang nur die Massentierhaltung bleibt. Man kann sich Aktivställe schön reden oder die Augen davor verschließen, dass Massentierhaltung ein ökologisches Problem darstellt, aber der Weg, den wir damit beschreiten, ist fatal.


    Ich bin sicher, dass auch keine noch so guten Elektrozäune, also Netze, verhindert hätten, dass es zu Wolfsrissen kommt. Dazu ist ein Netz zu leicht zu überwinden und auch ein Festzaun stellt nur einen sehr bedingten Schutz dar. Dem Wolf kann man dafür keinen Vorwurf machen, der tut, was für ihn als wilden Räuber risikominimierend zu Jagderfolg führt. Dass die Wölfe früher oder später durch Gemeinden und auch Städte spazieren würden, war doch klar - das gibt es in anderen Wolfsländern auch. Also entweder man vergrämt konsequent und von Anfang an oder man lässt es. Das Vergrämen dürfte rein personaltechnisch und auch logistisch nicht zu bewerkstelligen sein. Wir Menschen teilen nicht gern, was wir für unser Eigentum halten und daher bin ich sicher, dass früher oder später mehr Wölfe "verschwinden" werden, weil sich die allein gelassene Bevölkerung militarisieren wird.

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