Gibt es Therapie- od. Assistenzhunde für Demente?

  • Hallo,


    ich frage mal ganz unbedarft in die Runde, weil ich es wirklich nicht weiß und auch nichts gefunden habe:


    Hat jemand schon mal von Therapie- oder Assistenzhunden für Demenzkranke gehört? Ich meine jetzt keinen Altenheim-Besuchshund, der dabei hilft, Alzheimer- und sonstige Demenzkranke aus der Reserve zu locken, sondern einen Assistenzhund, der in der Familie lebt und z. B. das körperlich noch fitte, aber zunehmend orientierungslose Familienmitglied wieder nach Hause bringt oder der auf bestimmte Warntöne von Haushaltsgeräten trainiert ist und Herrchen bzw. Frauchen daran erinnert, das irgend etwas aus- oder angeschaltet oder ausgeräumt werden muss.


    Natürlich kann ein solcher Hund auf Dauer keine Betreuung durch Menschen ersetzen, denn das Krankheitsbild schreitet ja fort - aber vielleicht Stabilität in den Alltag bringen und kurzzeitige Abwesenheit der Menschen-Betreuer überbrücken?


    Caterina

  • Ich denke, dass das bis zu einem gewissen Grad geht. Nur muss der Hund nachgeschult werden, weil die Demenz ja fortschreitet und er dann andere Sachen leisten muss.


    Was ich gehört habe, werden Assistenzhunde sehr individuell ausgebildet.


    Ich kann nur nicht einschätzen, ob es ggf. schon jetzt zu viele bzw zu komplexe Anforderungen an den Hund sind.


    (Ich denke so ca 30 "Sachen" müsste er lernen können (ggf. mehrere in einer Handlungskette) - mal so aus dem Bauch raus gesagt.)

  • Hi Caterina,


    puh, ich find die Beispiele ein bisschen unrealistisch, sowohl vom Krankheitsbild als auch vom Tierschutzgedanken her... es reicht z.B. nicht, dass statt einem überkochenden Herd oder zu einer piepsenden Waschmaschine ein bellender Hund hinzukommt, sondern der Mensch muss das Signal "bellender Hund" auch deuten können, und wenn er das kann, wäre das eher ein Zeichen dafür, dass er (noch) keine ausgesprochene Demenz hat, sondern nur Vergesslichkeit / Zerstreutheit. Und ein Hund, der irgendwo unterwegs angebunden oder einem Betrunkenen in die Hand gedrückt wird, der kann nichtmal sich selber nach Hause bringen, geschweige denn das nicht mehr vorhandene Herrchen/Frauchen.


    -- wenn aber der Mensch noch in der Familie aufgehoben ist und sowohl Mensch als auch Hund Freude aneinander haben, kann allein schon die "Familienmitglied"-Beziehung zu einem Hund sehr sehr wertvoll sein, das sehe ich tagtäglich mit meinem Schwiegervater. Nur der Demenzprozess ist ein schleichender, und es kann immer irgendwann zu Aggression gegen den Hund kommen, deswegen finde ich es absolut notwendig, dass der Hund (eine) andere Hauptbezugsperson(en) hat.


    Liebe Grüße
    Kay

  • Ich glaube nicht, dass so eine Ausbildung möglich ist. Demenzkranke haben große Schwierigkeiten, Neues zu akzeptieren. Wenn dann ein Hund zu ihnen kommt, wenn sie ihr Leben nicht mehr selbst bewältigen können, sehe ich die große Warscheinlichkeit, dass sie ihn kaum als Bestandteil ihres Lebens akzeptieren.


    Was ich aber schon gesehen habe, ist dass Hunde zu einem Begleiter und Assistenen werden, ohne dass jemand das beeinflusst hätte. Einfach durch die bereits bestehende Mensch-Hund-Beziehung. In meiner Nachbarschaft wohnte ein altes Ehepaar mit zwei Dackeln. Einer davon schon alt und blind. Der Mann ging häufig mit oder ohne den alten Dackel spazieren und ging dabei immer vor unserem Haus her. Das Dackelchen kannte den Weg wie seine Westentasche, während der Mann immer dementer wurde und allein auch nicht mehr nach Hause fand. Einmal stand er nur 200m von seinem Haus entfernt und fragte mich ganz höflich, ob ich den Weg zu eben diesem Haus kennen würde. Aber mit dem Dackelchen fand er immer nach Hause


    Bei solchen gewachsenen Beziehungen, in denen bereits das Vertrauen vorhanden ist, kann ein Hund ein wichtiger Helfer sein. Aber ich glaube nicht, dass es möglich ist, ihn neu dazu zu holen. Schließlich erkennen diese Menschen später ihre eigenen Kinder und Ehepartner nicht mehr, würden wohl also auch den Hund ablehnen.

  • Ich denke auch nicht, dass eine solche Art der Therapiehunde bzw. Assistenzhunde gibt. Allerdings habe ich eine nette Anekdote gehört. Im Letzten Herbst war ich auf einer Fortbildung zum Thema Therapiehundeausbildung im Vogelbergskreis. Nach den Stunden haben Carlos und ich noch die herrlich ländliche Gegend erkundet. Auf einen dieser Gänge haben wir eine Bäuerin bei der Arbeit getroffen, sie war sehr freundlich und wir haben uns unterhalten.


    Sie hat mir von ihrem verwirrten Opa erzählt. Sie meinte, dass er bestimmt etwas ähnliches wie Demenz gehabt hätte nur dass die Krankheit damals noch keinen Namen hatte. Auf dem Hof hatten sie zu der Zeit zwei Hunde, einer, der auf die Rinder aufpasste und der andere passte auf dem Opa auf. Er war Tag und Nacht bei ihm und hat ihn auf seinen Spaziergängen begleitet. Einmal fiel der Opa wohl in einen Graben und der Hund lief zurück zum Hof und holte den Bauern.


    Aber ich denke, das kam allein, weil er ein Familienhund mit einer besonderen Bindung war.


    Ich habe mit Carlos an dementen Menschen gearbeitet - es war sehr förderlich für Langzeitgedächtnis, Wortfindung, Weglauftendenz und der emotionalen Stabilität. Aber ein Hund für einen Dementen??? Finde ich schwierig, allein wegen der Versorgung des Tieres.

  • Zitat

    Was ich aber schon gesehen habe, ist dass Hunde zu einem Begleiter und Assistenen werden, ohne dass jemand das beeinflusst hätte. Einfach durch die bereits bestehende Mensch-Hund-Beziehung.


    So war es mit meinem Vater und Naijra. Er ist mit ihr spazieren gegangen, hat manchmal die Zeit vergessen und lange Wege zurückgelegt (zweimal hatten wir schon die Polizei eingeschaltet), hat oft unterwegs die Leine liegen gelassen, aber die Zwei kamen immer wohlbehalten zurück. Er hätte den Hund aber nicht mehr versorgen können, hätte füttern und Pieselrunden vergessen.

  • Danke für die Rückmeldungen, das hilft wirklich ungemein bei der Meinungsfindung!!


    Die Idee, nach dem Tod des früheren Hundes wieder einen Hund anzuschaffen, kam in dieser Familie eben deswegen auf, weil eine gewachsene Beziehung zwischen Hund und Patient bestand, d. h. der schon ältere, von Wesen und Erziehung her relativ unproblematische, beinahe "abgeklärte" Hund war zu bestimmten Zeiten mit dem Menschen unterwegs, und zwar mehr oder weniger immer auf denselben Wegen, und es wurde im Dorf immer gefrozzelt, wer da wohl wen führt...


    Wurde der Patient nachts wach, wurde er mit Hund und der Bemerkung "Es ist mitten in der Nacht, schlaf weiter" ins Schlafzimmer zurück geschickt, und generell brachte der Hund dadurch Struktur in den Tag, dass er zu bestimmten Zeiten einfach Dinge wie Mittagsschlaf, Gang in den Garten oder Spaziergang (klein) einforderte.


    Für die Versorgung war aber Frauchen zuständig. Noch gehen alle Familienmitglieder ganz normal, allerdings versetzt, arbeiten bzw. arbeiten teilweise von zu Hause aus, so dass der Patient immer mal wieder alleine ist bzw. das Familienmitglied, das gerade zu Hause ist, mal für zwei, drei Stunden konzentriert arbeiten muss. Dass das irgendwann nicht mehr geht, ist klar.


    Nun ist die Trauer groß, der Hund fehlt hinten und vorne - aber es siegt der Verstand, dass man den Patienten - dem die regelmäßigen Spaziergänge sehr fehlen - nicht mehr mit einem "neuen" Hund auf die Umwelt loslassen kann.


    Daher die Überlegung, einen Hund anzuschaffen, der speziell auf eine hohe Reizschwelle und Gutmütigkeit hin ausgewählt und ausgebildet wurde, und ein Geschirr mit dem Aufdruck "Assistenzhund" würde zudem die Akzeptanz der Umwelt erhöhen.


    Meine Überlegung war, eventuell nach einem Hund Ausschau zu halten, der als Blindenführhund ausgebildet wurde, aber aus irgendwelchen Gründen dann doch nicht dafür geeignet ist oder schon in Rente ist, d. h. ein Tier zu nehmen, das durch die Ausbildung gelernt hat, sich draußen relativ selbständig zu bewegen, ohne den Menschen zu gefährden.


    Würde der Hund dann noch das Handy bringen oder anzeigen, dass es klingelt (weil es der Patient natürlich wieder mal vergessen hat einzustecken), wäre das schon viel wert, um ihn z. B. an eine Medikamenteneinnahme oder eine Verabredung mit Freunden (wohin der frühere Hund oft mitkam) zu erinnern.


    Sind das realistische Annahmen oder Wunschdenken?


    Caterina

  • Wunschdenken, aus den schon oben geschilderten Gründen.
    Ein Blindenhund, der seinen Job getan hat, hat seine Rente redlich verdient, ein Hund, der "aussortiert" wurde, ist eben nicht geeignet. Die Verantwortung ist ja nicht weniger.
    LG von Julie

  • Ich blick die Situation immer noch nicht ganz.


    Ich verstehe zB noch nicht, wie groß die Ansprüche an den Hund wirklich sind bzw. sein müssen. Könnte der Hund auch als "Familienhund" bei der Familie leben, als "Familienmitglied"? Und dann schaut man, wie viel Hund und Dementer miteinander anfangen können und was daraus erwächst.
    Lebensqualität bringt der Hund ja schon, auch wenn er nichts von dem kann, was du hier anfragst. Einfach durch seine Anwesenheit, die Tagesstruktur, usw.
    Und bei einem "Familienhund" wäre auch klar, dass sich jemand drum kümmert und kümmern muss, weil der Demente nicht die alleine Pflege übernehmen kann. Und dennoch könnte man dem Dementen einen Gefährten "bieten".


    Und meine andere Fragerichtung:
    Würdet ihr einen Trainer ins Haus holen, um den Hund auszubilden für seine Spezialaufgaben? - Falls ja, würde ich einfach mal einen Termin machen. Oder überhaupt mit einem Verein Kontakt aufnehmen und Austausch suchen, der Assistenzhunde ausbildet.

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