Wenn "Kopfarbeit" kontraproduktiv ist

  • ich kenne eine border collie dame, mit der gar nichts gemacht wird, außer lange, ausgedehnte spaziergänge- ab und zu darf sie ihren ball suchen oder ihr herrchen schickt die dame zum klettern auf einen baumstamm-stapel. dieser hund ist "nur ein" familienhund- sie wirkt weder gestresst noch unterfordert- sondern ausgeglichen und zu frieden.



    ich versuche unser beschäftigungsprogramm so zu halten, dass wir nicht zu viel und auch nicht zu wenig machen. auf einem zwei stündigen spaziergang machen wir circa 15-20 minuten etwas zusammen, entweder ein spiel, bei dem er sich körperlich auspowern kann, oder wir kombinieren beides miteinander.
    zwischen den gemeinsamen aktivitäten kann der kleine entspannt schnüffeln gehen.


    1-3 mal die woche trainieren wir auf dem HuPla. die große gassirunde fällt an den Tagen weg, damit es nicht zu viel wird.


    ich finde, dass der stinker ausgeglichen wirkt. man darf nur nicht zu viel mit ihm machen, sonst würde er wie ein HB-männchen in die luft gehen.


    das kann ich sehr schön beobachten, wenn der kurze bei meinem papa ist. mein papa bietet dem hund ein 12 stunden programm. er darf ihn überall hin begleiten, in den garten, dann zum gassi (ich habe leider keine ahnung, wie lange die beiden unterwegs sind, ich schätze mal 2-3,5 stunden und davon spielen sie mit sicherheit die hälfte der zeit). ruhe kann mein hund nur sehr schlecht finden, wenn er bei meinen eltern zu besuch ist. richtig tief und fest schlafen, ist leider nicht drin für ihn, da er unter strom steht- nichts zu verpassen. telefoniere ich mit meinen eltern, höre ich den kurzen im hintergrund dauer-fiepen und gähn-schreien, ein zeichen, dass er unter stress steht.


    wenn der kleine nach so einem wochenende wieder zu hause ist, hat er die nächsten zwei tage durchfall und holt den schlaf nach, den er nicht kriegen konnte.

  • Ich würde es mal so sagen...ein Hüti ist hauptschlich auch nur in Bewegung...klar hat er Kopfaufgaben, aber ich kann nur beobachten, das er DIESE Kopfrbeit immer mit Bewgung ausführt/ konform ist...sprich Hütehund bekommt Anweisung oder handelt selbständig...und reagiert körperlich mit großer Bewegung...also insofern...


    Hauptsächlich bin ich der Meinung ein Hund braucht als allererstes körperliche Auslastung...aber ich finde es schon bemerkenswert was ein Hund alles lernen kann zb. Aufforderungen wie Personen zu "erkennen", Orte aufzusuchen (oder zumindest eine Verbindung kopfmäßig zu finden)...Kommandos allgemein zu erlernen...Gegenstände suchen zu können usw.
    Aber ohne eine körperliche Auslastung artet dies auch in Stress aus...


    Ich denke, das man die körperliche Auslastung auch nicht übertreiben sollte da:
    1.die Kondition bei täglich, übertrieben körperlicher Betätigung so gesteigert wird, das der Hund von sich aus noch mehr Bewegung fordert.
    2.dadurch ebenfalls Stresshormone gefördert werden.


    Meine Hündin braucht eine tägliche(soweit es zeitlich machbar ist) körperliche Betätigung...aber ich variiere Diese leistungsmäßig in der Woche, damit keine Gewöhnung körperlich eintreten kann...oder pausiere einfach mal einen Tag (das immer mal automatisch vorkommt).
    Und Kopfarbeit mach ich, wenn ich Lust darauf habe, da brauche ich kein tägliches Pensum für....

  • Zitat

    Magst du mal schreiben, wie die Reaktionen aussahen? :ops:
    Konntest du sofort eine Verbindung zwischen dieser Auslastung und der (Über)Reaktion erkennen?


    LG


    Es waren alles Aggressionen gegen Rüden, die mMn stressbetont waren.
    Stress durch Unsicherheit und nicht wissen, wie er sich der Situation entziehen kann.
    Die hat er zwar immer noch, aber viel seltener und kontrollierbar.


    Nein, eine Verbindung konnte ich nicht von Anfang an erkennen,
    dazu fehlte mir damals noch das nötige Wissen.
    Sonst hätte ich wohl viel eher mit dem Canicross aufgehört und nie Agility mit ihm gemacht.


    LG
    Chrissi

  • Zitat


    Ich denke, das man die körperliche Auslastung auch nicht übertreiben sollte da:
    1.die Kondition bei täglich, übertrieben körperlicher Betätigung so gesteigert wird, das der Hund von sich aus noch mehr Bewegung fordert.
    2.dadurch ebenfalls Stresshormone gefördert werden.


    'Übertriebene' körperliche Betätigung finde ich gar nicht gut.
    Wie Du schon sagst, fördert das die Ausschüttung von Stresshormonen.


    Aber ich denke, es kommt hier mehr auf die Qualität, nicht so auf die Dauer
    des Sportes an.
    Ein 4-stündiger langsamer Spaziergang kann sehr zufrieden und müde machen.
    Da kann ich keine übertreibung finden.


    4 Stunden auf einem Agi-Tournier im Gewühl rumliegen und auch noch
    starten müssen, kann so viel Stress bedeuten, dass Hund danach erstmal
    ein paar Tage braucht, um das zu verarbeiten.


    LG
    Chrissi


  • Chrissi, ich sehe, wir reden über das Gleiche.


    Allerdings ist Tucker im Umgang mit fremden Hunden generell völlig gestresst und mit fremden Menschen auch.


    Ich arbeite jetzt seit 2 Jahren mit Tucker. Zuerst mal eine Grunderziehung und dann eben auch Beschäftigung, viele ruhige Sachen, konzentrationsbetont, Nasenarbeit, Tricks, Impulskontrolle, selten auch mal Frisbee. Und natürlich sind wir spazieren gegangen, Bewegung...
    Er war schon immer ein kleiner Stresser, eher ängstlich und sehr unsicher, schnell überfordert mit seiner Umwelt.


    Agility kam nie in Frage für ihn...


    Ich habe alles Mögliche ausprobiert, weiter an der Dosis und Art der Beschäftigung geschraubt, am Futter gedreht... interessantes Detail: enorme Verbrennung, ich hatte teilw. große Schwierigkeiten ihn nicht mager werden zu lassen.


    Zuletzt habe ich mich dann ganz intensiv mit Stressproblematiken und Unsicherheit befasst. Ich habe den Verdacht, dass es vollkommen gleichgültig ist, ob er beim Training "positiven" Stress hat oder nicht, er hat Stress und in dem Moment wo dann von außen außen noch ein Reiz kommt der ihn verunsichert "läuft das Fass über".
    Ist er aber irgendwo bei +-0, dann kratzt ihn derselbe Reiz genau gar nicht.


    Sicher sollte man Bewegung dann auch nicht übertreiben und auch nicht gestresst rumhetzen.

  • Tucker, das ist alles sehr interessant. Vor nicht ganz einem Jahr hatte ich ein Treffen mit einem AL-Trainer, der sich gerade mit Streß sehr intensiv auseinander gesetzt hat. Der sagte mir das damals auch schon so. Streß ist Streß, egal ob positiv oder negativ...


    Und je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr Zusammenhänge erkenne ich auch. Bei Bluey wie bei Jabba...


    Aber ich bin immer so unsicher, weiß nie: Was ist zu viel, was zu wenig, was genau richtig. Wechselt ja auch nach Tagesform und äußerlichen Einflüssen... Schon schwierig...


    Und dann immer im Hinterkopf: Sind ja Arbeitshunde. ....

  • Wie einige von euch schon selber festgestellt haben sind mache Hunde mit Denk,- Suchspiele oder Hundesport überfordert.
    Hier kommt es sehr schnell zu Übersprunghandlungen, es ist nicht jeder Hund für alles zu haben.
    Hunde sind Lauftier, ihr Vorfahren der Wolf legt am Tag/Nacht etliche Kilometer zurück.
    Wichtig ist doch das der Hund mit Spaß bei der Sache ist und nicht vom Menschlichen Ehrgeiz getrieben wird.
    Dies ist doch wie bei unsern Kindern.


    Grüezi Momo

  • Tja, aber bei Kindern wie bei Hunden ist es so, daß gerade, das was Spaß macht, sehr schnell und sehr leicht in Streß ausartet und zum hochdrehen führt...


    Denk nur ans Bällchenspielen: die meisten Hunde lieben es und dennoch drehen eben auch die meisten Hunde schnell davon hoch und sind dann total gestreßt... Nicht nur menschlicher Ehrgeiz macht dem Hund Streß... Das wär ja einfach..

  • Ich lese ja immer wieder, wieviel Aktion manche mit ihren Hunden machen und frage mich dann immer wieder, wann diese Hunde 'mal Pause machen dürfen. Ein "normaler" Hund pennt rund 15 Stunden am Tag, dann geht Zeit für Fressen und Gassi ab und danach kommt der wichtigste Teil des Tages: die Pflege der sozialen Kontakte in seinem "Rudel". Und das ist ziemliche Arbeit, zumindestens wenn man sich mal genau anschaut wie so ein Hund mit seiner Umwelt interagiert. Am Schluß bleibt da eigentlich gar nicht mehr so viel Zeit für irgend welche zusätzlichen Aktivitäten. Manchmal habe ich das Gefühl die Leute verwechseln "den Hund beschäftigen" mit "sich mit dem Hund beschäftigen".
    Und was den Streß angeht: Alle Arten von Beschäftigungen die auf dem Jagdtrieb des Hundes beruhen sorgen für eine Ausschüttung von Adrenalin. Soll heißen wenn ich mit meinem Großen 10 Minuten mit dem Ball spiele, dann braucht der hinterher ein paar Stunden um wieder das Adrenalin abzubauen. Wenn ich jetzt meinen Hund immer und immer wieder fordere, dann baue ich einen derartigen Pegel auf, daß es eigentlich ungesund ist. Wölfe mögen am Tag bis zu 50 km laufen haben dann aber auch Pausen und sind auch nicht ständig auf der Jagd. Und unser aller bester Freund hat nun einmal den selben genetischen Grundstock.

  • Wölfe jagen ja in der Regel auch Großwild und futtern davon tagelang, also tagelang keine Jagd..

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