Ihr Lieben,
heute habe ich mich gefragt, warum ich eigentlich noch putze.
Ich habe doch eigentlich längst akzeptiert, dass es nie sauber sein wird. Neufundländer haben zwischen den Zehen kleine Schwimmhäute ausgebildet, um noch großartigere Schwimmer zu sein - und retten damit Menschen aus reißenden Gewässern! Herr Leon scheint zwischen den Zehen sowas wie Staubsaugerbeutel mit umgekehrter Wirkung ausgebildet zu haben - und rettet so ganze Kulturen von Staub-Kolonien in unserer Wohnung. Ich mache mir aber nix vor, keine Sorge, der Neufundländer schafft das sicher auch ohne Staubsaugerbeutel - Herr Leon kann ja auch ohne Schwimmhäute ganz passabel schwimmen ...
... vorzugsweise natürlich in brackigen Kloaken. Manche Hunderassen haben ja dieses beneidenswerte Doppelfell, damit sie nicht bis auf die Hundehaut durchnässen. Herr Leon hat ein Tri-Fell, denn eine Fellschicht scheint eigens für die Brack-Wasserspeicherung und Wiederverwertung auf möglichst hellen Fliesen verantwortlich zu sein.
Herr Leon hat selbstverständlich noch eine Menge weiterer Features, beispielsweise kann er sich einsauen, wie es sonst nur Golden Retriever, Neufundländer oder Border Collies können.
Warum finde ich mich also nicht damit ab, dass Herr Leon uns zwar die Wohnungshaltung gestattet, die Reinlichkeitsverhältnisse aber trotzdem an seinen alten Tierheimzwinger anpassst?
Ja genau, wegen des Blickes!
Herr Leon stolziert mit einer sehr langen Nase (Experten glauben, manche Hunde haben eine Kurbel seitlich am Kopf, mit der sie zur subtilen Missfallensbekundung die Nase ausfahren können - siehe Dackel oder Podencos) durch die Wohnung, wenn auch nur ein paar Dinge am falschen Ort stehen. Ist das Bad nicht hinreichend geputzt, bevorzugen wir andere Liegestellen - laufen aber mehrmals täglich große Runden durchs Bad um unsere Enttäuschung auch ja plakativ genug dargestellt zu haben.
Im Übrigen finde ich das ziemlich unfair: Ich arbeite mit Herrn Leon ohne Druck und Meideverhalten, während er mich über die Anpfiff-Taktik konditioniert und offensichtlich noch nicht einmal vor emotionaler Erpressung zurückschreckt!
Ich putze also das Bad, weil Herr Leon eine lange Nase macht und ich mich dadurch in meinem Wunsch nach Reinlichkeit bestärkt und gelobt fühle. Weil Herr Leon das Prinzip der positiven Konditionierung aber entweder nicht verstanden hat oder gänzlich ignoriert, wird er in den ersten Minuten nachder doppelten Bodenwäsche (ich erfreue mich ungefähr 60 Sekunden daran, wie schön die Fliesen glänzen!) ins Bad rasen und sich auf den noch nassen Bergfrühling-Fliesen wälzen ... einmal vor, dreimal zurück, viermal seitlich. Er wird zufrieden auf der ausgeschüttelten Badematte schlafen, während ich die Fellbüschel vom nassen Boden klaube.
Wenn ich im Wohnzimmer kehre, macht Herr Leon schon mächtig Dampf - dezent steht er in der Tür und dränget. Wenn ich dann mit der Laminat-Pflege gewischt und geswiffert habe, ist es dem alten Herrn endlich reinlich genug, damit er seinen alten, fauligen Baumstamm (hat er selbst gefunden und durch alle Straßen her-apportiert - glücklicherweise gabs keine Anzeigen wegen den zerkratzten Zäunen und zwei ausgelösten Auto-Alarmanlagen) mitten ins Wohnzimmer werfen kann. Ihr ahnt es schon: Wälzen ist angesagt!
Wenn Herr Leon damit fertig ist und das Wohnzimmer aussieht wie ein Hundestall, bin ich gerade mit dem Arbeitszimmer fertig. Prima! Herr Leon kann die Stock-Überreste auf den frisch gewienerten Boden würgen und per Pfotenabdruck nochmal in der ganzen Wohnung verteilen.
Manchmal sagen Hundeleute, dass die Wohnung schwer sauber zu machen sei wegen der Hundehaare. Die Hundehaare, die gelegentlich wie Strohballen durch unsere Wohnung wehen, sind wirklich unser geringstes Problem! Es müssen großartige Hunde sein (vielleicht selbstreinigend?) die ihren Halter nur über Haarverlust klagen lassen.
Am Ende des Putztages setze ich mich aufs Sofa (frisch abgesaugt und so) und überlege ob ich eine Putzfrau engagieren kann oder die zu-vermutende Selbstmordrate da einfach zu hoch wäre ... da springt Herr Leon mit seinen dreckigen Pfoten aufs Sofa, läuft eine große Runde damit sein Hundedreck auch sicher bis in die letzte Ecke verteilt wird und schlürft mir mit seiner noch viel dreckigeren Zunge (die vorzugsweise grade an seinem Hinter war) zum Trost durchs Gesicht.
Wenigstens haben wir immer eine gute Ausrede, warum es hier nicht immer blinkt und glänzt.