Erfahrung als Maßstab der Kompetenz

  • Solange "Erfahrung" nicht bedeutet, dass man auf dem Wissenstand seines Ur-Ur-Ur-Großvaters stehenbleibt, sondern sich stattdessen einfach eine extrem lange Zeit intensiv mit einer Thematik beschäftigt (völlig egal, ob Hunde oder irgendein Job) und auch offen für immer wieder neue Entdeckungen ist, sich also stetig weiterentwickelt, sind für mich die Begriffe "Erfahrung und Kompetenz" eng miteinander verwoben...


    Pocht jemand darauf, dass er etwas schon seit 20 Jahren so macht, läuft das unter "Ja, nee, iss klar."


    LG, Chris

  • Erfahrung ist für mich nicht gleichbeutend, dass man sich nicht weiterentwickelt, oder stehen bleibt in seinem Wissen und Handeln.
    Ganz im Gegenteil. Ich kann mit meiner Erfahrung einschätzen, ob Situationen mit meinem Handeln (oder Unterlassen) gut oder schlecht ausgehen. Wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass etwas durch mein Handeln (oder Unterlassen) nicht gut verlaufen, dann benötige ich die Motivation und die Neugierde diese Dinge zu ändern und Neues dazu zu lernen. Und Dinge die bisher immer gut verliefen, beinhalten auch immer ein Optimierungspotential.
    Bei Erfahrung geht es m.E. eben darum, zu erkennen, dass ich etwas anders machen kann, um zum Erfolg zu gelangen.


    Insofern würde ich einem Hundetrainer mit 35 Jahren Erfahrung niemals absprechen, dass er sich nicht auch anderen, neuen und besseren Methoden öffnet und diese anwendet. Aber Voraussetzung dafür ist, dass er die Notwendigkeit erkennt, sich dahingehend zu ändern.


    Bei einem Hundetrainer, der vor 2 Jahren seine Ausbildung bei xyz gemacht hat, spreche ich die nötige Erfahrung ja auch nicht ab, würde mir aber überlegen, ob er schon soviel Praxiserfahrung erlebt hat, dass sein erlerntes Wissen eben auch nicht immer gleich anwendbar ist.


    Viele Grüße aus HH
    Silke

  • Zitat

    mh, ich seh das gespalten.
    Zuerst muß man jetzt mal Erfahrung von Ausbildung trennen. Dann kommt es darauf an, wie die gesammelte Erfahrung ein- bzw. umgesetzt wird, und das am Besten noch im Kontext zur Ausbildung.


    Was ich niemals nicht behaupten würde wäre, zu sagen ich kann von jemanden mit viel Erfahrung nichts lernen, weil ich seine Methoden nicht mag. Das heißt ja nicht, dass derjenige dann alles "falsch" (also in meinem Sinne falsch) macht, da kann man sich gut das eine oder andere herausziehen. Dazu muß man halt aber auch selbst reflektieren und differenzieren können.


    Selbst wenn man dadurch herausfindet, wie man es nicht machen will/ wird oder für richtig hält.


    Ich kann Brush nur zustimmen! Erfahrung ist nicht gleich Kompetenz, da kommt es noch auf ganz andere Dinge an.

  • wenn man kompetenz übersetzen würde käme man wahrscheinlich auf: "zu etwas fähig sein" -so in etwa.




    erfahrung + daraus lernen/weiter lernen = wissen + dieses wissen"richtig" einsetzen = kompetenz


    hat nun jemand nur erfahrungen gemacht, aber nix draus gelernt - oder wollte nix draus lernen, oder kanns nicht umsetzen (solls ja auch geben) dann ist das inkompetent.


    ich lass jetzt mal einfach das "richtig" oder "falsch" raus - denn darüber kann man im einzelfall wohl endlos diskutieren, ob das angewendete nun kompetent oder nicht ist ;)


    boah, ist das wieder ein wirres thema - ich mach grad die erfahrung, dass ich zu wenig wörter weiss um meinen gedankengang über kompetenz richtig zu erklären...also bin ich absolut inkompetent was dieses thema betrifft ;) - irgendwie hab ich das gefühl, an meiner ausführung fehlt was - aber ich komm grad nicht drauf!

  • Sehr schönes Thema!!!!


    BRUSH hat ja schon was sehr schönes dazu geschrieben. :gut:


    Ich würde das ganze gern auf mich selbst bezogen beantworten.


    Ich habe schon ein paar Jährchen "Hundeerfahrung". Habe vielen Trainern über die Schulter geschaut und dann selbst die "Ausbildung" zum Trainer gemacht.
    War bei vielen kompetenten- und auch nicht so kompetenten- Trainern, manche die nach neuestem Wissensstand arbeiten und manche die schon ewig im Geschäft sind (manche davon bilden sich trotzdem auf die eine oder andere Weise weiter, andere nicht).
    Ich arbeite mit TH-Hunden, nehme "Problemhunde" als Pflegehunde auf und habe mittlerweile bereits viele Kunden gehabt.
    Ich nehme nicht alles als bare Münze was ich erlebe und lerne, hinterfrage viel und picke mir hier und dort das raus was mir am sinnigsten erscheint.
    Ich "arbeite" viel nach Bauchgefühl und hänge nicht an gewissen Philosophien fest.
    Ich versuche, eine gesunde Mischung aus (neuem) Wissen und Erfahrung (die natürlich mit fortschreitendem Alter mehr werden wird) umzusetzen.
    Dabei lasse ich mich gerne auch belehren.


    Ein gesundes Maß an (theoretischem) Wissen ist sicherlich von Vorteil, aber (praktische) Erfahrung ist ebenso wichtig.

  • Zitat

    erfahrung + daraus lernen/weiter lernen = wissen + dieses wissen"richtig" einsetzen = kompetenz


    Ja, durchaus. Man darf nur nicht den Fehler machen, "Wissen und Lernen" NUR mit Theorie gleichzusetzen. Es gibt mit Sicherheit mehr Menschen, die sich mit Theorie vollstopfen, aber ihr Wissen nicht praktisch anwenden können. Ich mein - das Forum hier ist voll mit Threads wie "hab dies und jenes Buch gelesen, aber der Wauz wird trotzdem nicht stubenrein" etc.


    Dann gibt es Menschen, die haben sehr viel Kompetenz, die haben diese aber nicht primär aus Büchern oder Theorien, sondern aus praktischer Erfahrung, Beobachtung. Davon gibt es definitiv weniger ;)


    Und natürlich ist auch nicht jeder Trainer/Hundeausbilder in allen Belangen gleich gut - warum auch?
    Wenn ich Springreiten will, geh ich auch nicht zum Dressurtrainer.
    Das heisst aber nicht, dass der Dressurtrainer schlechter ist - der hat halt nur nen anderen Fokus.
    Nichtsdestotrotz könnte ich ja durchaus trotzdem in Sachen "Pferd" von ihm lernen ;)


    Es gibt ja nicht umsonst den Spruch: Je mehr ich weiss, desto mehr merke ich, was ich alles nicht weiss.

  • Ich finde Erfahrung grundsätzlich etwas positives, solange der der "erfährt" sich geistig weiter bewegt.


    Denn dann ist die Offenheit neuen Wegen gegenüber gepaart mit einer über Jahren/Jahrzehnten gewachsenen Ruhe und Routine.


    Und besser gehts nicht.

  • Ich find vor allem die Begriffsbestimmung "Erfahrung" im Thema Hunde sehr.. äh.. gewöhnungsbedürftig.


    So wird zum Beispiel mir immer wieder gerne vorgehalten, dass ich mit meinem Hund ja erst seit etwas über einem Jahr arbeitet.. davor ja nie einen hatte,... bla... und daher am besten auf mein Recht auf eine eigne Meinung verzichte. Jemand mit viiiiel Erfahrung wird mir schon erklären, wie die Welt funktioniert.


    Was diese Leute nicht wissen ist, wie ICH Erfahrung definiere.


    Was diese Leute nicht wissen ist, dass ich mit Gebrauchshunden aufgewachsen bin, die aus nicht unbekannten Linien stammten. Dass ich später mit einem Colliemix aufgewachsen bin, in dem irgendwas extrem terretoriales mit drin war, der schlichtweg gefährlich war für fremde Menschen. Dass in meinem engsten Familienkreis insgesamt 6 jagdlich geführte Deutsch Drahthaar waren während meiner "Laufbahn", plus ein Wurf mit Papieren, ebenfalls Deutsch Drahthaar.


    Aber ICH habe keinen dieser Hunde persönlich geführt und ausgebildet.


    Wenn ich immer lese wer da alles "schon immer Hunde hatte" und damit meint, dass die Eltern ja schon immer Hunde hatten...


    Das ist für mich keine Erfahrung.


    Dann kommt der Punkt dazu, dass Erfahrung in meinen Augen keine rein zeitliche Frage ist, sondern eine Inhaltliche.


    Ich hab zum Beispiel seitdem ich mit meinem Hund arbeite


    1. insgesamt 3 verschiedene OGs/Huplas besucht und mir dort HF plus Hunde plus Arbeitsweise angesehn


    2. ein verlängertes Wochenende mit Rasseliebhabern in einem Trainingszentrum verbracht und Leuten die auf internationalem Niveau Hunde ausbilden beim Arbeiten zugeguckt plus


    3. bei derselben Gelegenheit einige von rd. 80 Leuten mit irgendwas um die 200 Hunden kennengelernt, ihre Methoden, ihre Hunde etc.


    4. Mich intensiv mit 3 unterschiedlich arbeitenden Hundeausbildenden befasst, die das lange und sehr versiert machen und mir da eine ganze Menge abgeguckt und mitgenommen.


    Und, was immer nicht als Erfahrung gewertet werden will, ich habe gelesen. Und zwar massenweise. Um dann das gelesene a) im Gespräch mit den besagten Leuten zu erörtern und b) ggf. bei Hunden zu beobachten, sei das im Training oder in der Fußgängerzone.


    Aber jeder, der seit 5 Jahren Hunde hält - und auch nur das tut, einen oder zwei Hunde halten. Kein HuPla, kein großartiger Kontakt zu anderen Hundehaltern, wird mir DAS als Erfahrung anerkennen. Weil ICH arbeite ja erst seit einem Jahr mit meinem Hund...


    Daher - kurzgefasst - Diskussion sinnlos in meinen Augen.
    Weil im Kontext Hund das Stichwort Erfahrung schlichtweg als Totschlagargument missbraucht wird und unterm Strich zu unwichtig ist.


    Denn wie sagte der kluge Mann so schön.. "man kanns auch 35 Jahre falsch machen"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!