Umgang mit Angsthund vom Tierheim

  • Hallo zusammen,


    ich bin ehrenamtlich im Tierheim beschäftigt und habe mich dort in eine Mischlingshündin "verguckt", die leider ein totaler Angsthund ist. Man weiß über ihre Vorgeschichte nur, dass sie ausgesetzt wurde.


    Anfangs konnte ich nicht mit ihr Gassi gehen, da sie immer nur mitkam, wenn eine Pflegerin dabei war. Inzwischen ist sie so weit, dass sie auch allein mit mir mitläuft, jedoch habe ich hierbei oft zwei Große Probleme:


    Sie bekommt totale Panik, wenn irgendwer hinter uns geht. Das sieht dann so aus dass sie wie vom Hafer gestochen lossprintet und zwar mit einer Kraft, die ich kaum händeln kann.


    Sie ist in diesen Situationen nicht ansprechbar für mich. Manchmal beginnt sie dann in ihrer Panik auch in geduckter Haltung rückwärts zu laufen und dann sprintet sie weiter, obwohl die Personen hinter uns schon längst außer Sichtweite sind.


    Da sie bei diesen Panikanfällen wie gesagt nicht ansprechbar ist, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Stehen bleiben? Dabei reisst sie mich jedesmal fast um.


    Leider kann ich es auch nicht vermeiden, dass mal jemand hinter uns läuft, obwohl ich schon die abgelegensten Orte aussuche.


    Das zweite Problem, sie bleibt beim Gassi gehen häufig ohne ersichtlichen Grund stehen, legt sich dann hin und weigert sich weiterzugehen.


    Für mich ist das jedesmal ein Kampf, da sie die besonders dann tut wenn das Tierheim noch in Sichtweite ist. Auch hier habe ich keine Ahnung, wie ich sie zum Weiterlaufen animieren kann.


    Sie hat eine Stammpflegerin im Tierheim, bei der sie komplett mit lockerer Leine mitläuft und bei der sie sich auch nicht einfach hinlegt. Nur die Panik vor Leuten hinter ihr ist dann auch da. Leider ist diese Pflegerin momentan im Urlaub und ich kann sie nicht um Rat fragen.


    Falls ihr also irgendwelche Tipps für mich habt wäre das super!

  • Sie bekommt totale Panik, wenn irgendwer hinter uns geht. Das sieht dann so aus dass sie wie vom Hafer gestochen lossprintet und zwar mit einer Kraft, die ich kaum händeln kann.


    Sie ist in diesen Situationen nicht ansprechbar für mich.

    Ich würde stehen bleiben, den Hund versuchen auf mich zu konzentrieren und den Hund die Situation aushalten lassen. Nur so kann er lernen mit seiner Angst umzugehen.
    Schnelle Flucht nach vorne ist eine große Gefahr für Dich (Du kannst stürzen und Dich verletzen ......)
    Mit der Zeit lernt der Hund Dir in solchen Situationen zu vertrauen und wird entspannter.
    Hundeschule wäre auch ein Thema.

    Das zweite Problem, sie bleibt beim Gassi gehen häufig ohne ersichtlichen Grund stehen, legt sich dann hin und weigert sich weiterzugehen.

    Da ist sie in ihre Welpenzeit zurück gefallen; sie hat auch gemerkt, dass Du da ziemlich machtlos bist.
    Gar nicht erst stehen bleiben dürfen wäre hier sicherlich eine Lösung; zügig weiter laufen.
    Allerdings glaube ich, wenn sich das oben genannte Problem gelöst/gebessert hat, wird es dieses "liegen bleiben" gar nicht mehr geben.

  • Ich würde erstmal in einer ruhigen Ecke (kann ja nahe des Tierheims sein) schönen Bindungsaufbau betreiben. Clickertraining bietet sich an. So lernt der Hund erstmal, dass sie Spaß und Wohlgefühl mit dir verbindet - das bringt vertrauen. Auch Massagen oder Balanceübungen sind geeignet. Auch, wenn es dann keinen "Spaziergang" in dem Sinne gibt - es ist imA immer wichtiger, erstmal das Stresslevel zu senken.

  • Sieh es erstmal positiv, dass die Hündin ja offensichtlich grundsätzlich bereit ist, sich an einem Menschen zu orientieren, sonst würde das mit der einen Tierpflegerin ja nicht klappen. Also gehts nur darum, der Hündin klarzumachen, dass es sich für sie ebenfalls lohnt, sich an DIR zu orientieren. Dazu gehört, wie Hummel schon schreibt, ein Grundmaß an Bindung, Vertrauen und sich Kennen. Laß Euch die Zeit, die das braucht.



    Sie bekommt totale Panik, wenn irgendwer hinter uns geht

    Das klingt jetzt wahrscheinlich total bescheuert :lol: , aber das, was mir spontan dazu in den Kopf gekommen ist, war: "Dann dreht Euch halt um, dann kommt Euch einer entgegen."
    Aber bescheuert oder nicht - die Frage ist tatsächlich, wie verhält sie sich denn bei anderen Begegnungen mit Menschen?


    Nicht weiter wollen ist bei solchen Hunden meist einfach nur ein Zeichen dafür, dass sie noch überfordert sind.


    LG, Chris

  • Wichtig für Angsthunde ist in erster Linie Ruhe, keine Spaziergänge, wo viele Menschen sind, keine hastigen Bewegungen. Setze Dich mit dem Hund einfach irgendwo hin, wo es schön ruhig ist und versuche zu entspannen. Deine Ruhe geht auf den Hund über.




    Sie bekommt totale Panik, wenn irgendwer hinter uns geht. Das sieht dann so aus dass sie wie vom Hafer gestochen lossprintet und zwar mit einer Kraft, die ich kaum händeln kann.

    Versuche stehenzubleiben und den Menschen passieren zu lassen

  • Genau mein Thema. Ich hatte auch schon diverse Angsthunde an der Strippe, und wie @Hummel und @Chris2406 kann ich dir nur die Bindungsarbeit ans Herz legen. Lege nicht so viel Wert auf richtige Spaziergänge, sondern baue erst einmal eine Bindung zum Hund auf. Und wenn das im Tierheim stattfindet, ist es auch egal. Vertrauen, Körperarbeit, einfach zusammen irgendwo hinsetzen und die Welt beobachten, vielleicht ruhiges Streicheln oder TTouch, wenn sie das okay findet, können Wunder wirken.
    Meine vorige Hündin lag zitternd und um sich schnappend im Graben, wenn am Horizont ein Mensch auftauchte. Durch unseren Bindungsaufbau war sie bald so weit, dass sie es okay und sogar gut fand, wenn ich mich in derartigen Situationen neben sie gehockt und den Arm um sie gelegt habe, die Hand an ihrer Brust. Von dort aus sind wir dann immer weiter gegangen, haben vieles ausprobiert, und zum Schluss ist dieser Angsthund mit mir in der Bahn nach Bremen gefahren und hat bei Starbuck's unterm Tisch geschlafen - weil sie wusste, neben uns könnte ein UFO landen, aber ich werde aufpassen, dass ihr nichts passiert.
    Woher soll sie denn wissen, dass du sie beschützen kannst? Du bist ihr mehr oder weniger fremd, und Fremde können einem viel erzählen, aber ob das dann auch stimmt, ist die nächste Frage. Du musst dir ihr Vertrauen erst verdienen, eine Bindung eingehen, sonst glaubt sie dir nicht, dass sie mit dir zusammen sicher ist.


    Ganz anderes Thema: Wenn sie so panisch ist und gern den Rückwärtsgang einlegt, hat sie hoffentlich ein ausbruchssicheres Geschirr an. Sollte das nicht der Fall sein, würde ich das Tierheim dringend darauf ansprechen, denn ein in kopfloser Panik geflohener Angsthund ist nichts, was man erleben möchte.

  • Solange die Maus noch im Tierheim ist wird es schwer sein ihr Sicherheit zu geben. Was heisst den totaler Angsthund ? Dann würde mich wundern wenn man überhaupt mit ihr Gassi gehen kann. Insgesamt hört sich das nach einem sehr unsicheren und ängstlichen Hund an, der aber grundsätzlich bereit ist sich dem Menschen anzuschließen. Dieser Verfolgungswahn ist häufig - ist ja auch logisch, was hinter ihr ist kann sie nicht einschätzen. Ich lasse solche Menschen mit genügend Abstand vorbei gehen.
    Die Hündin braucht ein sicheres Zuhause, viel Ruhe, Vertrauen und ganz viel Zeit. Sichere sie gut, mit Sicherheitsgeschirr und Halsband - das gibt dir Sicherheit.
    Wie die anderen schon sagen, wichtig ist eine Bindung aufzubauen, die Arbeit an den Ängsten kommt erst in einigen Wochen/Monaten.
    Wie lange geht Ihr spazieren ? Ich würde vorerst nur kurze Runden in ruhigen Gegenden gehen, manchmal reichen 10 Minuten. Oder auch nur sitzen und die Welt ankucken.

  • Hallo und danke für die Ratschläge.
    Das mit dem irgendwo hinsetzen wo es ruhig ist habe ich auch schon versucht. Leider ist sie da selbst nach 30 min sitzen noch total unruhig, steht dauernd wieder auf, schaut panisch in alle Richtungen und umkreist mich auch öfter mal. Es ist verdammt schwer.
    Vor allem da sie nur selten reagiert wenn ich sie anspreche oder mit der Zunge schnalze, weil sie mehr mit ihrer Panik beschäftigt ist.


    Ein ausbruchsicheres Geschirr hat sie natürlich an, da sie sich aus dem Halsband mühelos befreien kann wenn sie mal wieder den Rückwärtsgang einlegt.


    Laufen tun wir immer so ca 1h. Die Tierheimmitarbeiter waren der Meinung, beim Gassi gehen könne man am besten eine Bildung zu dem Tier aufbauen. Darum habe ich bisher davon abgesehen, mich einfach mal im Tierheim selbst oder in ihrem Zwinger / Gehege mit ihr zu beschäftigen.

  • Das zweite Problem, sie bleibt beim Gassi gehen häufig ohne ersichtlichen Grund stehen, legt sich dann hin und weigert sich weiterzugehen.


    Für mich ist das jedesmal ein Kampf, da sie die besonders dann tut wenn das Tierheim noch in Sichtweite ist. Auch hier habe ich keine Ahnung, wie ich sie zum Weiterlaufen animieren kann.

    Ich würde versuchen gar nicht so weit zu gehen, dass sie sich hinlegt oder nicht weiter will. Offenbar ist das genau ihr Wohlfühlradius zum sicheren Zuhause und den würde ich erst mal einhalten. Das gibt sich mit der Zeit je mehr sie dir vertraut und sich traut mit dir die Welt abseits vom Tierheim zu erkunden.
    Was macht sie wenn du dann mit ihr zurück gehen würdest?
    Welpen machen das ganz genauso. Vielleicht gibt es auch einen Hundeplatz auf dem Gelände wo sie sich mal mehr bewegen kann. Ansonsten kannst du sie ja auch über Kopfarbeit noch etwas auslasten.

  • Wir haben auch so einen Hund hier im Tierheim in dem ich arbeite. Er wurde aus Rumänien nach Deutschland geholt. War für sehr kurze Zeit in seinem Zuhause und entlief dann. Vermutlich war er vorher schon ängstlich. Dann hat er ein halbes Jahr alleine draußen gelebt. Hat sich Nachts an Mülltonnen vergriffen. Wurde angefahren. Als wir ihn einfangen konnten war es nicht möglich ihn anzufassen. Bei den Hundepflegern hat es im Durchschnitt 4 - 6Wochen gedauert, bis er sich anfassen liess.
    Eine ehrenamtliche Gassigängerin hat sich dann mit ihm angefreundet. Sie saß über Tage vor seinem Auslauf. Dann, als er sie nicht mehr gleich fressen wollte ( ;) ) Wochenlang im Auslauf - bei jedem Wetter! Ohne anfassen. Nur Kekse verteilt und mit ihm erzählt. Dann mit Geschirr und Leine im Auslauf. Danach Minirunden auf dem Tierheimgelände mit Geschirr und Leine. Und nach einem halben Jahr der erste Spaziergang draußen.
    Heute fühlt er sich so sicher bei ihr das er sogar ohne Angst aufs Unterwasserlaufband geht.
    Ich würde vielleicht mit deinem Hund noch garnicht so viel machen sondern, wie einige andere hier ja schon geschrieben haben, erst mal dafür sorgen, dass er dir vertraut und eine Bindung zu dir aufbaut.

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