Meideverhalten, dass Mittel der Wahl bei schwierigen Fällen

  • Zitat


    Ein, richtig gesetzter, Leinenruck muss punktgenau nach dem
    Nichbefolgen eines Kommandos eingesetzt werden. Wie das
    Werfen einer Klapperkette, das ebenfalls punktgenau erfolgen muss,
    damit der Hund alles richtig verknüpft.

    Mannomann... wenn dieser Thread nur nicht so elendig lang wäre... und
    wenn die Artikel nicht ebenfalls so lang wären.... dann wäre es viel
    einfacher...

    ...aber in der Menge habe ich auf die obige Aussage überhaupt keinen
    Widerspruch finden können. Ich bin regelrecht entsetzt, dass hier keiner
    widerspricht, denn falscher kann eine Aussage gar nicht mehr sein.

    Ich stelle mir gerade einen Hund vor, der das "Fuss" noch nicht kennt.

    Ich sage "Fuss", er befolgt es nicht, und dann kriegt er punktgenau
    nach obiger Anweisung einen Leinenruck. Entsprechend der
    klassischen Konditionierung wird dabei jedoch das Signal "Fuss" als
    Ankündiger für einen Schmerz etabliert. Es wird gleichzeitig dabei das
    verboten, was er gerade tut. Wo bleibt aber dabei die Information über
    das, was der Hund eigentlich tun soll? Diese Information fehlt doch
    vollständig.
    Und warum sollte ich überhaupt das Signal "Fuss" als Ankündiger für
    Schmerz etablieren wollen? Welchen Sinn kann das haben?

    Ich spekuliere jetzt einfach mal, dass der Hund einen bestimmten Grund
    hat, das "Fuss" nicht zu befolgen... im einfachsten Fall, hat er einfach
    keine Ahnung, was von ihm verlangt wird... und kriegt dafür einen
    Leinenruck. Was soll das?

    Oder da sitzt vielleicht beispielsweise ein Karnickel. Angenommen, ich
    habe beim Karnickel jetzt eine andere Absicht und will das Jagen
    verbieten. Ich sage "Pfui" und verpasse ihm einen kräftigen Leinruck. In
    diesem Fall beabsichtige ich unerwünschtes Verhalten (die Jagd)
    einzuschränken. Soweit ok....

    Also... "Pfui" und Leinenruck schränken unerwünschtes Verhalten ein.
    Wobei ich dabei nicht will, dass er etwas anders tut, sondern nur, dass
    er das jagen lässt. "Pfui" und Leinenruck könnten auch das unerwünschte
    Zerren an der Leine einschränken. Aber auch da will ich nur, dass er
    lediglich das Zerren einstellt. Er muss also nicht anschliessend noch
    wieder was anderes tun.

    Und nun mal rein theoretisch gefrat: Welches unerwünschte Verhalten
    schränken "Fuss" und Leinenruck ein? Und wo bleibt die Information
    dabei, über das, was er statdessen tun soll, nämlich bei Fuss gehen? Er
    soll also nicht nur etwas nicht tun, sondern sogar stattdessen noch
    etwas ganz anderes tun .... nur das er genau dafür überhaupt keine
    Infos kriegt....

    Also ich habe sicher nix gegen einen Leinenruck. Aber garantiert nicht
    am Halsband, und garantiert auch nicht als probates regelmäßiges
    Mittel in der Ausbildung. Der Leinenruck hat in der Ausbildung beim
    Herbeiführen von erwünschtem Verhalten überhaupt nix zu suchen,
    da er für das gewünschte Verhalten keinerlei Information enthält.

    Wenn aber Leinenruck, dann jedoch richtig. Mit Krallenhalsband, konkret
    dazu verwendet, unerwünschtes und verbotenes Verhalten sofort und
    nachhaltig zu unterbinden. Die oberste Priorität beim Leinenruck ist,
    ihn so zu verwenden, dass die Wirkung nicht desensibilisiert wird,
    zur Vermeidung der typischen Gewaltspirale. Das bedeutet, dass
    er zur Etablierung von Meideverhalten so anzuwenden ist, dass die
    Notwendigkeit von Wiederholungen weitesgehend reduziert wird und
    dass dabei ein Warn-Signal etabliert wird. Mit dem Signal
    kann die Wirkung des Leinenrucks auf andere Situationen, in denen
    ebenfalls Verbote ausgesprochen werden, übertragen werden, ohne
    den Hund weiter malträtieren zu müssen.

    g, Maddin

  • Also wenn aversiv, dann wenige Male richtig "heftig" weil das viele halbherzige Male erspart?

    Wie stehst Du zur Frage "bekommt man einen zu 99% im Kommando stehenden Hund auch ohne mit negativen Reizen trainiert zu haben"?

    LG
    Tina

  • Zitat


    [Also wenn aversiv, dann wenige Male richtig "heftig" weil das viele halbherzige Male erspart?

    Wie stehst Du zur Frage "bekommt man einen zu 99% im Kommando stehenden Hund auch ohne mit negativen Reizen trainiert zu haben"?
    Tina

    Ich unterscheide da ganz deutlich zwischen erwünschtem und
    unerwünschtem Verhalten. Kommandos zu befolgen heisst,
    erwünschtes Verhalten zu etablieren. Dazu braucht man doch
    keinen Leinenruck.
    Ein Kommando nicht zu befolgen ist kein unerwünschtes Verhalten.
    Das ist leider der Fehler, den viele machen. BTW, ich halte Kommandos
    eh für den falschen Ansatz. Ich halte auslösende Signale für die bessere
    Alternative. Und damit sind locker 99% zu erreichen.

    Unerwünschtes Verhalten ist für mich: Jagen, beim Spaziergang
    Menschen belästigen, Möbel anfressen, etc. ... ich denke, da sind
    aversive Reize, signal-konditioniert, ein probates Mittel. Ich
    habe damit kein Problem.

    Ich denke auch, dass Hunde damit kein Problem haben. Probleme
    entstehen für Hunde nur dann, wenn sie nicht wissen, wie sie
    einen aversiven Reiz vermeiden können oder eine Situation
    vom Unangnehmen ins Neutrale wandeln können. Wenn sie das
    wissen, sind sie in der Lage die konsequenzen zu kontrollieren.
    Glaubwürdigkeit, Geradlinigkeit, Kontinuität... dadurch wird das
    Leben für Hunde vorhersehbar... sie verhalten sich dann entsprechend
    und erlangen dadurch wieder Stabilität.
    Aversive Reize schaden keinem Hund... nur der missbrauch oder falsche
    Anwendung mit missverständlicher Verknüpfung schadet.

    g, Maddin

  • Zitat

    ...aber in der Menge habe ich auf die obige Aussage überhaupt keinen
    Widerspruch finden können. Ich bin regelrecht entsetzt, dass hier keiner
    widerspricht, denn falscher kann eine Aussage gar nicht mehr sein.

    Das wird daran liegen, dass auch keiner gesagt hat das man ein Kommando so beibringt. Ich denke da verstehst du gerade etwas relativ falsch oder wir haben da wirklich einen anderen Ansatz, was ich aber nach lesen deines Beitrages nicht glaube.
    Wenn mein Hund ein Kommando nicht kennt und ich dann nur an ihm rumreisse ist das das eine, aber etwas anderes ist es für mich wenn er ein Kommando sehr genau kennt und es dann, z.B. weil gerade etwas interessanter ist, nicht befolgt. Das fällt für mich eindeutig unter das von dir beschriebene, unerwünschte Verhalten.

  • Zitat


    Unerwünschtes Verhalten ist für mich: Jagen, beim Spaziergang
    Menschen belästigen, Möbel anfressen, etc. ... ich denke, da sind
    aversive Reize, signal-konditioniert, ein probates Mittel. Ich
    habe damit kein Problem.

    Ich muss noch weiter nachbohren ... tschulligung :roll:

    Unerwünschtes Verhalten zu stoppen bzw so weit zu kommen das es erst gar nicht mehr auftritt, wie weit kommt man da Deiner Meinung nach beim Training ohne aversive Reize?

    LG
    Tina

  • @ Maddin

    vielen vielen Dank. Endlich traut sich hier mal jemand ohne drumrum formuliert und mit beschönigenden Worten Klartext zu schreiben:
    Was ist Meideverhalten und wie erreiche ich es!

    Hund meidet bestimmte Dinge (z.B. den Elektrozaun) aus Angst vor Schmerz, weil er dort einen aversiven Reiz (Stromschlag) erfahren hat.

    Fast bin ich geneigt zu schreiben, mir ist jemand der es so aufbaut wie Du es beschreibst - mit Krallenhalsband - lieber, als jemand der am normalen Halsband rumruckt.

    Zumindest sollte jetzt jedem klar sein, was er tut wenn er versucht über Meideverhalten bestimmte Dinge zu unterbinden - und jetzt sollte jeder für sich entscheiden können, ob er diesen Weg wählen will.
    Ich persönlich hab mich dagegen entschieden.

  • Zitat

    Wenn mein Hund ein Kommando nicht kennt und ich dann nur an ihm rumreisse ist das das eine, aber etwas anderes ist es für mich wenn er ein Kommando sehr genau kennt und es dann, z.B. weil gerade etwas interessanter ist, nicht befolgt. Das fällt für mich eindeutig unter das von dir beschriebene, unerwünschte Verhalten.

    Eben genau nicht.... Dein Hinweis entspricht genau der traditionellen
    Rechtfertigung für (überflüssige) aversive Reize in der Ausbildung.

    Du legst dazu fest, wann der Hund das Kommando verstanden
    hat. Ganz unabhängig davon, ob das wirklich so ist, oder nicht.
    Du legst den Zeitpunkt fest, dass er das ab jetzt verstanden
    hat....basta... und ab jetzt gibts bei Verweigerung Vergeltung.

    Dir ist natürlich klar, dass diese Festlegung auf purer Willkür
    basiert, auf zweifelhafte Interpretation des Lernstandes des
    Hundes....?...oder ?
    Und jeder Hundehalter wird das vollkommen unterschiedlich
    bewerten... das kann schon bedeuten, dass das "Verstehen"
    unterstellt wird, wenn er es nur 3 mal ausgeführt hat, und das
    4. mal dann verweigert. Vielleicht waren aber die ersten 3 mal
    nur zufällig....?

    Ich behaupte, wenn ein Hund ein Signal nicht befolgt, dann ist das
    keine beabsichtigte Verweigerung, sondern ein Ausbildungsdefizit
    hinsichtlich der notwendigen Generalisierung eines Signals. Das heisst,
    es ist weiteres Üben erforderlich, zielgerichtet, ohne Schmerz oder
    Meideverhalten.

    Ein Beispiel... apportieren. Ich bringe meinem Hund mit einem
    bestimmten Bringholz das apportieren bei. Das klappt fehlerfrei
    und zuverlässig...immer.
    Ich bin zu Gast auf einem fremden Hundeplatz und will mal das
    apportieren vorführen... ein anderes Bringholz, anderes Gelände,
    andere Hürde... nix geht... totale Verweigerung. Hat er nun das
    "Bringen" verstanden oder eher doch nicht?

    Meine Definition der erwünschten Handlung beim "Bring" sieht
    so aus: Ich nehme ein Bringholz, eine Stoffpuppe, einen Minischirm,
    eine Kappe, einen wahllos gefundenen Stock, eine Pappdose,
    ein Schlüsseletui, ein Gummiknautschtier, eine zusammengerollte
    Leine, was auch immer... werfe es weg, oder lege es irgendwo zufällig hin, ohne das es der Hund sieht, dann schicke ich ihn in die Richtung,
    lenke ihn dabei mit "ja, richtig!", oder "faaalsch" und sage "Bring's",
    wenn er angekommen ist.
    Ich erwarte dabei, dass 100 von 100 Versuchen erfolgreich absolviert
    werden, zwischen Menschen hindurch, und auch zwischen anderen
    spielenden Hunden....ganz egal. An der Stelle ist die notwendige
    Generealisierung erfolgt. Meine Hovawart-Hündin konnte genau das.

    Leinenruck bei Verweigerung eines Kommandos ist Missbrauch.

    Zitat

    Ich muss noch weiter nachbohren ... tschulligung

    Unerwünschtes Verhalten zu stoppen bzw so weit zu kommen das es erst gar nicht mehr auftritt, wie weit kommt man da Deiner Meinung nach beim Training ohne aversive Reize?

    Ganz ehrlich... ?... ich habe keine Ahnung :D

    Ich habe gar keine Lust dazu, mich so sinnlos umständlich mit
    positiver Verstärkung bezüglich unerwünschtem Verhalten zu
    beschäftigen. Ich stoppe unerwünschtes Verhalten ganz klar
    nachhaltig... eben auch in diesem Moment unangenehm für den
    Hund.
    Aber nochmal der Hinweis: Was ist unerwünschtes Verhalten?
    Das nichtbefolgen eines Kommandos gehört nicht dazu.
    Genau hier lehne ich aversive Reize rigoros ab, um Alternativ-
    verhalten durchzusetzen....
    ...sowas wie beim an der Leine zerrenden Hund. Ich will das
    zerren unterbinden und sage dann "Fuss", verbunden mit Leinenruck,
    um zuerst das Zerren zu beenden und dann alternativ die Bei-
    Fussposition durchzusetzen... und das alles in einem Vorgang.
    Das geht ja nun gar nicht....

    Aversive Reize beenden ein Verhalten, sie verlangen nie dafür ein
    anderes Verhalten. Ich kann natürlich nach dem aR folgend mit
    was "neuem" den Stress auflösen... manchmal mach ich das,
    manchmal nicht.

    g, Maddin

  • Weiter bleibe ich doch sehr verwundert... :???:

    Warum wird hier ein aversiver Reiz immer als Schmerzeinwirkung gesehen?
    Muss das tatsächlich immer ein Leinenruck, eine Wurfkette oder ähnliches sein?

    Aversive Reize sind ja nun deutlich vielfältiger.

    LG
    das Schnauzermädel

  • Es gibt einen Trainer der arbeitet auch mit "Leinenimpuls". Er beschreibt es als "tippen auf die Schulter" (sprich, dass der Hund wieder Aufmerksamkeit schenkt, wenn er zu abgelenkt ist). D.h. er gibt einen kurzen, nicht harten, zackigen Impuls (haut den Hund nicht von den Füßen, tut ihm auch nicht weh) bei lockerer Leine. Sprich Impuls erfolgt bei lockerer Leine ohne Kraft.

    Auch das ist ein Leinenruck, wenn man es so möchte aber tut dem Hund auf gar keinen Fall weh.

  • Zitat

    Weiter bleibe ich doch sehr verwundert... :???:

    Warum wird hier ein aversiver Reiz immer als Schmerzeinwirkung gesehen?
    Muss das tatsächlich immer ein Leinenruck, eine Wurfkette oder ähnliches sein?

    Aversive Reize sind ja nun deutlich vielfältiger.

    Aversive Reize sind unangnehm... sonst wärs kein aversiver Reiz.
    Im Sinne der Lernpsychologie, handelt es sich um einen negativen Reiz,
    bei dem ein aversives Ereignis eine Vermeidungsreaktion auslöst .

    Vereinfacht lässt sich das auch so erklären:
    1.
    Ein Hund (resp. Lebewesen) wird immer etwas unternehmen, um
    etwas angenehmes zu erlangen oder etwas angenehmes aufrecht
    zu erhalten und nichts unternehmen, was das angenehme beendet.

    2.
    Ein Hund (resp. Lebewesen) wird immer etwas unternehmen, um
    etwas unangenehmes zu beenden oder etwas unangenehmes zu
    verhindern und er wird nichts unternehmen, um das unangnehme
    aufrecht zu halten.

    Darauf basiert die Vermeidungsreaktion... anders ausgedrückt:
    Schadenvermeidensstrategie! Und an der Stelle ist mir absolut
    rätselhaft, wieso manche Leute glauben, dass sie mit Schadens-
    vermeidungsstrategien des Hundes erwünschtes Verhalten
    herbeiführen können... die quadratur des kreises... *lol

    Es geht aber nicht darum ständig auf aR zurückzugreifen, sondern
    das Ziel muss sein, sie zu vermeiden oder zu ersetzen. Dazu schrieb
    ich weiter oben beim Leinenruck:

    Aversive Reize, signalkonditioniert... das funktioniert in den meisten
    fällen... sofern der Hund nicht schon hoffnungslos gewalt-gewohnt
    ist... also das in einer typischen gewaltspirale die Dosis der
    Einwirkung zur Beibehaltung gleicher Wirksamkeit immer erhöht
    wurde. Diese Hunde sind gewaltdesensibilisiert. Bei Hunden
    die ohne aR ausgebildet wurden (meint nicht Erziehung) ist das
    allerdings hochwirksam.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!