Neurotischer Welpe?

  • Liebe Alle,

    frohe Weihnachten erstmal! Ich hätte mal eine Frage zu unserem etwas sonderbaren Welpen. Also es ist wahrscheinlich kein Wunder dass er etwas sonderbar ist, wir haben ihn mit ungefähr 3 Wochen am Straßenrand gefunden (nicht Deutschland). Er war so winzig, dass er in eine Tasse gepasst hat, und der Tierarzt meinte, er geht nicht davon aus, dass er überleben wird. Hat er aber!

    Wir haben einen anderen Hund (jetzt 11 Monate, ungefähr 4 Monate älter) und wollten den Kleinen eigentlich nicht behalten. Wir haben ihn dann auch (mit ungefähr 9 Wochen) an eine Frau vermittelt, bei der wir ein echt gutes Gefühl hatten, leider hat sie ihn nach 3 Tagen wieder abgegeben. Daraufhin haben wir ihn behalten. Nun ist er 7 Monate, und wir haben ein etwas merkwürdiges Problem: Er knurrt STÄNDIG. Wirklich ständig. Also ungefähr jedes Mal wenn wir ihn anfassen, oder sonst irgendetwas mit ihm machen. Ich hab mich schon etwas in Deprivation eingelesen, das kann es nicht sein, weil dem ja mangelnde Umwelt- und Sozialreize zugrundeliegen. Er hat von klein auf eher ungewöhnlich viel von der Welt gesehen, wir haben ihn einfach überall hin mitgenommen. Aber er hat auf jeden Fall irgendein Trauma, bzw kann vielleicht auch einfach nicht komunizieren. Er beißt nämlich tatsächlich nicht. Da wäre ich mir jetzt nicht sicher gewesen, aber er hatte erst eine Wunde, die öfters versorgt werden musste, was ihn auch wirklich geschmerzt hat. Er hat zwar schon fast sirenenartig geknurrt, aber nie versucht zu schnappen. Man könnte nun sagen, gut, warum ihn dann anfassen, wenn er dann knurrt. Es ist allerdings wirklich schwierig, eine Bindung zu einem Welpen aufzubauen, den man nicht geplant hat, und der einen ständig anknurrt. Man könnte auch denken, gut, er mag uns vielleicht einfach nicht, fair enough. Aber gerade an meinem Partner hängt er sehr. Auch unser "eigentlicher" Hund und er lieben sich. Den knurrt er auch ständig an, allerdings ist das für beide ein Spiel. Er ist auch im großen und ganzen ein echt unkomplizierter Zweithund. Klein, breit gebaut, und langhaarig läuft er immer und überall problemlos einfach so mit und schläft sonst viel. Nur abends bellt er sehr viel (wahrscheinlich aus Angst) und andere Menschen hasst er. Er schnappt auch sofort wenn jemand versucht ihn anzufassen, aber gut, wir unterbinden einfach jegliche Anfassversuche. Von sich aus agressiv ist er nicht wirklich, außer dass er eben viel bellt. Ich denk mir auch manchmal, gut, vielleicht ist dieses Knurren ja einfach nur eine komische Marotte von ihm? Es ist mittlerweile schon eher einfach so ein Hintergrundgeräusch, ich trag ihn auch immer noch manchmal, und dann knurrt er halt so vor sich hin. Also weil er nicht "hündisch" kommunizieren gelernt hat weiß er vielleicht gar nicht genau was das eigentlich heißt? Er hat nämlich lustigerweise auch ein "Freudenknurren" wenn er uns sieht. Ist jemandem so ein merkwürdiges Verhalten vielleicht schonmal begegnet bzw hat jemand eine Idee...?

    • Neu

    Hi


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    • Ein Entwicklungsschaden des Gehirns im frühen Welpenstadium kann nicht nur durch totalen Entzug von Reizen entstehen, sondern auch durch völlige Überlastung. Und die frühe Trennung von der Mutter. Und dadurch ist es schon sehr wahrscheinlich, dass ihm ein guter Teil an erworbenem „adäquatem“ Hundeverhalten fehlt. Dazu noch eine erfolglose Vermittlung in jungem Alter. Was heißt das, dass Ihr ihn überall mit hingenommen habt?


      Er ist nach Deiner Schilderung jetzt 7 Monate alt. Ich würde mal damit rechnen, dass da noch mehr an auffälligem Verhalten kommt.


      Was das Knurren genau zu sagen hat: Keine Ahnung, das kann viel sein. Ich würde es ernst nehmen, ihn so wenig bedrängen wie möglich und weiter beobachten. Viel mit Geborgenheit (ohne Anfassen), Lob und Leckerlie arbeiten, einen strukturierten Tagesablauf mit festen Routinen bieten und ihn sich am anderen Hund orientieren lassen.

    • Ich würde auch vermuten, dass er durch Überlastung zusätzliche Schäden davongetragen hat.


      Mit fünf Wochen kann man einen gut aufgewachsen Welpen das erste Mal für kurze Zeit einer fremden Umgebung aussetzen, ohne, dass es ihn überfordert. Dann sollte man aber den Tag drauf wieder für die sichere Routine daheim sorgen.


      Durch die traumatisische Erfahrung wäre Dein Welpe wohl selbst dann vermutlich noch nicht in der Lage gewesen das schadfrei zu überstehen.


      Zwei Wochen sind bei Welpen eine enorme Zeitspanne, in der sich extrem viel verändert.

    • Hm, ja, das kann natürlich gut sein dass wir ihn mental überlastet haben. Wir hatten allerdings nicht so wirklich eine Wahl, wir konnten ja nicht unser Leben anhalten. Und wollten so ein Hundebaby natürlich auch nicht alleine lassen. Die ersten Monate war mein Partner im Homeoffice, aber wenn wir sonst irgendwo hin sind haben wir ihn in einer Tragetasche mitgenommen.


      Die fehlgeschlagene Vermittlung war bestimmt ein zweites Trauma, das tut uns auch jetzt noch leid. Wir hatten so ein gutes Gefühl mit der Frau, und haben sie auch wirklich mehrmals vorher getroffen bevor wir ihn abgegeben haben. Er ist auch erst seitdem so negativ/aggressiv anderen Menschen gegenüber.


      Wir haben ihn vielleicht auch mit Spaziergängen überlastet, aber da war unser Motto auch immer, besser dabei als allein zuhause. Wir haben dann immer noch versucht ihn währenddessen auch viel zu Tragen, aber da hatte er irgendwann keinen Bock mehr drauf.

    • Ich denke, ihr habt mit der Abgabe zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt das Trauma aus der Welpenzeit verschlimmert. Junghunde haben in der Entwicklung Unsicherheitsphasen, in denen ihnen ein Wechsel des Zuhause schwer fällt bzw für so einen Hund wohl unmöglich ist.

    • Es geht ja nicht nur um Euch. Du schreibst, dass Ihr ihn mit 3 Wochen am Straßenrand gefunden habt. Das ist viel, viel, viel zu früh für die Trennung von der Mutter und das Aussetzen in fremde Umgebung. Wie habt Ihr ihn denn durchgebracht - habt Ihr ihn von einer fremden Hündin aufziehen lassen oder ihn per Hand hochgepäppelt?


      Ja, danach wäre weniger wohl mehr gewesen. Aber hinterher ist man auch immer schlauer. Es geht nicht um Vorwürfe, sondern darum, dass Ihr tatsächlich damit rechnen müsst, dass eine dauerhafte Schädigung des Lern- und Reizverarbeitungsvermögens vorliegt. Der Deprivationsschaden war schon in die richtige Richtung gedacht.


      Ich hab nur sehr wenige Hunde damit von klein auf gesehen, aber bei denen hat sich ein Teil der Probleme erst mit der Pubertät bzw. Geschlechtsreife gezeigt. Deshalb mein Hinweis, dass Ihr mit noch mehr rechnen solltet.


      Ob das Knurren jetzt „nur“ eine Marotte ist, eine manifeste Verhaltensstörung oder tatsächlich das Signal einer dauerhaften Überforderung/Überlastung, ob ihm Warnen quasi zur zweiten Natur geworden ist, das kann aus der Ferne keiner beurteilen. Aber ich würde es sicherheitshalber als Zeichen nehmen, dass der Kleine viel mehr Ruhe braucht. Und ggf. auch Abstand, Rückzugsmöglichkeit.

    • Ja die fehlgeschlagene Abgabe hat auf jeden Fall zu großen Problemen geführt, er hat sich vorher von anderen problemlos anfassen lassen. Wir rufen jetzt schon immer sofort, vorsicht, beißt!! Wenn jemand sich dem achso süßen Welpen nähert. Aber er geht jetzt nicht von sich aus aggressiv auf Menschen zu, er will einfach nicht angefasst werden.

      Aber zu dem es geht ja nicht nur um uns - wir hatten halt echt nicht wirklich eine Wahl. Wenn wir irgendwo hin mussten haben wir ihn so mitgenommen wie man sonst Babys am Körper trägt. Wir haben auch auf allen Wegen versucht eine Ammenhündin zu finden, Tierärzte und Tierschutzorganisationen kontaktiert, jeder meinte sie wären schon überfüllt, wir müssen es selbst machen. Also haben wir ihn von Hand hochgepäppelt. Ich würde auch sagen, dass er im großen und ganzen nicht sehr überdreht ist, sondern schon gut zur Ruhe kommt. Er ist jetzt nur endlich groß genug dass er mit unserem Ersthund wirklich spielen kann, dadurch puschen die beiden sich gegenseitig zur Zeit sehr. Ansonsten hat er zumindest aus dem ganzen mitgenommen dass er immer und überall auch einfach zu unseren Füßen eingerollt schlafen kann.

      Ich würde auch sagen, dass er im allgemeinen schon "glücklich" ist. Er ist aufgeweckt, erkundet neugierig die Welt, spielt gerne, frisst und schläft gut, und hat eine gute Bindung zum Ersthund und zu uns.

      Nur abends ist er oft merklich nervös und bellt bei jedem Geräusch. Und, das Knurren eben...

    • Wir haben jetzt auch nie super viel mit ihm trainiert, weil wir ihn nicht überfordern wollten. Sitz klappt einwandfrei und er lässt sich aus jeder Situation problemlos begeistert zurückrufen, wenn er weiß es gibt ein Leckerli. Sonst hat er das Wort "sitz" noch nie gehört und er kommt nur sofort wenn er grade Lust hat. Was jetzt aber auch nicht soo schlimm ist (also zumindest nicht so dass er nicht weitab von Straßen trotzdem von der Leine könnte), weil er sich eigentlich nie mehr als 10 Meter von uns entfernt.

    • Wie gesagt, macht Euch einfach mit dem Gedanken vertraut :smile: . Ich hab ein kleines Kerlchen miterlebt, dass mit 5 Wochen ohne Mutter im Shelter gelandet ist, da etwa eine Woche war und dann hochgepäppelt wurde. Trennung von der Mutter unbekannt, Da hat man auch noch nicht viel gemerkt, als er Junghund war, außer einer „Lernschwäche“. Manifestiert haben sich die Probleme mit etwa 11 Monaten, u. A. Bissigkeit, absolute Rüdenunverträglichkeit, Problemen mit dem Alleinbleiben, Allergien und Neigung zu Ekzemen, Bissigkeit bei Fremden, Durchfall bei jeder Aufregung, der war eigentlich chronisch da.


      Davon ab war er seinen Besitzern gegenüber ein zauberhafter Hund und konnte mit all seinen Macken hier auf dem Land recht problemlos und auch sehr glücklich gehalten werden.


      Meine eigene zweite Hündin hat einen mild ausgeprägten Deprivationsschaden, der in unserem Alltag kaum stört. Auf meinem Avatar sieht man einen ganz kleinen Punkt davon: Sie kann keinen direkten Blickkontakt halten. Das gehört zu den Sachen, die sie tatsächlich nicht lernt.


      An bestimmte Sachen haben wir uns einfach gewöhnt. Wir brauchen halt schon ein Auge dafür, wann sie überlastet ist.

    • Uff ja, das klingt als hätten wir da jetzt schon fast die volle Palette :/

      Ich hatte immer noch Hoffnung, weil er ja zumindest seit er denken kann bei uns ist, und auch immer einen sehr liebevollen "großen Bruder"hund hatte.

      Aber ja, Bissigkeit bei Fremden, Durchfall, Allergien... alles da. Das hab ich alles gar nicht so darauf zurückgeführt.... Kann man irgendwas machen, damit er sich bestmöglich entwickeln kann? Sowas kann man ja schlecht "wegtrainieren".

      Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass mir die Bindung zu ihm schwerer fällt, was bestimmt auch nicht ganz fair ihm gegenüber ist. Also er knurrt wirklich eher einfach so vor sich hin als dass er einen jetzt agressiv anknurrt, und er hat ja sogar auch ein wirklich lustiges "Freudenknurren", aber irgendwie erschwert das unsere Beziehung doch merklich.


      Man siehts echt auf dem Foto wenn mans weiß, aber wie süß die beiden sind :)

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