Jagdtrieb vs. Jagdverhalten

  • Selbst wenn man weiterhin von Trieben sprechen will (ist halt bequem und halbwegs intuitiv), ist die Theorie, dass Triebe abgebaut werden müssten (weil sie sich sonst stauen und den Hund wie einen Dampfkessel explodieren lassen) obsolet.

    Ich rede von Trieb, weil ich bei meinem Hund sonst Jagdzwang nehmen müsste. Der kann nix anderes. Soll er auch nicht. Wenn ich von ihm Gehorsam fordere, ist die Belohnung für den Gehorsam trotzdem die Jagd, und das weiß er auch. Das ist bei ihm keine Motivation, sondern sein Lebensinhalt.


    Würde ich ne Stunde nur dastehen dann könnte er sich bestimmt wieder auf ein für beide Seiten erträgliches Maß runterregulieren. Nur, was bringts? Spätestens innerhalb der nächsten Tage bekommt er ja wieder Jagderlebnisse.


    Was ist denn der neuere Konsens zur obsoleten Triebtheorie? Dann würde ich mich da einlesen. Man will ja nicht dumm sterben.

  • Ich weiß, dass mehr von Motivation als von Trieb gesprochen wird. Aber für mich ist und war Trieb nie gleichbedeutend mit "unerreichbar". Kann bei manchen Hunden bedauerlicherweise in manchen Situationen so sein - aber das liegt an den entsprechenden Hunden und nicht am "Trieb".


    Wir reden ja auch vom Sexualtrieb, oder? Und natürlich kann ich meinen Hund kontrollieren, wenn er der Hündin gerne schöne Augen machen würde. Trieb bedeutet für mich also nicht "da kommt nichts mehr an".

    Ich finde schon, dass je höher der Hund im Trieb ist, also das Erregungslevels des Hundes ansteigt, desto weniger dringe ich zu ihm durch und kann sein Verhalten kontrollieren. Deshalb ist mein Weg, den Hund nicht hochfahren zu lassen und ihn dadurch ansprechbar zu halten. Ich bremse also sozusagen die Jagdmotivation aus und breche echtes Jagdverhalten ab.

    Wie aber HH arbeiten, die mit der Jagdmotivation ( dem Trieb) ihres Hundes arbeiten wollen, weil Jäger z.B., weiss ich nicht genau. Da müsste ja das Ziel sein, den Hund in hoher Trieblage kontrollierbar zu halten. Andererseits kommt der jagdlich geführte Hund ja zum Triebziel, weil er die Jagdsequenzen kontrolliert ausleben darf.

  • Ich rede von Trieb, weil ich bei meinem Hund sonst Jagdzwang nehmen müsste. Der kann nix anderes. Soll er auch nicht. Wenn ich von ihm Gehorsam fordere, ist die Belohnung für den Gehorsam trotzdem die Jagd, und das weiß er auch. Das ist bei ihm keine Motivation, sondern sein Lebensinhalt.

    Ich rede nicht von Gehorsam. Wobei, wenn ich wie du den Gehorsam mit Jagd(erfolg) hätte belohnen können, stünden wir heute gehorsamstechnisch besser da. Aber darum geht es mir nicht. Es geht um die überholte Theorie, dass Triebe unbedingt erfüllt/abgebaut werden müssten.


    Nein, müssen sie nicht. Keiner meiner Rüden hat echte oder künstliche Hündinnen zur Erfüllung oder Abbau des Sexualtriebs bekommen. Das tangiert überhaupt nicht meine Ansicht, dass manche Rassen nur in Jägerhände abgegeben werden sollten. Weil sie eben nr dafür gezüchtet werden.

  • Ich bezweifele dass bei irgendeinem Säugetier ein Trieb durch Erfüllung kleiner oder abgebaut wurde. (Auch hier darf jede/r gerne mal für sich das Beispiel mit dem Sexualtrieb durchspielen und Schlüsse ziehen.)


    Und auch meine Hunde dürfen kein Wild hetzen und greifen. Aber. Im Graubereich (der Hund kann seinem Trieb folgen - UND es ist für mich und mein Umfeld akzeptabel) blühen triebige Hunde absolut auf.


    Ich lasse Spuren suchen (wenn ich bspw. eine gute Position für eine Wildkamera suche), kontrolliertes Rattenjagen ist erwünscht etc...


    Die Hunde folgen dann ihrem Trieb, zeigen Jagdverhalten - sind kurzzeitig "heißer" als vorher (soviel zum Thema Triebabbau) aber langfristig tatsächlich erreichbarer durch mich. Und haben unendlich viel Spaß.

  • Ich würde Trieb nicht mit Durchdringbarkeit zum Hund definieren, sondern eher mit Vehemenz und Ernsthaftigkeit.


    Ein Hund, der viel Jagdtrieb hat, lebt das auch. Die Jagd ist seine Passion, wie für einen Wachhund das Wachen, oder für ein Vollblut das Laufen.

    Es ist ein Bedürfnis, das der Hund stillen will, etwas das ihm im Blut liegt, und wogegen er sich stellenweise schlecht lehnen kann.

    Aber, ob der Hund dabei beeinflussbar bleibt, hängt mMn eher mit anderen Faktoren zusammen.

    So kann sich bspw ein Hund mit deutlicher Jagdmotivation/deutlich ausgeprägtem Jagdtrieb, am Riemen reißen und so noch zumindest mit einem Ohr beim Besitzer bleiben, auf den Besitzer reagieren. Er kann sich bewusst gegen die Jagd und für den Besitzer entscheiden.


    Ebenso gibt es auch Hunde mit schwächer ausgeprägtem Jagdtrieb, die trotz Erziehung vielleicht weniger beeinflussbar sind.


    Ich hab hier zwei so Kandidaten :


    Das Schnauz würde am Liebsten sofort hinter einem Reh hinterher wenn sie es sieht, und hat auch sofort den Drang dazu, zu stöbern und das Wild zu finden, wenn sie Witterung bekommt, bleibt dabei allerdings gut im Gehorsam. Ich kann sie rechtzeitig ran rufen, sie beim Aufnehmen der Suche abbrechen, und wenn sie am Liebsten sofort hinterher wäre, bleibt sie sitzen. Sie ist dann zwar gespannt wie eine Feder, fängt vielleicht das Schreien an, weil will, will, will - aber sie strengt sich an, und bleibt trotzdem sitzen.


    Susi hat kaum Jagdtrieb, obwohl sie ein Terrier ist ( ja, ich weiß, "nur" ein Westie, aber trotzdem ursprünglich mal zur Jagd gedacht). Neben ihr konnten Rehe aufspringen, es war ihr scheiß egal. Es konnten Hasen rum flitzen, sie hats nicht gepeilt. Wildschweine die den Weg kreuzen? Auch egal.

    Aaaaber, eine Schwäche hatte sie trotzdem - Marder.

    Weil sich die nur im Dunkeln rum treiben, war genau dann auch mal der Jagdmodus aktiv. Aber, sie blieb dabei nicht ansatzweise so ansprechbar wie Lilo.

    Marder gewittert, der Nase nach.

    Marder gesichtet? Sofort hinterher!

    Geht an der Leine zwar schlecht, aber selbst da - Hund war nicht ansprechbar.


    Unterschiede - Eigenständigkeit, Erziehung, Will-to-please ( inwiefern man davon bei beiden sprechen kann), Reizschwelle, Reaktionsschnelligkeit, Intensivität der Reaktion, Impulskontrolle,...

    Das Schnauz hat viel mehr Jagdtrieb als das Westie-Tier, beherrscht sich jedoch deutlich besser.


    Insofern bedeutet ein ansprechbarer Hund nicht automatisch schwächer Jagdtrieb, und ein Hund der gleich hinterher geht nicht unbedingt starker Jagdtrieb.

    Es ist eher das Verhalten ggü Wild an sich.

    Jagdtrieb bedeutet - Hund sieht/riecht Wild, und ist erstmal on Fire.

    Starker Jagdtrieb bedeutet - Hund ist selbst dann angeknipst, wenn das Wild sich nicht in der Nähe befindet oder schon lange weg ist. Weil, dort könnte ja Wild sein, oder man könnte ja mal sein Glück mit ner Spur versuchen.


    Die Definition eines Hundes mit schwachem/keinem Jagdtrieb ist meiner Meinung nach ein Hund, der Wild zwar mit bekommt, jedoch kein Interesse zeigt ( und selbst dann, muss es nicht bei jeder Wild Art gleich sein - der eine Hund reagiert vielleicht stärker auf Mäuse, der Nächste auf Rehe, der übernächste vielleicht besonders auf Enten. Allgemein finde ich, dass doch bei einigen Hunden das Jagdinteresse stark je nach Art schwankt. Allerdings sind es bei schwach Jagdtriebigen Hunden eher Ausnahmen ).


    Und dann, gibt's ja noch so andere interessante Dinge :

    Junghunde die Vögel jagen, und mit dem erwachsen werden das Interesse verlieren zB.

  • Um den Jagdtrieb bei Greta unter Kontrolle zu bringen, sind bei mir einzelne Sequenzen des Jagdverhaltens erlaubt, z.b. fixieren und dann Leckerli hetzen. Manchmal darf sie auch an der Leine ein paar Meter einer Spur nach.

    Sie darf sogar stöbern, hetzen und finden, nämlich bei der Rettungshundearbeit. Aber auch da läßt sie sich gut kontrollieren. Und das kommt ihr sehr entgegen. Im totalen Lockdown mit ca 2 Monaten keinerlei Training musste ich ihr Jagdverhalten mehr kontrollieren.

    Der enorme Jagdtrieb wird immer vorhanden bleiben, aber mittlerweile kann ich sie viel frei laufen lassen.

    War aber auch ein langwieriges Training

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