Liebe Hundemenschen,
vielleicht kennen das einige von euch: im eigenen Rudel wird man betriebsblind. Mir geht's zumindest so.
Ich frage mich: Woran (und wann) erkennt ihr bei Vergesellschaftungen, ob zwei Hunde sich gern mögen und ob die "Freunde" werden?
Die Art, wie meine Pflegehündin Alma über Ersthund Bolle drüberstiefelt, wenn das nun mal der kürzeste Weg ist, gefällt mir z.B. irgendwie nicht: Wenn er etwa neben mir auf dem Sofa liegt und sie will auch aufs Sofa - bzw., was ich eher glaube, auch an meine Seite - dann quetscht sie sich irgendwie in die kleinste Lücke und legt sich halb auf ihn drauf, sie drängt ihn aber nicht gezielt ab, wie ich das bei meinen anderen Pflegis kennenlernen durfte. Oder wenn er auf dem Boden liegt: statt um ihn herum zu gehen, steigt sie über ihn drüber. Das ist schon dreist, oder? Und ich frage mich, was da unter meinem Radar passiert. Macht sie das mit der Absicht, ihn zu verscheuchen? Bolle verzieht sich dann meist zu seinem Kauholz, wenn sie ihm zu nah kommt, zu viel Enge stresst ihn (auch auf Menschen bezogen).
Und: ist es bei euch auch so, dass unangenehme Rudeldynamiken entstehen weil ein Hund irgendeine Baustelle hat und der andere sich denkt "geil, da mach ich mit!"? Wie vermeidet ihr das (außerhalb von getrenntem Training)?
Wenn nun meine Pflegehündin beginnt, fremde Hunde einschränken zu wollen, aktiv auf sie zugehen möchte und das nicht in der freundlichsten aller Absichten, das dann gepaart mit meinem kleinen zurückgebliebenen Dauerblödi-Ersthund Bolle - der fühlt sich doch dann wahrscheinlich angestachelt, auch Stunk anzuzetteln, oder? Das war zumindest so, als der Pflegi meiner Mutter angstaggressiv alles anpöbeln musste, da hat Bolle sich sofort angeschlossen. Oder er schlägt an, wenn andere Hunde das tun, von allein wacht er aber überhaupt nicht. Er ist so'n kleiner Mitläufer, das ist aber wahrscheinlich zu menschlich gedacht. Gibt es da eine Regel für Rudeldynamiken, wer sich bei wem eher was abguckt?
Mein Ersthund, Bolle, kastr., ca 5 oder 6 Jahre alt, Wolfsspitzmix, Auslandstierschutz, lebt seit Dezember bei uns.
Bolle ist im Bewegungsapparat eingeschränkt (dazu mache ich mal einen separaten Post) und er ist nicht unbedingt pfiffig und sensibel. Im Hundekontakt habe ich oft das Gefühl, dass er ein bisschen retardiert ist, feine Signale nicht liest und einfach ein Blödkopp ist, Typ Mallorca: Hüftschaden und besoffen.
Er würde am liebsten auf jeden zweiten Hund zurennen, ist da ziemlich distanzlos, hält es für die bestmögliche Kontaktaufnahme den anderen Hund auf den Kopf zu pföteln, dabei seinen Kopf schiefzulegen, die Zunge raushängen zu lassen und zu hopsen. Ich habe das Gefühl, dass er ein Trottel ist, der eigentlich in Vorderkörpertiefstellung durchs Leben wuseln würde, wenn sein Bewegungsapparat das zulassen würde.
Bei 80% aller Menschen wäre Bolle ein klassischer Tutnix.
Da Bolle aber sauber abrufbar ist, kann er trotzdem oft Freilauf genießen und brettert nicht in andere Hunde rein - weil verboten.
Er ist ein netter Kerl, der von intakten Rüden sehr häufig sexuell belästigt wird, der eigentlich gern spielt und ein Erregungslevel 7/10 hat, wenn wir andere Hunde treffen, aber auch schnell überfordert ist (Hundespielwiese hier ist z.T. sehr nett, zum Teil aber einfach Anarchohausen und unterträglich) und seine Lieblingsübersprungshandlung als Exitsstrategie nutzt: Stöckchen schnappen, hinlegen, Stöckchen zernagen.
Aber auch er kann zum 'sexuellen Belästiger' werden und auch er kann situationsabhängig prolliger sein, etwa wenn jemand in seiner distanzlosen Art auf ihn zuhopst.
Im Großen und Ganzen kann man mit Bolle super zufrieden sein, man kann halt nur ausgewählte Hundekontakte länger zulassen, wo man weiß, dass ein Spiel funktioniert und keiner gestresst wird.
Meine Pflegehündin, Alma, 3 Jahre alt, kastr., Auslandstierschutz, hat Bolle am ersten Tag schon ein wenig animiert, ihn angepfötelt, den Bow gezeigt, ihm hier und da die Lefze geleckt, war dabei aber kein bisschen schüchtern oder unterwürfig.
Und irgendwie dachte ich romantisch verklärt, dass sich daraus eine innige Liebe entwickeln würde. Ist aber nicht so. Die gehen sich inzwischen ziemlich aus dem Weg. Also, sie liegen mal zusammen Popo an Popo auf dem Sofa, sie fressen nebeneinander, sie fetzen sich nicht. Aber sie spielen halt auch nicht und suchen jetzt auch nicht die große Wir-knutschen-unterm-Regenbogen-Gemeinsamkeit.
In Hundebegegnungen war sie bisher toll. Sie kommuniziert sehr eindeutig, ist nicht generell unsicher, sagt knapp Bescheid, wenn's ihr zu viel wird, sucht aber schon eher den Kontakt.
Heute war mein Partner mit beiden draußen (das ist sehr häufig so) und der berichtete von einer Situation, die mich rasend macht, weil das genau der Scheiß ist, den ich absolut nicht haben kann und der bei mir auch so nicht passiert. Bolle ohne Leine, sieht irgendwo andere Hunde, will hin, rennt in Almas Leine, erschreckt, Alma erschreckt auch, mein Partner lässt die Leine fallen und unsere beiden Hunde brettert volles Mett in die anderen Hunde. Ich schäme mich in Grund und Boden. Mein Partner sich auch. Die Hunde sich natürlich nicht. Wie unsagbar peinlich und blöd, wir haben fremde Leute getutnixt. Und Alma, die blöde Nuss, hat den einen fremden Hund wohl auch gestellt und war ganz und gar nicht tutnixig, sondern ne Arschkrampe.
Abgesehen von der Scham, Schuld und Schande der Situation, mein Partner hat sich natürlich eine Milliarde Mal entschuldigt, und abgesehen davon, dass das aus verschiedenen anderen Gründen auch noch saublöd war (Auslandstierschutz in Sicherheitsgeschirr, da lässt man einfach nicht die Leine fallen) mache ich mir jetzt auch Stress damit, was das mit Bolle macht.
Liebe Grüße
Momo