Jagd, Hege, Naturschutz und mehr - allgemeine Diskussion

  • Dieses Prinzip kann ich im Bereich der Schutzhundearbeit gut nachvollziehen. Mein Hund will absolut gern den Helfer beißen. Um dahin zu kommen, muss er vorher beispielsweise apportieren und als Belohnung darf er dann beißen gehen. In diesem Bereich ist das nicht unüblich, so auszubilden.

    Ich stell mir das im jagdlichen Bereich allerdings schwierig vor, da ich diese statisch gestellten Situationen nicht habe. Sagen wir Triebziel vom Hund ist es, den flüchtenden Hasen zu hetzen. Dann müsste ich eine Übung im Gehorsam verlangen und als Belohnung darf er dann den Hasen hetzen. Das würde theoretisch funktionieren. Nur habe ich genau im richtigen Moment einen flüchtenden Hasen? Und ist das tierschutzgerecht ausgebildet für den Hasen? Sicher beides NEIN. Und da bei nem Jagdhund immer das eigentliche Triebziel das flüchtende Wild ist, werde ich da mit einer Ersatzbelohnung nicht weit kommen, weil eben genau beim flüchtenden Wild Schluss ist.

  • Bei Jagdhunden ist z.B. eine Variante, sich das Premack-Prinzip zunutze zu machen: du darfst das, was Du eigentlich gerne tun würdest dann tun, wenn Du vorher ein anderes, von mir erwünschtes Verhalten zeigst. Wenn man diese Situation herstellen kann - und das geht logischerweise nicht immer - erhält man einen Hund, der mit Feuereifer aktiv das gewünschte (aber für den Hund an und für sich weniger belohnende) Verhalten zeigt. Und nein, das bedeutet bei einem sauberen Aufbau nicht, dass der Hund nach Erledigung seiner Aufgabe völlig ausser Kontrolle einfach seinen eigenen Gelüsten nachgeht. Dafür braucht man keinen Klicker und keine Kekse - sondern 'einfach' einen Reiz, der stark genug ist, dass der Hund ihn oder ein damit verbundenes Verhalten als belohnend genug ansieht, die ihm vorher gestellte Aufgabe zu erledigen.

    Das ist ja jetzt sehr theoretisch erklärt, kannst du mal ein Beispiel in der Praxis nennen?

    Grundsätzlich ist ja, wie Wonder2009 schon erwähnt hat, bei vielen Jagdhunden die Hetze das höchste der Gefühle. Das bedeutet selbst, wenn der Hund nach z.B. dem Down auf flüchtendes Wild danach die Spur ausarbeiten darf, was ja auch hoch im Kurs steht, ist es am Ende nur der Trostpreis. Beim Apport wüsste ich nicht, welches „hochwertige Verhalten“ ich für den Hund da aus dem Hut zaubern sollte.

  • Einen Hund nur über Motivation zu arbeiten funktioniert immer genauso weit, bis ihn etwas anderes mehr motiviert

    es reicht ein Blick in den "was nervt euch bei anderen HH"-Faden um festzustellen:

    Bei vielen scheitert es da schon beim Rückruf 🙈

    (Das beziehe ich bitte ausdrücklich nicht auf die hier anwesenden Halter und bitte lest es mit einem Schmunzeln.. ist ja aktuell ernst genug hier)

  • Einen Hund nur über Motivation zu arbeiten funktioniert immer genauso weit, bis ihn etwas anderes mehr motiviert

    es reicht ein Blick in den "was nervt euch bei anderen HH"-Faden um festzustellen:

    Bei vielen scheitert es da schon beim Rückruf 🙈

    (Das beziehe ich bitte ausdrücklich nicht auf die hier anwesenden Halter und bitte lest es mit einem Schmunzeln.. ist ja aktuell ernst genug hier)

    Das ist sogar ein sehr gutes Beispiel, dass rein motivierend arbeiten schon im Familienalltag oft scheitert und zu teils sogar lebenslangem „Leinenknast“ führt

  • sein, sondern eher ein Hinweis darauf, dass es in vielen Gebrauchshundebereichen einfach noch viel zu wenige Leute gibt, die wissen, wie es auch anders ginge.

    Ich bin der Meinung, dass das meiste von dem was wir heute über Hundeausbildung wissen aus dem Gebrauchshundebereich kommt weil dort auch einfach sehr viel geforscht wurde und das einfach ein Riesenbereich ist

  • sondern 'einfach' einen Reiz, der stark genug ist, dass der Hund ihn oder ein damit verbundenes Verhalten als belohnend genug ansieht, die ihm vorher gestellte Aufgabe zu erledigen.

    ...und einen Hund der dumm genug ist, nicht zu kapieren, dass er besagten Reiz auch ohne das vorige Verhalten haben kann.

    Das Problem bei der Jagd, im Gegensatz zu Hundesport o.ä., ist, dass man selten kontrollierte Bedingungen schaffen kann um sowas wirklich sauber zu üben. Entweder man hat kontrollierte Bedingungen mit wenig Reiz, oder man hat den hohen Reiz, aber seltenst in kontrollierten Bedingungen. Und das gilt für "dumme Hunde", es gibt auch genug Hunde die zB von Menschen gehaltene Wachteln nicht vorstehen und man daher nicht mit ihnen üben kann. Ich habe hier so ein Exemplar. Der interessiert sich ausschließlich für Wildgeflügel...

    Ich hatte auch sofort die von Wonder2009 erwähnte Hasenspur im Kopf. Eine der Disziplinen bei der sich zeigt wie gut der Down-Pfiff wirklich funktioniert. Und eine Disziplin in der das Prinzip theoretisch funktionieren würde. Hund darf erst hinterher, wenn er (kurz) lag.

    Praktisch wäre ich jedoch wirklich neugierig wie du das trainieren möchtest. Noch dazu in Revieren mit wenig Hasenbesatz.

    Und vergiss nicht, der Hund darf, muss (!) regelmäßig sofort hinterher. Er weiß also, dass es auch ohne geht.

    Ich wäre also auch gespannt, nicht einfach nur die hier im Forum gerne zitierten Theorien zu hören, sondern ein paar Beispiele wie die Umsetzung davon in der Praxis ganz konkret aussehen sollte, die auch wirklich funktionieren. Und zwar entweder Anhand des Apports oder des Stopps. Denn das sind ja im Endeffekt die zwei Kommandos, bei der selbst die guten Trainer sagen, dass es ohne nicht geht. Also Jagdhundetrainer, die wissen wovon sie reden...

    Übrigens, der Weg wie man jeden Hund rein positiv auf einer Hasenspur stoppen kann, ist glaube ich so um die 50.000€ wert, wenn ich mich recht erinnere. Ich mache halbe-halbe mit dir, wenn du einen funktionierenden Tipp lieferst, okay?

  • Dieses Prinzip kann ich im Bereich der Schutzhundearbeit gut nachvollziehen. Mein Hund will absolut gern den Helfer beißen. Um dahin zu kommen, muss er vorher beispielsweise apportieren und als Belohnung darf er dann beißen gehen. In diesem Bereich ist das nicht unüblich, so auszubilden.

    Ich stell mir das im jagdlichen Bereich allerdings schwierig vor, da ich diese statisch gestellten Situationen nicht habe. Sagen wir Triebziel vom Hund ist es, den flüchtenden Hasen zu hetzen. Dann müsste ich eine Übung im Gehorsam verlangen und als Belohnung darf er dann den Hasen hetzen. Das würde theoretisch funktionieren. Nur habe ich genau im richtigen Moment einen flüchtenden Hasen? Und ist das tierschutzgerecht ausgebildet für den Hasen? Sicher beides NEIN. Und da bei nem Jagdhund immer das eigentliche Triebziel das flüchtende Wild ist, werde ich da mit einer Ersatzbelohnung nicht weit kommen, weil eben genau beim flüchtenden Wild Schluss ist.

    Genau, Premack kommt in vielen verschiedenen Bereichen der Hundeausbildung zur Anwendung - ob die Leute nun wissen, wie das Prinzip heisst oder nicht.

    Auch im jagdlichen Bereich gelingt das. Wenn ich mein Revier kenne, weiss ich ungefähr, wo ich wann welches Wild antreffe und doch, gerade die Situation mit dem Hasen - auch wenn vorher nicht auf ihn geschossen wird - lässt sich da relativ gut herstellen. Der Hase bleibt davon relativ unbehelligt. Der Hund darf dem Hasen ja nicht sofort hinterher, sondern die Spur erst dann aufnehmen, wenn ich diese freigebe (und die vorherige Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erledigt wurde).

    Als Trainerin wirst Du selber wissen, dass man da nicht gleich bei Schwierigkeitsstufe 10 beginnt, sondern den Hund durchaus kleinschrittiger und mit weniger Ablenkung an die Idee 'tust Du x, darfst Du danach y' heranführt, damit das nachher im Realeinsatz ebenfalls zuverlässig klappt. Wichtig ist dabei natürlich die stete Arbeit an der Impulskontrolle: sobald der Hund den Eindruck hat, er dürfe selber entscheiden, wann jetzt die Belohnung angesagt ist, hat man ein Problem. Aber das ist kein Fehler der Methode, sondern eher des Trainers.


    Aber ja, 'einfach' ist es bestimmt nicht.

  • ...und einen Hund der dumm genug ist, nicht zu kapieren, dass er besagten Reiz auch ohne das vorige Verhalten haben kann.

    Nein. Der Hund weiss das. Auch das hat nichts mit 'dumm' nichts zu tun, sondern mit einem sauberen und konsequenten Aufbau. Und genau da können wir sehr gerne noch einmal auf die Idee von Zwang zurückkommen: eine Bedingung fürs Gelingen ist tatsächlich die Verinnerlichung der Idee, dass der Hund keine Chance hat, an den Reiz zu kommen, ohne vorher seine Aufgabe zu erledigen.

    Siehst Du, dass das im Prinzip 'einfach' eine Umkehr ist, davon was im traditionellen Aufbau passiert? Also anstatt 'Du hast keine Chance, dem Dir unangenehmen Reiz zu entgehen, wenn Du nicht y tust' ersetzt man dies mit 'wenn Du x tust, kannst Du auch y tun'. Und ja, selbstverständlich handelt es sich dabei ebenso um eine gewisse Art von Zwang. Dieser wird aber eben anders präsentiert.

    Das lässt sich selbstverständlich genauso auf den Down-Pfiff anwenden.

  • Dieses Prinzip kann ich im Bereich der Schutzhundearbeit gut nachvollziehen. Mein Hund will absolut gern den Helfer beißen. Um dahin zu kommen, muss er vorher beispielsweise apportieren und als Belohnung darf er dann beißen gehen. In diesem Bereich ist das nicht unüblich, so auszubilden.

    Ich stell mir das im jagdlichen Bereich allerdings schwierig vor, da ich diese statisch gestellten Situationen nicht habe. Sagen wir Triebziel vom Hund ist es, den flüchtenden Hasen zu hetzen. Dann müsste ich eine Übung im Gehorsam verlangen und als Belohnung darf er dann den Hasen hetzen. Das würde theoretisch funktionieren. Nur habe ich genau im richtigen Moment einen flüchtenden Hasen? Und ist das tierschutzgerecht ausgebildet für den Hasen? Sicher beides NEIN. Und da bei nem Jagdhund immer das eigentliche Triebziel das flüchtende Wild ist, werde ich da mit einer Ersatzbelohnung nicht weit kommen, weil eben genau beim flüchtenden Wild Schluss ist.

    Genau, Premack kommt in vielen verschiedenen Bereichen der Hundeausbildung zur Anwendung - ob die Leute nun wissen, wie das Prinzip heisst oder nicht.

    Auch im jagdlichen Bereich gelingt das. Wenn ich mein Revier kenne, weiss ich ungefähr, wo ich wann welches Wild antreffe und doch, gerade die Situation mit dem Hasen - auch wenn vorher nicht auf ihn geschossen wird - lässt sich da relativ gut herstellen. Der Hase bleibt davon relativ unbehelligt. Der Hund darf dem Hasen ja nicht sofort hinterher, sondern die Spur erst dann aufnehmen, wenn ich diese freigebe (und die vorherige Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erledigt wurde).

    Als Trainerin wirst Du selber wissen, dass man da nicht gleich bei Schwierigkeitsstufe 10 beginnt, sondern den Hund durchaus kleinschrittiger und mit weniger Ablenkung an die Idee 'tust Du x, darfst Du danach y' heranführt, damit das nachher im Realeinsatz ebenfalls zuverlässig klappt. Wichtig ist dabei natürlich die stete Arbeit an der Impulskontrolle: sobald der Hund den Eindruck hat, er dürfe selber entscheiden, wann jetzt die Belohnung angesagt ist, hat man ein Problem. Aber das ist kein Fehler der Methode, sondern eher des Trainers.


    Aber ja, 'einfach' ist es bestimmt nicht.

    Wie gesagt, in der Schutzhundearbeit macht das Sinn, weil ich da eben gestellte Situationen für einen kleinschrittigen Aufbau hab. Außerdem kann ich das X beliebig oft immer wiederholen.

    Mir fehlt bei der Jagd einfach die Planbarkeit dieser Situation. Im Schutzdienst kann der Helfer eben eher statisch dastehen für wenig Ablenkung und dann immer dynamischer werden. Der Hase aber rennt, wenn er halt rennt.

    Jetzt mal am Beispiel vom Downpfiff.

    Wie soll das genau ablaufen? Angenommen der Hund kennt den Downpfiff soweit, dass er sich am bewegten Objektiv ablegen lässt, also Ball oder so. So ne Vorarbeit ist da. Dann geh ich ins Revier. Nun brauch ich ja erstmal nen Hasen, der relativ langsam und in großem Abstand flüchtet. Den Abstand bekomm ich noch geregelt, indem ich vielleicht nen fertigen Hund einen Hasen hochmachen lass und der Ausbildungshund sich das aus Entfernung anschaut. Ist die Entfernung groß genug und der Reiz damit klein genug wird der Hund sich ablegen lassen. Und dann? Ich kann den jungen Hund doch nicht freigeben zum unkontrollierten hetzen des Hasen? Wenn ich ihn nur für die Spur freigebe zum Suchen, hat er sein Triebziel aber nicht bekommen. Triebziel ist ja hetzen, nicht suchen. Also fruste ich den Hund und er wird beim nächsten Mal gleich hetzen wollen. Daran muss ich ihn hindern. Wenn der Hund jetzt eine Situation nicht ableisten konnte, probiere ich das ein zweites Mal. Zwei mal nicht ableisten können heißt kurze Pause und einen Schritt zurück. Also müsste ich jetzt entweder die Distanz erhöhen oder dem Hasen sagen, er soll langsamer wegrennen. Distanz erhöhen ist je nach Gelände schwierig, Hase langsamer rennen lassen unmöglich.

    Und was passiert wenn der Hund aus guter Entfernung nen Hasen sieht, sich grad so ins Platz legen lässt und in diesem Moment geht nen anderer viel näherer Hase hoch?

    Das wichtigste am positiven Aufbau ist die planbare kleinschrittige Arbeit. Da ich bei der Jagd im echten Leben trainiere, ist das da nicht umsetzbar. Für den positiven Aufbau braucht’s sehr viele Wiederholungen, bis der Hund nachhaltig lernt.

    Mit richtig eingesetztem Zwang geht das sehr viel schneller. Da der Hund dabei niemals so oft Frust schiebt, ist es auch für den Hund stressfreier, weil er nur ganz ganz wenige Fehlversuche hat.

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