Verständnisfragen

  • immerhin HAT er was gesagt. Damit ist er den meisten Tierärzten hier um Längen voraus. Und da Rede ich nicht von ein bisschen gelben Belag, sondern von massiven Zahnstein, und dazu einem Maulgeruch, der einem die Nasenhaare wegätzt.

    Ich möchte aus Tierarztsicht dazu nur mal äußern, dass wir das Ausmaß des Hundelends der westlichen Gesellschaft jeden Tag dermaßen im Überfluss präsentiert bekommen, dass der "Idealismus jeden Hundehalter zum Besseren zu bekehren" irgendwann auf der Strecke bleibt. Ich bin da teilweise schon regelrecht resigniert .... Wir reden so unendlich viel und so oft hat man das Gefühl, die Leute können und wollen es nicht verstehen.

    Ein bisschen zu lange Krallen? Ich sehe verbogene Krallen, eingewachsene Krallen ("er lässt sich von uns nicht die Krallen schneiden"), schlimme Entzündungen der Maulhöhle durch Zahnerkrankungen ("wir haben aber Angst vor der Narkose, er ist ja schon so alt"), Verfilzungen ("nein, bürsten, das mag er nicht"), Entzündungen der Haut und der Ohren ("da lässt er uns ja auch gar nicht dran"), ulzerierte Hauttumore ("ja, er ist ja auch schon alt, da machen wir nichts mehr"), massives Übergewicht ("der frisst nur ganz wenig" "ja, ich verstehe das auch nicht, der bekommt nur Diätfutter", "dick, der ist nicht dick", "wir haben schon alles probiert, den bekommen wir nicht schlank", "haha, ja Fau Doktor, wie der Herr, so das Gescherr") ......... unendlich weit fortsetzbar.

    Man redet gegen Mauern. Die wenigsten nehmen sich die Dinge zu Herzen. Es gibt auch so unfassbar viele Tierbesitzer, die nicht in der Lage sind ihr Tier festzuhalten oder bestimmte Eingriffe an ihnen durchzuführen (und sei es nur Bürsten!!!!!).

    Mein schlimmstes Erlebnis hatte ich mal mit einem 15 Jahre alten, herzkranken Dackel einer Rentnerin, der ultra bissig war und dem ich auf "Befehl" der Besitzerin das Fell an Pfoten und Schnauze ausrasieren sollte "weil er ja immer so verfilzt und so viel Dreck rein schleppt und er sie ja auch nicht ran lässt". Der um sich beißende Dackel wurde mit Maulschlinge von meiner Helferin auf den Tisch gedrückt, während ich voller Entsetzen mit der Schermaschine Filznester abrasiert habe, aus denen sich hunderte Flöhe in alle Richtungen des Raumes aufmachten. Der Hund mittlerweile blau angelaufen, ich mit Angstschweiß auf der Stirn, weil ich dachte, der stirbt mir jetzt jeden Moment und die resolute Rentnerin, die kommandierte "und da noch, und da noch was ab" ... da zweifelt man doch teilweise echt an seinem Beruf und der Tierliebe mancher Menschen. Der zum Glück überlebende Dackel wurde dann mit den Worten "jetzt haben wir erstmal wieder Ruhe und wer weiß wie lange der noch macht" aus dem Raum abgeführt.

    Ja, manchmal können wir nicht mehr machen als Schadensbegrenzung. Und wenn Leute sagen "der Tierarzt hat aber gesagt ..." - dann sollte man das auch nicht immer so glauben. Sehr oft drehen sich die Leute, das einfach so wie sie es brauchen.

    Und natürlich ist es immer ein sehr schwieriges Thema, wenn man Besitzer auf mangelnde Pflege, Übergewicht etc. aufmerksam machen muss - schließlich wollen wir unsere Kunden zwar sachlich auf Missstände aufmerksam machen, aber mit Vorwürfen oder gar Vorhaltungen hat man nichts gewonnen. Dies muss immer so vermittelt werden, dass die Leute sich nicht auf den Schlips getreten fühlen. Und die Leute sind wirklich sehr, SEHR betriebsblind mit ihren Tieren. Der Durschnittshundehalter ist eben kein DFler!

  • Jessas @Bonadea :streichel:
    Ich bleibe dabei: als Tierarzt muss man extremer Menschenfreund sein :( :
    Jeden Tag so viel Leid :( :
    Mir haben die Tage gereicht wo ich ausgeholfen habe hie und da, allein in den wenigen Stunden ist mir so viel Ignoranz und Dummheit begegnet - und das Ärgste da dran ist: ich glaube nicht, dass ich besser bin. Ich denke ich mache (immer noch) sooooo wahnsinnig viel falsch weil ich es einfach nicht besser weiss :( :

  • Ich schließe mich der Frage mal an. Habe jetzt schon zwei mal ne Schere gekauft - Fressnapf - und jede quetscht jetzt. Loki findet es daher absolut doof. Dremel rennt er weg wenn das Teil nur angeht, außer es gibt leisere Dremel als die Normalen.
    Lg Catsanndog

    Ich hab einen akkubetriebenen von Moser. Auch da rennt er weg. Keine Chance im Moment. Ich arbeite jetzt mit Klicker dran. Kralle in die Hand nehmen - klick - mit der normalen Nagelfeile dran - klick... und so weiter. Ist echt mühselig. Mit Zwang und mich auf den Hund legen mag ich bei ihm nicht arbeiten. Das wäre echt die ultima Ratio. Zum Glück sind nur die Daumenkrallen einige mm zu lang. Wir haben also noch Zeit.

  • @Rotbunte Hahaha, danke! Mein Mantra, tief durchatmen und dreimal sagen "ich liebe meinen Job, ich liebe meinen Job, ich liebe meinen Job"

    Und natürlich gibt es auch ganz, ganz tolle Tierbesitzer und Patienten. Ich möchte nicht, dass ein falsches Bild entsteht. Aber es ist schon so, dass man vieles mit Logik nicht erklären kann. Menschen sind wohl einfach so. Und manchmal ... da spart man einfach Energie, weil man weiß, dass es eh zu nichts hinführt. Ich mache meinen Job wirklich sehr, sehr gerne. Aber auch wir Tierärzte haben nur ein eingeschränktes Ausmaß an Einfluss.


    Dafür lobe ich immer ganz viel, wenn ich top gepflegte und vernünftig ernährte Hunde auf dem Tisch habe :applaus: Positive Bestärkung!

  • Ich hab damals den Dremel (bzw das Getausch) einfach 2 oder 3 Tage schöngefüttert. Hab den vom Lidl, der von Oster war leider zu schwach. auf den Bode gesetzt mit Keksen und Dremel. Dremel an, Keks in den Hund. Dremel aus. Dremel an, Keks, bissi laufen lassen, Keks.
    Dann Pfote in die Hand und mit dem Dremel (aus) an die Kralle. Keks. Das einen oder zwei Tage. Dann auf ganz leichter Stufe angefangen zu Dremeln, Keks. Usw

  • Dafür lobe ich immer ganz viel, wenn ich top gepflegte und vernünftig ernährte Hunde auf dem Tisch habe Positive Bestärkung!

    :bindafür:
    Jaja, pädagogische Fähigkeiten braucht man auch.
    Habe noch eins gefunden (auf dem ist meine TÄ):

    Spoiler anzeigen


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    L. G.

  • Ich möchte aus Tierarztsicht dazu nur mal äußern, dass wir das Ausmaß des Hundelends der westlichen Gesellschaft jeden Tag dermaßen im Überfluss präsentiert bekommen, dass der "Idealismus jeden Hundehalter zum Besseren zu bekehren" irgendwann auf der Strecke bleibt. Ich bin da teilweise schon regelrecht resigniert .... Wir reden so unendlich viel und so oft hat man das Gefühl, die Leute können und wollen es nicht verstehen.

    Ein bisschen zu lange Krallen? Ich sehe verbogene Krallen, eingewachsene Krallen ("er lässt sich von uns nicht die Krallen schneiden"), schlimme Entzündungen der Maulhöhle durch Zahnerkrankungen ("wir haben aber Angst vor der Narkose, er ist ja schon so alt"), Verfilzungen ("nein, bürsten, das mag er nicht"), Entzündungen der Haut und der Ohren ("da lässt er uns ja auch gar nicht dran"), ulzerierte Hauttumore ("ja, er ist ja auch schon alt, da machen wir nichts mehr"), massives Übergewicht ("der frisst nur ganz wenig" "ja, ich verstehe das auch nicht, der bekommt nur Diätfutter", "dick, der ist nicht dick", "wir haben schon alles probiert, den bekommen wir nicht schlank", "haha, ja Fau Doktor, wie der Herr, so das Gescherr") ......... unendlich weit fortsetzbar.

    Man redet gegen Mauern. Die wenigsten nehmen sich die Dinge zu Herzen. Es gibt auch so unfassbar viele Tierbesitzer, die nicht in der Lage sind ihr Tier festzuhalten oder bestimmte Eingriffe an ihnen durchzuführen (und sei es nur Bürsten!!!!!).

    ich kenne das was du aufzählst. Alles. Krallen, Zähne die gammeln, Flöhe, offene Wunden, Madenbefall, Tumore von denen der Besitzer nichts wusste, und auch die "2x im Jahr aus dem FilzDreckAstDornenPanzer raus pulen".
    Ich weiß wie es ist, gegen Mauern zu reden, wieder und wieder und nocheinmal.
    "Ja, hihihi, der mag das halt nicht."
    "Der kriegt schon gaaaaanz wenig zu fressen, keine Ahnung warum der doppelt so dick ist wie er sein sollte."
    Oder auch, letzte Woche erst gehört: "Ich weiß, die hat Zahnstein. Ich hab aber keine Lust, ihr die Zähne zu putzen"
    Oder "ja, der hat Schmerzen, aber da machen wir jetzt nix mehr, der stirbt eh bald"
    Auch schön: "wenn da mal ne Tierarztrechnung über 200 Euro kommt, lass ich die einschläfern und kauf mir ne neue Katze"

    Ich steh auch nicht vor den Leuten und wackel mit dem Finger und sag dududu, du bist ein ganz ein blöder Hundehalter bist du!
    Aber "nichts sagen" kommt für mich nicht in Frage. Niemals.
    Und ich finde es furchtbar, wenn Tierärzte resignieren.
    Es geht ja nicht darum, bei jedem Patienten einen halbstündigen Vortrag zu halten. Könnt ihr euch nicht leisten, kann ich mir nicht leisten. Aber woher soll der 0815 Hundehalter denn wissen, das er Fehler macht, wenn es ihm NIEMAND sagt?


    Ja, manchmal können wir nicht mehr machen als Schadensbegrenzung. Und wenn Leute sagen "der Tierarzt hat aber gesagt ..." - dann sollte man das auch nicht immer so glauben. Sehr oft drehen sich die Leute, das einfach so wie sie es brauchen.

    oh ja, das ist mir bewusst. Da wird gern mal geschwindelt, nur halb hin gehört, verdrängt.

  • @Rotbunte Hahaha, danke! Mein Mantra, tief durchatmen und dreimal sagen "ich liebe meinen Job, ich liebe meinen Job, ich liebe meinen Job"

    Und natürlich gibt es auch ganz, ganz tolle Tierbesitzer und Patienten. Ich möchte nicht, dass ein falsches Bild entsteht. Aber es ist schon so, dass man vieles mit Logik nicht erklären kann. Menschen sind wohl einfach so. Und manchmal ... da spart man einfach Energie, weil man weiß, dass es eh zu nichts hinführt. Ich mache meinen Job wirklich sehr, sehr gerne. Aber auch wir Tierärzte haben nur ein eingeschränktes Ausmaß an Einfluss.


    Dafür lobe ich immer ganz viel, wenn ich top gepflegte und vernünftig ernährte Hunde auf dem Tisch habe :applaus: Positive Bestärkung!

    Das Mantra kenn ich xD

    Und ja, loben, loben, loben. Manchmal würde ich ihnen gern mit einem *klick* eine Kekstüte hin halten :applaus:

  • Klar sag ich was, wenn mir was auffällt (jedenfalls das erste mal). Das hast du vielleicht falsch verstanden.
    Aber resignieren tut man halt trotzdem und man weiß einfach genau, dass es vergeblich investierte Energie ist :ka:

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