Neue Hündin zeigt plötzlich Stresssymptome

  • Hallo ihr Lieben,

    vor einer Woche habe ich zum ersten Mal einen Hund adoptiert. Sie ist ein Schäferhundmix, 2 Jahre alt und bevor wir sie aus dem Tierheim holten, lebte sie als Straßenhund in Bulgarien. Sie hat in ihrem Leben also noch nicht allzu viel kennen gelernt. Schon als wir sie das erste mal sahen, waren wir erstaunt über ihre menschenbezogene Art. Auch mit Artgenossen zeigte sie sich vom ersten Tag an absolut verträglich. Beim Spazierengehen hat sie immer zu uns zurück geblickt, dass wir auch bloß noch da sind. In der Wohnung ist sie ein richtiges Kuschelmonster. Einzig das Treppenhaus macht ihr sehr große Angst und wenn sie dürfte, würde sie lieber drinnen bleiben. Von selbst geht sie die Stufen nicht runter, weshalb wir sie tragen müssen - Stress pur für sie, aber wenn wir unten sind, holt sie die Rute direkt wieder zwischen den Beinen hervor und kann sich draußen sofort lösen. Aber alles in allem hat sie bisher jede Situation souverän gemeistert. Seit unserem Spaziergang gestern Mittag ist sie allerdings wie ausgewechselt. Sie zeigt permanent Stresssymptome: sie hechelt extrem viel, streckt sich und gähnt häufig, atmet sehr schnell und schreckt plötzlich bei jedem Geräusch hoch, das sie die Tage zuvor nicht die Bohne interessiert hat. Vorhin hat sie aus heiterem Himmel einen Pullover angebellt. Wenn wir draußen sind, zieht sie plötzlich sehr stark an der Leine und will allem hinterher rennen, was sich bewegt - vor allem Autos. Ich weiß nicht, was passiert ist, dass sie von einem Tag auf den anderen plötzlich so gestresst ist. Was kann ich tun, damit sie sich entspannt? Denn im Moment sind die Spaziergänge für uns beide Nervenaufreibend :-(
    Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass sie aus dem Tierheim Darmparasiten mitgebracht hat, mit denen sie sich auch noch herum schlagen muss, uns weshalb sie sehr abgenommen hat.

    Liebe Grüße
    Viola

  • Hallo Viola,

    toll, dass Ihr so einem Hund ein Zuhause gegeben hat!

    Dass Ihr dadurch Probleme habt, ist normal, denn die Straßenhunde kennen ja nicht viel und müssen sich erst hier zurechtfinden.

    Was das Trepperuntertragen angeht: Da würde ich eher locken, Stufe für Stufe, mit Leckerlis, wenn es nicht anders geht. Sie muss das Treppelaufen ja lernen und Euch zu vertrauen.


    Seit unserem Spaziergang gestern Mittag ist sie allerdings wie ausgewechselt.

    Ist da irgendetwas passiert, was ihr Stress machen könnte?

    Ansonsten würde ich eher drauf tippen, dass sie langsam bei Euch ankommt und versucht, Dinge zu regeln, die Ihr nicht regelt. Vielleicht ist von Eurer Seite zuviel Erwartung dabei, dass sich der Nothund immerwährend dankbar und gefügig zeigt.
    Die entwickeln ganz schnell ihren eigenen Kopf, denn das haben sie ja so gelernt als Straßenhund.
    Da muss man konsequent Regeln etablieren.

    TA-Check ist immer gut, auch Test auf Mittelmeerkrankheiten.

  • Ich bin der Meinung,das sie Zeit braucht um anzukommen,euch zu vertrauen,sich einzuleben und zu verstehen,das sie ein Zuhause hat,wo sie für immer bleiben darf.
    Eine Woche ist recht frisch und ihre Vergangenheit und die ungewohnten Geräusche/Umgebung verunsichern sie.Sie kennt das ja alles noch gar nicht,ihr braucht Zeit bis sich alles eingependelt hat und Geduld.
    Die ganzen Eindrücke,die auf sie niederprasseln muss sie quasi von null an erlernen,wie ein Welpe fast schon :cuinlove:
    Kennt sie die Leine?Habt ihr die Möglichkeit in einer ruhigen Gegend spazieren zu gehen?Ich würde Menschen und andere Hunde oder viele Geräusche meiden,gemütlich schlendern und mit ihr reden,ruhig und ihr Sicherheit geben.Sie muss dir vertrauen und wenn sie erst einmal verstanden hat,das es sich lohnt dir zu vertrauen und das ihr nichts böses passiert,ist denke ich alles einfacher.
    Ich würde sie weiter tragen,die Treppe langsam runtergehen und mit ihr reden,sie streicheln und loben,sie scheint wohl eine Gefahr zu sehen.Sollte sich das Verhalten in den nächsten Wochen nicht wenigstens ein bisschen ändern würde ich sie auch mal langsam Stufe für Stufe selbstständig laufen lassen.
    Unser Calvin hat auch schon einen Stein angebellt xD Ich bin hin zu dem Stein,habe den Stein gestreichelt und immer gesagt guuuter Stein,ja so ein guter Stein und Calvin kam heran,hat an dem Stein geschnüffelt und alles war paletti.Ich hoffe,mich hat keiner gesehen:)Leg ihr doch den Pullover ins Körbchen,oder versuch es auch mal so wie ich es gemacht habe. Ich bin sicher,das wird alles werden,nur nicht zu viel von ihr verlangen.

  • Hallo,

    eine Woche ist ja noch gar nichts - und für den Hund wahrscheinlich schon viel zu viel. Sie hat jetzt in ganz kurzer Zeit massive Veränderungen durchgemacht, die sie anfänglich noch "ganz gut weggesteckt" bzw. eher überspielt hat. Das können Hunde für eine kurze Zeit ganz gut - und trotzdem stresst sie das ungemein.

    Wahrscheinlich ist ihr Stresspegel durch all die neuen Eindrücke, Anforderungen und ihr ganz neues Leben mittlerweile so hoch, daß sie nicht mehr runterkommt.
    Die durch Stress ausgeschütteten Hormone bauen sich recht langsam ab - je nach Pegel dauert es 2-6Tage um wieder auf Normalzustand zu kommen. Da ein Hund in so einer Situation (neuer Alltag, neue Menschen, neues Umfeld) eben überhaupt keinen Stress abbauen kann sondern im Gegenteil, fast stündlich neuer hinzukommt - jetzt ist einfach ein Punkt erreicht, wo sie nicht mehr kann. Da muss sie unbedingt wieder runter - du siehst selber ihre Stresssymptome und merkst, wie schlecht es ihr geht. Ihr Körper ist voller Stresshormone, das braucht jetzt eine Weile um wieder auf "Normal" zu kommen...... fallst das in nächster Zeit überhaupt möglich sein sollte.

    Gönn ihr Ruhe, keinen Besuch, keine großartigen Ausflüge, keine Hundetreffen...... kurze Spaziergänge, möglichst reizarm und stressfrei sind jetzt das einzige, was du mit ihr machen solltest. Eher vielleicht nur um die Ecke auf eine ruhige Wiese als eine Gewalttour durchs Wohngebiet.
    Ein Hund kann auch mal ohne großartig viel Bewegung existieren - auch wenn du einen anderen Eindruck haben solltest. Kuschel mit ihr, übe nichts, sei einfach nur da und lass sie alles verarbeiten. Achte darauf, daß sie ausreichend schläft und viel ruht - als "Action" reicht Kuscheln mit dir und eben kurze Pippirunden.
    Ein dauerhaft hoher Stresspegel schadet jedem Organismus, das gilt es jetzt zu vermeiden.Versetze dich mal in ihre Lage, was sich bei ihr alles geändert hat - und bedenke, daß ein Hund nicht wissen kann daß sich seine Lage nun zum "Guten" gewendet hat. Ein Hund in ihrer Situation weiß nichts von vom Leben mit einem Menschen - es ist alles neu und furchtbar anstrengend und auch angsteinflössend.

  • Das klingt relativ normal. In der ersten Woche hat sie sich nur an Euch orientiert, war verunsichert und wirkte dadurch wahrscheinlich sehr brav. Jetzt nimmt sie ihre Umwelt wahr und reagiert entsprechend. Wichtig ist das ihr es langsam angehen lasst, sie hat alle Zeit der Welt ihr neues Leben kennenzulernen. Kurze Spaziergänge in der Natur, lasst sie ruhig schnüffeln und die Welt entdecken. Nicht zuviel auf einmal und meidet vorerst belebt Gegenden, sie gibt das Tempo vor. Wenn sie so viel Stress zeigt ist es im Moment alles ein wenig viel.

  • Danke für all eure einfühlsamen Worte. Jetzt fühle ich mich damit nicht mehr so alleine :-)

    Vielleicht erwarte ich tatsächlich zu viel, nachdem sie sich anfangs so ruhig und gelassen gezeigt hat. Ich war so erstaunt, dass sie von einem Moment auf den anderen so sehr verändert war, dass es mich regelrecht überfordert hat. Natürlich war ich vorher darauf eingestellt, dass sie viel Zeit und Geduld für die Eingewöhnung braucht, und als es ganz anders kam, war ich nicht darauf gefasst, dass es die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. Ich hoffe nur, ich hab den Stress nicht herauf beschworen, indem ich mich für sie unverständlich verhalten habe. Mir fällt absolut keine Situation ein, die das erklären könnte, deswegen kann es nur die Summe aus all den einzelnen Stressfaktoren sein.

    Mit den Regeln ist das so eine Sache... Sie knabbert nichts an, was sie nicht anknabbern sollte, sie springt nirgends hoch, sie bettelt nicht um essen (Abgesehen von dem Kissen gestern, ich vermute auch mal aus Stress, aber das war okay für mich und ich wollte es ihr auch nicht weg nehmen, wenn sie eh so gestresst ist und den damit versucht abzubauen). Wir haben unseren strukturierten Tagesablauf und wenn wir drinnen sind, liegt sie meistens auf ihrem Platz oder legt sich zu mir aufs Sofa.
    Und wie ich draußen Regeln etablieren soll, jetzt wo sie kaum aufnahmefähig ist, weiß ich auch nicht.
    Ich zerre sie bewusst nicht weg und rucke auch nicht an der Leine, weil ich der Meinung bin, dass es sie noch mehr frustrieren würde, außerdem tut sie das ja nur, weil sie so gestresst ist - es handelt sich hier ja nicht um fehlenden "Gehorsam" (furchtbares Wort). Bis vorgestern ist sie übrigens super an der Leine gelaufen.
    Kann ich überhaupt aktiv etwas tun, das ihr den Stress ein bisschen nimmt? Ich plane die Spaziergänge schon extra so, dass wir möglichst niemandem begegnen. Auf dem Weg dahin kann ich das ein oder andere Auto aber nicht vermeiden :-(
    Ich hab extra ein paar Kauknochen besorgt, damit sie zwischendurch eine Beschäftigung hat und stattdessen nicht auf ihren Beinchen kaut (kauen soll ja auch beruhigen). Aber sie versteckt die Knochen lieber direkt in der Sofaritze.

    Anfangs hab ich noch gedacht, sie könnte vielleicht unterfordert sein, weil sich unsere Aktivitäten auf schlafen, fressen, kuscheln, spazieren beschränkt haben, aber nach so kurzer Zeit ist das kaum möglich, oder was denkt ihr?

    Hach, ich fühle mich wie die schlechteste Mama der Welt :-((( Ich möchte ihr so gerne vermitteln, dass nun alles gut für sie wird...

    ps: Die Geschichte mit dem Stein hat mich sehr zum Schmunzeln gebracht hehe
    Aber für unsere Lieben machen wir uns doch gerne zum Affen :-) Ich hab der Kleinen auch schon vorgesungen, weil ich den Eindruck hatte, dass es sie beruhigt.

    Ganz liebe Grüßen und vielen Dank an euch!

  • @Violala

    Hey,
    Bei meiner Amy fing es genauso an.
    Zuerst war sie der liebste Hund der Welt, aufmerksam und scheinbar gut erzogen.
    Nach einer Woche änderte sich ihr Verhalten auch schlagartig und ich erkannte sie nicht mehr wieder. Ich hab genau wie du gehandelt und weiß heute, dass ich so viel falsch gemacht habe.
    Sie muss langsam lernen,dass sie nun Teil eurer Familie ist und sie sich voll und ganz auf euch verlassen kann.
    Ihr solltet zunächst immer genau dieselbe kleine Runde drehen (hört sich langweilig an aber dein Hund muss sich an viele neue Dinge gewöhnen und ein wenig Beständigkeit wird ihr, als unsicherer Hund helfen).
    Ein Ball oder ein Kuscheltier auf dem sie während des Gassi gehens kauen darf hilft ihr beim Stress Abbau (ich hatte einen Ball mit einem Band, das Band konnte ich an die Leine knipsen und so brauchte ich mir keine Gedanken machen ihn zu verlieren).
    In der Wohnung braucht sie absolut klare Regeln. Das bedeutet, sie darf dir in der Wohnung nicht folgen! Auch wenn der Hund dir leid tut und er viel durchgemacht hat, sie ist jetzt bei euch,was vorher war ist Vergangenheit. Ich habe den Fehler gemacht und bin bei allem auf Amy eingegangen. Wenn Sie die Treppen scheinbar nicht gehen wollte,wurde sie getragen (30kg! ) Wenn sie irgendwo nicht längs wollte weil sie scheinbar Angst hatte,sind wir einen anderen Weg gegangen. Ich habe Amy so unbewusst gezeigt,dass es ok ist unsicher zu sein aber das war der Fehler. Eure Hündin wird sich weiter austesten und gucken wie weit sie gehen kann, auch ihre Unsicherheit wird sich verstärken, es liegt bei dir ihr zu zeigen, dass du die Dinge ohne sie regeln kannst und sie dir voll und ganz vertrauen kann, dann sollte alles gut gehen.

    PS: Mach die ersten Wochen bloß nicht zu viel, sollte dein Hund viele Stress Symptome zeigen gönne ihr mindestens einen kompletten Tag Ruhe d.h dem Hund auch nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken,nicht ständig mit ihr reden oder angucken.
    Ich hoffe auch in ein paar Wochen von euch beiden zu hören.
    Eine schöne Eingewöhnungszeit wünsche ich euch :-)

  • Als ich Janosch die ersten Tage hatte, war er auch extrem gestresst. Er kam aus Ungarn und war da Kettenhund und hat sich dann immer wie verrückt am Hals gekratzt, wo die Kette eingewachsen war. Die Narbe war aber schon längst verheilt.

    Helfen kann bei sowas verschiedenes. Ganz wichtig ist, dass ihr anfangs nur ganz kleine Runden dreht (ca. 15 Min), am besten immer die gleiche. Draußen würde ich nichts von ihr verlangen, sondern nur ruhiges Verhalten belohnen. Nimm super gute Leckerli mit, vielleicht Mini-Frikadellen o.Ä. und wenn sie ein Auto sieht oder was anderes was sie aufregen könnte, sie aber gerade noch ruhig ist, dann gibst du ihr das Leckerli. Fressen baut Stress ab und mit etwas Glück kannst du sie so durch diese für sie doofen Situationen durchfüttern.

    Allgemein hilft evtl. ein Thundershirt und ein Adaptilhalsband zum Beruhigen.

    Drinnen würde ich auch feste Regeln einführen, damit sie einfach einen Rahmen hat, den sie genau kennt. Es kann solche Hunde stressen zu viele Freiheiten zu haben (ich muss nicht auf dem Platz liegen bleiben, sondern kann auch mal auf die Couch oder wo ganz anders hin).

    Wenn sie sich etwas beruhigt hat, dann würde ich Treppentraining machen. Mit super Leckerli bewaffnen, an die Leine nehmen und dann zur Treppe gehen. Solange sie mitgeht, bekommt sie Leckerli, bleibt sie stehen -> weitergehen bis die Leine etwas spannt -> dann auch stehen bleiben und warten. Ohne Leckerli locken in die Hocke gehen. Kommt sie in deine Richtung, bekommt sie sofort ein Leckerli, solange bis sie bei dir ist. Dann etwas näher zur Treppe gehen und das gleiche Spiel von vorne.
    Mit dieser Methode habe ich schon einige Hunde durch Unterführungen bekommen, durch Treppenhäuser und in Aufzüge. Zeit sollte man sich nehmen, weil das schon mal eine halbe Stunde oder länger dauern kann.

    Möglich ist evtl. auch Leckerlis vor die Pfoten schmeißen und so zu locken.

  • Achso, vergessen. Eine Erklärung dafür, dass sie erst jetzt gestresst ist, obwohl sie vorher immer brav war, kann sein, dass sie die Menge an Stress nun nicht mehr bewältigen kann.
    Da hat mal jemand eine schöne Veranschaulichung beschrieben. Stell dir vor, das Maß an Stress, welchen du bewältigen kannst, ist ein Korb voll Äpfel. Jede Stresssituation verbraucht einen Apfel. Jetzt werden die Äpfel aber nicht so schnell nachgefüllt wie sie verbraucht werden und schwubbs hat man keine mehr. Nun kommt man selbst mit den kleinsten Stresssituationen nicht mehr klar, weil einfach keine Äpfel mehr zum Verbrauchen da sind.
    Mit den Stresshormonen ist das ähnlich. Sie brauchen längere Zeit bis sie abgebaut sind, d.h. das Stresslevel erhöht sich bei so schwerwiegenden Veränderungen wie ein neues Zuhause.
    Wie oben schon geschrieben, kannst du dagegen machen, möglichst viel Stress zu vermeiden und sie sehr langsam an neue Dinge heran führen.

    Einstellen solltest du dich darauf, dass das nicht in den nächsten Wochen erledigt sein wird, sondern erheblich längern dauern kann. Auch würde ich nicht unbedingt darauf warten, dass sie wieder so brav wird wie zu dem Zeitpunkt zu dem du sie kennen gelernt hast. Wenn sie sich richtig zuhause bei euch fühlt, kann da noch was kommen. Sei lieber auf alles gefasst (Leinenaggression, Artgenossenaggression, Jagdtrieb usw.), dann kanns nur besser werden ;-)

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