Wie wird mein Hund erzogen und warum genau so?

  • Es ist wirklich spannend hier. Entweder werden Extreme als Beispiel kreiert oder man beruft sich auf den einen Hund, den man selber kennt. ODER man meint mit dem Begriff ja ganz was anderes.

    Würde ich hier fragen: Wer unterschreibt, dass Erziehung über positive Verstärkung (und zwar NUR - soweit menschlich machbar - über positive Verstärkung) absolut machbar und sehr gut ist? - würden sicher viele "hier" rufen. Würde ich fragen: Wer unterschreibt, dass Erziehung über positive Strafe (und zwar NUR - soweit menschlich machbar - über positive Strafe) absolut machbar und sehr gut ist? Würden mich hier alle geteert und gefedert aus dem Thread werfen.

    Irgendwie findet aber Leben - so wie ich es kenne - fast immer in mittleren Bereichen und nicht in Extremen statt. Wenn es schädlich wäre, dass Verstärkung und Hemmung zusammenhängen, dann müsste so ziemlich jede soziale Spezies außer den vom Menschen rein positiv erzogenen Hunden traumatisiert sein.

    Es stimmt schon - Meinungsfreiheit hat nichts damit zu tun, alles zu akzeptieren. Toleranz ist allerdings kein Recht sondern eine Tugend.

  • Ich hab jetzt lang überlegt, ob ich das abschicken soll oder nicht.
    Aber jetzt hab ichs einmal geschrieben und da wär es schade, wenn ichs wieder löschen würde.Deshalb werf ich hier mal ein paar "Theorien" zum Thema Angst in den Raum, die Einigen Gemütern vielleicht nicht schmecken werden.

    1.) erzwingt man ein Verhalten beim Menschen/Tier, kann sich die Angst auch abschwächen. (Die Emotionen folgen also dem Verhalten) Also wenn ich jeden Morgen aufstehe und mich im Spiegel anlächle, nehme ich das Gefühl auch mit in den Tag... oder wenn ich Betablocker nehme vor einer zu erwartenden Angstsituation (zB Prüfung), dann empfinde ich die Angst wegen der fehlenden körperlichen Symptome vllt als weniger belastend. Deshalb ist auch Alltagstraining in der Rehabilitation von psychisch Erkrankten so wichtig. mal von der Theorie abgesehen, hab ich das live so auch bei meiner Hündin erlebt:

    Wir haben im ersten Jahr (also im Alter von 1-2) sehr intensiv mit systematischer Desensibilisierung gearbeitet, um ihr geschlossene Räume mit Menschenmengen(Hauptbahnhof) irgendwie aushaltbar zu machen. Alles war mit nur mäßigem Erfolg gesegnet. Aber gut genug, um zumindest von der ruhigen Seite an den Zug zu kommen, um Weihnachten meine Mutter zu besuchen. Dann bei eben Jenem Besuch blieb mir nichts anderes übrig, als sie an die Leine zu nehmen und sie durch eine mit Menschen gefüllte Bahnunterführung zu schleifen, weil wir sonst den Anschlusszug nicht bekommen hätten (und sie war dort drin echt in Panik und wollte nur raus da)... wir sind da schnell durch, ohne Rücksicht auf ihre Befindlichkeiten, die hatte garkeine Zeit zum Nachdenken und plötzlich war die Situation vorbei und sie hat tatsächlich überlebt. Danach trat ihre Panik nie wieder auf, die war wie weggeblasen.
    Das würde ich nie als Patentrezept empfehlen, aber das beißt sich mit dem, was ganz oft für Horrorgeschichten über Flooding erzählt werden.

    2.) Strafe kann auch Sicherheit geben... nämlich genau dann, wenn die Strafe für das Tier kontrollierbar ist. Wenn das Tier ganz genau weiß, wie es diese Strafe vermeiden kann, dann stellt sich eine Erwartungssicherheit ein, das Tier lernt durch sein Verhalten seine Umwelt zu kontrollieren, also die Strafe zu kontrollieren... ergo das absolute Gegenteil von dem, was das Konzept der erlernten Hilflosigkeit besagt und was leider ganz oft als contra-Strafe argument angebracht wird.

    3.) Um auf das Thema mit der Matheaufgabe und der Vogelspinne auf dem kopf zurückzukommen...
    Lösungen, die Tiere in Stressituationen suchen, haben oft auch etwas mit dem Auslöser zu tun. Stress kann Lernen effektiver machen, Es lernt sich leichter, wenn das Verhalten gleichzeitig auch hilft, den Stress zu senken. (bestes Beispiel sind die Leute, die nur lernen können, wenn die Prüfung näher rückt :P )
    Wenn mir also mein Lehrer die Spinne über den Kopf hält und verlangt, dass ich die Aufgabe löse, wäre es doch leicht, wenn ich mich zwei Stühle weiter setze und dort meine Aufgabe mache... Ich glaube, so flexibel und reflektiert darf man auch als Hundehalter sein, wenn man aversive Methoden nicht per se ablehnt, dass man die Bedürfnisse erkennt und dann vllt entscheidet, ob das unbedingt sein muss oder ob man "intelligenten Ungehorsam" erlaubt.
    Letzteren find ich großartig, meine Hunde dürfen gerne auch kreative Lösungsvorschläge anbieten.
    Oder auf das "unter stress lernt man leichter, dem Bedürfnis angemessene Verhaltensweisen zu zeigen" auf ein konkretes Beispiel bezogen... Ich kann meine Hunde in ein Fuß zwingen, wenn wir andere Hunde sehen. Wenn ich aber einen Konflikt bei meinen Hunden bemerke, dann schlag ich mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich mein Kommando durchsetze, aber den Hunden zuliebe einen Bogen gehe. Wahlweise erlaube ich auch den Hunden es aufzulösen, wenn die anderen Hunde auf uns zugehen.
    Dadurch wächst auch das Vertrauen in mich als Bezugsperson, weil ich zum einen kein sinnloses Kommando durchsetze, aber die Hunde gleichzeitig merken: "Die Alte nimmt unsere Bedürfnisse wahr, die hat nen Plan, auf ihr Urteil kann man vertrauen"

  • leine werfen ist nicht nur ein rotes tuch, es ist hochgradig unsinnig. warum wirft man dem hund eine leine an, ein objekt welches wir dem hund täglich anschnallen müssen? versteh ich nicht. auf den rückruf folgt oft die leine. nichtmal ich als mensch nähere mich fröhlich einem objekt welches mich erschreckt hat.

    Das verstehst du nicht? Ich denke du bist Hundetrainer. Aber wenn du schon das nicht verstehst wundert mich die ganze Diskussion nicht :)

  • Intuitiv. Und unterschiedlich ;) Je nach Hund. Situation. Und zugegeben auch Laune (an den wenigen schlechten Tagen, die ich habe, bin ich ungeduldiger). Das macht mich unberechenbar berechenbar :P Menschlich ;)

    Ich habe keine bestimmte Ecke. Ich bin meist ziemlich nervenstark und antiautoritär :D
    Dann gibt es Sachen, die mir wichtig sind. Da werde ich auch mal laut.

    Seit Jouci kommuniziere ich insgesamt lauter mit den Jungs (Anjou hat sich da über die Zeit angepasst). Zumindest auf Entfernung. Aus der Nähe bricht Jouci bei nem schiefen Blick und nem Stampfen in sich zusammen, während Anjou nur den Kopf einzieht. Gleichzeitig braucht Anjou das aber auch nicht, um mich ernst zu nehmen. Jouci in seltenen Fällen schon.

  • Das verstehst du nicht? Ich denke du bist Hundetrainer. Aber wenn du schon das nicht verstehst wundert mich die ganze Diskussion nicht :)

    Das liegt glaube ich daran, dass noch immer dieses Märchen von der "positiven Strafe" kursiert, bei dem nur Beispiele aus echt miesem Hundetraining zu Rate gezogen werden... Selten wird sinnvoller Einsatz von aversiven Maßnahmen gezeigt, wäre ja auch kontraproduktiv für die eigene Meinungsmache.

    @lajosz: Bei sauber aufgebautem Training mit Aversivreizen hat der Hund in der Regel keine Angst vor dem Gegenstand, der ihn "erschreckt" hat, sondern die Verknüpfung geschieht in der Regel mit der Situation und dem Verhalten und Im Idealfall mit einem Signal. Bsp.: Schlauchtraining vom Schlegel - da wird der Schlauch hinterher auch apportiert und als neutraler Reiz kennengelernt.
    ABER: ich will mich ja nicht auf dasselbe anschuldigende Niveau begeben... Natürlich kann es auch zu fatalen Fehlverknüpfungen kommen bei schlechtem Timing oder einem für sowas sehr empfänglichen Hund... keine Frage... aber bei dem Großteil der Hunde gehts trotzdem gut... ist ja bei der positiv-Geschichte ähnlich ;)

  • Ich hoffe, ich werde jetzt nicht gesteinigt, aber ich frage mich die ganze Zeit beim mitlesen, wie meine Eltern es in den 70igern, als ich noch ein Kind war, es geschafft haben, ohne Hundeschule bzw. entsprechende Hundeerziehungstheorien, es geschafft haben, das wir so einen tollen Familienhund hatten. Unsere Hündin, ein mittelgroßer Pudel, war mit allem und jedem verträglich, sie lief, außer an stark befahrenen Straßen, immer ohne Leine. Sie war einfach nur toll. Ich glaube, man macht sich heutzutage viel zu viel Gedanken und man sollte evtl. wieder zurück zum Intuitiven und so machen wie man meint und sich nicht durch sogenannte Experten in den Hundeschulen etc. verunsichern lassen :ka:

    100 Punkte :dafuer: supi beschrieben und auch ausgedrückt, genau so seh ich das auch :applaus:

  • Ich kann die ganze Aufregung hier nicht verstehen :-/
    Ich arbeite z.B. mit meinen Tervueren der echt eine Herausforderung ist, nun aversiv..und es bringt das Ergebnis : Kein unkontrolliertes Verhalten mehr, auf mich bezogen (nicht geschädigt wie bei so manch anderen Methoden), kein nach vorne gehen etc. Mit der Alternativmethode Keks, null unter Kontrolle, was doch eigentlich klar sein sollte. Einige Hunde brauchen ihre Grenzen und ich gehe sogar soweit, das jeder Hund dankbar dafür wäre, wenn man nicht soviel vermenschlichen würd.e.
    Die Kleine z.B. der jag ich auch mal ein scht ein, wenn sie Mist baut, sie ist mir nicht böse und weiss genau was Sache ist. Beide harmonieren nun mehr und es gibt viel weniger Probs.
    Einem Hund gehören Grenzen aufgezeigt wie er sie auch in der Natur erfahren würde. Da nimmt kein Hund Rücksicht und sagt mal : Hey..klick Keks, geh mir jetzt aus dem Weg. Was nicht bedeutet, das man von haus aus Hunde die eh kein Problem haben so erziehen kann oder soll. Dafür bin ich auch. Es ist eben eine Sache der Zuordnung.

  • PS: ich würde keinen Rotti, SH, Bulli etc nur mit Leckerlis erziehen :-) Vertrauen ist klar, hat aber auch mit dem Standpunkt zu tun : Hey, du machst was ich will und nicht umgekehrt ;-) Mit der Umkonditionierung frage ich mich, warum es doch noch so viele bissige Hunde im Th etc gibt, obwohl man ja so sehr dran ist.Aber im Endeffekt solchen Hunden dann so nicht mehr helfen kann. :???: Bis auf die, die eben anders arbeiten, mit dem naturell des Hundes.

  • Positiv und mit lecker erziehen heißt nicht, dem Hund keine Grenzen setzen!
    Das wäre dann die "antiautoritäre Erziehung"!
    Es kommt, wie immer, auf das wie an.
    Nicht jeder, der aversiv arbeitet hat automatisch einen gehorsamen Hund!
    Ich habe gelernt, dem Hund positiv beizubringen, was ich von ihm möchte - hat er es verstanden und weiß, was ich erwarte, setze ich es auch durch!
    Wenn man aber richtig positiv arbeitet, kommen die wenigsten Hunde auf die Idee, auszuprobieren, ob man sich auch verweigern kann!

  • @Michi69
    Wieso soll es Rassen geben, die man nicht rein positiv erziehen kann?
    Das halte ich für ein Gerücht. Wenn, ist es für mich ein individueller Charakter, dem es besser tut, wenn er klare Grenzen kennen lernt. Wobei da immer das Argument ist, dass dies die Menschen, die nur mit positiver Verstärkung arbeiten, trotzdem tun. Es wird dann positiv aufgebaut.

    Es soll jeder das tun, wo er authentisch sein kann und hintersteht. Dann kann es auch funktionieren.

    Es gab allerdings noch keinen fanatischen Verfechter des "gewaltfreien" Trainings (wobei gewaltfrei empfinde ich meines auch - Gewalt ist für mich etwas anderes), der bestätigt hat, dass er auch weiß, dass es konditionierte Strafe gibt, die dann eben nicht eine immense Einwirkung bedeutet, sondern schlicht das Verständnis für "ist nicht", einen echten Verzicht und den Umgang mit Frust. Da, wo das aversiv vermittelte Abbruchsignal für den Hund zur Beruhigung führt. Genau so mach ich es und damit ist es für mich auch keine Gewalt. Und dass man nur mit Strafe arbeiten kann, in dem man so heftig einwirkt, dass das Verhalten dauerhaft gehemmt ist, ist schlicht nicht wahr. Es ist EIN Weg, Strafe einzusetzen. Aber das nur noch am Rande - ich befürchte, es ist müßig. Nur ich finde es halt immer schade, dass man selbst vorgeworfen bekommt, nicht tolerant und fair zu sein und irgendwas nicht anzuerkennen, was die "rein positiv-Fraktion" tut, aber selber leider auch limitiert zu sein in dem Wissen oder der Erfahrung mit Möglichkeiten mit Strafe fair zu arbeiten.

    So - und jetzt geh ich mit meinem Hund clickern. Das machen wir übrigens viel.

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