seltsame Hundeerziehung

  • "Die Situation auflösen" wird hier dargestellt als ob es die Bedrohung wett macht? Und warum ist Bedrohen so viel natürlicher als Alternativen aufzeigen? Wir erziehen Tiere nicht wie Tiere, weil Tiere ganz andere Ziele haben o_O


    Diese "1 - 2 Mal Grenzen aufzeigen und dann gegessen" Sache stimmt halt meist nicht. Oft versucht der Hund es immer und immer wieder, ganz besonders, wenn die Person nicht anwesend ist. Das sind die "Das hat er ja noch nie gemacht" Fälle, wenn der Hund sich halt dann mal befreit aus der "Grenze". Jetzt seid doch nicht gleich wieder defensiv, ich sag nicht, dass man alles "rausclickern" muss, mach ich selbst nicht, aber ich denke über die Prinzipien nach.


    Wenn es tatsächlich so ist, dass nach 1 - 2 Mal das Verhalten gelöscht ist und der Hund dann stressfrei lebt, sagt kein Mensch was, aber wie oft müst ihr bestimmte Regeln auffrischen. Also ich musste das schon des öfteren, was mich dann halt ein bisschen nachdenken ließ.


    Nicht alle Hunde lassen sich alleine durch sicheres Auftreten und "da muss er durch" therapieren, die brauchen mehr und ich rede nicht von gestörten Hunden. Es ist auch eine Typfrage.


    Es ist einfach so: Jedes Mal, wenn der Hund unerwünschtes Verhalten zeigt, übt er dieses ein. Es wird zur Strategie, die automatisch abgespult wird, wenn der Hund in eine vergleichbare Situation kommt. Sowas lässt sich durch 1 - 2 Ansagen nicht aufschlüsseln und lösen. Ich bin echt voll bei euch, wenn sich der Hund gerade eine Marotte aneignet, diese sofort zu unterbinden und nicht lange zu diskutieren. Aber wenn ich bereits eingeübtes Verhalten modifizieren will, muss ich den Stresslevel niedrig halten und stufenweise arbeiten und Alternativen einüben und abfragen. Und nicht Angst mit noch größerer Angst vor Strafe bekämpfen.


    Wenn man den Dreh dann raus hat, dann wendet man das auch für Kinkerlitzchen an, da der Hund das Kooperieren bereits gelernt hat. Ich bin echt dagegen, den Hund nach erfolgter Bedrohung zu belohnen mit Leckerlis oder Zuwendung. Man kann es mit Enden der Bedrohung belohnen, wenn der Hund das erwünschte Verhalten (meist Meideverhalten) zeigt. Das finde ich dann authentisch und logisch und ich nenne es beim Namen. Aber dem dann noch ein Würstchen zu geben, weil er sich so schön von mir hat bedrohen lassen... nee, da komme ICH mir wie ein Betrüger vor, sorry. Ich mach das nicht mehr.


    Eine Frage am Schluss:


    Wieso glaubt ihr, dass Alternativen aufzeigen und Clickern wochenlang dauert, wenn doch so eine Ansage nach 1 - 2 Mal fruchten soll? Ist doch unlogisch. Also, wenn man davon ausgeht, dass das Verhalten des Hundes nach diesen Ansagen nicht nur einfach gehemmt ist?

  • Zitat

    Ja, es ist Bedrohen. Und ein Thema, über das ich mir momentan sehr viel Gedanken mache.
    Ich mach das sehr ungern, bin wenig authentisch dabei und habe im Hinterkopf die ganze Theorie der problematischen Nebenwirkungen. In der Praxis gibt es aber durchaus Problematiken, die dadurch schnell gelöst werden können.
    Und so schnell, dass es letztendlich der Lebensqualität von Hund und Halter dienlich ist. Darüber müsste meiner Meinung nach offener diskutiert werden.


    Ich bin mir sicher, dass ich meinen Hund auch mehrmals am Tag bedrohe. Unabsichtlich und größtenteils auch unwissentlich.
    Ich habe heute extra mal drauf geachtet:
    Fixiert Djego etwas im Wald gibts von mir ein freundliches: "Prima, weiter." Hab ich allerdings das Gefühl, dass da tatsächlich was sein könnte kommt von mir reflexartig ein... äh... lautstarkes Räuspern. So als Vorstufe zu nem "Ey". Ist aber völlig unnötig. Ein "Prima. Weiter" reicht aus. Wäre nämlich tatsächlich was im Wald würde auch ein "Ey" nicht helfen. Dass das Räuspern überhaupt funktioniert heißt ja dass es eine unangenehme Konsequenz ankündigt. Und das ist jetzt nur ein Beispiel.
    Und weil ich weiß, dass ich es im Alltag einfach nicht vermeiden kann, versuche ich es so wenig wie möglich bewusst einzusetzen.


    Ach ja: Und ich versuche aversive Reize nicht nur aus moralischen Bedenken zu vermeiden, sondern weil ich auch aus tiefstem Herzen davon überzeugt bin, dass es für meinen Hund auch der effektivste Weg ist. Wäre das Thema "Jagen" mit einer Ansage gegessen, würde ich da sicher nicht lange rum machen. So funktionierts aber halt in der Praxis nicht.

  • Naja... mein Prinzip richtet sich nach (meiner!) Wertigkeit!


    Als meine jetzt 4,5 jährige Hündin 1 Jahr alt war, ist sie einmal, als ein anderer Hund auf der Straße am Haus vorbei ging. über das Tor auf die Straße gesprungen.


    Beim nächsten Mal habe ich mich mit einer Rasseldose versteckt und ihr diese beim Zeitpunkt des "Jetzt spring ich ab" vor die Füße geworfen.


    Sie hat sich erschreckt und hat den Sprung abgebrochen.



    Da ich versteckt war, hat sie das nicht mit meiner Anwesenheit verknüpft.


    Sie ist NIE WIEDER auf die Straße gesprungen seitdem, geht aber ohne jegliche Angst mit mir durch das Tor.


    In der Situation ist mir ein "Meideverhalten" des Hundes deutlichlieber als ein überfahrener Hund oder ein verunglückter Autofahrer!

  • Soll doch jeder Schreck, Angst, Schmerz in allen für sich vertretbaren Abstufungen nutzen wie er es für richtig hält. Dass es hier und da schnell funktioniert bestreitet keiner. Nur dann sollte ich so ehrlich sein und auch das Kind beim Namen nennen.


  • Siehste mal und ich würde mich nie im Leben darauf verlassen, dass die Verknüpfung in so einer Situation so sicher und dauerhaft sitzt, dass der Hund nie im Leben je wieder über das Tor springen würde. Ich würde das Tor erhöhen weil mir der Einsatz (Hund rennt auf die Straße) einfach zu hoch ist.

  • Es kommt doch auch immer darauf an was ich mittels Strafe oder Drohung lösen möchte. Komplexe Probleme lassen sich damit sicher nicht schnell mal lösen, da ist ein Weg ratsam, der immer an den Hund und das Problem angepasst sein muss. Es gibt nun mal kein Schema F.
    Einfache Dinge wie z.b. das erklären eines Raumes zur Tabuzone oder das einfach vorpreschen aus der Tür z.b. lassen sich bei einigen Hunden aber sehr schnell und effektiv damit lösen. Natürlich muss dann auch eine Belohnung erfolgen, wenn der Hund sich an die aufgestellte Regel hält. Aber die Aktion an sich (die ja im Fall des einfach auslaufende auch gefährlich werden könnte) ist sofort gestoppt. Dann kann man wunderbar an der Verknüpfung arbeiten, das es sich lohnt sich an diese oder jene Regel zu halten. Warum ist das nun per se schlimm?


    Und ich muss eine Bedrohung nicht “wettmachen“, dann war sie sinnlos. Ich muss dem Hund aber zeigen, das ich verstanden habe, das er verstanden hat und mit seiner Entscheidung (die ich manipuliert habe) einverstanden bin. Lasse ich die Drohung im Raum stehen erzeuge ich unnötige Spannung, die zu Lasten der Bindung geht, da der Hund das nicht einordnen kann und in der Situation “feststeckt“. Deshalb ist es wichtig ihm (situationsnah) zu zeigen, das alles wieder in Ordnung ist.
    Man kann Erziehung nicht auf jeden Hund 1:1 übertragen. Es sind keine Maschinen. Was bei meinem klappt, kann bei dem Nachbarshund voll in die Hose gehen. Es muss halt für alle Beteiligten passen.

  • Zitat


    In der Situation ist mir ein "Meideverhalten" des Hundes deutlichlieber als ein überfahrener Hund oder ein verunglückter Autofahrer!


    Die Argumentation mittels zweier Extreme - Meideverhalten über Schreck vs. überfahrerer Hund/verunglückter Autofahrer - schließt eine andere Lösung "dazwischen" dennoch nicht aus.

  • Zitat


    Wieso glaubt ihr, dass Alternativen aufzeigen und Clickern wochenlang dauert, wenn doch so eine Ansage nach 1 - 2 Mal fruchten soll? Ist doch unlogisch. Also, wenn man davon ausgeht, dass das Verhalten des Hundes nach diesen Ansagen nicht nur einfach gehemmt ist?


    Ja keine Ahnung, ich kann nur beschreiben, was passiert ist. Mir ist bisher noch keine Lösung dafür eingefallen.
    Und ich habe definitv zwei eigentlich nicht leicht-hemmbare Hunde. Ich kann auch nicht sagen, dass es einen Vertrauensbruch zu der strafenden Person gab (hätte ich jetzt persönlich erwartet und warte so insgeheim immer noch drauf :p ), aber nein, den gabs bisher nicht.


    Bei Angstverhalten und komplexeren Problemen sowie Ressourcenverteidigung und hoher Jagdmotivation haben Strafen meiner Meinung nach wie vor überhaupt nix verloren.

  • Zitat

    Siehste mal und ich würde mich nie im Leben darauf verlassen, dass die Verknüpfung in so einer Situation so sicher und dauerhaft sitzt, dass der Hund nie im Leben je wieder über das Tor springen würde. Ich würde das Tor erhöhen weil mir der Einsatz (Hund rennt auf die Straße) einfach zu hoch ist.


    Wäre eine Erhöhung auf Cattletaugliche Höhe eines Tores von 6 m Breite möglich gewesen, wäre das meine erste Lösung gewesen.


    Ging aber nicht.....


    Und seit nunmehr 3,5 Jahern funktioniert es, dass sie nie wieder darüber hüpfen wollte...


    Was nicht bedeutet, dass ich immer und in jedem Fall ein solches Mittel bevorzugt wählen würde. aber es erschien mir ein deutlich geringeres Übel als überfahren unter einem Trecker....

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