Zu diesem Thema muss ich auch noch ein paar Klugschisse loswerden.
Zunächst zum Beißen nur auf Kommando: jein...
Beim Bewegen von kleinen Gruppen, wo man als Mensch wirklich auch Tiere und Hund gut im Auge hat, oder bei empfindlichen Tieren: geht wirklich nur auf Kommando.
Aber alles, was man selber nicht im Blick hat, wo man selber gefährdet ist, Tiere, die Menschen nicht oder kaum gewöhnt sind, da kann man es m. E. durchaus dem Hund überlassen, wie und wann er beißt - immer vorausgesetzt, der Hund ist gut veranlagt, mit der Arbeit vertraut und "kann" sie - und, ganz wichtig, lässt sich im Ernstfall auch stoppen.
Als der Hofdrachen hier noch am Vieh arbeitete und ich mit ihr im Stall war, wenn ich Zeit hatte, gab es immer Situationen, wo ich (und auch Herrchen) den Hund machen ließ(en) und wo sich die Kühe auch blutige Nasen und Haxen holten, wenn sie nicht so gingen, wie der Hund wollte.
Beispiel: Junge Mutter hört ihr Kalb und brüllt, will hin, Richtung Melkstand geht es aber in die andere Richtung. Selbst erstkalbende Färsen, die den Hund noch nicht kannten, brauchten genau eine solche Begegnung, um zu kapieren, dass sie an dem Hund nicht vorbei kamen... allerdings ließ sie sich auch stoppen, so dass sie z. B. keine Tiere zu Fall brachte oder in die Liegeboxengitter jagte.
Seit Madame Cattle Dog nicht mehr mit im Stall ist, hatte Herrchen schon mehrere brenzlige Situationen mit jungen Müttern.
Oder morgens unter Zeitdruck wegen Feldarbeit: Herrchen melkt noch, sein Vater füttert schon. Das war nur dann zeitsparend, wenn der Hund und ich mit im Stall waren, weil wir die Kühe, die noch zum Melkstand sollten - das konnten durchaus 30 - 50 sein -, trotzdem im Wartegang hielten. Ohne Hund wären die umgekehrt und hätten mich im Zweifelsfall umgerannt, um zum Futter zu kommen. Wer meinte, umkehren zu müssen, hatte durchaus mal den Hund in der Nase. Danach war aber bei allen Ruhe im Karton, und wer von den Kühen einmal gebissen worden war, versuchte meist nicht mehr, am Hund vorbeizukommen.
Ohne Hund hätte dies bedeutet, dass man die Kühe mit dem Stock einzeln vom Fressgitter wegkloppen muss.
Oder wenn Herrchen wegen guter Kühe, die durch Besamung nicht trächtig wurden und die er nicht schlachten lassen wollte, noch einen Deckbullen zwischen den Kühen hatte: Der Hund hielt ihn beim Treiben zum Melkstand zuverlässig fern von den Kühen und vom jeweiligen Treiber; wie, war ihm überlassen.
Oder Bullenverladen: Um die Tiere aus der Bucht die Rampe hoch auf den Hänger zu treiben, konnte sie immer beißen, wie sie wollte - solange kein Tier fiel.
Die Bullen sind ja das Verladen nicht gewöhnt wie z. B. weibliches Jungvieh und Kühe, die es durch die Transporte zu den Weiden kennen, d. h. es ist viel schwieriger, sie die Rampe hinaufzubekommen.
Ich stand manchmal geschützt in einer leeren Bucht und musste nur "Aus!!" brüllen, damit sie auf der Rampe abließ, während Herrchen das Gitter zumachte, damit nicht noch ein Bulle aushaute und Herrchen das Gitter in die Visage schlug.
M. E. ist ein effizient beißender Hund - d. h. er verschafft sich in den richtigen Augenblicken Respekt - das viehschonendste Mittel zur Erzeugung einer Herdendynamik, weil die Tiere wissen, wenn der Mensch mit Hund kommt, müssen sie weichen. Dann gehen nach und nach die Köpfe hoch, und sie setzen sich gemächlich in Bewegung, ohne dass Menschen brüllen, rennen oder auf Tiere draufkloppen müssen.
Es war immer ein schöner Anblick, hier über die hügelige Hauskoppel zu schauen, wenn der rote Punkt in weitem Bogen Herrchen voraustrabte und mit hochgereckter Rute auf einem Buckel stehen blieb und kläffte. Die Kühe strömten los wie Kirchgänger beim Läuten der Glocken, und der Hund hatte genau im Blick, wer sich dieser Dynamik nicht anschloss. Die Tiere wurden dann gezielt hochgejagt, und da musste man dann schon aufpassen, dass sie nicht zu doll biss, bzw. sie in die richtige Richtung schicken. (Was ich mangels Erfahrung nicht konnte, und das nutzte der Hund natürlich aus, so dass ich nie alleine mit Hund Kühe von der Weide geholt habe.)
Zur Zucht wurden ja schon einige kluge Dinge geschrieben. Man muss einfach wissen, woher eine Rasse kommt, sie bei ihrem ursprünglichen Verwendungszweck erlebt haben (und den Einsatz auch verstanden haben), um zu wissen, was für Eigenschaften die Hunde mitbringen KÖNNEN (nicht zwangsweisen MÜSSEN, wenn man nicht mehr auf Arbeitsleistung selektiert).
Und dann sollte man soviel Verstand besitzen, sich vorstellen zu können, was passiert, wenn einige der rassetypischen (Arbeits)Eigenschaften in der heutigen Familien- und Sporthundezucht fehlen; meiner Erfahrung nach gehen oft zuallererst Gelassenheit, Frust- und Stresstoleranz und Kaltblütigkeit verloren. D. h. es bleiben zum Beispiel blitzschnelle Reaktionsfähigkeit und hartes, kompromissloses Durchgreifen übrig...
So ein löchriges Charaktereigenschaftspaket in Kombination mit einem für die jeweilige Rasse ungünstigen Lebensumfeld und einem evtl. unerfahrenen oder für diese Rasse nicht genügend einfühlsamen Halter bringen dann durchaus hochexplosive Mischungen hervor.
Caterina