Der 'brauchbare' Jagdhund

  • Hallo,


    eins vorweg, ich wünsche mir eine sachliche Diskussion. Bevorzugt von Leuten mit echtem Fachwissen (ich weiß das es sie hier gibt :p ), die bereits einen guten Jagdhund selbst ausgebildet haben und ihn auch zur Jagd einsetzen. Das Thema ist sicherlich kontrovers, aber mich würden halt auch die Meinungen dieses Forums interessieren. Noch eins: Bitte keine PRO/CONTRA Jagd Diskussion, diese Fäden gibts schon reichlich in diesem Forum, diskutiert das doch bitte da. Danke :D


    Ich hatte am Wochenende Gelegenheit mit einigen älteren Herrschaften über das Thema Jagdhundeausbildung zu sprechen. Schauplatz war ein Stammtisch, da ich überlege (endlich :p ) das 'Grüne Abitur' zu machen. Daher wollte ich mir mal die örtlichen Hegeringe anschauen, um mir Gedanken zu machen, wo die Ausbildung stattfinden soll.
    Ruhige Costars der Diskussion waren zwei Deutsch Drahthaar und eine Wachtel unterm Tisch, wegen denen die Diskussion eigentlich erst anfing.


    Interessant war für mich eigentlich, dass die Herren (übrigens alle erfahrene Hundeführer über viele Jahre, ein Nachsucheführer war dabei, ein Richter für Jagdhundeprüfungen usw.) einhellig der Meinung waren, dass Dinge wie Zwangsapport (mit und ohne Apportiertisch) und weitere härtere Ausbildungsmethoden (Koralle,Teletak) unumgänglich sind, wenn man einen guten, brauchbaren, zuverlässigen Jagdhund erziehen will. Gleichzeitig waren sie sehr offen, sehr gut informiert und auch neuen Methoden gar nicht abgeneigt. Einer zeigte eindrucksvoll vor, dass sein Hund 'gut geklickert' ist. Auch die positive Verstärkung wurde von allen einvernehmlich als sehr wichtiges Mittel in der Ausbildung gelobt. Auch die gängigen Lerntheorien waren den Herren geläufig.
    Die drei Hunde waren übrigens alle sehr freundlich, ruhig und gelassen.
    Ich hatte also keinesfalls das Gefühl mit 'ewig gestrigen' zu diskutieren. Daher überraschte es mich, dass Dinge die ich als ungeeignet für die Hundeerziehung (oder nur in Notfällen einzusetzen) halte, ihrer Ansicht nach unumgänglich sind. Dabei bin schon absolut kein 'Wattebauschwerfer'.
    Argumentation war, dass die Erziehung auch in höchster Trieblage sehr gut sitzen muss, sonst geraten Wild, Hund und Mensch in Gefahr. Hört sich erstmal (für mich) logisch an.


    Aber: Ist tatsächlich keine Jagdhundeausbildung ohne 'Starkzwang' möglich? Hat schonmal jemand einen Jagdhund 'modern' ausgebildet? Was macht ihr bei (z.B.) Apportproblemen von krankem Wild (angeschweisster Fuchs, lebende Ente)?

  • Selber ausgebildet habe ich nicht, war aber bei der Ausbildung eines GR von Anfang bis Ende dabei.
    Klar, wurde auch abgesichert und es wurden Zwänge gesetzt, aber kein Starkzwang.
    Das einzig elektronische, was dieser Hund am Hals hatte, war ein GPS Sender.
    In der Hundeausbildung ist es wie überall im Leben: Alles kann, nichts muß!

    Zitat

    Die drei Hunde waren übrigens alle sehr freundlich, ruhig und gelassen.


    Wenn es Hunde von gutem Wesen sind und der Starkzwang "gekonnt" angewandt wird, merkt man es ihnen nicht zwangsläufig an.

  • QuoVadis, es würde mich freuen, wenn du das ein wenig ausführen würdest, wenn du Lust hast ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. :D
    Mit GR meinst du einen Golden? Wird der auch im ausserhalb des Apports eingesetzt? Traten die genannten Probleme auf? Wie wurde denen entgegen gewirkt?

  • Huhu
    bilde meinen Hund gerade jagdlich aus, ohne Koralle, Zwangsaport o.ä.
    Ich denke es kommt immer auf den Hund an, wie er seine Aufgaben am besten versteht ;-) und was er für ein Typ ist. Meine macht bei Zwang sofort dicht und es wäre auch nicht meine Art mit einem Hund zusammen zu arbeiten.


    LG

  • Ein Golden ist ja nun nicht gerade das Beispiel für den Typ Hund, an den diese Herren wahrscheinlich dachten, als sie von der Jagdhundeausbildung sprachen. Der Klassiker in deutschen Revieren ist immer noch der deutsche Vollgebrauchshund - durchaus zu Recht, wie ich finde.


    Goldens und Labradors sind ein ganz anderer Typ Jagdhund, für eine ganz andere Art von Jagd gezüchtet, und das merkt man ihnen in der Ausbildung auch an. Ich weiß schon, warum ich Retriever führe :D .


    Aber selbst beim Golden und beim Labrador wird Zwang in der Jagdhundeausbildung an irgendeinem Punkt mit großer Wahrscheinlichkeit notwendig werden. Aber vielleicht müssten wir uns da auch erst einmal einigen, was eigentlich Zwang genau ist... und was genau verstehst Du eigentlich unter Starkzwang?


    Ich kenne übrigens Labrador-Führer, deren weitgehend positiv ausgebildete Hunde, die ja von sich aus immer gerne apportierten, genau einmal mit einer angebleiten Ente aus dem Wasser kamen, die Ente ausspuckten und sich schüttelten, bevor sie abgaben - nachdem die Ente dann gerade so noch von ihrem Leiden erlöst werden konnte, bevor sie wieder weg war, gab`s erst mal Nachhilfe in Sachen Apport für den Hund und nachdem dem Hund klar gemacht worden war, dass nicht nur der Apport gewünscht ist sondern der Nicht-Apport absolut inakzeptabel ist, hat er auch keine Ente mehr fallen lassen. Bei so einem Labrador braucht es da normalerweise allerdings vergleichsweise wenig Zwang oder Druck, schon gar keine Koralle...


    Apportiertisch und Zwangsapport habe ich entsprechend bei meinen Hunden bisher nicht gebraucht, aber für wen es nötig ist, mit dem habe ich kein grundsätzliches Problem, solange es vernünftig gemacht wird. Wie gesagt, ein DD ist kein Retriever - aber es ist auch nicht jeder DD gleich. Womit ich nicht sagen will, dass jeder DD einen Apportiertisch braucht, mitnichten!


    Teletakt ist in Deutschland aus gutem Grund verboten und gehört nicht an den Hund, auch nicht in der Jagdhundeausbildung. Allerdings glaube ich gerne, dass man an einige der da draußen herumlaufenden deutschen Jagdhundklassiker ohne die Dinger kaum rankommt. Bloß halte ich das Teletakt da nicht für die Lösung. Aber da es verboten ist, müssen wir darüber ja eh` nicht diskutieren und können uns ganz auf die erlaubte Bandbreite an Zwang konzentrieren.


    Viele Grüße
    Schnuffeltuchler

  • Ich habe meinen Toller auch auf einigen jagdlichen Prüfungen (Brauchbarkeit BW, Prf. hinter der lebenden Ente und Bringleistungsprüfung) geführt und setze ihn auch jagdlich ein (Entenjagd und leichtere Nachsuchen).
    Ich habe Laurin überwiegend über positive Bestärkung ausgebildet, wenn er allerdings bei Aufgaben, die er eigentlich kann, plötzlich meint Unfung machen zu müssen, hat er auch mal verbal seine Grenzen angesagt bekommen. Koralle, Zwangsapport etc. hat mein Hund nie erlebt. Alle Jäger die ich sonst so kenne haben eher "klassische Jagdhunde" und bilden sie auch mit unterschiedlichen Graden von Zwang aus.
    Meine persönliche (und statistisch wahrscheinlich nicht relevante Erfahrung ) ist, dass mein Hund deutlich besser im allgemeinen Gehorsam ist (Abrufen, Warten vor dem Apport, Leinenführigkeit), aber in Situationen in denen er etwas ungern macht, weniger zuverlässig ist. Z.B. wenn der Einstieg ins Wasser sehr schwer ist, jammert er gerne mal und versucht sich einen einfacherern Weg zu bahnen. Wenn er sehr müde ist, sucht er nicht mehr systematisch, sondern kommt immer wieder zu mir und "fragt" ob es jetzt reicht. Hunde, die mehr unter "Druck" stehen kommen mir da kompromissloser vor, könnte aber vielleicht auch an der Rasse liegen.

  • Mein erster Hund war ein Deutsch Drahthaar. Mit Ausnahme des Down habe ich ihn ohne Starkzwang ausgebildet. Beim Down wurde ein Teletak benutzt. Das war zu dem Zeitpunkt noch erlaubt und das sofortige Befolgen des Trillerpfiffs ist für einen Jagdhund (mit Ausnahme der Nachsuchenspezialisten) während der Jagdausübung in unserer Landschaft mit vielen Straßen eine Lebensversicherung. Ich hab auch die Erfahrung gemacht dass Hunde mit einer Zwangsausbildung zuverlässiger auch ungeliebte Arbeiten erledigen. Federwild mochte meiner zum Beispiel nie besonders und wenn er an einem langen Jagdtag viel apportieren musste hat er schon mal gern etwas überlaufen.
    Die nachfolgenden Schweisshunde haben keinerlei Zwang vertragen. Der war auch absolut nicht nötig.

  • Warum sagt man eigentlich KORALLE und nennt das Kind nicht beim Namen? Das ist doch ein ganz normales Stachelhalsband?
    Ich habe mir gerade mal durchgelesen, was ein Apportiertisch ist und wie Zwangsapportieren aufgebaut wird- fuer mich ist das Kadavergehorsam. Das steckt jeder Hund wahrscheinlich anders weg. Sind Jagdhunde per se "quaelbarer"? Ist das viell. ein Teil der sog. "Haerte"? Das meine ich jetzt nicht ironisch, nicht dass es falsch rueberkommt.

  • Ich bin kein Jäger, war aber jahrelang bei Fichtlmeier auf dem Hundeplatz. Der führt Weimaraner und hat mit seinen und den vom ihm ausgebildeten Hunden regelmässig Bestnoten erreicht ohne Zwangsapport und Strom.


    Man möge sich sein Buch "Die Ausbildung des Jagdhundes" und die zwei dazugehörigen DVDs (Im Feld und Am Wasser) zu Gemüte führen.

  • Moin,


    als erstes heißt es bitte "ein" Wachtel - ist ja kein Vogel, sondern ein Hund. :D


    Es gibt Grenzsituationen, in denen Starkzwang durchaus nötig werden kann... Down in sehr viel befahrenen Revieren kann lebensrettend sein und muss einfach gut trainiert sein und werden. Für mich greifen sehr viele Ausbilder viel zu schnell zu solchen Mitteln... Jagdhundeausbildung ist sehr zeitaufwändig und dauert im Schnitt, wenn man dem Hund Zeit zum Reifen gibt (und da hapert es auch schon oft) 3 Jahre mit Prüfungen.... 3 Jahre intensiven Lernens, das dauert manchen einfach zu lang.


    Fertig ausgebidete Hunde sind meist, mit allen Prüfungen, zwei Jahre alt - da feht, meiner Ansicht nach, wirklich Reife und Zeit samt Erfahrung. Und ich glaube wenigsten, das in den zwei Jahren kein Starkzwang eingesetzt worden ist. Solchen Hunden fehlen einfach Lernerfahrungen die anders antrainiert werden.


    Zwangsapport jedoch halte ich für absolut überflüssig, auch diese miesen Tricks, das versteckte Schleppwild fort zu nehmen, den Hund ohne Wild von der Schleppe kommen zu lassen (ist ja weg...) und ihn dann zusammen zu scheißen, während irgendwer im Hintergrund das Wild wieder hinlegt, halte ich für Grundfalsch. Hab ich nie gemacht und mich geweigert..... mein Hund soll mir Vertrauen und wissen, wenn ich ihm schicke - dann ist da auch was. Zudem, der riecht ja den Menschen am Wild.... Schmarrn.


    Malik war sehr bringtreu ohne solchen Druck, der brachte später öfter tot aufgefundenes Wild, auch wenn ich das nicht immer toll fand.


    Sicherer Apport bedeutet einfach fundierte Ausbildung, langsames aufbauen über viele kleine Trainingsschritte, lieber einen Schritt zurück als zu schnell vor. Man unterschätze in Ausbildungsgruppen unter hauptsächlich Männern bitte nie den Wettbewerbsgedanken, der da nicht hingehört und die Prahlerei.... "Meiner!" Stille Gründe für miese Tricks.


    Da wird nicht nur mit Holz gearbeitet oder Wild, dazwischen kommen unterschiedliche Felle, halb gefüllte Wasserflaschen (Wild ist nicht statisch), rohe Eier für Beißer, Apportieren im Fuß, Tauben (wichtig, weil sie so federn), kaltes Schleppwild..... und noch viele kleine Dinge mehr, auch Gewicht wird auftrainiert, ein 4 Kg Hase oder ein 6 kg Fuchs erfordert Training und Muskulatur. Und dazwischen immer wieder Dinge, die nichts mit der Jagd zu tun haben, ein gut ausgebildter Hund apportiert einfach alles! Der sucht auch "Verloren" und findet Schlüssel wieder oder sonst was.


    Apportiertische müssen kein Zwang bedeuten, auch hier kommt es darauf an, wie man den Hund dort ran führt. Ich habs auch erlebt, das Hunde fröhlich auf den Tisch springen und begeistert üben.... ohne festgebunden zu sein, ich selbst bevorzuge eine Ausbildung im Revier an vielen Orten mit anderen Hunden unter Alltagsbedingungen anstelle künstlicher Orte wie einem Tisch. Ist aber für ältere Jäger auch eine Hilfe, Bücken entfällt.....


    Und ja, hier werden auch andere Dinge wichtig, als beim freien Apportieren für den Beschäftigungssport. Geschossenes Federwild, das nur verletzt ist, stellt sich gern mal tod, apportiert der Hund nicht sicher, kann es vorkommen, das es entkommt und nachgesucht werden muss. Deshalb ist das sichere Halten und Ausgeben so wichtig, vor die Füße knallen ist nicht. So manche, sicher geschossene Ente geht da auf und davon und später elend ein.


    Ob der Hund jetzt vorschriftsmässig sitzen und ausgeben muss (Prüfungsrelevant) kann man im Alltag hinterfragen.


    Oft genug werden Ausbildungsfehler, falsche Belohnung oder auch Strafen zum falschen Zeitpunkt dazu führen, das der Hund eben nicht gut ausgebildet ist und dann greift man zu Korrekturen...... Stachelhalsungen machen auf Dauer hart, das stört ambitionierte Hunde nicht, die spannen die Muskulatur an und durch.... Ausbildungsfehler, gut eingesetzt und richtig auf den Punkt, macht man das exakt ein einziges Mal und dann nie wieder. Vielleicht, bei schlitzohrigen Hunden, ein weiteres Mal, aber dann sollte es das gewesen sein.


    Oft genug sind Hunde nur ein Werkzeug in de Jagd, aber auch immer öfter geschätzte Familienhunde und -mitglieder. Zudem, richtig angewandt ist Starkzwang eine sehr einprägsame Lernerfahrung und kein Dauerzustand bzw. Alltag für den Hund. Und, wie gesagt, aus meiner Sicht oftmals auch nicht nötig.


    Sundri

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