Eure Erfahrungen mit aggressiven Hunden

  • Nur ganz kurz, weil ja schon die Frage kam.
    Aggression hat ja sehr viele Facetten.
    Für mich persönlich war es schon Aggression, als die Hündin mich anknurrte.
    Sie kannte mich kaum und knurrte eben aus Unsicherheit.
    Da sie dabei nach vorne ging und mich fixierte, war das für mich eben auch schon Aggression.


    Also wie gesagt, für jeden gibt es eine andere Definition.


    Ich möchte das nicht auf Beschädigungsbeißen reduzieren, sondern einfach mal die Palette an Erfahrungen sammeln, da es so einen Thread hier scheinbar noch nicht gibt.


    Danke für die bisherige Beteiligung, ich lese dann mal nach. :gut:

  • Zitat

    Für mich stellt sich hier viel mehr was ist die Motivation hinter dem Aggressionsverhalten?
    Es macht im Training ein riesen Unterschied ob es sich um Angstaggression, resourcenmotivierte, terretorialmotiviert Aggression, Übersprung, au Frustration, zielgerichtete, objektbezogene,jagdlichmotivierte Aggression gegen Mensche, gegen Tiere oder schlicht um Aggression aus dem puren Spaß an ihr ( jaaaa ich weiß, es kann nicht sein was nicht sein darf) handelt.
    Die Stärke der Motivation und der Typ Hund sollten nicht vergessen werden.


    Ja, die Motivation macht einen großen Unterschied und entsprechend muss man auch das Training anpassen und dann auch nochmal auf den jeweiligen Hund.
    So bin ich eben auch der Meinung, dass man mit dem hier im DF berühmten "Zeigen und Benennen" nicht jede Aggression beheben könnte, auch nicht jede Leinenaggression. Dafür sind die Hunde einfach zu unterschiedlich und die Motivation eben auch.


    Vielleicht magst Du ja auch einige Erfahrungen schreiben, Anna, da Du ja schon einige Kandidaten im Training hattest. =)


    Und darum geht es mir, es geht nicht um den Nachbarshund, den ich aggressiv in die Leine springen sehe, sondern um Hunde, die man selbst erlebt hat, die man selbst geführt hat, die man selbst trainiert hat.

  • Gut dann fang ich an mit Beißen aus Übersprung, ein nicht untypisches Verhalten bei den Spitzohren, auch Blitzen genannt.
    Die Motivation hinter der Beißhandlung ist ein Ventil für die aufgestaute Emotion zu finden, bevor sie unerträglich wird.
    Ganz wichtig ist zu verstehen, dass es bei diesem Typ Hund durchaus auch ein hohes Maß an positiver Emotion Beißverhalten auslösen kann.
    Wenn ich einen nervenschwachen Mali bei der Begrüßung ziehe bis er oben raus ist, laufe ich Gefahr mir welche einzufangen.
    Bei diesen Hunde arbeite ich dreigleisig, da leider nicht alle Umweltreize von mir kontrollierbar sind.
    1. Konfrontation mit den klassischen Reizen unterhalb der Reizschwelle, immer und immer wieder, bis der Hund sich gleichgültig zeigt und so den Reiz immer weiter steigern.
    2. Heat up cool down Spiele, dem Hund also gezielt beibringen hoch zu fahren, aber ebenso wieder runter, denn nur dann geht es weiter
    3. Wenn man doch in eine Situation kommt in der der Hund zu Überpsrung "gezwungen" ist, arbeite ich über aussitzen der Situation.

  • Ich habe meine Happy mit 9 Monaten ja als sehr unsicheren Hund übernommen, der gelernt hatte nach vorne zu gehen und keine Frustrationstoleranz hatte. Die ersten Tage kam sie auch auf mich knurrend und zähnefletschend zu. Erstmal war ich total überfordert, damit gerechnet hatte ich auch nicht, bei ihren Vorbesitzern hatte sie keinen Mucks gemacht, als ich dort war. Bei einem Telefonat mit den Vorbesitzern erklärte sich dann aber einiges, als mir Dinge wie "auf den Boden drücken und auf den Hund setzen, bis er nicht mehr zappelt, wenn er knurrt", als Erziehungstipps gegeben wurden. Somit war bald klar, dass Happy aus Unsicherheit so reagiert. So ziemlich alles (fremde Menschen, Gegenstände, unters Bett) wurde wild explosiv mit Bürste und Schnappen angegangen. Hinzu kam ihr permanentes Aufmerksamkeitsgeheische, was sie auch mit ihren Zähnen durchzusetzen versuchte, den ersten Monat konnte ich mich abends nicht mehr auf mein Sofa setzen, weil sie dann auf mich losging. Trotz diesem Wissen um die Unsicherheit waren unsere ersten gemeinsamen Wochen echt hart, weil ich nach 2 Tagen erstmal ziemlich Angst vor meinem eigenen Hund hatte.


    Ich hab daraufhin 3 "Trainer" getroffen, die entweder über Leinenruck, Teletakt und Co. arbeiteten (aber ich wusste, dass ich SO nicht erziehen wollte und setzte die Tipps nicht um) oder aber offensichtlich mit einem solchen Hund auch keine Erfahrungen hatten und mir nicht weiterhalfen. Wirklich gute positiv arbeitende Trainer gibt's hier in Sachsen kaum und in meiner Nähe garkeine.


    Also habe ich dann angefangen, mich selbst mehr und mehr in die Materie Hund einzuarbeiten. Mithilfe von Internet und inzwischen auch Fachlektüre.


    Leider haben wir dadurch eine Menge Zeit verloren. Hätte ich damals, als ich Happy bekam, soviel gewusst wie jetzt, hätte ich ihr Verhalten in diesem jungen Alter vielleicht noch recht fix in geordnete Bahnen lenken können.


    Ich sag mal so: Im Endeffekt haben wir uns im Laufe der Zeit zusammen gerauft und aus gegenseitigem Misstrauen wuchs Vertrauen und zumindest im häuslichen Umfeld sind alle Probleme beseitigt. Inzwischen geht mir mein "Baby" über alles. Aber es war mit sehr viel Frust verbunden und nach fast einem Jahr hatte ich mich fast an den Gedanken gewöhnt, dass ihre Ausraster draußen bei fremden Menschen ein Hundeleben lang so bleiben werden.


    Im jetzt vergangenen halben Jahr habe ich aber durch geeignete Fachlektüre noch viel Neues gelernt und seit 3 Monaten geht's mit Hilfsmittelchen wie Zeigen & Benennen, Entspannungssignal und Veränderungen in Happys Speiseplan und Tagesablauf zur Stresssenkung doch sichtbar voran. Somit ist die Hoffnung zurückgekehrt, doch noch einiges verändern zu können. Ich möchte keine Pokale gewinnen, aber es wäre schön, irgendwann entspannt aus der Tür treten zu können und nicht immer mit Stielaugen angespannt die Gegend ansonden zu müssen, ob da eventuell vielleicht irgendwo jemand auftauchen könnte.


    LG Lily und Happy

  • hmm na da kann ich mich wohl auch mit einreihen


    beginnend von unserer damaligen colliehündin,die mein vater so oft falsch behandelt hat (schläge als strafe usw),das sie später nur noch an der kette lag,da sie niemanden,ausser mir,mehr an sich heran gelassen hat..was dann darin endete,das sie eingeschläfert wurde :|


    dann wurde ich selber als kind schon 2mal gebissen..einmal von nachbars hund und einmal von dem hund,der eltern einer freundin..und vor nicht allzu langer zeit auf der strasse von einer hündin "angefallen"..ich war ihr wohl unheimlich,sie riss sich von der leine,ging sofort nach vorn und fasste mir in den oberschenkel..meine ehrliche reaktion?..ich hab ihr eine gescheuert und sie angeblökt..mag man sehen wie man will,aber in dem moment wars einfach eine affekthandlung und sie hat sich dann auch sofort getrollt


    naja dann der hund meines damaligen freundes...gegenüber anderen rüden agressiv und dies auch wirklich teilweise mit beschädigungsabsicht..geholfen hat bei ihm unter anderem vernünftige auslastung,denn der hund war dann um einiges entspannter..und dann kontrollierte rüdenbegegnungen,loben von neutralem/freundlichem verhalten und massregelung bei agressivem verhalten..wobei da auch geholfen hat viele verhaltensweisen an sich selbst zu ändern....sprich wenn wir auf rüden getroffen sind,wo es "problematisch" wurde,wo beide sich versteifen und das volle imponierprogramm abziehen,wurde einfach kurz gerufen und weitergegangen...denn jener hund fing sehr gern erst dann an zu prügeln,wenn einer zu ihm hin ist um ihn am halsband wegzuholen...naja und später haben wir ihm dann einfach einen rüdenwelpen vor die nase gesetzt (den rü :D ) und er hat sogar andere rüden in "seinem" garten geduldet..sicher hatte er so seine kandidaten,wo es wirklich einfach nicht ging..aber das hiess es dann zu akzeptieren und mit dem froh zu sein,was wenigstens erreicht wurde


    ja dann habe ich noch einen schäfi/dobermann gehabt..kam von einem schrottplatz und wurde dort als wachhund gehalten...naja..der hund war extrem verhaltensauffällig,unter anderem indem er,ohne das ich jemals hinter den grund gestiegen bin,teilweise andere hunde angegriffen hat..explizit die beiden zuhause...jenes ging dann soweit,das er bei mir einfach nicht mehr tragbar war und ihn dann eine freundin übernommen hat,wo er als einzelhund lebt,sie hat mit ihm zwar zig trainer durch,denn in dem moment wo eine baustelle behoben ist,tut sich eine andere auf,aber inzwischen hat er sich doch so gemausert,das dies eher nur noch kleinere dinge sind


    dann meine damalige strassenhündin aus rumänien...hatte offensichtlich viel viel scheiss mit menschen durch und aufgrund dessen angstagressiv und ging in dem moment nach vorne,wo sie keine möglichkeiten hatte,anderweitig auszuweichen..sprich wenn sich jemand im flur zur begrüssung über sie gebeugt hat zum streicheln usw..da hab ich zb nichts korrigiert..da habe ich es einfach so gehandhabt,das besucher über richtige verhaltensweisen ihr gegenüber aufgeklärt wurden und somit wurde sie auch immer offener und entspannter im umgang mit menschen


    tja und jetzt ist lord liesl da..hat sich anfangs suuuuper in die bestehende gruppe integriert und nach einer zeit kippte das plötzlich und er griff rüdiger an,was sich ab dem zeitpunkt regelmässig wiederholte...und die beiden sind in dem sinne irgendwie "anders",da dies kein rüdengeplänkel ist,sondern es dabei richtig bös zur sache geht..ich weiss nicht warum,aber louise verfällt sofort in den "absoluten" modus..und rüdiger zieht dann mit,allerdings sind die herrschaften dann danach auch wieder "kumpels"..also nix mit spinnefeind o.ä. ..da ist es wirklich wie in dem sprichwort "pack schlägt sich,pack verträgt sich"..nach einiger zeit,viel scheiss und tränen,ressourcenmanagement und auch der kastration von louise wurde es viel besser..inzwischen passiert sowas so gut wie gar nimmer..allerdings überlege ich nach einem gespräch mit marika,doch nml einen trainer,die interaktion der beiden und meine reaktion da drauf ansehen zu lassen..vllt übersehe ich da irgendwas


    joa..das waren so grob zusammengefasst meine erfahrungen

  • Na du weißt ja nicht, was für einen Roman du jetzt losgetreten hast ;)


    Satoo zeigt(e) teilweise ritualisierte Aggression, gepaart mit Unsicherheit (schlechte Erfahrungen + Unkenntnis) in ganz verschiedenen Situationen, dabei geht/ging er nach vorne, warnte allerdings ausreichend vor (knurren, in Luft schnappen), dazu zeigte er typische Verhaltensweisen von Welpe/Junghund und erwachsenem Hund - merkwürdige Mischung. Dazu kommt, dass er wohl irgendwann früher gelernt haben muss, dass Knurren/Schnappen das ungewollte Handeln des Menschen sofort stoppt (ist bei Fremden okay, aber wir dürfen alles - da wird nix gestoppt). Als Kommandos kannte er zum Zeitpunkt der Übernahme lediglich "Sitz", ansonsten war er ein absoluter Rohdiamant.


    Uns gegenüber gab es ganz am Anfang lediglich 2 Situationen, in denen er uns anknurrte bzw. leicht in die Hand beißen wollte (festhalten der selbigen). Für mich persönlich noch nicht wirklich aggressives Verhalten, allerdings kann es je nach Definition unter selbiges fallen (deswegen meine Frage, was du darunter verstehst). Die eine Situation war beim Abtrocknen nach nem Regenspaziergang, hier knurrte er aus Unsicherheit heraus (er kannte die Situation nicht und hatte plötzlich ein Handtuch über dem Kopf hängen und wurde abgerubbelt). Ich habs ignoriert und weitergemacht. Nach dem zweiten Mal war der Fall durch und inzwischen schleppt er das Handtuch an: abrubbeln ist toll. Die zweite Situation war etwas heftiger: bürsten der Hinterhand. Was seinen Poppes angeht, ist Satoo immer auf Vorsicht gepolt und will sie decken bzw. in Deckung wissen. Ich wollte die Hinterhand bürsten, als Satoo knurrte und nach meiner Hand schnappte (wegschnappen ohne Beschädigungsabsicht, ich hatte keinen einzigen Kratzer). Daraufhin gabs reflexartig ein Ausholen der bewußten Hand in Richtung Hund (Vorsicht! nicht in jeder Situation und bei jedem Hund sinnvoll, war auch wegen dem Schnappen und nicht wegen dem Knurren). Anschließend hab ich weitergebürstet. Satoo drehte jetzt nur seinen Kopf (Hunde dürfen bei mir gerne schauen, was ich an ihnen mache) und ich bot ihm dann meine freie Hand zum Festhalten an (Finger hinter den Reizzähnen, Bißfreie Zone). Inzwischen braucht er das Festhalten nicht mehr, sondern schaut nur noch ab und an was ich mit ihm mache.


    Bei rudelfremden (ja ich weiß, Mensch und Hund bilden kein Rudel) Menschen ist Satoo skeptisch und sein Verhalten kann von jetzt auf gleich kippen in Abwehrschnappen/Knurren. Anzeichen sind für das Kippen so fein, dass es selbst hundeerfahrene Menschen nicht immer mitkriegen. Deswegen darf inzwischen kein Fremder mehr Satoo streicheln. Bei Bekannten/Familienangehörigen, die Satoo ab und an mal sieht, geht nix ohne unsere Freigabe und wir rufen Satoo aus der Situation raus. Ursache für das Verhalten ist wiedermal das Nichtkennen und Nichtlesenkönnen von Dingen, hier menschliches Verhalten.


    Und dann das große Thema Leinenaggression, wir arbeiten seit nun fast 2 Jahren an dem Thema. Es ist schon erheblich besser geworden, aber am Ende sind wir noch lange nicht. Ursachen ist eine aberwitzige Mischung, die es uns gerade unheimlich am Anfang erschwerte: Unsicherheit, gelerntes Verhalten (Angriff ist die beste Art der Verteidigung), Territorialdenken, Größenwahn. Die auslösenden Hunde waren bunt gemischt: groß, klein, alt, jung, schüchtern, starrend (selbst teilweise aggressiv), bei jedem Hund anders ausgeprägt. Die Auslösedistanz betrug anfangs gute 200m.
    Der erste Therapieversuch war beruhend auf der Unsicherheit: fehlende Hundekontakte und fehlende Kommunikationwege. Also wurde im Verein angerufen, das Problem geschildert und wir sind 2-3 Mal in die betreffende Gruppe gegangen. Gebracht hat es uns: Verstärkung des Problems - keine gute Idee gewesen.
    Kurzzeitig hatten wir das Arbeiten mit Leckerchen/Ball/Spielzeug im Kopf. Das scheiterte allerdings kläglich, denn Satoo nimmt in solchen Situationen nix an, dem könnste dann mit nem ganzen Rind vor der Nase wedeln: null Interesse.
    Dann ist vieles parallel gelaufen:
    Erarbeiten von den Grundkommandos.
    Abbrechen des ritualisierten Verhaltens durch das Durchsetzen des Sitzes in der Auslösedistanz. Heißt: Satoo wollte auf 200m Entfernung in die Leine springen und schon den Hermann machen. Daraufhin gabs ein Sitz (keine Bange, er war dann noch leicht ansprechbar und konnte den Befehl noch aufnehmen, ansonsten hätte das Kommando keinerlei Sinn gemacht), was notfalls durch unsanftes Hinsetzen durchgesetzt wurde. Teilweise habe ich ihn auch am Kragen hochgehoben und zurückgeschoben. Das tat ihm nicht weh, aber es ist unangenehm und bringt aus dem Konzept.
    Der nächste Schritt war dann: wir sind auch in Bewegung. Anfangs kamen wir nicht wirklich weit, denn sobald Satoo zu hoch drehte, kam "Sitz". Hier stagnierten wir eine ganze Zeit, bis wir mit Wasserspritzen beim Vorpreschen gearbeitet haben.
    Heute wird entweder körpersprachlich oder mit Hilfsmittel (Schleppleine weil gerade in der betreffenden Hand) nach vorne und seitlich begrenzt. Kommandos "Fuß" und "Rechts" sind abgesicherter in der sehr hohen Reizlage. Das reicht bei vielen Hunden schon aus, allerdings nicht immer und überall, es ist auch bei ein und dem selben Hund nicht immer gleich. Bei wenigen Hunden müssen wir gar nichts mehr machen. Die Auslösedistanz ist heute bei 1-3m, beim Erzfeind bei 5m. Die Intensität ist deutlich zurückgegangen und die Ansprechbarkeit im Gegenzug deutlich gestiegen.

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