Ängstlicher Straßenhund aus Spanien

  • Die wichtigsten Punkte sind ja schon genannt worden:


    - Distanzgrenzen des Hundes akzeptieren ( nicht auf den Arm nehmen, im Schlaf streicheln etc.)
    - viel Geduld mitbringen
    - keine Überforderung
    - sich über kleine Veränderungen freuen und keine Wunder erwarten


    Wir haben Woody jetzt seit 8 Jahren, auch ein sehr ängstlicher Hund aus dem Tierschutz. Auf den Arm nehmen würde er auch heute nicht zulassen! Trotzdem sucht er inzwischen schon Nähe, stupst, legt den Kopf aufs Knie. Ansonsten freuen wir uns über einen Hund, der uns nicht ständig am Bein klebt oder bespasst werden muß.

  • Führe Dir noch mal genau vor Augen, was Dein Hund "denkt", wenn Du ihn tröstest:


    Was macht Frauchen denn für Geräusche :verzweifelt: ??
    Macht sie doch sonst auch nicht :help: !!
    Da liege ich wohl richtig mit meiner Einschätzung, dass gleich was ganz, ganz Schlimmes passiert!!
    Und mach mich mal ganz, ganz klein :pfeif: !


    So ungefähr.
    Sag einfach nix, das hilft schon enorm!


    Ist hart, ich weiß. Man könnte manchmal heulen. Das hilft aber dem Hund nicht ;)


    Wauzi

  • Zitat

    Sag einfach nix, das hilft schon enorm!


    Huhu Wauzi,
    ich hab bei uns mal den Test gemacht für 1-2 Wochen und habe einfach mal vieles ignoriert und muss sagen, ich bin damit nicht gut gefahren bzw. hat es Enki es nicht einfacher gemacht.
    Da er beispielsweise sehr gut auf meine Tonlage reagiert, kann ich in Stresssituationen durch "gute Laune" dem Hund klar machen, dass hier zwar was gruselig ist, aber eigentlich doch ziemlich toll ;)
    Der Mittelweg machts wahrscheinlich.
    Ich tröste auch nicht, d.h. ich bemitleide Enki nicht, aber er bekommt auch in für ihn schlimmen Momenten Ansprache bzw. Zuspruch.


    Das zeichnet für mich die s.g. Angsthunde aus: Keiner ist gleich, man muss alles individuell betrachten.


    Deshalb finde ich abgesehen von den grundsätzlichen Tipps die ja hier schon gegeben wurden einen Trainer als wichtigste Ergänzung an. Damit man unter Anleitung und Beobachtung rausfinden kann, was dem Hund wirklich hilft.

  • Hallo,


    mal "Nix sagen", oder besser formuliert "weniger auf den Hund einlabern", hat nicht sehr viel mit "Ignorieren" zu tun. ;)


    Du schenkst dem Hund ja Aufmerksamkeit.
    Blickkontakte, Lächeln, und wenn die Hunde das mögen, Streicheleinheiten.


    Ich glaube, @ Wauzihund meinte einfach, daß man den Hund nicht "zutexten" soll.
    Dazu tendieren viele Menschen.
    Wenn man da schon nur weniger redet, kann man unter Umständen einen Hund haben, der genauer schaut, oder sogar "besser zuhört". ;)




    Ignorieren ist meiner Meinung nach die schlimmste "Strafe", die es für den Hund geben kann.
    Das braucht man nicht unbedingt. Und schon gar nicht über einen längeren Zeitraum.



    Schöne Grüße noch
    SheltiePower

  • Zitat

    Ich glaube, @ Wauzihund meinte einfach, daß man den Hund nicht "zutexten" soll.
    Dazu tendieren viele Menschen.
    Wenn man da schon nur weniger redet, kann man unter Umständen einen Hund haben, der genauer schaut, oder sogar "besser zuhört". ;)


    aaah, ja ok nun verstehe ich glaub ich besser! Zum Ignorieren steh ich genauso. Ich hatte echt nicht ganz begriffen was das eben heißen soll. Für mich war das gleich zu setzen mit: Ignorier die Angst.
    Und das kann eben nach hinten losgehen m.M.n.
    Danke für die Aufklärung :D

  • Zitat

    Deshalb finde ich abgesehen von den grundsätzlichen Tipps die ja hier schon gegeben wurden einen Trainer als wichtigste Ergänzung an. Damit man unter Anleitung und Beobachtung rausfinden kann, was dem Hund wirklich hilft.


    Das möchte ich nochmal unterstreichen. :gut:
    Mein Hund war ebenfalls ein Angsthund, als er zu uns kam.
    Es ist nicht leicht und man selbst macht oft unbewusst Fehler.
    Ein Trainer kann das viel besser beurteilen und euch helfen!
    Habt Geduld, gerade bei solchen Hunden braucht einfach alles ein bisschen länger.

  • Moin,


    wir haben ja auch so einen Streuner aus Spanien, der, die für Hunde wichtigste Zeit, auf der Strasse war, anstatt bei Menschen. Der am Anfang kaum bis gar nicht auf Stimme reagierte - eher nach dem Motto "was freut die sich denn so - hat die ne Klatsche?" Null Reaktion.


    Bei Diego hat a. unser Ersthund geholfen und b. das ich realtiv fix verstanden hab, das er eher auf Zeichen reagiert, als auf Worte. Finger hoch und "sitz" klappte nach zwei Tagen.... auch heute noch reagiert er viiieel besser auf Zeichensprache als auf Worte. Das bedeutet, er liest aus meiner Körperhaltung (wenn ich wütend bin z.B.) auch genau das heraus, ist schnuppe was ich sage...... wenn meine Haltung wütend ist, dann geht er..... irgendwo hin, am besten unter meinen Schreibtisch.


    Ich hab mich damals schlau gemacht, und dabei erfahren, das man a. keinen Hund (besonders Strassenhunde nicht) auf den Arm nimmt, umarmt oder sonst was mit ihnen tut und das man sich nie nie niemals über sie beugt, wenn sie schlafen. Über sie beugen ist schon schwierig, das bedeutet in ihrer Sprache "ANGRIFF" und man weiß nie, was ihnen dann so einfällt. Aber sie im Schlaf berühren bedeutet akute Lebensgefahr......... und sie reagieren instinktiv, nicht bewusst, wie wir das oft glauben.


    Wenn Diego auf dem Flur liegt und schläft und es Schlafenszeit ist, dann berühre ich ihn nicht, sondern spreche ihn erst an, wenn ich merke, das er reagiert, dann heißt es "los, Schlafenszeit, komm..." wenn wir soweit sind, kann ich ihn auch stupsen....


    Diego hat auch eine ausgeprägte Körpersprache, das bleibt wohl so, wenn er frisst klemmt er immer ein wenig den Schwanz, wenn er sich im Teppich eine Kuhle scharrt auch, das ist unterwürfig und heißt wohl auch "tu mir nix". Oder auch "ich bin grad schutzlos - sieh mich einfach nicht."


    Andererseits hat er wenig Distanzverhalten, am Anfang (da gab`s mal einen Thread zu) sprang er mir ständig in den Rücken, wenn er von draußen rein kam und das war sehr unangenehm. Ignorieren brachte gar nichts, am Ende half, sich ihm zuwenden und deutlich signalisieren "komm mir ja nicht zu nahe" drohend aufgerichtete Schultern und so, körpersprachlich..... seitdem klappt`s, er springt nicht mehr.


    Er braucht klare Ansagen, und das öfter als viele andere Hunde. Er hat für sich gelebt, sich durchgeschlagen, er ist klug und itelligent (sonst hätte er nicht überlebt) und er hat die Erfahrung gemacht, das er - uns nicht braucht, aber mal so gar nicht...... und das merkt man ihm auch an. Wenn ich meinen Ersthund in den Korb schicke, dann kommt der da erst raus, wenn ich ihn rufe - aber Diego? Geht in seinen Korb und dann dorthin, wo er hin will "ich war doch da - warum bist Du sauer? Und, erklär mir überhaupt mal, was ich da soll, in dem ollen Korb?" Klar, so denkt er nicht, das wäre menschlich, aber so wirkt sein Verhalten auf mich, als wenn er Befehle hinterfragt.... er bleibt nur unter massivem Druck in seinem Korb. Klare Ansagen, aber das sachlich gesprochen, deutlich und körpersprachlich..... kein Geschrei oder Gezerre..... das macht ihn scheu.


    Fremde Menschen? Sind doof..... Postboten - oha - die geben Leckerlies, werden aber trotzdem angebellt. Jetzt, nach knapp zwei Jahren darf der Hermes Mann ihn streicheln, nicht, das er das mögen würde - nö - könnt er drauf verzichten, aber der Hermes Mann nicht ;) . Heute liegt er auf dem Flur, wenn der Hermes Mann kommt und knurrt gar schrecklich, steht aber nicht auf und kommt zur Tür....... nö, das ist er nicht wert, das knurren sagt wohl nur "Ich weiß das Du da bist."


    Das sind aber trotzdem Fortschritte. Fremde werden angebellt, nur drinnen - oder draußen ignoriert, aber wehe, die kommen nah oder beugen sich, wie grad vor zwei Tagen einem zu um anzufassen, na dann hat er aber Zähne und knurrt wie ein Löwe... und bellt wie eine Dogge. "Hau ab!" heißt das. Ich denke nicht, das sich das je ändern wird.


    Andererseits kann jeder von uns mit ihm machen, was er will. Die Kinder behanden ihn wie ein Steifftier und er ist der geduldigste und liebste Hund, den ich kenn..... er kann mittlerweile Dutzende von Kunststückchen und tut für ein Frolicviertel alles..... selbst auf dem Rücken im Arm der Kids liegen wie ein Baby..... die können wirklich alles mit ihm machen. Wenn er nicht mehr mag, geht er und dann wird er auch in Ruhe gelassen.


    Irgendwo ist bei Euch der Wurm drin..... Euer Hund ist anders sozialisiert, als Hunde vom Züchter, das wird so bleiben. Wenn er ängstlich ist, mag es wohl sein, das ihr ihn nicht beruhigt, aber Eure Körpersprache sagt etwas anderes und das sieht er und nimmt es auf. Selbst ein liebevolles "hey, was`n los, kein Grund zur Panik" bestärkt ihn vermutlich darin, weiter Angst zu haben. Vielleicht ist Euch auch sein Verhalten unangenehm? Das spürt er und reagiert verunsichert. Ich hab Angst ignoriert, das heißt, wenn es draußen etwas gab, das ihn erschreckte hab ich getan, als habe ich das nicht gemerkt. Das hat ihm Sicherheit vermittelt.... ich hab nicht getröstet, nichts gesagt, nicht reagiert. Aber das hat gedauert..... Diego ist jetzt knapp zwei Jahre bei uns und erst jetzt beginnt er bei Spaziergängen zu hören, wenn ich spreche oder sich ablenken zu lassen. So ein Hund braucht Geduld und noch mal Geduld und noch ein wenig mehr Geduld.


    Ungeduld wirft ihn zurück, verunsichert und macht scheu. Medikamente können keine Lösung sein. Drüberweg gehen vielleicht eher. Ich bin der Meinung, "hätteste nicht mein Hund werden sollen, wenn Du das nicht willst" und so gehe ich mit ihm um, aber - ich überanstrenge ihn auch nicht, also Spaziergänge in der City von Hannover wären für ihn derart stressig, das ich das gar nicht erst probiere. Ich erspüre, was er kann und fordere ihn, aber überfordere ihn nicht. Heute machen wir andere Dinge als zu Beginn.


    Manche Dinge sind bis heute nicht möglich, Freilauf etwa..... oder kleine Kinder, die kennt er nicht und mag sie nicht.... dann bellt er, so lange bis die wieder vom Hof sind, oder eher, bis ich ihn ins Schlafzimmer (Rückzugsort) gebracht habe, denn das hält keiner aus. Fremde auf dem Hof sind ihm einfach ein Greul. Radfahrer, besonders Rennradler könnt er fressen. Ich denke, die überraschen ihn einfach durch die Geschwindigkeit, mit der sie an einem vorbei sausen. Also bin ich aufmerksamer, sehe solche Radler zuerst und hole ihn ins Platz, sobald der Radfahrer auf unserer Höhe ist, gibts ein Leckerchen. Das klappt gut. Aber das wird für mich auch immer Ablenkung und Voraussicht bedeuten. Ich glaub kaum, das sich sein Verhalten da ändern wird und wenn, nehme ich es als nette Überraschung, aber nicht als Gegeben.


    Auch das ständige hinterherlaufen, das beobachten, das nicht aus dem Auge lassen haben wir gehabt. Zu Beginn war das echt lästig, egal wo ich hinging, der Hund kam mit, lag vor der Badezimmertür, in der Küchentür, ließ mich einfach nicht aus dem Auge. Irgendwann wusste ich nicht mehr, ist das Nähe suchen oder Kontrolle? Und hab ihn, rein gefühlsmässig, einfach weg geschickt......... heute lässt er mich gehen..... manchmal kommt er hinterher, meistens bleibt er liegen.


    Vielleicht ist ein kompetentet Trainer für Euch doch eine gute Lösung, aber suche einen, der sich mit der Komplexität des Verhaltens von Strassenhunden auskennt, der um ihre Sozialisierung weiß und der damit umgehen kann. Ein "normaler" Trainer wird das nicht können und vielleicht zuviel Druck aufbauen oder falsche Schlüsse ziehen, einfach weil er von einem Hund anderes erwartet als der geben kann.


    Liebe Grüße
    Sundri

  • Upsilein, mit "nix sagen" meine ich natürlich keinesfalls "ignorieren", danke, dass Du das schon mal klargestellt hast, SheltiePower :gut:


    Ich meine eher, dass der Halter quasi wie ein Fels in der Brandung die Gegend sondiert und den "gruseligen Ereignissen" souverän begegnet, dem Hund einfach das Gefühl gibt, dass er sicher ist. Wenn der Hund z.B. einem raschelnden Müllsack ausweichen möchte, einfach weitertrotten und nicht sagen: "Och Haaase, ist doch nur ein Müllsack". :D


    Einer meiner schönsten Momente in der Anfangszeit mit Bobby war, als er in einer für ihn bedrohlichen Situation das erste Mal ganz langsam hinter mich gegangen ist. Ich hätte wohl laut loskreischen mögen vor Freude. Hab aber weiter in der Gegend rumgekuckt *beherrsch* ;)


    Ein Trainer kann da sicherlich entscheidende Tipps geben, das denke ich auch.


    Wauzi

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