Sind Arbeitslinien nicht mehr zeitgemäß?

  • Zitat

    Ich finde, man sollte ein klein wenig differenzieren zwischen Arbeitshunden und sogenannter Leistungszucht. Natürlich kann es dasselbe bedeuten, muss es aber nicht und tut es auch lange nicht immer.

    Ein Arbeitshund ist für mich ein Hund der eine reele, tatsächliche Aufgabe hat und diese ausfüllen kann.

    Da kann man auch sehr schön als Beispiel den modernen Renngreyhound und den Galgo hernehmen. Greys waren auch mal wirkliche Jagdhunde, historisch belegt als Hasenhetzer sind sie auf den Inseln seit dem frühen Mittelalter. Seit ungefähr 100 Jahren wird der Rennsport auf der Ovalbahn betrieben. Und die Hunde haben sich verändert. Sie sind gewaltig schneller geworden, haben an Knochensubstanz ab -und an Muskelmasse zugenommen (weniger Gewicht + mehr Muskel = schneller), die Beine wurden immer zierlicher, die Pfoten immer feiner - können die sich ja auch leisten, die Hunde laufen auf topgepflegten Sandbahnen. Und selbst da ist man jetzt mit der Zucht an der Grenze des Machbaren - selbst auf gut gepflegten Bahnen zerlegen sich die Hunde tw praktisch selbst, die enormen Drücke und Geschwindigkeite bedingen akute und Stressfrakturen...
    Im freien Gelände ist das Verletzungsrisiko für so eine Granate hoch, einmal vertreten bei dem Tempo und der Körpermasse (30-35 kg) und das Bein ist gebrochen. Auch sind die nicht mehr wirklich wendig (warum auch, hat man ja nie drauf gezüchtet), nen Hase kann sich aber im vollen Lauf um 180 ° rumschmeißen - da ist der Grey dann meist verloren.
    Für den eigentlichen Job also nicht mehr geeignet.
    DAS ist eine sportliche Leistungszucht.
    Bei den Greys hat man noch den Vorteil, dass die im Kopf sehr klar sind und fast durch die Bank weg einen sehr guten Charakter haben - die müssen innerhalb der Rennindustrie einfach funktionieren, mit aggressiven Hunden und kapriziösen Spinnern hält sich da keiner auf. Es ist halt kein Hobby-, sondern Profisport und viele Hunde die im Hobbysport noch so durchgezogen werden, kommen da gleich in die Wurst.

    Wenn man da mal zum Vergleich den spanischen Galgo nimmt... das ist ne Arbeitszucht. Die sollen Hasen fangen und sonst nix (obwohl die Rasse schon ein bisschen länger bekannt und historisch auch schon lange belegt ist, widmet man sich erst in neuerer Zeit in Spaninen dem reinrassigen Galgo als Zuchtobjekt für Ausstellungen und als "nur Pet").
    Der Körperbau ist weniger Extrem (also, jetzt immer im Windhundrahmen gesehen), Knochenstärke und Bemuskelung passen besser zusammen. Die sind nicht ganz so schnell (grad schnell genug für den Hasen halt), aber dafür wendiger und weniger verletzungsanfällig.


    Das ist auch das Problem mit der Zucht von "Leistungshunden" und der Alternativbeschäftigung, genannt Sport. Man muss sich halt bewusst sein, dass man die Tiere verändert. Ein guter Rennhund ist nicht zwingend ein guter Jagdhund. Und ähnliches gilt ja scheinbar auch für die "Field Trial" Linien bei manchen Jagdhundrassen.


    Dass ein guter Arbeitshund immer auch bombig gute Nerven hat und sich immer und überall einpassen kann glaub ich nicht.
    Das mag für die mitteleuropäischen Rassen gelten, das gilt aber denke ich nicht für Rassen die nie dafür gemacht wurden in enger Nachbarschaft mit zig anderen Menschen und Hunden zu leben und die vielleicht sogar eine gewisse natürliche Scheu + hohe Umweltsensibilität haben mussten um zu überleben, weil sie tw auf sich selber gestellt agieren (sei es im Job oder im Alltagsleben).
    Dass die deswegen nicht gestört und bei verständiger Handhabe und passenden Umständen auch gut zu führen sind ist klar, die sind nur gut angepasst. Aber halt nicht immer an unsere Umgebung und unsere Anforderungen.

  • Danke für den Exkurs zu den Greys. Wir treffen ja regelmäßig welche auf der hiesigen Hundewiese und die knicken echt in jeder engeren Kurve weg und tun sich weh :(

  • Der Greyhound ist nun aber seit Generationen auf Rennen gezüchtet und diesen Job erledigt er wie kein anderer, der Agiborder eben auf Agi, natürlich taugen die nicht mehr so sehr am Vieh, aber in ihrem Bereich macht ihm keiner was vor, was ist nun daran schlimm?
    Und nein mir liegen weder Agiborder, noch Renngreyhounds, aber das ist Geschmackssache
    Malis am Vieh möchte ich auch nicht sehen, zu mindest nicht aus Leistungslinie für Dienst und Sport, so what?
    Meine Hunde stammen aus Leistungszucht, von der immer einige Welpen in den Dienst gehen, die anderen in den Sport, oder an andere fördernde Hundeführer. Ich führe beide als Rettungshund.

  • Aber können den wirklich nur engagierte Hundesportler, Rettungshundeführer, Polizei, Zoll usw. diese Rassen bzw. Linien halten?
    Denn das ist dabei ja das Fatale - dadurch, dass diese Linien nur jenen Leuten vorbehalten sind, hat man doch das Pendant gefunden, was für Normalsterbliche ist: den Showhund.
    Würde die Leistungszucht nicht immer mehr ins Extreme gehen, sondern stattdessen leistungstechnisch mehr (nicht ausschließlich) mitteklassige Hunde in die Zucht nehmen, mit denen man im Sport vllt nicht Dt. Meister wird, aber alle Prüfungen solide durchlaufen kann, der dafür aber nicht so extrem wird, dass ihn auch "Normalos" halten können - wäre damit der Hundezucht nicht geholfen?

    (Unter Normalo verstehe ich übrigens einen trotzdem engagierten Hundehalter, der sich dennoch mit dem Hund beschäftigt.)

  • Im reinen Sport ist das ggf. machbar. Im Dienst (egal welche Art) finde ich Mittelmass unsinnig! Ergo braeuchte man wieder 2 verschiedene Zuchten, naemlich Sport- und Dienst. Das faende ich persoenlich zu aufwendig..

    Pepper (ein Mix, ich weiss) waere niemals ein Weltmeister geworden (abgesehen von den fehlenden Papieren, ich meine das Potential), haette aber sicher ihre Leistungen im Sport erbracht und evtl. gar nicht mal so schlechte. Als wirklicher Jagd- oder Rettungshund waere sie aber eine Niete!

    Wo wenn nicht in der Leistungs-/Arbeits-/Dienstzucht soll man einen passenden Hund fuer die Arbeit finden? Bei den Showzuchten wohl kaum.

  • Zitat

    Aber können den wirklich nur engagierte Hundesportler, Rettungshundeführer, Polizei, Zoll usw. diese Rassen bzw. Linien halten?
    Denn das ist dabei ja das Fatale - dadurch, dass diese Linien nur jenen Leuten vorbehalten sind, hat man doch das Pendant gefunden, was für Normalsterbliche ist: den Showhund.
    Würde die Leistungszucht nicht immer mehr ins Extreme gehen, sondern stattdessen leistungstechnisch mehr (nicht ausschließlich) mitteklassige Hunde in die Zucht nehmen, mit denen man im Sport vllt nicht Dt. Meister wird, aber alle Prüfungen solide durchlaufen kann, der dafür aber nicht so extrem wird, dass ihn auch "Normalos" halten können - wäre damit der Hundezucht nicht geholfen?

    (Unter Normalo verstehe ich übrigens einen trotzdem engagierten Hundehalter, der sich dennoch mit dem Hund beschäftigt.)

    wieso will sich denn ein normalo überhaupt solch einen hund zulegen, doch eigentlich nur weil er ihn vom aussehen schön findet.
    und das ist das fatale dran, dadurch das jeder an solch hund rankommt, entstehen doch erst die probleme.

  • Die Frage ist...

    Warum brauche ich als Jemand, der nur Gassi gehen moechte, einen Arbeitshund (als Welpen)?

    Warum reicht mir kein Begleithund? Optik?

    WENN es denn unbedingt ein solcher Hund sein muss, warum nimmt man dann keinen Erwachsenen, der evtl nicht genug Haerte etc. fuer seinen Job mitbringt und bei dem absehbar ist, dass er so zufrieden ist?


    Nachdem hier immer das Argument mit dem "Weltmeister" kommt:


    WIll ich "Weltmeister" (ich gehe jetzt mal von meinem Hobby aus) werden, dann brauche ich einen Hund mit guten Nerven, sehr guter Triebbestaendigkeit, sehr guter Gesundheit, gutem Agressionsverhalten, hohem Beutetrieb gepaart mit angepasster Fuehrigkeit. Ganz grob gesagt, der Rest ist Ausbildung. Selbiges ungefaehr als Diensthund.
    Dies sollte das angestrebte "Mittelmass" fuer mich sein. Was nicht heisst, dass man Hunde mit extremeren Verhalten nicht auch brauchen wuerde, um dieses Mittemass zu erhalten.

    Ein solcher Hund hat erstmal nichts davon "Weltmeister" zu werden, oder allgemein auf hoeheren sportlichen Veranstaltungen gefuehrt zu werden. Ausser vielleicht, dass Hunde mit entsprechenden Maengeln unter dieser Belastung auffalllen und aus der Zucht fliegen (ist ja nun auch ein Vorteil..).
    Moechte ich als HF mit diesem Hund "Weltmeister" werden, dann werde ich sicher nicht 7 Tage die Woche eine komplette Faehrte, Unterordnung und den SChutzdienst durchziehen, sondern ich werde gezielt, angepasst und effektiv Trainieren.
    Das ist es worauf es generell ankommt. Ein wirklich guter Sporthund, geht bei solchem Extremprogramm irgendwann zu Grunde, wie jeder andere auch. Das "braucht" kein Hund.

    Ich kann diese Behauptungen, die Sportler wuerden waeren ja grundsaetzlich fuer die ueberdrehten und nervenschwachen Hunde verantwortlich, sry , nicht mehr hoeren.
    Ein Hund mit schweren Wesensmaengeln und nicht zusammen passenden Triebveranlagungen ist nicht fuer intensiveren Sport zu gebrauchen! Ebenso wie mir ein kuenstlich hochgedrehter Hund nichts nuetzen wird, denn dieser ist nicht lernbereit und von daher ebenfalls kaum mehr auf entsprechenden Veranstaltungen vorzustellen.

    Hunde, die dieses "Intensivprogramm" haben/"brauchen" sind in meinem Bekanntenkreis vor allen Dingen die, die angeschafft wurden, weil es ja undbedingt ein XYZ sein musste, man die eigentlich benoetigte Beschaeftigung aber nicht bieten kann/will und der Hund somit mit diesem Programm ruhig gestellt werden soll.


    Lakasha

    findest du nicht, dass es einen kleinen Unterschied macht, ob ich heute gezielt in EINEM Bundesland zwei Jagdgebrauchshunde verpaaren darf, aber auch nur einmal oder ob ich mich hinstelle und meine, ich kann mir heute Mischling XY aus der Zeitung holen und der wird das genauso toll machen wie der darauf selektierte Arbeitshund?

    Mischling ist fuer mich uebrigens nicht gleich Kreuzung..

  • ich persönlich traue mir solch einen erwachsenen hund nicht zu, wie schonmal geschrieben hab ich solche in der familie und das ist einfach nicht schön.
    geschweige denn das ich mir solch einen hund zutrauen würde.

    es ist doch so, die meisten leistungszucht hunde sind große hunde, nehmen wir einen 2-3 jährigen schäfer der ausgebildet wurde, sich aber gezeigt hat das er aus welchen gründen auch immer nicht taugt.
    ich persönlich würde mir einen solchen hund nicht holen wollen.

    es ist auch dem hund nicht geholfen wenn er 2-3 jahre arbeiten durfte und danach nur noch familienhund sein muss, da drehen die meisten erst recht am rad.

    einen welpen kann man formen, man hat einen süssen kleinen fratz zu hause, dass ist das was die meisten leute dazu bewegt eben keinen ausgewachsenen hund zu nehmen.

    nehmt z.b nen weimi, süss als welpe aber als erwachsener hund nicht ohne, da wird eben solch ein hund entweder in th abgegeben oder darf einen hundetrainer nach dem anderen verschleissen, im günstigsten fall.
    aber hauptsache man kann in die stadt gehen und hat nen schicken hund an der leine.

    vielen wird durch filme und werbung vorgegaukelt wie toll ein hund ist, wie schön er sachen macht..das dass ausbildung erfordert weiss keiner und es wird auch einem nicht gesagt.
    daher nehmen sich viele einen welpen, weil man doch weiss die kommen schon fertig ausgebildet zu welt.

    und optik ist doch das wonach wir das meiste aussuchen, sei es der partner, das auto ode der hund. und wenn mir eben ein schäferhund gefällt, dann will ich sowas auch auf dem sofa sitzen haben, komme was wolle.

  • Ein alter Spruch über den DSH besagt:
    "Der Schäferhund ist in nichts der Beste aber in allem der Zweitbeste!"
    Leider hat die heutige Zucht diesen Spruch auch überholt...

    Dennoch trifft er des Pudels Kern. Das ist es was einen richtig guten Arbeiter kennzeichnet. Er ist vielleicht kein "Crack" aber er bringt gute, saubere Anlagen mit und liefert eine konstante, solide und zuverlässige Arbeit ab, immer.
    Das hat weniger mit Mittelmaß als mit Ideal zu tun. Die Frage ist da für mich, wenn überhaupt, viel mehr, wieso das Mittelmaß so gesunken ist...


  • Juri ist so ein Hund... Der taugt fuer den gedachen Einsatz nicht und landete bei mir. Er ist kein Familienhund im Sinne von Sofatoele, aber er ist ein sehr angenehmer Hund!
    Ich bin unglaublich froh diesen Plueschmali zu haben, denn einen Mali aus dem geplanten Wurf haette ich nicht fuehren koennen! DAS waere dann wohl einer geworden, der seine Umwelt terrorisiert.. Und ich finde dieses 'ich will aber nen starken Hund *aufstampf*' einfach aetzend. Genauso aetzend finde ih es aber sich nen Hund aus Schoenheitszucht zu holen. Irgendwer hat es hier schonmal geschrieben. Alles was beim 'fuer alle Menschen'-Hund weg soll, sind doch Eigenschaften die Rasse xyz erst zu Rasse xyz machen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!