Hund gegen Depression/Flugangst

  • Wir sind in einer Einrichtung für psychisch Kranke unterwegs als Besuchshundeteam und die Einrichtung selbst lehnt es ab, dass die Bewohner Tiere anschaffen.
    Die Bewohner können sich aus verschiedenen Gründen nicht durchgehend kümmern und das Team kann und will das nicht leisten. Das fängt bei depressiven Schüben an und hört nicht bei den akuten Fällen, die wieder zurück ins Krankenhaus müssen, nicht auf. ganz zu schweigen, was das mit einem Tier macht, wenn man nicht nur depressiv ist, sondern vielleicht sogar manisch oder affektiv.


    Und ja, die wünschen sich ALLE einen Hund, wenn wir da sind, weil es ihnen mit Hund so gut geht. Deswegen sind wir ja da. Die Leute dürfen ein-, zweimal im Monat sich für den Besuch anmelden und wir unternehmen mit den Hunden zusammen etwas (ohne Therapieansatz, wir sind keine Therapeuten). Danach ist nicht nur der Hund platt, sondern es gibt natürlich auch Tage, da kommt von 5 angemeldeten Personen nur eine einzige. Und die ist evtl auch noch schlecht drauf. Solche Tage gibts. Für den Hund ist das eine Stunde konzentriertes Arbeiten mit mir als Rückhalt.
    Ich bezweifle, dass sich Leute mit richtig schweren psychischen Störungen ohne ein ganz besonders gutes Netz (was ja meistens gar nicht besteht, sonst könnte man die Labilität auch vorher ggf. auffangen) mit einem Hund einen Gefallen tun.


    Man hört und liest manchmal "ja mir hat ein Hund gut getan". Dann fragt man nach "Bist du denn diagnostiziert krank?" und dann gibts meistens keine klare Antwort. Oder was man halt nicht liest, weil nur die Leute ihre Storys ins Netz stellen, die wirklich gut damit fahren: Die Geschichten, wo es nicht klappt. Wo der tolle Pudel als antiallergener Therapiehund völlig verfilzt und abgemagert rausgeholt wird. Wo die Hunde unter den Wutattacken leiden und Tritte abbekommen, keine Möglichkeit haben sich zu lösen, weil Herrchen nicht aufstehen kann... solche Geschichten bekommt man mit, wenn man in der Szene unterwegs ist. Die stehen aber nicht unter "Mein Therapiehund hat mir das Leben gerettet" in irgendeinem Onlinemagazin...

  • Ich kann das Problem in den USA bestätigen. Wir wohnen in den USA und hier sind die "emotional service dogs" wirklich sehr verbreitet. Einheitliche Regeln gibt es nicht.
    Unser letzter Pflegehund hat davor als "emotional service dog" eines Veteranen gelebt. Ob er irgendeine Bescheinigung hatte weiß ich nicht, aber dieser Hund hat definitiv keine Erziehung genossen und war einfach ein ganz normaler junger, unerzogener Hund wie die meisten Haustiere hier. Sehr lieb und freundlich, aber eben nicht erzogen. Und es liegt auch einfach sehr im Trend sich einen "service dog" für seine Kinder mit irgendwelchen psychischen Problemen oder Entwicklungsstörungen anzuschaffen der dann nach der Welpenphase oft draußen versauert.
    Wenn ich mich bei Bekannten beschwere dass Hunde hier fast überall verboten sind bekomme ich auch oft zu hören, dass ich ihn doch zum emotional Service dog machen soll... :dagegen:
    Die meisten Geschäfte etc. lassen die als service dogs bezeichneten Hunde auch rein, weil sie sich mit der Materie nicht auskennen (die ja sehr undurchsichtig ist) und einfach Sorge haben jemandem seinen Hund zu verweigern den er wirklich braucht und im Nachhinein verklagt zu werden.


    Schade ist das für all die wirklich benötigten und ausgebildeten Therapiehunde und deren Halter die es dadurch nicht mehr so einfach haben.

  • Achja - wenn jemand selbst sehr krank ist und Hilfe benötigt, ist es -natürlich auch je nach Hunderasse- sicher auch schwierig, den Hund konsequent und souverän zu führen. Spätestens dann gibt´s Ärger mit dem Hund (und wenn er nur dem Halter selbst auf der Nase rumtanzt *gg) - allein deswegen schon würde ich einen Hund nicht an erster Stelle einer Therapie sehen, sondern eher als Unterstützer im weiteren Verlauf, wenn der Mensch schon wieder recht stabil ist. Also auch hier NACH Gesprächstherapie und notfalls auch nach/begleitend zur Chemie.

    Kann ich nur unterschreiben. Während es mir wirklich grottenschlecht ging hätte ich im Traum nicht daran gedacht mir einen Hund anzuschaffen. Klar wollte ich einen aber mein gesunder Menschenverstand hat mich davon abgehalten. Erst dann als ich und der Therapeut gemerkt haben das ich so langsam aber sicher stabil bin habe ich darüber nachgedacht.


    Und selbst wenn man stabil ist wird es immer wieder kleinere oder größere Rückschläge geben.
    Ich habe mich nicht nur einmal dabei ertappt wie ich anfing schlecht über mich selbst zu denken. "Ich kann nichts." "Oskar hört nicht auf mich weil ich so schlecht bin." "Man sollte mir den Hund wegnehmen weil ich es nicht gebacken bekomme ihn zu erziehen"
    Klar sowas denkt jeder einmal aber häufig haben depressive Leute solche extrem niedrigen Selbstwertgefühle. Dann fängt man an zu viel nachzudenken anstatt, wenn der Hund wirklich nicht gut erzogen ist, zu handeln.
    Sowas kann einen extrem zermürben und manchmal sogar eine eher schlechtere Phase auslösen.


    Für mich überwiegt trotzdem die positive Wirkung des Hundes aber man muss sich im klaren sein, dass der Hund nicht perfekt erogen auf die Welt kommt und dir vieles abverlangt. Bei dem einen kanns gut laufen und bei dem anderen im Gegenteil. Da kannst du noch so tierlieb sein.

  • ......Für mich überwiegt trotzdem die positive Wirkung des Hundes aber man muss sich im klaren sein, dass der Hund nicht perfekt erogen auf die Welt kommt und dir vieles abverlangt. Bei dem einen kanns gut laufen und bei dem anderen im Gegenteil. Da kannst du noch so tierlieb sein.

    Uuuups- was sind denn erogene Hunde? *ggggggg



    *duckundweg.....

  • Nähres habe ich aber leider trotzdem nicht dazu gefunden.

    Kannst Du auch nicht finden, weil es dazu keine gesetzlichen Regelungen in Deutschland gibt.
    Wenn ich meinen Hund mit zu meiner demenzkranken Oma ins Heim nehme, kann ich ihn Therapiehund nennen. Ebeso kann absolut jeder Trainer Therapiehunde ausbilden und ihnen diesen Titel verleihen.
    Das ist ähnlich wie mit den selbst gebastelten "Papieren" für Ebay- Hunde.


    Es gibt keine Gesetze, keine einheitlichen Richtilinien für die Ausbildung und Prüfung, nichts.
    Aus diesem Grund gibt es auch keinen Therapiehund auf Rezept. Anders z.B. bei Blindenhunden. Da müssen die Ausbilder allerdings auch ganz bestimmte gesetzliche Kriterien erfüllen und zertifiziert sein, damit die Hunde z.B. von den Krankenkassen anerkannt/ (mit-)finanziert werden oder eine Steuerermäßigung gewährt wird.

  • Wobei man auch sagen muss, Flugangst ist ein Luxus Problem.
    Da wird man sicherlich keine Sonderbehandlung gekommen.

  • Ich stimme dir zu, dass man bei psychischen, genau wie physischen Erkrankungen auch alternative Behandlungsmöglichkeiten ausschöpfen sollte.


    Aber ich würde mir wünschen, dass nicht immer so abqualifizierend über Medikamente bei klinischer Depression und anderen psychischen Krankheiten gesprochen würde. Es gibt so viele Menschen, die unnötig leiden, weil sie vor einer medikamentösen Behandlung zurückschrecken. Aufgrund solcher Vorurteile.


    Und eine echte Depression (nicht eine depressive Verstimmung) sollte man behandeln, da ist es mit einem Hund alleine eher nicht geht

    Oh da hast du mich aber völlig falsch verstanden.
    Ich selber habe eine lange Zeit verschiedene Präperate genommen und kenne sehr gut deren Wirkung und auch Nebenwirkung.
    Als Betroffener bin ich aber trotzdem kein Freund dieser Medikamten, dass muss aber jeder mit sich selbst ausmachen. Wenn auch meine Fragestellung mich nicht betrifft.
    Ich wollte nie abfällig darüber reden, wobei diese Diskussion jetzt eh am eigentlichen Thema vorbei geht.

  • Ich glaube es gibt in Deutschland einfach keine "comfort dogs". Zumindest nicht offiziell. Daher wirst du dazu auch nichts finden können.
    Auf jeden Fall ein spannendes Thema, aber ich glaube in Deutschland ist man auch einfach noch nicht so weit. Es kommt zwar immer mehr, aber ist überwiegend ja immer noch schwierig mit den psychischen Erkrankungen, dass man drüber spricht, dass man ernst genommen wird, dass es als Krankheit angesehen wird privat, im Beruf usw.
    Ich weiß auch gar nicht ob es wissenschaftliche Studien zu diesen Hunden in den USA gibt, ob sie ihren Haltern nachweislich helfen z.B. bei sozialen Ängsten raus zu gehen. Falls jemand was dazu weiß, würde ich das auch gern lesen.

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