Da dieses Problem hier immer wieder ein Thema ist, mal eine kleine Abhandlung warum diese entsteht, was dazu führt und ganz wichtig, wie man sie in den Griff bekommt (ohne Garantie auf Vollständigkeit – dafür ist das Thema zu komplex) !
Erstmal sei gesagt, daß es für einen Hund nicht selbstverständlich ist, an der Leine zu laufen. Die wenigsten legen bereits beim Welpen großen Wert auf eine gute Leinenführigkeit, welche Auswirkungen dies auf das gesamte Hundeleben haben kann, ist kaum einem bewußt. Lernt der Hund vom ersten Tag an, daß eine Leine lediglich eine Verbindung zwischen ihm und seiner Bezugsperson ist, wird diese als positiv empfunden. Erst ein ziehender Hund betrachtet die Leine als Einschränkung, unangenehm, einengend, ..... und somit negativ.
Dies gilt auch für das andere Ende der Leine. Ein locker laufender Hund macht Freude, man trabt gemeinsam durch die Gegend, sobald er zieht wird es unangenehm, man hält dagegen, ist immer unter Spannung, wird genervt, gestreßt, der Hund bemerkt dies Verhalten, versucht seinen „Führer“ zu meiden / Abstand zu halten, zieht noch mehr ... Chaos pur, von entspannten, freudigen Spaziergängen weit entfernt !
Leinenführigkeit vernünftig und sensibel aufgebaut, immer positiv besetzt (wenn nicht ziehend) und konsequent durchgeführt kann bei unsicheren Hunden dazu führen, daß sie sich an der Leine sicherer fühlen, gerne an der Leine laufen.
Meine eigene Hündin ist unsicher in fremden Gebieten mit „am Zaun kläffenden Hunden“. Am liebsten würde sie einen riesigen Bogen laufen, geht aber meist nicht. Nehm ich sie an die Leine, trabt sie relativ locker auf der den Hunden abgewandten Seite neben mir her, sicher, daß ich mein Leben dafür gebe, damit ihr nichts passiert !
Bei Begegnungen an der Leine laufen viele Dinge parallel ab. Zwei Hunde begegnen sich, keiner knurrt, aber beide schauen zum anderen, noch ist man neugierig, weiß nicht, was der andere will. In diesem Moment wird die Leine gekürzt, der fatalste Fehler, den man in so einer Situation machen kann, denn :
- der Hund wird sofort in seiner Bewegung eingeschränkt, Nervosität des Halters überträgt sich
- er stemmt sich automatisch gegen den Druck, die Folge ist ein hochaufgerichteter Hund, der seinen Schwerpunkt nach vorne verlagert => die typische Haltung eines angriffsbereiten Hundes
In dieser Situation bleibt dem Gegenüber nur Angriff oder Flucht. Da Flucht meist nicht möglich ist, gehen beide nach vorne, gehalten von Geschirr oder Halsband, eingeengt, bewegungsunfähig, frustriert, gestresst, .... ein Selbstläufer der in dem Moment nur durch weiterzerren zu beenden ist.
Ein weiteres Problem sind die in der Rangfolge unsicheren Hunde, die ihre eigenen Kompetenzen nicht kennen. Klassischer Fall: Fremder Hund naht, geht unbeirrt gerade auf einen zu, Frauchen reagiert null, der Hund wird unsicher, im Normalfall würden sich die Hunde aus dem Weg gehen, zumindesten seitlich mit Abstand aufeinander zu laufen. Alles unmöglich und Frauchen macht immer noch nix -> der Hund ist genötigt eine Entscheidung zu treffen. Ausweichen geht nicht, also bleibt nur der verbale Angriff beginnend vom Fixieren, Drohen, Knurren, Bellen, Scheinangriffen, soweit die Leine dies zulässt. Ersteinmal an diesem Punkt angekommen ist der Kreislauf kaum zu durchbrechen. Frauchen hat Probleme den Hund zu halten, wird hektisch, gestresst, schreit den Hund an ... der Hund in seiner Angst bestätigt, Frauchen (immer noch unfähig in seinen Augen) im Rücken, nicht mehr ansprechbar. Beim nächsten Hund zuckt man schon beim Sichtkontakt zusammen, bereits ahnend, welches Drama einen erwartet. ... Alltag in Deutschland !!
Hinzu kommen noch Kriterien wie Alter, Gesundheitszustand, Rasse, Sozialisation, Geschlecht (intakt oder nicht), ... bis hin zur Tagesform.
Was also tun !?
Grundvoraussetzung ist, daß der Hund die Leine als positiv kennengelernt hat und locker an dieser läuft. Ein Hund, der permanent in der Leine hängt wird nicht ruhig und gelassen an allem vorbei gehen. Ganz wichtig (und man kann sich das antrainieren), immer ein Auge auf seinem eigenen Hund zu haben, seine Körpersprache zu lesen, deuten zu können und zu wissen, wann wird er unsicher, wann gestresst, wo ist der Punkt, wo er nicht mehr ansprechbar ist.
Noch wichtiger ist aber eine gute Beziehung zum Hund und eine geklärte Führerschaft. Der Umgang mit dem Hund muß geradlinig sein, eindeutig und konsequent. Gewisse Kommandos müssen einfach sitzen, dem Hund unmißverständlich erklärt worden sein. Der Hund muß Lob und Abbruchkommando kennen, beides ist bei Hundebegegnungen unverzichtbar.
Beim Training solcher Situationen ist Timing das wichtigste. Ich muß meinen Hund genau im Blick haben, um im exakt richtigen Moment zu reagieren. Der gesunde Mix zwischen unerwünschtem Verhalten bewußt abbrechen (bei den ersten Anzeichen) und sofortigem Lob bei ruhigem, gelassenen Benehmen ist hier gefragt. Klar, verständlich und immer für den Hund (und alle Beteiligten) sicher. Im Zweifel umdrehen und gehen. Lieber kein Training, als ein schlechtes Training !
Teil II - Tipps und Übungen bei Interesse später ...
Entspannte Grüße, staffy