Auch wenn ich mich ein bisschen spät zur Party geselle: ich glaube
@Alimonera gern, dass ihre 'Ansagen' nicht ankommen und sie das Thema schwierig zu händeln findet. Gar noch nicht eingegangen wurde in dieser Diskussion darauf, dass es sich hier um einen Aussie handelt und das Verhalten durchaus eine andere Motivation als 'Freude' an Menschen sein könnte.
Ich kenne solch 'zwanghaftes' Anspringen von Junghunden vor allem bei Rassen, die sich als adulte Tiere nicht gerade als Menschenfreunde auszeichnen. Diese Hunde scheinen dann eben - genau wie hier - in diesem Bereich häufig als trainingsresistent. Weder 'Lob' noch 'Ansagen' helfen signifikant, das Verhalten des Hundes zu ändern und zwar, weil der Hund die Begegnung nicht einordnen und damit umgehen kann. 'Training' scheint da oft wenig zu helfen, weil das eigentliche Problem, dass der Hund mit der Situation komplett überfordert ist und in ein alterentsprechendes, ritualisiertes Verhalten - eben fiddeln, also eine Stressreaktion und keinesfalls Ausdruck von 'Freude' - fällt, nicht beseitigt wird. Ob der Besitzer in dieser den Hund eh schon überfordernden Situation noch mit einem Keks herumwedelt oder ihn mit einer Ansage in noch grössere Aufregung versetzt, spielt dann im Hundehirn, das im Moment aufgrund der Stressituation sowieso nicht mehr gross aufnahmefähig ist, eine relativ marginale Rolle.
So oder so bringt man dem Welpen, dessen Genetik ihm später rassebedingt vielleicht sowieso noch suggerieren wird, dass alle und alles Fremde erst einmal grundsätzlich verdächtig und potentiell abzulehnen sind, genau auf diese Art und Weise bei, dass derartige Begegnungen erst einmal allerhöchste Stressstufe bedeuten. Als Welpe hat er glücklicherweise noch meist weder die dazu nötige Lebenserfahrung, noch die dafür nötige Entwicklung durchgemacht oder das dafür nötige Selbstbewusstsein aufgebaut, um diesen Stress über Aggression zu lösen und verfällt deshalb noch ins Fiddeln (manche nennen dieselbe Konfliktlösungsstrategie 'Flirten').
Und wie so oft mache ich, wenn ich den Hund versuche mit einem Keks abzulenken oder richtiges Verhalten zu belohnen ganz bestimmt weniger kaputt, als wenn ich bei gerade so einem jungen, völlig überforderten Hund auch noch als Besitzer 'Ansagen' mache, selbst noch Aggression als Lösung aufzeige und den (negativen) Stress damit unweigerlich noch erhöhe. Was lernt mein Hund? Ach, der Besitzer löst Stresssituation durchaus auch über Aggression. Bei einem Hund, dessen Veranlagung ihm für genau diese Lösungsstrategie sowieso schon den Weg ebnet, vielleicht nicht gerade das Mittel der Wahl. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich höre, dass der Hund sich als 'Welpe und Junghund noch sooo über Menschen gefreut hat' und jetzt 'ganz plötzlich' Menschen nicht mehr toll findet.
Also: Ruhe reinbringen und den Hund erst mal von allen Leuten fernhalten. Allen. Menschenkontakt und Begrüssung grundsätzlich nur an der Leine und unter kontrollierten Bedingungen. Das heisst, der 'zu begrüssende, fremde' Mensch ist instruiert und weiss, wie er sich zu verhalten hat. Bevor der Hund überhaupt aufdreht. Gut möglich, dass man mit dem Hund erst einmal üben muss, ohne Aufregung an fremden Menschen vorbeizugehen, bevor er bereit ist, sich frontal zu nähern. Den Hund, bevor er aufdreht und solange er noch ansprechbar ist, zu sich rufen, belohnen, Pause. Alles bitte ohne Aufregung und Ruhe, Ruhe, Ruhe. Je langweiliger, je unaufgeregter und ereignisloser das Training, desto besser. Hund und Mensch sollen ja runterkommen. Erst, wenn ruhige Begegnungen reibungs- und konfliktlos klappen, darf an Leuten geübt werden, die (natürlich wiederum gut instruiert), quietschen, tätscheln, juchzen und selber 'drüber' sind. Wir verlangen da von Hunden mehr als von uns.
Beiträge von Wandelroeschen
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Danke für den Input! Ihr Vater ist Border, Mutter ist DoberxVizla mix. Ich wollte nur sicher gehen, dass dies definitiv ein absolut untypisches Verhalten ist und ich damit nicht irgendwelche Triebe unterdrücke.
Bedeutet das jetzt in letzter Konsequenz, dass Du, wenn Du hörst, dass das tatsächlich rassetypisches Verhalten ist, den Hund Dich munter weiterbeissen lässt? Immerhin liesse sich das Verhalten Deines Hundes durchaus damit erklären, dass er sicher grosse Befriedigung in der Lösungsstrategie erfährt, die er sich da für seinen Frustabbau ausgedacht hat: den Border in ihm befriedigt es, wenn er Menschenbeine 'jagen', den Dobermann, wenn er dabei noch einen schönen, sicheren Griff setzen kann.
Ich denke, Du merkst selber, wo Dein Denkfehler liegt. Auch dem besten Border Collie würde es nicht verziehen (bzw. gerade dem nicht!), wenn er 'im Eifer des Gefechts' plötzlich die Beine seines Besitzers im Fang hätte. Abgesehen davon werden Border, die Schafe beissen, bei Trials disqualifiziert. Auch ein Dobermann darf nicht einfach links und rechts um sich beissen, wie es ihm passt.
Ich würde also schleunigst dafür sorgen, Deinem Hund absolut unmissverständlich klar zu machen, dass Du dieses Verhalten weder an Dir, noch an irgend jemand anderem tolerierst. Menschen (und übrigens auch andere Tiere oder Gegenstände, die nicht explizit dafür vorgesehen sind) werden nicht gebissen. Basta. Mit 6 Monaten ist bei diesem Hund das Kind hoffentlich noch nicht in den Brunnen gefallen. Zieh Dir keinen Hund heran, der denkt, dass beissen eine akzeptable Form ist, mit Frust umzugehen. Brich das Verhalten ab, möglichst noch bevor der Hund den Biss überhaupt setzen konnte. Überlege Dir, wann und warum Dein Hund in eine derartige Frustration gerät, dass er beissen muss, vermeide diese Situation, bis Du dieses Problem unter Kontrolle hast und zeige ihm stattdessen Alternativen auf, wie er konstruktiv und für sein Umfeld akzeptabel mit Frust umgehen kann. Hunde, die unkontrolliert beissen - völlig egal aus welchem Grund, sind eine Gefahr für die Umwelt und sich selber. -
Nochmal zum 'Hilfe, mein Welpe beisst!'-Thema:
Ich arbeite ja möglichst viel über positive Verstärkung. Bei mir regnet es - gerade in Anfangsphasen, wenn Vertrauen aufgebaut werden soll - Kekse. Ich belohne gern und häufig und zeige dem Hund mit allem, was ich habe, dass er hier willkommen ist, dass es sich lohnt, mit mir zusammen zu arbeiten und er hier sicher ist. Ich verteile anfangs wirklich für möglichst jedes Verhalten, was ich irgendwie 'nicht falsch' finde, Futter und Aufmerksamkeit. Mit zunehmender Erziehung baue ich das natürlich wieder ab - so käme es mir nicht im Traum in den Sinn, für meine eigenen Hunden, die bereits jahrelang bei mir sind, noch dauernd mit einem Leckerlibeutel herumzurennen.Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ich keine Grenzen setze oder niemals strafe. Aber ich möchte jedem Hund - und insbesondere Welpen - so eine faire Chance lassen, zuerst lernen zu dürfen, welche Verhaltensweisen erwünscht sind und konsequent belohnt werden, bevor ich aversiv eingreifen muss. Grenzen setze ich allerdings ab Tag eins. Das geschieht aber nach Möglichkeit so, dass ich nicht den Hund in seine Umwelt hineinkorrigieren muss, sondern die Umwelt an den Hund anpasse.
Das behalte ich so lange bei, bis erstens eine gewisse Vertrauensbasis zwischen mir und dem Hund besteht und zweitens, bis ich mit der Basiserziehung dieses Hundes soweit bin, dass er die Abläufe kennt und weiss, was ich von ihm verlange. Bevor wir uns jetzt missverstehen: je nach Hund sprechen wir hier von 3-7 Tagen, in denen er 'ankommen darf' und während derer ich sein Umfeld so manage, dass Strafe schlichtweg nicht nötig ist (wobei natürlich trotzdem jede Menge an Erziehung stattfindet). Erst danach - und auch erst, nachdem ein Abbruch über positive Verstärkung aufgebaut wurde, so dass der Hund wissen kann, was 'nein' oder 'lass es' überhaupt bedeutet - erlebt mich der Hund, wenn unbedingt nötig, aversiv.
Aber: bevor dieser Hund mich, andere oder sich selbst zu Schaden kommen lässt, greife ich selbstverständlich und absolut kompromisslos auch aversiv ein. (Obwohl das, wenn ich so handeln muss, natürlich ein ganz klares Versagen meinerseits in der angemessenen Handhabung und Sicherung dieses Hundes aufzeigt. Aber in der realen Welt lässt sich nun mal nicht immer alles vorhersehen oder kontrollieren.) Drohen, sich abwenden, die Flucht ergreifen, sich ängstigen, erstarren, sich im Übermut an einem (dafür freigegebenen) Spielzeug auslassen, etc. ist absolut erlaubt und wird respektiert, aber ein Hund, der mich oder andere ernsthaft zu beissen versucht oder das in einer Art und Weise tut, dass die Haut Spuren davonträgt - und zwar völlig egal, ob er erst eine halbe Stunde oder bereits eine Woche bei mir ist - wird eine äusserst heftige und eingängige Reaktion meinerseits erfahren.
Ich verstehe nicht, wie man sich wochenlang vom eigenen Welpen die Gliedmassen zerbeissen lassen kann. Jede Wiederholung des ja eigentlich unerwünschten Verhaltens festigt ja ebendieses. Ausserdem will ich doch gerade so einem jungen Hund, der Neues noch aufsaugt wie ein Schwamm, schnellstmöglichst beibringen, dass gewisse Verhaltensweisen nicht wie gewünscht funktionieren ('wenn ich in menschliche Haut beisse, komme ich niemals zu meinem Ziel bzw. ist das niemals befriedigend') und andere befriedigender sind ('mit meinem Menschen mit Objekten zergeln ist lustig, aber wenn ich Haut erwische ist leider Schluss mit dem tollen Spiel'). Ich bringe meinem Hund doch nicht erst wochenlang bei, dass es dem Menschen völlig egal ist, wenn er volle Kanne in seinen Körper hackt und er ihn schon nett wieder herausoperieren wird, nur um ihn - nachdem man den zwölften Trainer konsultiert hat - einige Zeit später dann doch und jetzt massiv aversiv abzubrechen? Kein Wunder, dass der Welpe da dann erst recht überdreht und vollends verunsichert und verwirrt ist.
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Mir blutet ein bisschen das Herz weil ich meine, bei Donna hervorragende Anlagen zum Hüten zu entdecken.
Solange man den Hund nicht an Schafen getestet hat, weiß man erst Mal nicht, ob der Werkzeugkasten beim eigenen Hund das überhaupt hergeben würde.
Ich bin übrigens gegen "therapeutisches Hüten". Um den Effekt zu erreichen, den man braucht, ist tägliche Routinearbeit notwendig. Das kann in der Tat ein wichtiger Baustein sein - diese Hunde sind am Vieh in der Regel nun mal der Fisch im Wasser, der sonst auf dem Trockenen leben muss. Trotzdem gehen davon die Verhaltensweisen wie Stereotypien und Zwangsverhalten nicht weg. Die muss man lebenslang behandeln. Echte Arbeit kann die Behandlung erleichtern, aber sie ersetzt sie nicht.
Abgesehen davon halte ich 'therapeutisches Hüten' den Schafen gegenüber für ziemlich unfair bis tierschutzrelevant. Beim Gedanken daran, dem Hund zu helfen, geht meiner Erfahrung nach dabei häufig das Wohl der Schafe vergessen.
Gerade, wenn man bedenkt, dass einige dieser armen Kreaturen dabei ein ums andere Mal dafür missbraucht werden müssen, um unerfahrene Hunde anzustesten oder völlig aus dem Ruder gelaufene Hunde zu 'therapieren'.
Das dünkt mich insofern nicht off topic, weil ja überforderten Border Collie Besitzern - auch hier im Forum - doch gern immer mal wieder dazu geraten wird, den Hund doch an den Schafen zu 'testen'. -
Mein Tipp: nimm Dir Pausen vom Hund. Ganz bewusst. Geh raus, triff Leute. Und: finde so schnell wie möglich jemanden, der den Hund auch mal einen Tag versorgen kann. Anstatt selbst einen Zwinger zu bauen, findest Du vielleicht ein Arrangement mit einem Tierheim oder einem professionell geführten Hundehort, wo Du Nova nach einer Eingewöhnungszeit auch mal 24 Stunden oder länger lassen kannst.
Solche Tiere sind Energiefresser, gerade, weil sie selber mit ihrer eigenen Energie schlecht haushalten können. Deshalb habe ich die Erfahrung gemacht, dass es ganz wichtig ist, sich Abstand zu gönnen. Je nach aktueller Gemütslage nimmt man das Gewinnen von Abstand allerdings nicht als positiv wahr, sondern muss fast erzwungen werden - doch gerade dann ist es besonders wichtig, auf Distanz zu gehen. Denn nur, wer ab und zu mal eine Perspektive, seinen Blickwinkel verändert, erhält ein vollständigeres Bild der Gesamtsituation und kann besser beurteilen, ob sie - für alle Parteien - noch stimmt.
Woher ich das weiss: ich nehme manchmal Hunde auf, die Nova ähnlich sind. Es sind stets Hunde, die aufgrund von Aggressionsproblematiken und Verhaltensauffälligkeiten im normalen Tierheimalltag nicht tragbar sind. Ich behalte die Tiere aber nicht und mache das von Anfang an klar, denn ich bin nicht bereit, mein eigenes Leben, das meines Umfelds und meiner Tiere für über zehn Jahre so massiv und dauerhaft einzuschränken, wie es für die Haltung so eines Hundes für den Rest seines Lebens erforderlich wäre.
Ich möchte nicht jahrelang mit der Angst leben, dass das Tier wegen eines Versehens, eines Kommunikationsfehlers, eines Unfalls, einer Unachtsamkeit ausser Kontrolle gerät und einen Schaden anrichtet, andere verletzt oder gar tötet. Ein oder zwei Jahre bin ich meist bereit, diese Last zu übernehmen - danach muss eine andere Lösung gefunden werden. Dazu kommt, dass diese Hunde so viel an Zeit, Geld und Energie kosten, dass anderes und andere deshalb unweigerlich kürzer treten müssen oder zu kurz kommen. Um das etwas aufzufangen, habe stets eine (schriftliche) Vereinbarung mit dem Verein bzw. der Organisation, dass ich den Hund jederzeit in einem ihm bekannten und für ihn akzeptablen Umfeld unterbringen kann. Diese Möglichkeit nutze ich regelmässig und sie ist auch im Falle eines Notfalls essentiell.
Abstand zu gewinnen, ist wichtig. Gerade bei so einem Hund. Bisher hatten alle Hunde, die bei mir waren, grosses Glück: jeder einzelne hat ein wirklich gutes, kompetentes Zuhause bei Leuten gefunden, die bereit waren, diese Bürde für Jahre auf sich zu nehmen. Hätte sich aber innert nützlicher Frist trotz intensiver Suche, bester medizinischer Versorgung und eindeutiger Trainingsfortschritte kein geeignetes neues Heim gefunden, wären diese Hunde eingeschläfert worden. Zurecht, meiner Meinung nach. -
Die scheinen nach den Bordern und Malis hier gerade zur neuen Mode- bzw. Will-ich-haben-Rasse unter den, sagen wir, ambitionierteren Hundesportlern zu mutieren.
Ich kenne eine Handvoll. Bissl weder Fisch noch Vogel, mehr Begleit- als Arbeitshund (auch wenn die Rasse natürlich gerne anders vermarktet wird), ab und zu, wie bei der Inzuchtquote nicht allzu unerwartet, nervlich instabil und gesundheitlich nicht gerade bestens aufgestellt. Eine 'Neuerfindung' des Langhaarschäferhundes, sozusagen, kleiner und deshalb alltagstauglicher, aber - im Idealfall - eher netter Begleiter mit einer gewissen Sporttauglichkeit denn Gebrauchshund, meiner Erfahrung nach. Optisch und von der Grösse her voll mein Beuteschema, echt hübsche Hunde, aber sicher nicht die neuen 'Wunderkinder' und die neuentdeckte, uralte Arbeitsrasse, als die sie manchmal präsentiert wird.
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Ich kann mich Sheltie-Power hier wirklich nur anschliessen.
Sei Dir nur bewußt, daß es beim Herunterfahren von Action auch erst einmal eine Erstverschlimmerung geben muß! Ist auch logisch, die tägliche "Droge" fällt ja weg, und eine Veränderung im normalen Tagesablauf kann auch Streß verursachen. Deshalb dauert es auch eine Weile, bis die neue Maßnahmen auch wirklich greifen!
So ein Streßpegel ist sehr schnell aufgebaut, und durch winzige Inputs auch leicht hochzuhalten, aber es dauert einige Wochen, bis das komplett abgebaut ist! Das sollte man schon im Hinterkopf behalten.
Noch dazu: besonders schlimm werden die Entzugserscheinungen sein, wenn von jetzt auf gleich von hundert auf null gegangen wird. Das würde ich nicht empfehlen, weil das dem Hund so nur noch mehr Stress gemacht würde. Stattdessen würde ich dem Hund bereits vor dem Herunterfahren der Aktivitäten bereits jetzt sinnvolle Aktivitäten anbieten. Da kauen beruhigt, habe ich bei hochgefahrenen Hunden sehr gute Erfahrungen damit gemacht, ihnen (nie unbeaufsichtigt!) Kauartikel (z.B. gefüllte Kongs. Anleitung, siehe hier: Klick!) anzubieten und ein Ritual einzuführen: erst gibt's zum Runterfahren einen Kong, danach eine Ruhephase. Dem Hund wird eine schöne Ecke mit einem Hundebett eingerichtet und da hat er sich aufzuhalten. Ich übe in diesen ersten paar Tagen daran, den Hund ins Bett zu schicken und dass er lernt, genau da zu bleiben, damit dieses Ritual bereits etabliert ist, wenn ich die Aktivität herunterfahre. Man folgt mir nicht durch die Wohnung, man kuckt nicht, was ich tue. Der Hund hat genau einen Job: da liegen zu bleiben und - idealerweise - sich zu entspannen und zu schlafen.
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Es ist vielleicht auch interessant, sich zu überlegen, wie diese Art von reizoffenen Hunden in ihrer Heimat bei Schäfer*innen gehalten werden. Wir haben da oft ein völlig falsches Bild davon, was diese Hunde den ganzen Tag lang tun, wofür sie eigentlich da sind und wofür sie eingesetzt werden. Du hast ja jetzt bereits verstanden, dass es nicht darauf ankommt, ob der Hund in einer winzigen Stadtwohnung geboren wurde und ob die Elterntiere (oder die Grosseltern oder Urgrosseltern) an Schafen gearbeitet haben - die Genetik, die Veranlagung dafür und auch das drängende Bedürfnis, diese Verhaltensweisen auszuführen, hat ein Border Collie trotzdem.
Ein Border Collie wird meist nur sehr kurz und punktuell an den Schafen eingesetzt. Der moderne Boder Collie ist nicht wie ursprünglich die Schäferhunde dazu da, die Herde den ganzen Tag lang zu begleiten und eine Art Zaun zu bilden, damit die Herde wandern kann. Auch sind sie nicht wie die Herdenschutzhunde dafür gezüchtet worden, tagein tagaus mitten in ihrer Herde zu leben und diese bei drohender Gefahr zu beschützen. Border Collies sind dazu da, die Herde in möglichst kurzer Zeit möglichst effizient von A nach B zu bewegen, also z.B. wenn die Schafe zur Schur eingesammelt oder auf eine andere Weidefläche gebracht werden. Dabei darf man sich nicht vorstellen, dass die Schafe so gehalten werden wie bei uns: die Tiere sind oft mehr als halbwild und sehr zäh, weil sie tage- teils wochenlang ohne jeglichen Schutz bei Wind und Wetter auf hier unvorstellbar riesigen Flächen draussen stehen und den Menschen (und seinen Hund) nur sehr selten zu Gesicht bekommen.
Für die Hunde bedeutet das, dass sie während eines ganz kurzen Zeitfensters zum Einsatz kommen und dann bitte aber bis zur Selbstaufgabe arbeiten sollen. Den Rest ihrer Zeit - und wir sprechen hier von mehreren Tagen bis Wochen am Stück - fristen sie ein sehr reizarmes Dasein, praktisch immer in irgendwelchen relativ dunklen Schuppen. Die gängige Lehrmeinung ist heute noch, dass ein Border Collie, der in der Wohnung lebt, verweichlicht und zur Arbeit nix taugt. A propos 'ein Border Collie': ich hab noch nie einen ernstzunehmenden Schäfer erlebt, der nur einen Hund hielt. Meist hat man mehrere davon, die nur manchmal, aber längst nicht immer, gemeinsam eingesetzt werden. Auch das bedeutet wieder, dass ein einziger Hund sehr, sehr selten im Jahr länger als ein paar Minuten an den Schafen arbeitet. Wer die Hunde einmal oder gar zweimal täglich zu einer kurzen (wir sprechen hier von 10 Minuten!) Runde über den Hof fegen lässt oder gar ein paar Schritte mit ihnen geht, gilt als fortschrittlich.Gerade weil Border Collies in ganz kurzer Zeit alles geben müssen und in voller Konzentration arbeiten müssen, sind sie nicht für den dauerhaften Einsatz gemacht. Selbst an den verhältnismässig sehr seltenen Tagen, an denen sie tatsächlich über längere Zeit hinweg arbeiten müssen, werden verschiedene Hunde eingesetzt, um das einzelne Tier (das übrigens arbeiten würde, bis es tot umfällt) vor sich selbst zu schützen. Dadurch, dass die Hunde auch auf riesige Distanzen hinweg Befehle entgegennehmen und ausführen sollen und jederzeit sowohl einzelne Schafe wie auch die ganze Herde im Blick haben müssen um vorherzusehen, was als nächstes passiert, sind sie äusserst reizempfindlich.
Damit wir uns richtig verstehen: diese Verhältnisse wären in Deutschland völlig inakzeptabel und tierschutzwidrig (von den Haltungsbedingungen der Schafe fange ich erst gar nicht an...) Ich will diese Art und Weise, Hunde zu halten in keinster Weise verteidigen oder gutheissen. Aber als ich feststellen musste, dass die Tiere, die nicht nur im Hobbybereich, sondern ernsthaft an der Herde eingesetzt werden, konsequent so gehalten werden, hat mir das schon die Augen geöffnet: kein Wunder, drehen die Border Collies, die einfach als hübsche Begleiter hierzulande gehalten werden und sich plötzlich den ganzen lieben Tag lang mit Action und Reizen konfrontiert sehen, völlig durch. Dafür sind sie nicht gemacht.Stattdessen gilt es eher, Border Collies hierzulande stets vor sich selbst (bzw. ihrem unbändigen, steten Hütetrieb) und ihrer für sie viel zu überfordernden Umwelt zu schützen und ihren Trieb, alles und jeden zu hüten, so zu kanalisieren, dass sie nicht negativ auffallen und keine Neurosen entwickeln. Border Collies brauchen vor allem eines: Ruhe, Ruhe, Ruhe. Sind sie erst mal zu Bewegungs- und Reiz-Junkies gemacht worden, werden sie zerstörerisch (das ist ja genau das, was Du jetzt erlebst) und fordern permanent mehr und mehr von dem 'Stoff', nach dem sie süchtig sind: Adrenalin und Dopamin. Danach sind sie -und das ist nicht übertrieben - süchtig.
Übrigens: hüten ist kontrolliertes Jagen. Dein Border Collie ist ein hochspezialisierter Jäger, dem genetisch gewisse Sequenzen ganz besonders stark herausgezüchtet wurden (nämlich das u.a. das Hetzen) und andere unterdrückt (z.B. die Endsequenz des Tötens und Fressens). Na? Klingelts langsam, weshalb Dein Hund nun gerne 'Rennspiele' mit anderen Hunden veranstaltet, in denen nur er derjenige ist, der den anderen jagt? Weshalb er endlos Bälle, Stöcke etc. apportiert? Weshalb er möglicherweise intensiv Dinge (Autos, Radfahrer und/oder Skater) und Lebewesen (Meerschweinchen, Vögel oder gar andere Hunde) anstarrt, die sich bewegen? -
Also ist es schlecht wenn immer nur Yuna hinterherrennt? Das scheint aber nicht sehr viele zu wissen. Ich bin fast jeden tag auf der Spielwiese und NOCH NIE hat sich ein anderer beschwert über Yuna. Wir kennen dort schon einige Stammgässte und die lassen ihre hunde immer mitspielen.
Ja, das ist es und nein, auf einer Hunde
spielwiese werden das die wenigsten Leute registrieren.Spiel, das von allen Beteiligten als solches wahrgenommen wird, definiert sich durch eine Ausgewogenheit und einen Wechsel der Rollen, durch eine Balance. Rennspiele sind häufig nicht konfliktfrei und kippen schnell. Spiel kann eben auch einseitig sein und gerade Border Collies neigen dazu, sehr schnell von Sozialspiel in einen Egotrip zu verfallen. Wird immer derselbe Hund vor einem anderen (oder noch schlimmer, einer ganzen Gruppe) hergetrieben und findet keinerlei Rollenwechsel statt, ist das ein sehr eindeutiges Indiz, dass hier schnellstens eingegriffen werden sollte. Besonders, wenn das Treiben immer schneller und aufgeregter wird. Gut möglich, dass Dein Hund in dieser Situation also noch mitten in einem Verhalten war, dass er als sehr befriedigend und lustvoll erlebt hat, während der andere Hund aber bereits panisch einen Ausweg aus der Situation suchte. Selbst wenn der kleinere Hund scheinbar fröhlich und nett noch kurz vor dem Vorfall vor Deinem herumgehüpft ist, bedeutet das nicht, dass das 'Spiel' schon lange keines mehr war: mit einem Gegner, den man als angsteinflössend wahrnimmt, zu 'flirten' ist eine der Strategien, die ein Hund, der sich bedroht fühlt, anwenden kann, um eine Stresssituation zu entschärfen oder dieser zu entkommen.
So als Ferndiagnose und mit der Rasse Deines Hundes im Hinterkopf: es wäre nicht unmöglich, dass Dein Hund den anderen massregeln wollte und dabei aber, weil er bereits in seinem Triebtunnel war, massiv überreagiert hat. Solche Renn'spiele' mit Border Collies laufen häufig genau so lange 'gut' und 'friedlich' ab, solange der andere Hund sich dazu überreden lässt, das Schaf, also das Objekt zur Triebbefriedigung des Border Collies zu spielen. Kann oder möchte das 'Schaf' aus dieser Rolle aussteigen, wird der Border häufig sehr gehässig und vehement in seinem Verhalten. Einerseits, weil sein 'Schaf' plötzlich aufmuckt und er seine Rolle ja sowieso darin sieht, dieses nach seiner ganz persönlichen Vorstellung zu bewegen und zu korrigieren, wenn es seinen Wünschen nicht mehr folge leistet und andererseits, weil er den ungeheuren Kick, den er sich durch dieses 'Spiel' verschafft, bedroht sieht, falls die Interaktion endet. Du siehst, das hat weniger mit einem freudigen, freundlichen Spiel sondern eher mit der Triebbefriedigung Deines Hundes zu tun.
Möglich, dass Dein Hund sich bei grösseren Hunden etwas eher zurücknimmt und diese nicht in demselben Masse angeht, wie das jetzt beim kleineren Hund passiert ist. Möglich aber auch, dass die Hunde, mit denen Deiner bisher gelaufen ist, seinen Ansprüchen genügen konnten und genau so lange und ausdauernd das Schaf gespielt haben, bis Dein Hund selber eine Pause brauchte. Vielleicht hattest Du bisher auch einfach Glück.
Egal, was der Grund war, dass es vorher noch nie soweit gekommen ist: Du kennst jetzt das Potential Deines Hundes und ich hoffe, dass Du daraus lernen kannst und die richtigen Konsequenzen daraus ziehst. Du kannst das, was geschehen ist, leider nicht mehr ungeschehen machen, aber Du kannst versuchen zu verstehen, wie es soweit kommen konnte, daraus zu lernen und denselben Fehler nicht mehr zu machen. Es ist verständlich, dass Du Deinen Hund in Schutz nehmen möchtest und dass dieser Vorfall auch für Dich ein grosser Schock ist, aber das hilft weder dem anderen Hund, noch dessen Besitzerin, Deinem Hund oder Dir. Alles, was Du jetzt tun kannst, ist Deinen Hund davor zu schützen, wieder zur Gefahr für seine Umwelt zu werden. Das geht nicht, indem man den Fehler bei den anderen sucht, sondern sich ehrlich damit auseinandersetzt, was man ab sofort ändern muss, damit es nie wieder zu so einer Situation kommen kann. -
Gerade wenn Dein Hund gerne als Opfer missbraucht wird, ist es wichtig, dass er lernt, dass Du ab sofort die Sache an die Hand nimmst und ihn beschützt.
Ich lasse grundsätzlich keinen Kontakt mit fremden Hunden zu und habe die besten Erfahrungen gemacht, bereits auf relativ grosse Distanz sehr deutlich ein visuelles Signal zu setzen: ich leine meine Hunde demonstrativ an, lasse sie auf der abgewandten Seite laufen und gebe der anderen Partei massig Zeit, ihren eigenen Hund einzusammeln oder abzurufen. Zusätzlich weiche ich nach Möglichkeit deutlich aus.
Sind die Leute nah genug und haben auf meine Anleinaktion nicht reagiert, gehe ich dazu über, den anderen Hundehalter weniger zu bitten denn aufzufordern, ihren Hund bitte zu sich zu nehmen. Es ist ein grosser Unterschied, jemanden nett zu fragen, ob es vielleicht möglich wäre, den eigenen Hund anzuleinen und jemanden (freundlich!), aber klar und kurz darauf hinzuweisen, dass man keinen Kontakt wünscht. Dabei ist es mir völlig egal, ob der andere Hund angeleint wird oder nicht. Solange er nicht herkommt, ist alles in Ordnung.
Wichtig ist, nicht auf Fragen oder Bemerkungen einzugehen, sondern ruhig und stur, aber so freundlich wie möglich, stoisch immer wieder genau denselben Satz zu wiederholen,: rufen Sie bitte ihren Hund. Und zwar ohne auf Diskussionen einzugehen und ohne weitere Begründungen zu liefern. In ein Gespräch lasse ich mich erst dann verwickeln, wenn ich weder mich, noch meine Hunde in einer akuten Stresssituation wähne. Erst, wenn der andere Hundehalter auf meinen Wunsch eingegangen ist und seinen Hund gesichert hat, erkläre ich gern, weshalb ich (bzw. vor allem meine Vierbeiner...) keinen Wert auf Kontakt mit anderen Hunden legen.
Für den Notfall hab ich meist drei bis vier Trainingdiscs in der Tasche: diese haben den gleichen Effekt wie eine Wurfkette, sind aber viel leichter, weshalb ich gleich mehrere davon mitnehmen kann, lassen sich besser verstauen und haben denselben Schreckeffekt. Dadurch, dass sie aber leichter sind, können sie - selbst bei einem ungeschickten Wurf und auch wenn ich mehrere davon gleichzeitig irgendwo hinpfeffere - weniger Schaden anrichten als das eine Wurfkette könnte. Auch hilfreich finde ich Rappelflaschen (5dl PET Flaschen, die mit Kieseln gefüllt sind) oder im Notfall ganz einfach eine Handvoll Kies. Freunde macht man sich damit allerdings natürlich nicht und im schlimmsten Fall, dessen muss man sich durchaus bewusst sein, kann einem bei solch rabiatem Vorgehen auch eine Anzeige wegen Tierquälerei drohen.