Danke für Deine sehr ausführliche und sachliche Antwort,
@Schnappschildkroete. Das ist - gerade hier im Forum - leider ganz und gar nicht selbstverständlich und freut mich gerade sehr.
Auch wenn mir aufgrund meiner Äusserungen diesbezüglich gerne vorgeworfen wird, ich wäre gegen die Rassehundezucht, stimmt das in dieser absoluten Form sicher nicht. ich mag die Toller sehr, finde sie eine gelungene Rasse. Ich kenne sie als fröhliche, aktive, arbeitsame Hunde in einer angenehmen Grösse und wirklich ansprechender Optik. Unter anderen Umständen käme ein Toller für mich durchaus einmal infrage. Es liegt mir fern, die Rasse schlechtmachen zu wollen oder ihr ihre Existenzberechtigung abzuerkennen. Ich halte Rassehunde für ein Kulturgut, das - unter gewissen Voraussetzungen allerdings nur - schützens- und bewahrenswert ist.
Dazu gehört aber, dass man sich deswegen nicht von irgendwelchen - in anderen Bereichen längst überholten - Rasseideologien von 'Blutreinheit' blenden lässt, sondern auch das langfristige Wohlergehen der Tierpopulation im Auge behält. Dass man eben gerade das, was man eigentlich zu bewahren sucht, nicht mit dem Festhalten an alten Zöpfen zerstört, sondern eben erhält und in eine neue, moderne Form bringt, die sowohl den Bedürfnissen der Tiere, aber auch der Menschen, in deren unmittelbaren Umgebung sie ja schlussendlich leben sollen, gerecht werden.
Seit im 19. Jahrhundert die ersten modernen Rassestandards entstanden sind, hat sich unser Wissen über den Hund, über die Tiermedizin, aber auch unsere Umwelt in so kurzer Zeit so stark verändert wie bisher wohl noch nie. Ich denke nicht, dass man es die Lösung des Problems sein kann, an der gängigen Zuchtpraxis festzuhalten, aber dann mit modernster Medizin hinter jeglichem neuen Problem, das die Rasse befällt, hinterherzurennen, nur um das Ursprungsproblem, die auf Gedeih oder (in dieser Angelegenheit doch wohl eher) Verderb geschlossenen Zuchtbücher auf keinen Fall angehen zu müssen.
Es geht dabei - und damit komme ich auf Deinen ersten Punkt zu sprechen - eigentlich gar nicht so sehr um jedes einzelne, bisher bekannte Gesundheitsproblem, das eine Rasse befallen kann, sondern darum, dass - egal wieviel man testet, egal wie weit die Medizin noch fortschreitet - es sich nichts ändern kann, wenn das Inzuchtproblem nicht von der Basis her angegangen wird. Solange der Genpool immer kleiner, anstatt grösser wird (und das wird er mit der gängigen Zuchtpraxis unweigerlich tun), werden immer neue Krankheiten, Anfälligkeiten und Schwächen auftauchen werden, bis eine Rasse eben praktisch unrettbar verloren ist.
Das Problem der Inzucht ist ja, dass sie - wie wir heute wissen - eine Population nicht 'reiner', 'purer' oder 'gesünder' macht, sondern eben, ganz im Gegenteil, kränker und anfälliger wird, weil unter anderem das Immunsystem, über welches wir heute immer noch viel zu wenig wissen, dadurch drastisch in Mitleidenschaft gezogen wird. Das bedeutet, dass die Tiere, trotz zahlloser Tests, immer anfälliger werden. Und zwar nicht nur für heute testbare genetisch vererbbare Krankheiten, sondern eben auch für andere Leiden, wie zum Beispiel Allergien, Futtermittelintoleranzen, Krebserkrankungen, etc. Häufig haben Vereine, Züchter und Rasseliebhaber eben leider nicht das Gesamtbild, sondern nur die Population im eigenen Land oder gar im eigenen Garten vor Augen und sehen damit eben nicht, dass es durchaus einen Zusammenhang geben kann, wenn zwei der Hunde derselben Rasse, die man kennt, früh an Krebs sterben, einer an Diabetes leidet, vier Allergien oder Futtermittelunverträglichkeiten haben und einer wesenstechnisch Probleme macht und z.B. furchtbar unsicher und ängstlich ist, obwohl er eigentlich aus einer vernünftigen Zucht kommt. Wichtig wäre es hier, die Gesamtpopulation im Auge zu behalten und sich zu überlegen, weshalb vielleicht der Altersdurchschnitt oder die Fruchtbarkeitsrate in der Rasse drastisch sinken, aber Wesens- und Gesundheitsprobleme vermehrt auftreten.
Denn genau um die genetische Vielfalt nicht einzuschränken, sondern sie, ganz im Gegenteil, in einer Population weiter auszudehnen, hat die Natur die sexuelle Vermehrung erfunden.
Wir sind an einem Punkt, an dem es ehrlich gesagt keine grosse Rolle spielt, mit welcher Rasse man den Toller kreuzt um ihn zu retten. Wichtig wäre aber, dassman es tut. Welche die beste Rasse für ein Kreuzungsprojekt sein soll, kann ich sicher nicht kompetent genug beurteilen. Würde ich mich auf meine Intuition verlassen, würde ich mich einmal bei den wesens- und herkunftsmässig ähnlichsten Rassen mit vergleichbaren Anlagen wie dem Labrador und den Golden Retriever umsehen.
Ich stütze mich bei der Bewertung der Situation übrigens, genau wie Du vermutest, einerseits auf die Studie von Mäki (2010), andererseits mag ich auch den Blog des Institute of Canine Biology. Artikel zum Toller gibt's zum Beispiel hier und hier.
Einen kleinen Genpool haben auch etliche sehr viel zahlreicher vertretene Rassen - das liegt nur weiter zurück und fällt daher heute weniger auf.
Das ist wohl richtig, macht die Sache deswegen doch aber noch lange nicht besser oder rechtfertigt sie gar. Vielleicht wolltest Du das damit auch gar nicht
Das ist ein klassisches Beispiel dafür, was man gemeinhin gerne Whataboutism nennt und ein bisschen, als ob man sagen würde 'ach so und so viele Rassen werden auf ein brachyzephales Erscheinungsbild hingezüchtet - das kann so schlimm doch gar nicht sein.'