Bei Tierschutzhunden aus dem Ausland - gerade wenn man sie nur über Social Media kennt - gilt: alles kann, nichts muss. Darauf sollte man vorbereitet sein.
Es gibt Hunde, die fügen sich sofort problemlos ins hiesige Umfeld ein und benehmen sich, als hätten sie nie etwas anderes gesehen. Dann gibt es andere, die sind vor Panik so erstarrt, dass sie zwei Wochen erst einmal unter sich machen, wenn ein Mensch sie auch nur anschaut. Stubenrein sind die wenigsten, leinenführig auch nicht und alleine bleiben können auch nur die allerwenigsten. Das alles zu lernen können viele, aber nicht alle.
Ich erlebe diejenigen Hunde als am schwersten traumatisiert und als am wenigsten anpassungs- und lernfähig, die von Anfang an in einem Tierheim, einer Tötungsstation oder in einer sonstigen Institution gehalten wurden. Das sind eigentlich immer Hunde, die im besten Fall zwar mit Artgenossen, nicht aber mit Menschen gelernt haben, sozial zu agieren und ansonsten (zu) isoliert aufgewachsen sind und die 'richtige Welt da draussen' nie kennengelernt haben.
Ehemalige Strassenhunde sind da sehr viel anpassungsfähiger und unserer Umwelt gegenüber viel resilienter, haben aber gelernt, sich alleine durchzuschlagen. Das sind aber nicht selten auch diejenigen Hunde, die jede Gelegenheit nutzen, sich vom Acker zu machen und sich lieber auf sich selbst als auf einen Menschen verlassen.
Am leichtesten in unser Lebensumfeld integrieren sich meist diejenigen Hunde, die vorher bereits einmal einen Besitzer hatten.
Wenn der Hund bereits in Deutschland auf einer Pflegestelle ist, gestaltet sich eine Einschätzung natürlich einfacher. Trotzdem ist es auch da sehr wichtig, genau hinzuschauen und nachzufragen, wieso der Hund auf der Pflegestelle so funktioniert wie er es tut.
Gerade in einem Fall wie Deinem ist es nicht falsch, sich jede Möglichkeit im Kopf durchzuspielen und sich im Vornherein zu überlegen, was passieren soll und welche Lösungen Du bieten kannst, wenn dieses oder jenes Problem auftritt. Mit einem Hund, den Du nur über ein Bild kennst, holst Du Dir eine Wundertüte ins Haus, dessen musst Du Dir bewusst sein.
Im Tierheim kannst Du den Hund erst kennenlernen, ihn vielleicht einmal an der Leine führen oder gar einen Spaziergang machen. Bei einem Hund, den Du vorher nie gesehen hast, kannst Du das nicht.
Wenn Du wirklich völlig ohne Erwartungen an den neuen Hund herangehst, mit seinen potentiellen Verhaltens- und Erziehungsproblemen umgehen kannst und willst, über die finanziellen, zeitlichen, räumlichen und emotionalen Ressourcen verfügst, Dich verschiedensten Herausforderungen zu stellen, dann spricht nichts dagegen, genau diesen Hund zu holen.
Wie gesagt: es kann absolut problemlos funktionieren und Du kannst jegliche Bedenken anderer als pure Panikmacherei abtun. Das Gegenteil kann aber eben auch eintreten und dann ist es nichts als fair dem Hund gegenüber, möglichst jede Situation, die sich ergeben könnte, erst gründlich durchzudenken.