Hallo Ihr Lieben,
Das ist mein erster Beitrag im Hundeforum und ich konnte keinen ähnlichen Beitrag finden.
Fiete (7 Monate) ist seit Anfang November bei uns. Zu Anfang war es fast gar nicht möglich mit ihm große Runden zu drehen. Er läuft, sobald ich sein Geschirr von der Garderobe nehme, weg und versteckt sich. Vielleicht hat er in Rumänien schlechte Erfahrungen gemacht. Wir wissen es nicht..
Wir sind nun schon so weit, dass er vor die Tür geht, kurz pinkelt, aber dann wieder rein will. Ich habe schon so viel probiert. Mit Leckerlis locken oder mitgezogen. Warten bis er weitergeht (er bleibt stur auch gerne 20 minuten stehen) oder ihn einige 100 Meter weit tragen. Die letzte Version klappt bis jetzt "am besten", wobei tragen ist auf Dauer auch keine Lösung.
Sobald wir in hundepark sind ist er auch glücklich und spielt ausgelassen mit anderen Hunden.
Aber auch unterwegs bleibt er irgendwann stehen und will partout nicht weiter.
Unsere Betreuung beim Tierschutz sagt dass er einfach Zeit braucht.
Bin ich vielleicht zu fordernd?
Ich kenne leider keinen Hund, der nicht raus möchte. Alle vorherigen Hunde standen mit wedelnden Schwarz vor der Tür und haben sich gefreut wenn ich das Geschirr in die Hand genommen habe.
Bei Fiete jedoch ist es so, dass er zwar anzeigt, wenn er MUSS, aber dann wegläuft wenn ich mich anziehe und rausgehen will.
Wir haben auch schon mehrere Geschirre und Halsbänder probiert, da wir dachten vielleicht liegt es am unbequemen Geschirr.
Vielleicht hat jemand von euch einen oder mehrere Tipps, wie wir vorgehen könnten.
Über jede Hilfe bin ich dankbar.
Ganz viele Grüße aus Hamburg
Merle und Fiete 
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Hallo Johanna,
Willkommen im Forum!
Du hast Dir einen Hund geholt, den Du behandelst, als ob er in unserer Umgebung aufgewachsen, geprägt und sozialisiert wurde. Leider scheint es sich bei Deinem Exemplar allerdings um einen Hund zu handeln, der völlig andere Erfahrungen gemacht hat, als Du es Dir vorstellst. Vielleicht wurde er auf der Strasse geboren (das wäre u.U. sein Glück, weshalb erkläre ich gleich) oder eben möglicherweise leider bereits in einem Shelter, wo er nichts, aber auch gar nichts über die Welt, die ihn hier erwartet, lernen konnte.
Wenn er von der Strasse kommt und erst relativ spät in ein Tierheim gesteckt wurde, konnte er vielleicht immerhin noch einige, wenige Eindrücke der Umgebung da draussen mitnehmen. War er schon von Anfang an in einem Heim, wurde er wohl - wie so viele andere Hunde aus dem Ausland auch - völlig isoliert gehalten hat überhaupt gar nichts davon mitbekommen, was es bräuchte, um in unsere Umgebung zum sicheren, zufriedenen und souveränen Alltagsbegleiter zu werden.
Weshalb es manchmal geht und manchmal eben nicht, liegt daran, dass der Hund sich für eine Weile reizüberfluten lässt (bzw. durch Euer Verhalten lassen muss), bis eben gar nichts mehr geht und er dann wortwörtlich 'zu' macht (bzw. machen muss) weil sein System das alles ganz einfach nicht mehr verkraftet und verarbeiten kann. Weshalb solche Hunde trotzdem gerne und häufig vermittelt werden, hängt genau damit zusammen: es sind Hunde, die ihre Stressbewältigungsstrategie im sogenannten 'Freeze' oder 'Einfrieren' gefunden haben. Bei Überforderung (also Stress und Druck) beissen die nicht und scheinen somit für ihre Umwelt nicht gefährlich, sondern fallen bestenfalls einfach stumm in sich zusammen und geben sich auf. Die Strategie 'ich hau ab!' wird ihnen durch intrikate Geschirrkonstruktionen und doppelte und dreifache Sicherungen verunmöglicht und wenn sie fliehen wollen, wird ihnen nicht zugehört und sie werden trotzdem mitgeschleift weil 'der muss das lernen' oder 'da muss der durch' oder 'der lernt das schon noch' oder 'man muss dem erst Mal überhaupt alles zeigen'.
Hast Du 'Glück' und ein Exemplar erwischt, das seine Stressbewältigungsmethode nicht ändert, wird das zu einem der Hunde, die sich einfach aufgeben und relativ dumpf alles mit sich machen lassen. Damit hab ich eigentlich selten zu tun, weil die für ihre Menschen und das Umfeld häufig nicht auffällig sind. Das sind meist die Hunde, die kaum Lebensfreude zeigen, lustlos sind und scheinbar zu keinen grossen Emotionen fähig sind. Die Hunde sind angenehm, weil sie sich einfach in ihr Schicksal ergeben und ihr Leben absitzen, bis es dann irgendwann (endlich) vorbei ist.
Spannender wird es, wenn es sich um einen Hund handelt, der irgendwann so leidet, dass er seine Methode ändert (bzw. ändern muss) und er beginnt, sich zu wehren. Das wird dann häufig als Dominanz abgetan oder eben damit, dass er zu sehr verwöhnt wird, zu wenige Regeln herrschen, etc. Da diese Hunde ja bereits ausführlich die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen nicht zugehört wird und 'nett bleiben' erst gar nicht hilft, gestaltet sich ein Umtrainieren - insbesondere, wenn der Hund in derselben Familie bleiben soll, in der er das Verhalten erst überhaupt erlernen musste - hier zwar nicht unmöglich, aber schwierig.
Ich würde also empfehlen, dem Hund jetzt schon gut zuzuhören und sofort aufzuhören, das Tier in permanenten Stress zu versetzen. Ideal wäre, wenn ihr einen Garten hättet, wo der Hund hinkönnte um sich zu versäubern, damit ihr Spaziergänge so lange aussetzen könnt, bis er erst einmal ein Grundvertrauen gefasst hat und sich zwischen Wohnung und Garten angstfrei bewegen kann. Ist das nicht möglich, muss ein Kompromiss gefunden werden. Manchen Hunden hilft es, wenn sie getragen werden, andere, wenn man sie - möglichst ohne Druck - an der Leine nach draussen führt und sie sich dort an einem Ort, den sie als sicher erachten, versäubern lässt.
Ihr habt übrigens ein riesiges Glück, wenn der Hund sich trotz seiner Angst draussen versäubert. Ich kenne genug vergleichbare Modelle, deren Panik vor der Aussenwelt so gross ist, dass sie sich konsequent drinnen erleichtern. Da ist der Leidensdruck für Mensch (und Hund!) noch einmal grösser - aber das hilft Euch jetzt auch nicht weiter.
Also: dem Hund gut zuhören, ihn in seiner Angst ernst nehmen und vertrauensbildende Massnahmen ergreifen. In der Wohnung clickern, kleine Tricks (ohne Zwang und Druck) üben, Suchspiele machen und den Hund Vertrauen in Euch fassen lassen. Draussen weiter daran arbeiten, dass der Hund Kekse nimmt (und das möglichst zu jedem Zeitpunkt), denn das wird die Voraussetzung für jedes weitere Training sein. Jegliche Art von Zwang oder Druck verstärkt die Angst und lässt sein Vertrauen in Euch noch weiter schrumpfen.
Spaziergänge würde ich fürs Erste aufs reine Versäubern reduzieren und ganz langsam daran arbeiten, eine gemeinsame Kommunikationsbasis aufzubauen. Es geht nicht darum, den Hund nun für immer von allem fernzuhalten, sondern ihn langsam, in seinem Tempo, an die Welt da draussen zu gewöhnen.