Ich finde Spazieren gehen ist auch nicht mit Auslastung gleichzusetzen (weder körperlich noch geistig).
Um es mal stumpf zu sagen: Ich laste mich ja körperlich auch nicht aus, wenn ich 90 Minuten gehe - warum sollte das dann bei meinem Hund der Fall sein? Und die allermeisten Hunde sind doch hoffentlich so gefestigt, dass die Außenreize auf einem normalen Spaziergang jetzt keinen Kurzschluss im Hirn auslösen - also sehe ich die geistige Auslastung da auch nicht.
Spaziergang (Gassi ist für mich gleich Pipirunde) ist Entspannung, Zeitung lesen, gemütliche Bewegung, Welt angucken, evtl. mal rennen und die Knochen loskriegen.... Einfach "sein".
Klar sollte es mal ein paar Tage ohne längeren Spaziergang gehen - aber insgesamt finde ich es für Hunde wichtig - ohne Anspruch einfach Hundedinge tun und das draußen und nicht in der Wohnung. Der Spitz, der tagsüber seinen Bauernhof abläuft, hin und wieder mal mäuselt und ansonsten rumliegt und guckt ob irgendwas passiert, hat natürlich weniger Bedarf als der Münsterländer in der Wohnung ohne Garten.
Auslastung muss/sollte je nach Rasse was anderes sein. Und ob ich jetzt zwei Stunden laufe mit einem Hund oder eine? Macht für mich überhaupt keinen Unterschied, ehrlich gesagt.
Auslastung im Sinne von Sport nicht, Stress abbauen tut 90 minütiges Spazierengehen aber garantiert.
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Noch ein entschiedenes NEIN hier. Der Spazi KANN Stress abbauen, wenn der Hund dabei entspannen kann - das kann aber nicht jeder Hund, in jeder Umgebung.
Meine Spaniels sind jetzt nicht die angesprochenen langbeinigen grossen Hunde. Sie sind kompakt und solide gebaut, ein Gebäude, dass sie dazu befähigt, auch mal sehr lange zu arbeiten unter widrigen Bedingungen. Meine Hündin hat eine innere Ruhe, die sie schon als Junghund befähigt hat, sich selber runterzufahren und zu entspannen. Super für lange Spaziergänge, Wanderungen und Urlaub. Trotzdem hat sie als Jagdhund, welcher aufs Finden von Wild spezialisiert ist, von 90 Minuten Spaziergang oft mehr Stress mitgebracht als abgearbeitet. Weil es da so viel arbeitsrelevanten Input zu verarbeiten gab, plus den Frust, nicht zu dürfen was die Genetik fordert. War bei ihr aber kein Problem, weil sobald der sensorische Reiz weg war ihr angeborenes Entspannungsprogramm sehr effizient angesprungen ist.
Mein Rüde war und ist da ganz anders. Extrem reizoffen und reaktiv, war der draussen immer "auf Arbeit", sprich am Jagen. Plus frustriert, weil ich zumindest die entsprechenden Verhaltensweisen verboten/verhindert habe. Das Programm im Hirn lief aber weiter, das Endresultat war Stress. Seine jagdlichen Ambitionen zu kontrollieren, war selbst in wildarmen Gebieten für ihn sehr stressig. Der war ständig bereit, innert Sekundenbruchteilen selbständig zu reagieren.
Selbst nach 10 Jahren ist der Allzeit Bereit und schaltet entsprechend blitzartig in den Jagdmodus! Er hat aber gelernt, auch entspannt Gassi zu gehen an vergleichsweise reizarmen Orten an langer Leine. Das hat viel Arbeit, und vor allem auch eine passende ernsthaft betriebene Beschäftigung gebraucht.
Jetzt habe ich wieder einen Junghund, und er scheint etwas dazwischen zu liegen, aber dem Rüden näher punkto geringer Frustrationstoleranz. Und durch die (durchaus gewünschte) jagdliche Veranlagung ist auch für ihn ein längerer Spaziergang eher stressauf- statt abbauend.