Beiträge von Estandia

    Jetzt hab ich das Buch ja vorgeschlagen und muss sagen: Mir geht es auch so.

    Ich kannte es noch nicht, aber ein anderes Werk der Autorin (Paradais), das mich beeindruckt hatte. Nun quäl ich mich mit den Wirbelstürmen etwas herum, bin aber auch erst auf Seite 50 oder so.

    Ich kann nur sagen, es wird nicht besser. Für mich waren Kapitel 5 und 6 glaube (geht um die Charaktere Norma und Brando) die schlimmsten, die sind noch weit fieser als die ersten.

    Mein Fazit

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    Ich hatte das Buch als englische Version schon einige Zeit auf meiner Wunschliste, ein Interesse daran muss ich also schon lange vor unserer Wahl gehabt haben – das hat gereicht, um meine Stimme dafür abzugeben :ugly: Durch den Klappentext glaubt man zu wissen, was einen erwartet, was man bekommt ist aber dann doch sehr anders bis gewöhnungsbedürftig. Ich glaube, Trigger Warnings wären sinnvoll, gerade weil sie sich mannigfaltig durch das ganze Buch ziehen und eher einen endlosen Zustand als eine isolierte Situation beschreiben.

    Rein technisch kann sich das Buch easy zu meinen anderen gelesenen Büchern gesellen, nur die explizite, unbarmherzige, schroffe und vulgäre Art ist jetzt nicht meins, passte aber für mich in den Rahmen der Geschichte. Unangenehm ist es bis zum Ende geblieben, ich hatte nicht das Gefühl über Zeit abgestumpft zu sein. Ich hatte auch nicht den Wunsch abzubrechen oder eine Pause einlegen zu wollen. Dass die Kapitel- bzw. Satzstruktur einem Wirbelsturm gleichkommen soll kann ich nachvollziehen, persönlich hatte ich aber dieses Gefühl nicht beim lesen, dafür lese ich glaube zu langsam.

    Themen sind: Gewalt und Misogynie – Armut, Korruption und soziale Ausgrenzung – Aberglaube, Identität und Schuld – Sprache als Ausdruck von Verzweiflung.

    Es wird nicht nur jede Form von Gewalt gegenüber Frauen thematisiert, obwohl erstrangig, sondern gegenüber allen Personen, speziell auch Minderjährigen. Die Figur der Hexe fungiert als "Sündenbock" und "Wundergestalt" zugleich. Sie wird für allerlei Übel verantwortlich gemacht und ist Projektionsfläche für die Ängste und Hoffnungen der Dorfbewohner – das Dorf La Matosa ist von Armut geprägt, es gibt Drogen, Prostitution, organisierte Kriminalität. Scham und Gier zählen zu den diversen Haupttreibern von Gewalt gegen die Hexe. Hinzu kommen politische und wirtschaftliche Machtverhältnisse, Korruption, fehlende Rechtsstaatlichkeit, ökonomische Ausweglosigkeit durch Land und Infrastruktur, jedem Charakter scheint eine fortwährend schwelende Perspektivosigkeit innezuwohnen.

    Der Tod der Hexe ist keine einfache Täter-Opfer-Geschichte. Soziale Verzweiflung, Aberglauben und Machtstrukturen wirken hier zusammen, so dass alle Beteiligten (zum Teil) mitschuldig sind. Die Frage nach (alleiniger) Verantwortung bleibt diffus. Melchor zeigt, dass es nicht nur einen Täter gibt, sondern ein gesellschaftliches Geflecht aus Gewalt, Gerüchten und Macht.

    Vor diesem Hintergrund fand ich das Buch dann doch besser als anfangs erwartet, keine einfache Lektüre, aber ich kann diesen ungeschönten Blick auf diesen sehr problematischen gesellschaftlichen Mikrokosmos dann doch sehr wertschätzen.

    Ich hab Kapitel 4 durch und bin auf Seite 100. Ich mag den Stil mittlerweile und wie die Kapitel in sich aufgebaut sind. Einziges Problem was ich habe ist die Zuordnung der Charaktere, reale Namen werden eher selten erwähnt, oft nur Kraftausdruck-Beschreibungen ... Hexe, Echse, Nichtnutz, Knallkopf, H****söhne .... Anonsten fügt sich das Bild wirklich grad mehr und mehr zusammen :gut:

    Ich hab auch gestern agefangen :gut: Der Stil ist wirklich gewöhnungsbedürftig ... Schachtelsätze + Kasus suchen ihresgleichen :ugly:

    Es erinnert mich bisher an Hannah Kents "Wo drei Flüsse sich kreuzen" und A. K. Blakemores "The Manningtree Witches". Mal sehen wo es noch hinführt, bin ja noch nicht weit.

    Clémence Michallon – The quiet tenant / Das Gästezimmer

    Aiden Thomas ist kürzlich Witwer geworden, versucht weiterhin seiner 13jährigen Tochter ein gutes Leben zu bieten, seinen Job gut zu machen und den Leuten in seiner kleinen Stadt immer ein hilfsbereiter, netter Nachbar zu sein. Auch ist er den aufkommenden Avancen von Barkeeperin Emily nicht abgeneigt. Doch in Aidans Haus lebt schon eine Frau. Er nennt sie Rachel, obwohl das nicht ihr Name ist, sie wohnt im Gästezimmer, doch sie ist nicht sein Gast. Niemand ausser seiner Tochter weiß von ihr und nach über 5 Jahren sucht auch niemand mehr nach ihr ...

    Ein psychologisch reichhaltiger Thriller, der die bekannte Geschichte des Serienmörders auf den Kopf stellt, indem er den Fokus weg vom Täter und hin zu den Frauen in seinem Umfeld verlagert. Man ist überwiegend bei Rachel, die mit ein paar eigenen unbrechbaren Regeln jeden Tag um ihr Überleben pokert, nicht widerspricht, sich immer entschuldigt, immer alles mitmacht und sich für alles bedankt, was Aiden ihr gibt. Tochter Cecilia bietet Einblicke, wie Rachel auf jemand aussenstehenden wirkt, Barkeeperin Emily verguckt sich in Aiden und sieht ihn durch eine rosarote Brille. Ebenso kommen die 8 Frauen zu Wort, kurz bevor Aiden sie ermordet hat. Ein wirklich spannender, mitreißender Thriller mit einem echt schweren Thema, besonders aus Sicht der Opfer. Das Tempo ist manchmal etwas holprig und es gibt hier und da Erzählstränge, die nicht weiter verfolgt werden, aber das Ende ist sehr befriedigend.

    Erforschte Themen: Die Fassade der Normalität vs. versteckte Gewalt – Identität, Entmenschlichung und Rückgewinnung des Selbst – Macht, Kontrolle und Überleben – Die Auswirkungen von Traumata und die Perspektive von Frauen – Isolation und Überwachung