Beiträge von Estandia

    Cathy Sweeney – Breakdown

    "Mütter sollten nicht auf Road Trips gehen...
    Doch eines Wintermorgens in Dublin wacht eine ganz normale Frau in ihrem ganz normalen Haus auf, ihr Mann neben ihr im Bett, ihre Kinder im Teenageralter schlafen in der Nähe. Und – ohne groß darüber nachzudenken – geht sie zur Haustür hinaus und kommt nie wieder zurück. So beginnt eine Reise, die sie in Tankstellen und Einkaufszentren, Hotelbars und Friseursalons und in die Betten fremder Männer führt. Bis sich die Frau schließlich achtundvierzig Stunden später allein in einem Cottage in Wales dem stellt, was sie in sich selbst, in ihrer Familie, in der modernen Gesellschaft ignoriert hat: Anzeichen eines Breakdowns."

    Das Buch beginnt an einem ganz normalen Morgen in einem Dubliner Vorstadthaus, die Erzählerin verlässt spontan aber sehr routiniert ihr gewohntes Leben und weiß zu dem Zeitpunkt schon, dass sie nie zurückkommen wird. Anstatt zur Arbeit zu gehen, fährt sie weg und schreibt der Schule noch, dass sie heute leider kurzfristig ausfällt. In den nächsten zwei Tagen reist sie mit dem Auto, dem Zug, der Fähre, dem Bus und landet schließlich in einem abgelegenen Cottage.

    Die Protagonistin bleibt ungenannt. Sie wird nur als Frau mittleren Alters beschrieben, die zunächst durch ihre Rollen – Mutter, Ehefrau, Lehrerin – definiert wird. Sie könnte „jede Frau“ sein, eine Art universelle Figur. Ich mochte, dass es hier um einen erfahrenen, gestandenen Charakter ging, sie ließ sich von Männern nichts bieten, wusste was sie wollte und was nicht.

    Während sie reist, wechselt die Erzählung zwischen ihrer unmittelbaren Erfahrung und Erinnerungen oder Betrachtungen: vergangene Enttäuschungen, Untreue, vereitelte Ambitionen, Bedauern über die Kindheit. Die minimalistische, knappe Prosa verweilt bei alltäglichen Details – Tankstellen, Einkaufszentren, Cafés, Hotelbars. Anstatt sich auf ein plötzliches dramatisches Ereignis oder eine schockierende Wendung zu stützen, entfaltet sich das Buch allmählich. Man merkt, dass die Protagonistin erstmal nur funktioniert und erst am Ende ihrer Reise die wichtigen Fragen und Emotionen zulassen kann, um zu verstehen was sie getan hat und was sie nun braucht.

    Erforschte Themen: Rolle der Mutterschaft und Ehe/Geschlechtererwartungen; Entfremdung und die Suche nach sich selbst/Identität; Zusammenbruch über das Persönliche hinaus – gesellschaftlich, ökologisch, existenziell; Schweigen, Unsichtbarkeit und unterdrücktes Begehren; Erinnerung, Bedauern und unerfüllte Sehnsucht

    T. J. Klune – Under the whispering door / Das unglaubliche Leben des Wallace Price

    "Willkommen bei Charon's Crossing: Der Tee ist heiß, die Scones sind frisch und die Toten sind nur auf der Durchreise.
    Als Sensenfrau Mei kommt, um Wallace von seiner eigenen, spärlich besuchten Beerdigung abzuholen, ist Wallace empört. Aber er beginnt zu ahnen, dass sie Recht hat und er tatsächlich tot ist. Als Hugo, der Besitzer eines höchst merkwürdigen Teeladens, ihm verspricht, ihm beim Durchqueren der Tür ins Jenseits zu helfen, akzeptiert Wallace widerwillig die Wahrheit.
    Doch selbst im Tod weigert er sich, sein Leben aufzugeben - obwohl Wallace sein ganzes Leben damit verbracht hat, zu arbeiten, Kollegen zu korrigieren und Angestellte zu schikanieren. Für Frivolitäten wie Spaß und Freunde hatte er keine Zeit. Doch als Wallace mit Hugo Tee trinkt und sich mit seinen Kunden unterhält, fragt er sich, ob er etwas verpasst hat.
    Das Gefühl wächst, als er mit dem ansässigen Geist Witze reißt, peinliche Schuhe anprobiert und die Sterne bemerkt. Als ihm eine Woche Zeit gegeben wird, um durch die Tür auf die andere Seite zu gehen, macht sich Wallace daran, in nur sieben Tagen ein ganzes Leben zu leben."

    Meiner Meinung nach bei weitem nicht so stark wie "The House in the Cerulean Sea" aber dennoch totales slow burn light Fanatsy Komfort-Buch. Die Haupthemen sind hier Der Tod und das Leben nach dem Tod / Erlösung, Schuld und Vergebung / Der Sinn des Lebens und was es bedeutet zu „leben“ / Trauer, Verlust und Heilung / Familie, Liebe und Verbundenheit finden (jenseits konventioneller Grenzen) / Zweite Chancen und Transformation und das nicht zu knapp, wenn auch immer mit einer sehr empathischen, hoffnungs- und humorvollen Note. Abzüge gibt es für Wallace's Entwicklung: dass er ein "schlechter Mensch" im Leben war wird durch etwas viel Exposition in den ersten Kapiteln etabliert, dann besteht die Mehrheit seiner "Reise" aus dem Verweilen im Teeladen, bei dem nur durch wichtige Momentaufnahmen seine Weiterentwicklung zum Besseren vollzogen wird. Die oft angesprochenen "7 Tage" sind nicht das wofür man sie halten möchte, waren aber nachvollziehtbar und befriedigend. Der Twist am Ende war für mich eine zu einfache Lösung, gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Beziehung zwischen Hugo und Wallace etwas unverdient rüberkommt.

    Ansonsten aber leicht zu lesen, tolle Charaktere, interessante Dialoge, viel Humor aber dennoch Trigger Warnings checken, wer den genannten Themen eher zart besaitet sein sollte.