Leinenführigkeit - wie besser aufbauen?

  • Hallo zusammen,

    wir haben einen dreijährigen Bretonen aus dem Tierschutz, der seit zweieinhalb Jahren bei uns ist. Er hat vermutlich in den ersten Monaten wenig Gutes erlebt und ist ein sehr nervöser, hibbeliger Hund. Er reagiert oft zu schnell und kopflos, weshalb die Leinenführigkeit noch eine große Baustelle ist.

    Wir haben beschlossen, das Training neu aufzubauen und uns dafür eine empfohlene Hundetrainerin gesucht. Nach dem zweiten Termin mit ihr sind nun zwei Wochen vergangen, und ich hadere stark mit dem vermittelten Ansatz. Ich bin mir unsicher, ob das wirklich der richtige Weg für unseren Hund ist.

    Meine konkreten Bedenken betreffen die angewandten Korrekturmethoden:

    1. Um am Start Aufmerksamkeit zu bekommen, soll ich leicht an der Leine zu zupfen, ohne den Hund anzusprechen. Wenn keine Reaktion erfolgt, soll die Leine langsam nach oben gezogen werden, bis die Vorderpfoten des Hundes abheben. Das soll ich so lange halten, bis der Hund eine Reaktion in meine Richtung zeigt. Ich habe das bisher nur einmal unter der Anleitung der Trainerin gemacht und habe es dann sofort als unnötig und übertrieben empfunden. Es ist nichts anderes als ein Würgen.

    2. Beim Gehen soll ein Schritt rückwärts plus eine Drehung erfolgen. Reagiert der Hund nicht mit, soll ein Leinenruck die Drehung begleiten. Unser 13 kg leichter Bretone ist körperlich unempfindlich, ein leichtes Rucken ignoriert er. Die Trainerin hat dann mit mir daran gearbeitet, wie viel Kraft erforderlich ist, und ich muss sagen, der Ruck war so stark, dass der Hund einen deutlichen Satz nach hinten gemacht hat.

    Ich mache mir bei solchen Methoden leider meist erst im Nachhinein Gedanken und mache erst einmal das, was mir gesagt wird. Aber die Zweifel daran sind jetzt stark und ich fühle mich schlecht. Mein Hauptproblem ist, dass es bei dieser Methode keinen positiven Aufbau gibt und keine Instruktion. Ich zeige dem Hund zu keiner Zeit, was ich von ihm erwarte, sondern korrigiere ihn nur, wenn er es nicht macht. Das empfinde ich als unfair und es widerspricht eigentlich meinen Prinzipien der Hundeerziehung.

    Ich habe meine Bedenken bezüglich der Stärke des Rucks auch im Training angesprochen. Die Trainerin hat daraufhin erklärt, dass die Belastung der Halswirbelsäule beim Spiel viel höher sei und ich mir keine Sorgen machen müsse. Allerdings hat unser Hund nach dem Training mehrmals gehustet. Nachdem ich daraufhin online recherchiert habe und auf Risiken wie Quetschungen der Luftröhre oder Schäden an der Schilddrüse gestoßen bin, haben wir das Training mit Rucken sofort eingestellt.

    Ich bin mir sicher, dass ich diesen Trainingsweg nicht fortsetzen werde, da ich mich dabei unwohl fühle und mir Sorgen um die Gesundheit meines Hundes mache.

    Ich würde gerne eure Meinungen dazu hören. Was wären eurer Ansicht nach effektive Alternativen zum Leinenruck? Ich suche nach Methoden, die auf positive Verstärkung setzen, gerade für einen nervösen, reaktiven Hund.

    Danke für euren Input!

  • Du liebe Güte, da hätte ich auch meine Zweifel, ob das so richtig ist für meinen Hund. Kann dich gut verstehen. Evtl. hilft ihm ein Geschirr, dann kann er sich schon mal nicht erwürgen, falls er zieht. Ansonsten kann ich dir leider keine Tipps geben. Meine Hunde haben bis auf einen alle gezogen und mit der Zeit hat das von alleine aufgehört. Habe damals nur bei Rüde eins und zwei die Methode stehenbleiben und umdrehen bei Zug geübt, es aber irgendwann gelassen, weil man damit nicht vorwärts kam. Für meine Hunde fand ich bis auf einen eine Flexi gut. Da hat der Hund etwas mehr Spielraum und man kann die Leinenlänge je nach Bedarf ja auch kürzen.

  • Bitte unterlass das.

    Setzte den Schwerpunkt deiner Hundehaltung darauf dich über deinen Hund zu erfreuen, zu schauen, was für unfassbare Talente diese spezielle Rasse mitbringt und versuche über diese Talente im Bereich "Suchen" in die Welt deines Hundes einzutauchen.

    Leinenführigkeit kannst du mit einem guten Zug-Führgeschirr und einem Soliden Hüftgurt erstmal nach hinten verschieben.

    Du ackerst dich ansonsten an Baustellen ab und kannst gar nicht deinen Hund genießen.

    Wenn ihr ein Team seid und der Hund ausgeglichen von einer für ihn guten Arbeit ist, werden die Probleme geringer.


    Nicht jeder Hund kann bei jedem Menschen ein Vorbild an Leinenführigkeit sein.


    So wie du deinen Hund beschreibst ist für ihn die Aufgabe, die du ihm stellst, als würdest du einem 6 jährigen mit ADHS jeden Tag ohne Medikamente zum Stillsitzen verdammen.

  • Noch mal als Hinweis: Meiner Erfahrung nach funktionieren bei diesem Hundetyp die "stinknormalen" Vorgehensweisen zum Leinenführigkeitstraining in der Regel nicht, weil diese Hunde von ihrem Naturell etwas anders gestrickt sind als der Durchschnittshund. (Ja, ich weiß, jeder Hund ist individuell, aber die sind für mich schon spezieller im Training. Das muss berücksichtigt werden. Damit meine ich zum Beispiel den Fokus zu beginn auf das Thema Erregung zu legen, denn alles Training nützt nix, wenn man bei denen nicht von Anfang an die Erregung bearbeitet.)

  • Ich finde die Trainingsmethoden auch unfair und würde das bei meinen Hunden so nicht machen.

    Ein Zauberwort für mich beim Thema Leinenführigkeit war Matching Law. Grundsätzlich beschreibt diese Lerntheorie das ein Hund ein Verhalten dass sich lohnt immer häufiger zeigen wird.

    Das fiese dabei ist dass sich an der Leine ziehen auch häufig für die Hunde lohnt. Z.b. wollen sie zu einer besonderen Schnüffelstelle oder einem anderen Hund. Also ziehen sie dahin und der Mensch geht früher oder später hinterher. Der Hund erreicht also mit ziehen sein Ziel. Also hat sich das ziehen gelohnt und der Hund wird es folglich noch häufiger zeigen.

    Oft passiert das im Alltag unbewusst. Das heißt sich dem bewusst zu werden ist der erste wichtige Punkt. Der nächste Punkt ist dafür zu sorgen dass sich das ziehen nicht mehr lohnt. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die bekannteste ist umdrehen und in die andere Richtung gehen. Alternativ kann man stehen bleiben. Beides sind meiner Erfahrung nach eher Varianten für geduldige Menschen. Weil ich ungeduldig bin schicke meine Hunde meist Körpersprachlich zurück. Dabei halte ich die Leine Hand hinter dem Rücken mit der anderen Hand fest um nicht in Versuchung zu kommen mit der Leine nachzuhelfen. Das zurückschicken über Körpersprache funktioniert aber nur wenn der Hund noch nicht zu weit vorläuft und anfangs am besten mit einer seitlichen Begrenzung. Dadurch übe ich das bewusst am Anfang nur wenn ich die richtigen Gegebenheiten habe. Ansonsten läuft mein Hund an der Schleppleine, damit er gar nicht ins ziehen kommt was sich lohnen kann.

    Parallel dazu belohnen bzw lobe ich sobald der Hund neben oder hinter mir läuft. Am Anfang kann ich z.b. an einem Hund vorbei auch mal mit Keks vor der Nase vorbei führen. Hauptsache ich schaffe nicht wieder eine Situation, in der sich das ziehen lohnt.

    Man kann sich das wie eine Waage vorstellen. Das laufen in der gewünschten Position muss sich für den Hund mehr und häufiger lohnen als das ziehen, dann wird er es auch immer häufiger von sich aus zeigen.

  • wir haben einen dreijährigen Bretonen aus dem Tierschutz, der seit zweieinhalb Jahren bei uns ist. Er hat vermutlich in den ersten Monaten wenig Gutes erlebt und ist ein sehr nervöser, hibbeliger Hund. Er reagiert oft zu schnell und kopflos, weshalb die Leinenführigkeit noch eine große Baustelle ist.

    Ich habe Elvis damals als Dreijährigen übernommen, kein Bretone, aber wahrscheinlich ein Pachon Navarro, vermittelt wurde er als Pointermix. Drinnen cool, draußen zuchtzielgerecht die totale Jagdsau und komplett unter Strom. Leinenführigkeit war für uns auch ein Schmerzthema.

    Hatte vor ein paar Tagen hier im Forum schon was dazu geschrieben, das kopiere ich dir gleich rein. Der Thread ist für dich vielleicht ohnehin interessant.

    Aber kurz vorweg: Boah, tut mir leid, dass ihr an diese Trainerin geraten seid. Wäre für mich – und für Elvis – auch der komplett falsche Weg gewesen. Ich mag da gar nicht weiter drüber nachdenken.

    Eine Frage aber noch: wie würdest du dir eure funktionierende Leinenführigkeit denn vorstellen? Es macht für das Training natürlich einen Unterscheid, ob dein Hund angeleint immer neben deinem Bein laufen soll oder ob er den Radius der Führleine nutzen darf, die aber dann nicht auf Spannung sein soll. Für mich war damals letzteres das Ziel.

    Ich musste mit Elvis sehr viel an der Leine gehen, weil Freilauf für ihn in der Stadt unverantwortlich gewesen wäre. Dadurch waren wir damals meisten mit 2,5 bis 3 Meter Leinenlänge unterwegs.

    Das hatte ich in diesem Thread geschrieben, Post #18 und folgende: RE: Leinenführigkeit

    Zitat

    was bei uns echt gut funktioniert hat, was das Training nach Turid Rugaas. Würde ich heute als Radiustraining an der 3-Meter-Leine bezeichnen, wir haben halt eine 2-Meter-Leine oder so genutzt (1,90m?), ging auch.

    Aufgrund unserer damaligen Wohnsituation mit Trennung via Geschirr und Halsband. Das Training hat uns Spaß gemacht, Erfolge beschert und so habe ich es tatsächlich durchgehalten. Ich konnte dann mit Elvis mit lockerer Leine am Freibad voller Eichhörnchen und Kaninchen vorbeigehen, das war schon cool. Letztlich waren wir dann aber irgendwann meistens mit der Flexi unterwegs und damit wurde halt am Geschirr angeleint.

    Später hab ich das Thema Leinenführigkeit nochmal angefangen nach flying-paws zu trainieren, das war noch einmal ein anderer Ansatz, der mir auch sehr gefallen hat, zumindest soweit wir gekommen sind. Das Training hat mir ebenfalls Spaß gemacht, so dass wir da schöne Erfolge hatten. Wir waren dann aber aus gesundheitlichen Gründen viel mit Hundewagen & Flexi unterwegs, so dass sich das Thema Leinenführigkeit wieder erledigt hatte. Allerdings hat mir mir die (Vor-)Übung aus dem Leinenführigkeitstraining, das "zur Ruhe belohnen" enorm dabei geholfen, Elvis den Hundewagen als Ort der Entspannung und es Liegenbleibens zu vermitteln.

    Im Therad steht dann noch etwas mehr zur Methode. Hier zusammengefasst: es ist ein Radiustraining mit Leckerlies, bei dem du Zuhause in ablenkungsfreier Umgebung startest. Man arbeitet sich dann Schritt für Schritt weiter und mir hat das Training wirklich Spaß gemacht – und Elvis auch, weil Leckerlies :)

    Es gibt dazu ein schmales Büchlein von Turid Rugaas. Aber wenn man googelt gibt es auch ein PDF zu der Methode im Netz, mit dem man m. E. genauso trainieren kann. Im PDF sind die ersten Schritte ein bisschen anders aufgebaut, aber ich denke, das wird keinen Unterschied machen.

    Ach oh: wie du oben lesen kannst, hatte ich getrennt - üben war bei uns am (breiten) Halsband, sonst war Elvis am Geschirr unterwegs. Das würde ich dir auch empfehlen.

  • Bitte unterlass das.

    Setzte den Schwerpunkt deiner Hundehaltung darauf dich über deinen Hund zu erfreuen, zu schauen, was für unfassbare Talente diese spezielle Rasse mitbringt und versuche über diese Talente im Bereich "Suchen" in die Welt deines Hundes einzutauchen.

    Ich bin mir gerade unsicher, ob du etwas überlesen oder falsch interpretiert hast.

    Der Hund ist seit mehr als 2 Jahren bei uns. Wir machen Mantrailing und Suchen auch daheim bei uns im Haus oder beim Gassi (Verlorensuche). Er hat einen sehr guten Rückruf und sein Jagdtrieb ist kontrollierbar, so dass er auf den bekannten Gassirunden auch Freilauf bekommt. Er kann alleine bleiben, fährt im Auto mit und ist auch ansonsten im Alltag sehr verträglich geworden. Im Alltag ist er am Geschirr, wenn wir wandern haben wir einen Laufgurt.

    Wir haben fast alle Baustellen erfolgreich bearbeitet. Sein nervöser Charakter und die schnellen Reaktionen sind geblieben und ich glaube nicht, dass sich das noch in den nächsten Jahren ändern wird.

    Wir hatten vorher einen Jagdhund-Mischling (Mutter war ein kleiner Münsterländer), bei dem war es: Reiz - Nachdenken - Reaktion. Bei unserem Bretonen ist es: Reiz - Reaktion - Nachdenken - richtige Reaktion.

    Ich hoffe, das beschreibt die Situation verständlicher.

  • Da ich den ersten Beitrag nicht editieren kann, habe ich an dieser Stelle noch eine Bitte: ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Bitte schreibt mir das nicht noch mal in Nachrichten. Ich weiß es und will es ändern.

  • Eine Frage aber noch: wie würdest du dir eure funktionierende Leinenführigkeit denn vorstellen? Es macht für das Training natürlich einen Unterscheid, ob dein Hund angeleint immer neben deinem Bein laufen soll oder ob er den Radius der Führleine nutzen darf, die aber dann nicht auf Spannung sein soll. Für mich war damals letzteres das Ziel.

    Für mich wäre das erste Ziel, dass er kurze Strecken (50 Meter reicht mir) ohne Zug an lockerer Leine laufen kann. Das würde ich gerne so lange üben, dass es auch mit Ablenkungen klappt. Wir haben immer wieder Situationen, dass wir durch Engstellen müssen und da ist der Zug sehr unangenehm.

    Ich habe die Hoffnung, dass dadurch auch das Ziehen an der längeren Leine weniger wird, aber auch das wäre ein Ziel.

  • Für mich wäre das erste Ziel, dass er kurze Strecken (50 Meter reicht mir) ohne Zug an lockerer Leine laufen kann. Das würde ich gerne so lange üben, dass es auch mit Ablenkungen klappt. Wir haben immer wieder Situationen, dass wir durch Engstellen müssen und da ist der Zug sehr unangenehm.

    Ich habe die Hoffnung, dass dadurch auch das Ziehen an der längeren Leine weniger wird, aber auch das wäre ein Ziel.

    Ah siehst du, ist doch immer gut, wenn man fragt.

    Ich persönlich würde das aufteilen, vielleicht passt das ja auch für dich.

    Denn die Engstellen klingen so, als müsstets du ihn da recht nahe bei dir haben und es sind ja nur kurze Strecken. Hier würde ich eher mit einem Signal genau dafür arbeiten. Kein echtes Fuß, aber sowas wie "bei mir", wo der Hund nahe bei dir oder neben dir läuft und was du durch ein "ok" oder was immer euere Freigabe ist, wieder auflöst.

    Dieses Signal würde ich erstmal in Hinblick auf die Engstellen aufbauen. Also z. B. wo soll der Hund laufen, neben oder hinter dir? Wenn möglich würde ich sogar eine Seite definieren, auf der er laufen soll, das war für Elvis immer leichter zu lernen. Ich würde das klassisch aufbauen, erstmal mit null Ablenkung und die ersten paar Male mit zwei, drei Schrittchen locken, dann aus dem Locken ein Belohnen machen, dann die Zahl der Schritte erhöhen, dann langsam an andere Orte verlagern und weiter ausbauen, bis es an den Engstellen klappt.

    Die Leinenführigkeit an der längeren Leine würe ich davon getrennt üben. Denn zumindest bei uns wären die Anforderungen so anders (nahe bei mir an der kurz gefassten Leine und einfach vorwärts ohne Geschnüffel vs mach dein Ding im Leinenradius), dass Elvis das erstmal sonst nicht verstanden hätte. Für ihn war es am Anfang beim Leinenführigkeitstraining sehr hilfreich, dass er immer die gleiche Leinenlänge zur Verfügung hatte.

    Was meinst du?

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