Training in der Öffentlichkeit - wie geht ihr mit Menschen um?

  • Danke für diesen Beitrag. Genau das hat uns den Durchbruch verschafft. Wir haben noch einen Länge Weg vor uns, aber uns hat enorm geholfen das der junge Mann gelernt hat, das er eben nicht jeden durch sein "Theater" vertreiben kann. Dazu musste ich natürlich jedem ziemlich fix erklären, warum ich ihn/sie jetzt in ein Gespräch verwickeln muss. Ein Glück habe ich sehr nette Nachbarn. Ich jedenfalls freue mich auf das Leben auf dem Dorf.

  • Vorweg: ich habe keinen Angsthund, aber so wie du Freddy beschreibst, ist das auch kein echter Angsthund. Jedenfalls habe ich null Verständnis, wenn sich in irgendwas ohne Grund blöd reingesteigert wird. Da geh ich dann eher nicht auf die Befindlichkeiten des Hundes ein, sondern erwarte, dass er lernt, das auszuhalten.

    Grundsätzlich stimme ich dir da natürlich zu. Allerdings ist Freddy noch nicht einmal 2 Monate bei uns und kommt aus dem Auslandstierschutz. Die ersten 3 Jahre seines Lebens hat er als Hofhund an der Kette verbracht. Sprich: nicht bzw. sehr schlecht sozialisiert. Dann wurde er von einer Organisation aufgenommen und kam ins Shelter in Bulgarien, wo er überhaupt nicht mit den anderen Hunden klar kam und gemobbt wurde.


    Als er Mitte August hier ankam, hat er auf fast alles stark reagiert, Menschen, Gegenstände, Fahrzeuge. Hunde waren ein völliger Alptraum, selbst auf 400m Entfernung ist er bei Sicht eines anderen Hundes völlig eskaliert. Inzwischen sind ihm Passanten, Autos, Fahrräder etc. völlig egal. Fast alle anderen Hunde kann er ertragen ohne in die Leine zu springen und Theater zu machen. Nur bei einigen ausgewählten Hunden dreht er noch hoch. Bei Menschen fängt er idR erst dann an hochzudrehen, wenn die uns direkt ansprechen und sich uns körpersprachlich zuwenden (Ausnahme war eine Begegnung gestern, siehe unten).

    Das sind für 7 Wochen wirklich schon enorme Fortschritte und m. M. n. haben wir die nur dadurch erzielen können, dass Freddy in den letzten Wochen viel Vertrauen aufgebaut hat. Mein Bauchgefühl sagt, dass so eine umstandslose "Konfrontationstherapie" daher (noch) nicht der richtige Ansatz für uns ist.


    Gestern hatten wir einen richtig schlechten Tag. So ein besoffenes Pärchen ist an uns vorbei gelaufen und Freddy hat auch ohne, dass die uns angesprochen hätten, knurrend in die Richtung gezogen. Ich hatte ihn natürlich an der kurzen Leine und da war noch gut Platz zwischen Hund und denen, deshalb konnte weiter auch gar nichts passieren, aber die beiden haben sich total aufgeregt und mich vollgepöbelt, warum mein Hund sie angeknurrt hätte. Danach war Freddy mit den Nerven runter und ist in alte Muster zurückgefallen, die wir eigentlich seit seiner 3. Woche hier überwunden haben: Er hat gezerrt wie ein Ochse, hat vorbeifahrende Mofas verbellt, hat die Bürste gestellt, als er andere Leute nur gesehen hat. Ich habe die Runde nach dem Pinkeln dann abgebrochen und bin auf direktem Weg nach Hause, wo er sich dann sofort zurückgezogen und geschlafen hat.

    Abends war er dann wieder gut drauf und wir sind mit meinem Mann zur größeren Runde in den Wald aufgebrochen. Kaum aus dem Haus war auf der anderen Straßenseite ein kleiner Hund der gekläfft hat wie von Sinnen. Freddy ist kurz in die Leine gesprungen, aber war dann recht schnell wieder ansprechbar und hat sich beruhigt. Wir haben den Hund auf der anderen Straßenseite vorlaufen lassen und sind eine Weile stehen geblieben und Freddy hatte sich schon wieder anderen Dingen zugewandt und eine Pinkelspur an der Hauswand beschnüffelt. Als die etwa 50m weit weg waren, schoss der kleine Hund plötzlich über die Straße auf uns zu - er hatte sich losgerissen. Ich wusste nicht, wie Freddy reagiert, wenn er so direkt angegriffen wird und hatte schon die Befürchtung, dass er den Kleinen zerfetzt. Ich habe versucht den kleinen Hund durch anschreien und in den Weg laufen von Freddy fernzuhalten, aber der hat sich einfach durch meine Beine geschlängelt und ist auf Freddy zugestürzt, hat ihn angekläfft und nach ihm geschnappt. Freddy hat den Schwanz eingekniffen und hat versucht sich hinter meinem Mann zu verstecken und ist hochgesprungen, um irgendwie von dem Kleinen wegzukommen. Nach ein paar Sekunden habe ich die Leine des anderen Hundes zu packen bekommen und ihn weggezerrt. Die Besitzer kamen dann relativ gemächlich hinterher "Ach, tut uns leid, der hat sich losgerissen." - ich war so voll mit Adrenalin, dass ich meine Manieren vergessen habe und die angeschrien hab, dass sie froh sein können, dass mein Hund sich nicht gewehrt hat, sonst hätten sie ihren jetzt in kleinen Stückchen nach Hause bringen können. Freddy hat während der ganzen Sache keinen Mucks mehr von sich gegeben, er sah völlig schockiert aus. Zusätzlich zu dem Hundeangriff hat er mich nämlich auch noch nie schreien hören. Ich hätte mich wahrscheinlich beherrschen müssen und ruhig bleiben, aber das ging in dem Moment einfach nicht. Er hat es mir aber offenbar nicht übel genommen, jedenfalls ist er nicht verändert mir gegenüber.


    Alles glimpflich abgelaufen, aber es war wirklich nicht unser Tag und ich hoffe, dass das unsere Fortschritte jetzt nicht wieder zunichte macht.

    Heute Abend kommt unser Trainer und ich gehe das dann mit ihm durch und wir schauen, welche Strategie wir weiter fahren und ich lasse mir erklären, wie ich besser hätte reagieren sollen.

  • Selber ruhig bleiben ist das A und O, aber natürlich viel leichter gesagt als getan.

    Vielleicht hilft dir, wenn ich aus meiner Erfahrung sagen kann, dass wirklich die allerwenigsten Hunde den anderen Hund gleich und umstandslos schreddern wollen.

  • Ich würde mal den Fokus beim Üben darauf legen, dass Freddy immer auf der abgewandten Siete läuft und sich nie nicht niemals und unter keinen Umständen an euch vorbeidrängeln darf. Das verhindert man am besten nicht mit der Leine, sondern mit dem Körper.

    Ob er bellt oder nicht ist scheissegal, es zählt nur, dass er hinter/neben dir bleibt.


    Dass ihm genau das hilft, sieht man daran, dass er ja von sich aus Schutz gesucht hat. Das also noch weiter verstärken, indem er diesen Schutz absolut IMMER bekommt (ob er ihn gerade will oder nicht!)

    Der Vorfall war Mist, ja, aber es ist erst mal nix passiert. Euer Hund hat euren schutz gesucht, und soweit es euch möglich war, auch bekommen. Das ist absolut positiv!


    Heisst: Auch wenn man mal stehen bleibt zum Quatschen - Hund ist immer hinter euch, wird nicht angefasst, angequatscht, gelockt, beschnuppert etc.


    Zum Üben: Spannt jemanden ein, der so tut, als wolle er Freddy streicheln (mit großem Abstand!), und du gehst dann mit einem großen Schritt dazwischen, baust dich auf, schirmst deinen Hund ab und "verjagst" den "Angreifer". So lernt Freddy, dass du ihn schützt.

  • Selber ruhig bleiben ist das A und O, aber natürlich viel leichter gesagt als getan.

    Vielleicht hilft dir, wenn ich aus meiner Erfahrung sagen kann, dass wirklich die allerwenigsten Hunde den anderen Hund gleich und umstandslos schreddern wollen.

    Ja, zum Glück. Bei dem Größenunterschied wäre es sonst wirklich gefährlich geworden. Natürlich können wir Freddy nach solch kurzer Zeit noch nicht einschätzen. Bisher gab es nur einen Hundekontakt in den 7 Wochen seit er hier ist und das war ein großer Golden Retriever. Vor dem hatte Freddy solche Angst, dass er erstarrt ist und sich bepinkelt hat, obwohl der Goldie super entspannt war und auch nur kurz geschnüffelt hat und dann weiter ist. Der war aber eben auch groß und ein Rüde. Das letzten Montag war eine winzige Hündin, die super aggro war, daher hatte ich befürchtet, dass Freddy da seinerseits aggressiv reagiert.

    Ich würde mal den Fokus beim Üben darauf legen, dass Freddy immer auf der abgewandten Siete läuft und sich nie nicht niemals und unter keinen Umständen an euch vorbeidrängeln darf. Das verhindert man am besten nicht mit der Leine, sondern mit dem Körper.

    Wir hatten am Tag nach meinem letzten Beitrag eine Trainerstunde, in der er uns auch genau das gezeigt hat. Das üben wir jetzt gerade auf jedem Spaziergang fleißig und es klappt je nach Tagesform auch schon wirklich gut. Manchmal braucht Freddy auf einer 20-minütigen Runde nur noch eine einzige Korrektur. (Und manchmal alle 2 Meter, aber konzentrieren wir uns lieber auf die positiven Erlebnisse).


    Seit der Tainerstunde, die erst eine Woche her ist (!!!), haben wir draußen unfassbare Fortschritte gemacht. Es ist, als hätte Freddy nur drauf gewartet, dass wir so mit ihm umgehen und jetzt kann er endlich aufhören so hochzudrehen.

    Heute morgen haben wir 3 kläffende, zerrende Hunde getroffen und Freddy hat sich in allen 3 Situationen auf mein Kommando hingesetzt und ganz ruhig gewartet, bis die anderen vorbei waren. Sitzend erträgt er andere Pöbelhunde inzwischen echt gut und schaut auch teilweise schon wo anders hin, fixiert das Gegenüber also nicht mal mehr. Ruhig vorbei laufen geht noch nicht, da ist noch nicht genug Impulskontrolle da, er zieht dann noch in die Richtung wie ein Ochse, aber er bellt nicht mehr und steigt nicht mehr in die Leine, weil ich ihn jetzt viel konsequenter mit dem Körper abschirme. Ich hatte mich das bisher nicht getraut, weil Freddy so ängstlich ist und ich ihm gegenüber nicht so physisch übergriffig sein wollte, da ich dachte, dass das sein Vertrauen zu uns eher wieder zerstört, wenn wir ihn körperlich bedrängen. Da war die Korrektur durch den Trainer wirklich gut.


    Menschen findet er bei zu viel Nähe noch immer schice, aber es ist in den wenigen Tagen bereits viel besser geworden. Rennende, schreiende Kinder verbellt er und Leute mit Gehhilfe etc. sind ihm auch noch zu viel, aber "unauffällige" Leute kann er mittlerweile gut ab, auch wenn die ziemlich dicht vorbei kommen oder uns ansprechen. Mittlerweile schaffe ich es fast immer, ihn hinter mir zu halten und inzwischen versucht er auch immer halbherziger überhaupt nach vorne zu gehen und das Bellen ist auch sehr viel weniger hysterisch. Manchmal guckt er dann auch hoch zu mir, als wollte er sagen "Siehst du das? Das ist vielleicht gefährlich!". Daher würde ich gerne mit ihm das "Zeigen und Benennen" ausprobieren, aber momentan wäre das zu viel auf einmal. Wir trainieren ja gerade die Leinenführigkeit (bzw. das Hinter-uns-bleiben), ein Abbruchsignal und das "Aussitzen" von anstrengenden Situationen, wie Menschenkontakt oder Hundesichtung. Das reicht erstmal.


    Ich bin sehr überrascht, wie viel in einer Woche passiert ist.

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