Hund fängt an zu schnappen...Ursache unklar.

  • Hallo,


    ich besitze einen 3 1/2jährigen Dalmatinerrüden, er lebt seit knapp 10 Monaten bei mir. Er ist -vermutlich von Geburt an- beidseitig taub (zu 100%, habe ich audiometrisch feststellen lassen).


    Bislang war er das Musterbeispiel eines problemlosen Hundes; er lernte binnen weniger Tage alle notwendigen Kommandos anhand von Handzeichen die ich ihm vorgab (er hatte keinerlei Grundgehorsam), vertrug sich mit jedem Menschen und allen anderen Hunden. Er bleibt alleine, hat nie in die Wohnung gemacht (obwohl als "unsauber" abgegeben),...eben eine absolut problemlose Beziehung.


    Er ist sehr familiengebunden, hat sich bei uns wunderbar eingelebt, und läuft trotz Taubheit sogar problemlos ohne Leine. Vorsichtige Blicke alle 20m lassen ihn mich nie aus dem Auge verlieren.



    Vor zwei Wochen jedoch ereignete sich ein unangenehmer Vorfall: auf unserem mittäglichen Spaziergang trafen wir ein befreundetes Paar, ebenfalls mit Hund. Jener Hund trägt immer ein gelbes Wurfspielzeug mit sich, auf welches meiner ganz scharf ist. Er hat allerdings noch die Angewohnheit, Dinge zwar zu apportieren, aber nicht mehr loszulassen - wir arbeiten dran :^^:


    Das Spielzeug wurde also vor ihm versteckt, er ließ sich von der Hundehalterin bereitwillig kraulen.


    Als der Hundehalter dies jedoch versuchte, biß mein Hund ihm in die Hand. Keine Vorwarnung wie Knurren, Drohgebärden etc., einfach *schnapp* und es war passiert. Sofort hat er auf die abwehrende Reaktion des Mannes hin die Hand freigegeben (der ganze Vorfall dauerte kaum länger als 1sek.), und setzte sich neben mich, als sei nichts passiert. War keine ernsthafte Verletzung, mehr gequetscht denn gebissen, aber es hat mich erschrocken, zumal ich die Ursache dafür nicht ausmachen konnte, und auch bis heute nicht kann.


    Gestern nun kam es wieder zu so einem Ereignis :x


    Ich traf einen Freund, dieser war gerade dabei Gartenarbeit zu verrichten. Der Hund stand an meiner Seite, wie er es gewohnt ist.


    Beim Versuch meines Freundes, ihn an seinen Händen schnuppern zu lassen, biß mein Hund - wieder ohne Knurren, Fletschen oder sonstiges, allerdings mit leicht geducktem Kopf (glaube ich erkannt zu haben) - ihm ins Knie. Die Hose ging dabei drauf, er trug eine blutende Schnittwunde (vermutlich vom Fangzahn) rechts der Patella davon. :kopfwand:


    Auch hier hat der Hund sofort auf das zurückzucken meines Freundes reagiert (er war unangeleint) und abgelassen, und sich auf mein Kommando hin an meine Seite gesetzt.


    Beide Male habe ich ihn natürlich sofort im Nacken gegriffen und das Zeichen für "nein" gegeben.



    Tja, und nun bin ich mit meinem Latein am Ende...ich weiß nicht warum mein Hund das tut, grübele über mögliche Ursachen, finde aber keine.


    Ich muss und will die Ursache für dieses Handeln finden, und dazu brauche ich Eure Hilfe.


    Um weitere Unfälle zu vermeiden, wollte ich ihm eigentlich so einen Beißschutz (eine Tasche über dem Maul, die hecheln und trinken erlaubt, beißen aber verhindert) verpassen....oder haltet ihr das für eine schlechte Idee? Es soll kein Dauerzustand werden, sondern eben nur für den Zeitraum der Ursachenforschung weiteres Unheil verhindern.


    Mein Hund hat eine funktionierende Beißhemmung, das weiß ich aus Spielen mit anderen Hunden.


    Ihn jetzt einfach herzugeben oder einschläfern zu lassen ist für mich keine Option, ich möchte gemeinsam mit ihm diesen Fehler und seine Ursachen erkennen und beseitigen.



    Aber mir fehlt ein Anhaltspunkt :/



    Was ratet ihr mir? :hilfe:

  • Hi,


    ich würde an deiner Stelle so schnell wie möglich an eine sehr gute HS wenden, die den Alltag mit dir und deinem Hund besser kontrollieren kann.
    Tipps hier aus dem DF sind natürlich hilfreich, aber in deiner Situation, die ich schon für sehr heftig finde solltest du persönlich mit jemanden arbeiten.


    Finde es super, daß du dran arbeiten willst und das Thema einschläfern oder abgeben tabu sind :gut:


    LG
    Swenja

  • Vielleicht ein Hundepsychologe? Sonst kann ich dir leider auch keinen Rat geben, ich finds jedenfalls auch super das du nach den Ursachen suchst und mit dem Hund dran arbeiten möchtest.

  • Hallo André,


    Du schreibst, dass Dein Rüde keinerlei Grundgehorsam etc. hatte. Kann man daraus schlussfolgern, dass er Spazierengehen usw. nicht kannte?


    Was weißt Du über sein Vorleben?


    Auf welche Arte hast Du die Kommandos mit ihm eingeübt?


    Zitat

    Das Spielzeug wurde also vor ihm versteckt, er ließ sich von der Hundehalterin bereitwillig kraulen.


    Wie genau muss ich mir die Situation vorstellen? Wer stand wann wo? Wer hatte das Spielzeug? Und wie genau kraulte die Frau ihn?


    Wie ging der Mann dann auf ihn zu?


    Wie ging der Freund (im Garten) auf ihn zu?


    Wenn es zu Begegnungen mit Menschen kommt, fassen die ihn dann immer an? Muss er dabei an Deiner Seite stehen bleiben oder darf er auch weggehen?


    Auf welche Art darf er signalisieren, dass er nicht mehr in dieser Situation sein möchte?


    Hast Du bereits Erfahrung in Hundehaltung?


    Du wirst das Problem übrigens nicht "im Kern" beseitigen, wenn Du Deinem Hund das Schnappen verbietest. Du musst herausfinden, warum er schnappt.


    Bitte benutze auf keinen Fall eine Schlaufe als Maulkorb. Wenn die so sitzt, dass Dein Hund tatsächlich nicht beißen kann, dann kann er auch nicht kommunizieren, ausreichend hecheln und wird noch dem zusätzlichen Stress ausgesetzt, dass er nicht nur hörunfähig, sondern auch in seinen Maulbewegungen behindert ist...


    Viele Grüße
    Corinna

  • Hallo Corinna,


    > Kann man daraus schlussfolgern, dass er Spazierengehen usw. nicht
    > kannte?


    Ich bin mir nicht sicher...er war jedenfalls weder leinenführig (was durch sein Würgehalsband das er hatte als ich ihn bekam natürlich nicht verbessert wurde), noch sonderlich konditioniert. Für einen Dalmatiner jedenfalls nicht, nach 20-25min war er "kaputt". Heute bekommt er morgens und abends 1,5h Auslauf, plus in meiner Mittagspause 10km mit dem Rad.


    > Was weißt Du über sein Vorleben?


    "Offiziell" überhaupt gar nichts.


    Was ich aus der Zeit mit ihm weiß ist, das er panische Angst vor Männern mit Stock (Gehstock, Walkingstock) hat, was da wohl vorgefallen ist kann man sich denken :kopfwand:


    > Auf welche Arte hast Du die Kommandos mit ihm eingeübt?


    Ging ganz einfach, das jeweilige Kommando 20-30mal mit Leckerchen eingeübt, seitdem sitzt es.


    > Wie genau muss ich mir die Situation vorstellen? Wer stand wann wo?


    Die beiden und ihr Hund standen uns einfach gegenüber, ohne auf meinen Hund zuzugehen.


    > Wer hatte das Spielzeug? Und wie genau kraulte die Frau ihn?


    Das Spielzeug war in der Tasche der Frau, und sie hat ihn eben gekrault...Kopf, Bauch, Hals,....überall.


    > Wie ging der Mann dann auf ihn zu?


    Gar nicht, er hielt nur die Hand in "Riechposition", worauf hin mein Hund vorging und reinbiss.


    > Wie ging der Freund (im Garten) auf ihn zu?


    Auch nicht, er ging erst bis auch ca. 1m auf mich zu, daraufhin ging mein Hund an sein Knie...


    > Wenn es zu Begegnungen mit Menschen kommt, fassen die ihn dann
    > immer an? Muss er dabei an Deiner Seite stehen bleiben oder darf er
    > auch weggehen?


    Nein, anfassen tun ihn nur Menschen die ich kenne, bzw. mit denen ich mich unterhalte. So "streicheln im Vorbeigehen" ist nicht.


    Er könnte weggehen, tut es aber wie gesagt nicht...


    > Auf welche Art darf er signalisieren, dass er nicht mehr in dieser
    > Situation sein möchte?


    Naja er könnte sich abdrehen, knurren,.....


    > Hast Du bereits Erfahrung in Hundehaltung?


    Ja, hatte vor ihm bereits 9 Jahre eine Hündin.


    Du wirst das Problem übrigens nicht "im Kern" beseitigen, wenn Du Deinem Hund das Schnappen verbietest. Du musst herausfinden, warum er schnappt.


    > Bitte benutze auf keinen Fall eine Schlaufe als Maulkorb. Wenn die so
    > sitzt, dass Dein Hund tatsächlich nicht beißen kann, dann kann er auch
    > nicht kommunizieren, ausreichend hecheln und wird noch dem
    > zusätzlichen Stress ausgesetzt, dass er nicht nur hörunfähig, sondern
    > auch in seinen Maulbewegungen behindert ist...


    Ja, aber ich muss doch irgendwie verhindern, das er jemanden verletzten kann...diese Neoprenschlaufen sind ja durchaus dehnbar, so daß er hecheln, trinken, bellen kann....nur eben nicht beißen.

  • Hallo Fleckenzwerg,


    aus Deiner Bescheibung würde ich schließen (aber mit den Ferndiagnosen ist das ja immer o eine Sache), dass Dein Punktetier ein Problem mit Männern generalisiert hat - besonderst, wenn diese Extremitäten in seine Richtung ausstrecken.


    Vielleicht ist er für das Zeigen von Warnungen (Knurren, Zähnezeigen, etc) bestraft worden, nun "läßt" er diese Stufen eben aus und schreitet gleich zu "greifbareren" Abwehrmaßnahmen.


    Ich denke Du solltest Dich zum Thema "systematische Desensibilisierung und Gegenkonditionierung" schlau machen. Mit Hilfe dieser Technik wird das die Bedeutung des Signals "Mann" = Gefährlich = muß abgewehrt werden geändert in "Mann" = wunderbare Dinge geschehen (lecker Essen, Spielen mit meinen Menschen...) (es gibt Super Bücher zum Thema, leider größtenteils auf Englisch z.B. "Bringing Light to Shadow" von Pamela Dennison: es ist das Trainingstagebuch in dem P. Dennison beschreibt, wie sie ihren auf Menschen extrem aggressiv reagierenden Border Collie Shadow desensibilisiert und gegenkonditioniert hat. Geniales Buch!!



    Wie Corinna schon geschriben hat, sind die Schlaufen nicht geeignet. Nimm lieber einen richtigen Maul-"Korb" aus Metall, Leder oder Kunststoff. da kannst Du die Lecherchen durchstopfen und ausser als Rammbock kann damit wirklich nix passieren.

  • Maulkorb würde ich weglassen, weil ja keine Gefahr besteht so lange er nicht angefaßt wird. Das ist dann natürlich deine Aufgabe die Männer daran zu hintern ihn anzufassen.


    Außerdem könntest du dir ein paar Männer suchen zum üben. Am Anfang am besten nur einen. Der spielt mit ihm oder schmeißt/ legt ihm Leckerlies vor die Füße. So dass dein Hund merkt, dass dieser Mann ihm nichts böses will. Die nächste Steigerung wäre dann, dass du deinen Hund am Halsband hälts und der Mann den Hund am hinteren Rücken streichelt. Klappt das, dann könnt ihr beim nächsten Mal immer ein Stück weiter nach vorne gehen. Da du eh deinen Hund vorne am Halsband hältst beobachte seinen Gesichtsausdruck. Daran kann man sehr gut beobachten, wie sich der Hund dabei fühlt.
    Die "Streicheleinheiten" auch immer schön kurz halten nur 2-3 mal drüber streicheln und gleich danach ein absolut tolles Spiel spielen. Z.B. der Mann wirft sein Lieblingsspielzeug.


    Viel genauer raten kann man da aber nicht, weil man situationsabhängig entscheiden muss.


    Ach und wichtig noch. Immer von der Seite an den Hund herantreten. Nicht von vorne. Und warten bis der Hund einen auf jeden Fall wahrgenommen hat. Nicht das er erschreckt.
    Am Besten wäre es jedoch, wenn der Hund auf den Mann zugeht. z.B. Der Mann setzt sich hin und bietet dem Hund ein Lekkerlie, dass auf der flachen Hand liegt. Dauert länger, aber ist vom Vertrauen her besser.

  • Martina hat das wichtigste ja schon geschrieben. Ich denke, da ist etwas vorgefallen und er weiß gar nicht, dass er sich der Situation entziehen darf bzw. knurren.


    Da zeigt sich bei Dir ja auch schon ein Problem: Einerseits schreibst Du, dass er es durch knurren nicht zeigt (warum auch immer) und bestrafst ihn dafür, dass er eine Stufe höher einsteigt. Dadurch kann er nicht lernen, dass er sich zurückziehen kann, wenn er das möchte bzw. Dir zeigen kann, wann er mit etwas überfordert ist und Du das dann für ihn regelst.


    Als ich meinen Altdeutschen Hütehund damals bekommen habe, hatte der ein ähnliches Problem. Allerdings weit ausgeprägter. Es bezog sich auf alle Menschen (außer seiner Bezugsperson) und er stieg bereits beim gezielten Verletzungsbeißen ein.


    Ich habe mit ihm systematisch geübt, dass er jederzeit, ob mit oder ohne Leine aus Situationen herausgehen darf. Anfangs hat er das natürlich nicht von sich aus gemacht - hatte man ihm ja nie erlaubt. Ich habe ihn immer gerade so in eine "heikle" Situation geführt, dass es noch ok war und habe ihm dann gesagt, dass er gehen darf und habe ihn dann weggeschickt.


    Außerdem habe ich ihn anfangs gelobt, wenn er geknurrt hat. Klingt erstmal total blöde, aber ich wollte ihm zeigen, dass er das darf!
    Heute ist es so, dass er durch Beschwichtigungssignale bereits signalisiert, was ihm zuviel ist. Das ist sozusagen die "allererste Stufe", wenn ein Hund überfordert ist.


    Das wichtigste bei einem solchen Problem ist, dass Du Deinen Hund lesen lernst. Ich kann mir auch vorstellen, dass ihm durch seine Taubheit die akutstische Welt etwas verschlossen ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Du ersteinmal herausfindest wie er Dir zeigen kann, was ihm zuviel ist.


    Was Du auf keinen Fall tun solltest, ist, ihn festzuhalten und dann anfassen lassen. Das wäre absolut kontraproduktiv. Aber "ritualisierte" Begegnungen mit ausgewählten Männern, die ihn nicht anfassen, sondern lediglich Futter anbieten, wäre ersteinmal ein Anfang.


    Viele Grüße
    Corinna

  • Nachtrag: Das mit dem Anfassen sollte natürlich nicht gleich bei der 1. Begegnung geschehen. Es ist ein Prozess der sich über Wochen hinziehen kann.


    Bei meiner Hündinn hatte ich keine Hilfe und so mußte ich den längeren Weg nehmen. Mir wirklich ihr Vertrauen Millimeter für Millimeter erarbeiten. Dass hat weit über 1 Jahr gedauert. Am Anfang lies sie niemanden mehr, als 3 Meter an sich ran. Nach 6 Monaten konnte ich sie anleinen. An anderen Problemen haben wir mehr als 2 Jahre gearbeitet, weil sie sich eben immer vor diesen Situationen gedrückt hat. Nachdem sie sie 2-3 mal durchlebte merkte sie, dass gar nicht das erwartete eintrat und alles in Ordnung war. Berührungen können eben auch etwas schönes sein.


    Das mit dem Festhalten hat folgenden Hintergrund und setzt vorraus, dass dir dein Hund sonst vollkommen vertraut. Das hatte ich vorhin vergessen zu schreiben.


    Du hältst deinen Hund in einer Situation aus der er bei freier Entscheidung einfach wegrennen würde. Wenn er aber jedesmal wegrennt kann er auch nicht merken, dass gar nichts schlechtes passiert, wie er vermutet.
    Es ist wie in unserem eigenen Leben. Wir haben vor bestimmten Situationen Angst, weil wir eine bestimmte Vorstellung davon haben, wie es ist. Und ist man dann mal gezwungen diese Situation durchzustehen und es passiert nicht das "Befürchtet" sagen wir doch auch "Und vor was hatte ich jetzt eigentlich so lange Angst ?".


    Es ist auch eine Vertrauensbildende Maßnahme. Dein Hund lernt dabei, dass du ihn auch mal in eine Situation schickst vor der er zwar Angst hat aber die ihm nicht gefährlich werden kann. Er dir einfach nur vertrauen muss und du dann auf ihn aufpaßt. Mir kommen solche Lektionen heutzutage zu gute, weil immer wenn mein Hund Angst hat kommt sie zu mir und sagt "Mach mal". Sie rennt nicht mehr einfach weg, wie früher.


    Aber wie geschrieben. Beobachte deinen Hund genau, damit er nicht überfordert wird. Jede Berührung muss für ihn Positiv verlaufen. 2-3 Mal reicht. Klasse statt Masse. Es geht ja nicht darum, dass er sich stundelnag von jedem x-beliebigen Mann streicheln läßt sondern, dass er nicht bei jeder Berührung gleich schnappt.


    Und das Spiel hinterher ist wichtig um die Anspannung, welche sich durch das Anfassen aufegebaut hat gleich wieder abzubauen. Und natürlich als Belohnung. Zeig ihm das du dich darüber freust, wenn er sich berühren läßt.

  • So, Freitag abend kommt eine Hunde-Verhaltenstherapeutin vorbei...drückt mir die Daumen, das wir unser Problem gelöst bekommen.


    Insgesamt mein ich, dass das an einem Abend nix wird ist mir bewusst...

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