"Unhöflicher" Hund - Spielen ohne Rücksicht auf Verluste

  • Ich glaube, ihr habt eine völlig falsche Vorstellung von so einem Gruppenspaziergang.

    Da du mich zitiert hast...

    ...doch, ich habe eine sehr genaue Vorstellung von so einem Gruppenspaziergang. :nicken:


    Aber es ist ja ok, du sagst ja, du hast das gut im Auge und kannst deinen Hund und die anderen gut einschätzen, und das ist das Wichtigste. :smile:

  • Heute war der erste Spaziergang in der neuen Gruppe. Er war natürlich der Meinung, das gibt ne Party. Die anderen Hunde sahen das aber ganz anders. Sein von ihm erwählter Spielpartner hat erst drei mal freundlich und dann auch mal deutlich abgelehnt. Dann war er ein bisschen verwirrt und versuchte zu verstehen, was die anderen so tun... traben und schnüffeln. Und weil keiner mit ihm spielen wollte, hat er das halt auch gemacht. :D … er blieb insgesamt viel ruhiger und war kontrollierbarer als sonst.

    Ich hoffe sehr, dass er ihm diese Gruppe gut tut und er lernt, mit Hunden in Ruhe umzugehen.

  • Das ist doch einfach nur eine Temperamentssache. So wie du ihn beschreibst, hätte meine Hündin ihre helle Freude an ihm. :D Ihre liebsten Kumpel sind auch so.

    Wenn ihr einer zu frech wird, gibts auch mal eins aufs Dach, aber dann ist es auch gleich wieder gut.

    Es gibt ja nicht nur Schöngeister unter den Hunden, sondern auch solche, die ein bisschen ruppiger spielen. Such ihm doch Spielpartner, die genauso sind, oder das zumindest nicht übel nehmen. Mit den anderen muss er doch keinen Kontakt haben.

    Man würde ja auch ein Kind, das Fußball spielen will, nicht auf Biegen und Brechen in eine Bastelgruppe setzen, wo er nur rumhibbelt und frustriert ist, weil keiner sein Hobby teilt. Ich denke, es gibt einfach Hundetypen, die wenig miteinander anfangen können.

  • Man würde ja auch ein Kind, das Fußball spielen will, nicht auf Biegen und Brechen in eine Bastelgruppe setzen, wo er nur rumhibbelt und frustriert ist, weil keiner sein Hobby teilt. Ich denke, es gibt einfach Hundetypen, die wenig miteinander anfangen können.

    Auf jeden Fall! Danke für Deinen Beitrag. Hier bekommt man ja schon gerne mal den Eindruck, als wäre ein spielfreudiger Hund unnatürlich. Aber er braucht das. Nicht täglich, aber eben regelmäßig.


    Heute war er wieder mit "den Großen" draußen, als nicht mehr mit den Junghunden. Gleich zu Beginn bekam er eine Ansage von einem älteren Rüden, der hyperaktive Junghunde nicht ab kann... schlagartig fuhr er 3 Gänge zurück und war viel ruhiger.

    Seine Lieblingshündin (Magyar Viszla) war dabei. Die haben Spaß, spielen, rennen - aber wenn sie sagt, dass es reicht, kann er das jetzt sogar akzeptieren. Auch die Trainerin, die diese Runden begleitet, fand ihn viel besser als mit der alten Gruppe und als letzte Woche.


    Wenn er mit mir unterwegs ist, geht er jetzt an der Schlepp. Bisher musste ich genau einmal drauftreten, weil er einen anderen Hund doch zu anziehend fand. Ansonsten kann er in einem Abstand von 20-30 Metern vorbeilaufen. Aufgeregt zwar, aber kontrollierbar.

    Wenn wir Hunden auf schmalen Wegen begegnen, wird am Rand hingesetzt und gewartet, bis die vorbei sind. Das klappt immer besser. Kein Aufspringen, kein Beller. Er fängt auch an, sich bei Hundesichtung umzudrehen und zu mir zu kommen. Er weiß ja, was kommt. :)

  • Sooo… Trainertermin war heute.


    Wo fange ich an?

    Kurz gesagt - meine Gesamteinschätzung trifft zu und meine Arbeit passt so auch. Sie hatte noch ein paar kleine Tipps zusätzlich.


    Die lange Version: Die Ursache für das Verhalten dürfte mit ziemlicher Sicherheit in seiner unpassenden Aufzucht liegen. Er hat ja die ersten 4 Monate der Sozialisierung verpasst, da wir ihn erst mit 7 Monaten übernommen haben. Bis dahin hatte er keinerlei Hundekontakte außer der Mutter.

    Die Mutter hat ihn dominiert. Er hat nur sie als Vorbild gehabt und auch nie gelernt, wie man ranghöher ist. Eben auch nicht spielerisch im Alter zwischen 8 Wochen und 7 Monaten). Das fehlt ihm. Er ist mit unsicheren Hunden einfach überfordert. Und nachdem er wohl einmal die Erfahrung gemacht hat, dass die wegrennen, wenn er sie nur genug nervt, hält er das für richtig.


    Die Trainerin hat bestätigt, dass er einfach einen extrem starken Spieltrieb hat. Leider hat er eine aus Hundesicht unnormale Art zu spielen. Unhöflich, rücksichtslos. Deshalb springt er eben fremden Hunden auch mal schmerzbefreit ins Gesicht und wundert sich dann über ne unfreundliche Antwort. Er hat auch keine Ahnung, dass er schwächere Hunde mobbt - er macht das nicht absichtlich. Er kann mit der Situation einfach nicht umgehen.


    Sie sagt auch, dass er total unter Strom steht draußen. Er ist ständig auf der Suche nach Hunden. Er verbindet Autotüren, Hundemarkenklappern, Spaziergänger usw. mit "Da kommt ein Hund". Er kann nicht schnüffeln oder gar markieren, weil er zu aufgeputscht ist durch die Hundesuche.


    Sie meinte, er wäre wie ein Welpe, weil ihm diese wichtigen Monate fehlen ... halt leider ein großer Welpe. Und weil er keiner ist, ist sein Verhalten auch nicht mehr akzeptabel für andere Hunde.


    Weiteres Vorgehen:

    - Schleppleine, bei Hundebegegnungen weit genug zur Seite gehen, wo er es noch ertragen kann, locker neben mir zu warten. Jede Wendung zu mir belohnen.

    - Den Blick zu mir festigen. Sprich, wenn er einen Hund sieht, soll er stehenbleiben und mich anschauen. Belohnung.

    - Im Haus noch mehr schnüffeln, kauen und lecken fördern, um sein Grundadrenalin abzubauen.

    - 3-4 Tage pro Woche so einsam wie möglich spazieren gehen

    - einmal pro Woche soll er in der Gruppe gehen und freilaufen dürfen, damit er von den Hunden lernen kann

    - gezielte Übungsstunden machen: Entweder im Park an einer Stelle, wo viele Hunde vorbeikommen. Einfach 10 Minuten oder 10 Hunde... oder halt so viele, dass man noch nach einer guten Aktion aufhören kann ohne dass er die Nerven verliert. Oder mit einem Hund von Bekannten oder so...


    Vieles davon machen wir schon oder können es gut ergänzen.


    Ansonsten dran bleiben und fest an ihn glauben. Sie meinte, das wird schon. Wir müssen halt aufarbeiten, was in seiner Kindheit verpasst wurde.

  • Noch zur Ergänzung, weil ich das natürlich für mich noch in Gedanken reflektiere... 2 Stunden sind ja wirklich lang, um das alles abzuspeichern..


    Sie sieht da keinerlei Jagdverhalten hinter seinem Benehmen. Das ist auf jeden Fall nicht der Auslöser.

    Im Gegenteil, er lässt sich inzwischen auf wenige Meter aus dem Lauf von einem Eichhörnchen abrufen, aber nicht von einem Hund (ohne Leineneinsatz). Das ist ihr auch noch nicht untergekommen.


    Diese Woche ist er mir übrigens einmal ausgekommen (ich war zu blöd beim auf die SL treten). Grund: Hunde beobachten auf einer Wiese ging gut - bis der Ball flog. Er rannte also los, mitten in die Hundegruppe, schnappte sich alle Hunde ignorierend den Ball und kam zu mir zurück.

    Er hat da wohl ne klare Prioliste:

    - Ball

    - Hund

    - Eichhörnchen


    :D

    Sie sagte, ich könnte den Ball als absolute Notfallmaßnahme in der Tasche haben. Wir waren uns einig, dass Bälle sonst nichts in der Hundeerziehung verloren haben.

    Wobei ich mir gerade denke - Impulskontrolle mit dem Ball üben! Wenn ich ihn von einem fliegenden Ball abrufen kann, müsste ich ihn, wenn er seiner Prioliste treu bleibt, auch von jedem Hund abrufen können.

    Wir haben also Hausaufgaben. :)

  • Das hört sich gut an finde ich. Finde es auch nett von dir, dass du hier weiter berichtest. Da lerne ich auch noch was dazu.

    Gerne. Wenn ich weiß, dass es noch jemanden interessiert, berichte ich auch gerne, wie es weitergeht.


    Ein Thema hatten wir noch besprochen und das war für mich auch ein Aha-Erlebnis: Schnüffeln und Markieren.

    Er schnüffelt und markiert ja nicht. Wobei ich sagen muss - er schnüffelte und markiert nicht. Er fängt nämlich seit 2 Wochen damit an, zu schnüffeln. Das klingt jetzt für die meisten HH wahrscheinlich echt blöd - wie ein Hund, der nicht schnüffelt? Aber ja, das war so. Der Grund ist sein Erregungslevel draußen. Er musste sich erst beruhigen, um schnüffeln zu können und das Schnüffeln wiederum beruhigt ihn. Daher auch der Gedanke, mit ihm an hundefreien Orten Gassi zu gehen. Er entspannt dort hoffentlich leichter, schnüffelt mehr und fährt sich so über die nächsten Wochen noch besser herunter.


    Angefangen hat er in der Gruppe, weil ja keiner mit ihm spielt und alle schnüffeln. Das hat er halt nachgemacht. Und wenn ich jetzt alleine gehe, macht er es auch viel öfter. Ich wiederum sehe daran, dass er anfängt, sich ein bisschen zu entspannen.


    Sie meinte, angesichts seines ungünstigen Starts ins Leben hätten wir schon wirklich viel erreicht. Er ist ein toller, schlauer Hund, der sich unheimlich bemüht trotz seiner Aufregung alles richtig zu machen. Er kann es momentan einfach noch nicht besser. Grundauslastung und Alltagsmanagement (Ruhe zu Hause, Denksport usw.) passen. Der Rest kommt noch.


    Weil mir das gerade noch einfällt: Es war total spannend zu sehen, wie sehr er bei der "wir warten und beobachten vorbeilaufende Hunde"-Übung deren Aufregungslevel gespiegelt hat. Am schlimmsten sind kleine, wuschelige, aufgedreht wirkende Hunde. Ältere, ruhige Hunde kann er ganz gut "ertragen".

  • Dank des Trainertermins achte ich jetzt vermehrt auf seinen Stresslevel.

    Heute gab es einen erlebnisreichen Spaziergang.


    Los ging es mit dem pöbelnden BC-Rüden der Nachbarn, der uns keine 100m vom Haus entfernt auf dem Weg zum Park begegnet ist. Das trieb den Adrenalinspiegel schon mal nach oben. Am Park angekommen, merkte ich, dass ich die schwarzen Tüten vergessen hab - also wieder zurück nach Hause. Hund schon mit Fragezeichen im Gesicht. :D


    Dann am Park angekommen - 50m vor uns ein anderer Hund. Ganz toll. Mit etwas Geschick und langsam-gehen waren wir den aber bald los.

    Dann lief er nett im Trab vor sich hin, schnüffelte sogar mal hier und da.


    Plötzlich bleibt er 10m vor mir stocksteif stehen und schaut hochkonzentriert in den Wald. Ich konnte nicht sehen, warum, weil Bäume im Weg waren. Er starrt, man sieht es rattern, er dreht den Kopf zu mir. Looob! Er starrt noch mal, ich war inzwischen auf 4-5m ran - er dreht um und kommt zu mir. Da hab ich auch das Eichhörnchen keine 5m neben dem Weg im Laub entdeckt! Das gab ne Party.

    Wir gehen weiter und nur 20m später rennt ein Eichhörnchen keine 15 m vor uns quer über die T-Kreuzung. Er stoppt, schaut, denkt.. schaut zu mir! Looob! Er dreht ab und kommt zu mir. Riesen-Lob!

    Fand er natürlich alles schon seeeehr aufregend. Und dann wie wir gerade weitergehen, quert vor uns ein Pudelmix den Weg. Hündin, kleiner als er. Er ist spontan verliebt und ich stand dann doch lieber auf der SL. Zum Glück. Danach war er durch. Wir standen da ne Weile, bis er sich geschüttelt hat, dann ging es weiter hinter der Hündin her. Er bleibt ansprechbar, spielt aber Ping-Pong. Rennt 15m vor, ich spreche ihn leise an, er rast zurück und aufs neue. Reichlich überdreht halt.


    Aber nach weiteren 10 Minuten war er wieder im Trabmodus. Schnüffeln war aber vergessen. Auf dem Heimweg haben wir noch ein paar Hunde angeschaut. Das ging einigermaßen. Bei den letzten 3 Hunden, die ca. 80m weg waren, kam er von alleine zu mir und ging neben mir um die Kurve, weg von den Hunden. Auf dem letzten Stück nach Hause konnte er sogar 2-3 mal schnüffeln. Das hatten wir noch nie.


    Insgesamt hab ich schon den Eindruck, dass er ruhiger wird.

  • Hallo Ccaruso, für mich super spannend was du da berichtest. Ich habe auch so eine Hibbelnase, die 1zu1 deiner sein könnte. Hundekontakt ist für uns auch ein Riiiieeesenthema. Wenn er könnte wie er wollte, würde er auf jeden Hund lospreschen, anspringen, umrennen, Chaos pur. Und ich kenne das unangenehme Gefühl...würde ein mir unbekannter Hund so auf meinen lospreschen, würde ich mich über dessen Besitzer auch ärgern.

    Meiner ist dann so unter Strom im Spielrausch und wie auf Droge, da hilft nichtmal wegbeißen des anderen Hundes, er kann dann keine Signale mehr deuten oder sonstiges...wie Tunnelblick.

    Tatsächlich haben wir aber auch Fortschritte. Nach viel Verzweiflung.

    Wir haben ihn an der Schleppleine, ausser ich kann sehr weit sehen. Ohne Hundebegegnung hört er toll, auch nach ner Weile spielen ist er wieder super. Ich glaube aber, er hat so eine Spannung und Erwartungshaltung dass er schier platzt wenn er andere Hunde sieht und nen Blackout bekommt. Er KANN dann ni ht anders. Trotz Welpenschule in der er das warten aufs Spiel gelernt hat. Wenn diese Energie aus ist, ist er suuupersozial und passt sich beim Spiel an( Grobmotoriker ist er trotzdem) und lässt sich abrufen.Ich lasse ihn fast nur mit unbekannten Hunden spielen, wenn er mit seiner Kumpeline Gassi ist( ( dann ist der Strom raus alles super), oder wir vorher in der Hundeschule mit den anderen trainiert haben. Da ist dann die Trainerin dabei. Alles andere mache ich abhängig von seinem Tageszustand. Die Fortschritte sind da, aber laaaaangsam. Und jetzt kommt noch die Pubertät dazu, da machen wir auch Rückschritte, aber Ruhe bewahren? Ich glaube man muss es halt so sehen, so ein Hund steht sich selbst im Weg, kann nicht anders und muss erstmal wieder ins Normalprogramm fahren. Das ist das Schwere, dem Hund helfen den Strom rauszubekommen, nicht dass dein Hund nicht normal ist oder unnormal spielt.

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