Ausgeprägte Leinenaggression beim neuen Hund

  • Der Rabiatknilch, der mit Schnappgesicht vom Transport kam und sich ab der ersten Frendhundesichtung keifend überschlug und sich zwickend abreagierte, ist noch immer kein großer Freund fremder Hunde, aber um cirka 211% toleranter geworden.

    Seit Woche 10 läuft ein, auf max. ein 3/4 Jahr anberaumtes Experiment. Es gibt etwas medikamentöse Unterstützung. Schwer zu sagen, ob das Galgöchen deshalb kaum noch schlottert bei Sichtung von Gruseldingen, oder ob das sowieso gekommen wäre, wo ich aber einen Effekt zu sehen meine, den ich dieser Maßnahme zuschreibe, ist eine Verringerung der "Aggressionsspitzen". Galgöchen ist keine Passanten mehr angegangen um die zu zwicken und reagiert insgesamt signifikant weniger mit Abwehr- oder Übersprungsschnappen.

    Zuhause ist das Galgöchen ein fauler Sack mit Sinn für die guten Dinge. Für ranzigen Serranoschinken und Streicheleinheiten von Mann, Kind, Schwiegermutter steht es sogar auf. Drinnen kann ein Galgöchen wenig erschüttern, nicht mal der Staubsauger, vor dem der Junior flüchtet.

    Draußen... ist die Welt weiterhin stressig, aber nicht so, dass man sie nicht erforschen und oft beschnüffeln und anpinkeln kann. Auch Fressen geht oft. Geht Fressen nicht, hat das Galgöchen ganz allein ein Bestätigungs- und Belohnungssystem engeführt. Es schiebt rückwärts, arscht heran und lässt sich den Po kraulen, dann ist die Welt aushaltbarer.

    Vereinzelt nutzt es den Rückwärtsgang auch um bei Gruselbegnungen (weiterhin meist Männer von hinten oder frontal vorne. Betrunkene. Menschen mit Gehbehinderung. Menschen die seltsame, große Dingw tragen. Menschen, die abends einfach heru stehen) mit dem Hintergestell zwischen meinen Beinen einzufädeln. Es scheint aber auch das System ausweichen zwischen Autos verstanden zu haben umd nutzt das teilweise auch von allein.

    Es klettert mir nicht mehr so oft auf den Schoß. Es will zur Beruhigung rückwärts gekrault werden.

    Es hat nicht mehr ständig das Mäulchen offen und zeigt Zähne (auch wenn das durchaus nicht aggressiv gemwint war, jedenfalls drinnen).

    Es sabbert trotz Zahnsanierung beim Fressen weiterhin den Boden voll. Manchmal hängt ihm die Zunge aus der Zahnlücke. Dann sieht es doch ziemlich bescheuert aus.

    Es hat den Großteil des Tages weiche Gesichtszüge.

    Sein Gang ist weniger staksig. Der nicht ganz korrekte Ellbogen und die beginnenden Arthrosen bleiben natürlich, aber irgendwas aus dem Gemenge Gelenkfutter + regelmäßige Bewegung + weniger Stress scheint sich positiv bemerkbar zu machen.

    Nach anstrengenden Erlebnissen braucht das Galgöchen 1-4 Tage um runter zu kommen. Dazwischen werden wieder mehr Hunde und Menschen angebellt oder sich schneller erschreckt. Deshalb gibt es in der Zeit fast null Programm und hauptsächlich Klorunden.

    Das Galgöchen kann streng genommem weiterhin nicht sicher abgeleint werden, aber die Tat

    sache, dass ich es doch tue, unter möglichst sicheren Bedingungen, scheint sich ebenfalls positiv auszuwirken. Momentan schaffen wir nahezu täglich etwas Freilauf und wenn es nur mal 5 Minuten im öffentlichen Hundeklo sind.

    Zaunpöbeln, vorallem im Bezug auf Menschen viel besser geworden. Teilweise gelingt die Umorientierumg auf Kekse. Also dass das Galgöchen sich selbst entscheidet "Is nich so wichtig. Gib her so n Keks oder kraul mir den Hintern!"


    Hunden am Horizont hinterher hetzen, die stellen oder angehen... Naja, soooo oft kann und soll man das eher nicht ausprobieren.

    Neulich hab ich doch mal wieder einen Hund zu spät bemerkt und das Galgöchen nicht stoppen können. Es sprang im im Auslauf über ne Mauer und... schien, soweit ich das gesehen habe, dann zwar sehr aufgeregt und potentiell zwickbereit, hat aber jegliches Gekeife unterlassen und sich zurück pfeifen lassen. Zumindest mit der Eskalationsstufe Rot Pfeife.

    Das Galgöchen zeigt draußen Spielverhalten. Vereinzelt auch dem überschaubaren Hundekreis gegenüber, neben dem es sich bewegen darf (es gibt weiterhin keine Einfach so Kontaktaufnahme, Fremdhundrn wird ausgewichen, sie werden geblockt, oder ich starte den Kontakt) , mitunter kurz auch ohne Leine. Das könnte auch fiddeln sein. Wäre aber trotzdem ne Verbesserung.

    Tendentiell nehm ich es aber als echten Spaß wahr. Auch die Jagdspiele mit mir. Galgöchen rennt vor mir davon, versteckt sich, belauert, rast... umd kommt dann wieder Kekse essen und kraulen.

    Wir haben sehr gute Tage und deutlich bescheidenere. Stadtleben ist weiterhin keine ganz leichte Übung für das Galgöchen, aber auch nicht mehr komplett schlimm. Es gibt imme mehr Unbeschwertheitsphasen in immer komplexeren Situationen.

    Das Galgöchen fährt regelmäßig Straßenbahn und das schon recht passabel, war 3x in der S-Bahn, 3x oder so in der U-Bahn, 2x mit in der Arbeit (wo es1x im Monat kein Problem ist, kurz nen Hund mit zu nehmen), es geht mit zum Kindergarten, war eine Nacht mit am Land, hat eine kleine Geburtstagsparty mitgemacht, war 8x oder so beim Tierarzt und in der Tierklinik umd war 1x auf der Donauinsel.

    Das ist alles schon fast wie normal.

  • :shocked: Ich les hier jetzt schon 5 Monate mit :shocked:

    Wahnsinn wie die Zeit rennt ... und Wahnsinn, wie sich das Galgöchen entwickelt hat.

    Was mich jetzt mal interessiert:

    Das Leinenaggressionsproblem, welches der Grund war für den Thread - inwieweit war der Input, den du dazu bekommen hast, für dich eigentlich hilfreich?

  • Hundundmehr

    Eigentlich gar nicht. Bzw doch, aber eher in dem Sinne, dass Argumente finden und drüber nachdenken, warum Zeigen und Benennen etc., mir nicht praktikabel in unserer Situation erschien, insgesamt mehr nachdenken machte.

    Anfangs musste ich mich regelrecht gedanklich umprogrammieren. Leinenpöbeln selbst war nicht neu, aber die Intensität, holla!, gepaart damit, dass da ein Hund ist, mit dem Dinge nicht funktionieren, die sonst "immer" funktioniert haben. Das brauchte erst mal Neuverschaltung im Kopf.

    Braucht es teilweise immer noch. Aber nicht mehr so gravierend. Also hauptsächlich Kopfarbeit an mir selbst.

  • Woche 24+2


    Galgöchen geht im Pulk mit 7 Menschen und 10 Hunden und benimmt sich meistens. Vereinzelt kommt vor, dass der dann doch einen Satz nach vorne Richtung anderer Hund macht, anscheinend bei Rüden. Frln. Terrier und Frln. Dalmatiner dürfen mittlerweile problemlos ganz nah ran. (Der Welpe darf sogar an die Nase. Und Spielaufforderungen machen)

    Insgesamt aber mit Nein! und Schafkäse-Suppenfleisch-Matsch unspektakulär lösbar und dann dürfen sich doch alle wieder um es rum bewegen.

    Blöd gelaufen: den Bierdosenmann gestellt. Der ist nachts nicht zu sehen in seiner traditionellen Gruftiemontur, wenn er die Bierdose im Hundeauslauf spazieren führt, mit einem Habitus, der mich vermuten lässt, dass etliche Hunde irritiert auf ihn reagieren.

    Galgöchen grad im singulären Freilauf, weil alles hundefrei.

    Das hat ein Weilchen gedauert, bis Galgöchen wieder abpfeifbar war. Und danach war es eher drüber. Und ich semigenervt. Einerseits Mist, wenn der Hund Passanten stellt, andererseits gehört der zur von mir so heißgeliebten Kategorie: hängt immer im Hundepark rum und regt sich über Hunde auf. Da tendiert meine Entschuldigungsmotivation gegen fast Null. Der ist ein wandelndes Ärgernis. Das entschuldigt nicht, wenn was ernsteres passieren würd, mein Mitleid hält sich allerdings in den Umfeld trotzdem in Grenzen und ich reagier selbst gereizt auf Bierdosenmann und Konsorten, nicht nur der Hund.

    Hmpf

  • Oh... und das Galgöchen ghört wärmer angezogen. Im Übergangsmantel ist ihm bei schneidendem Wind und hauptsächlich an der Leine etwas zu kalt. Es ist dann fahriger und irgendwie schlechter gelaunt.

  • Hm - also eigentlich darf er doch im Dunkeln seltsame Bierdosenmänner "stellen"?

    Also - MEINE dürften das.

    Nicht das ich WILL, dass sie das tun - ich habe selber "Zähne", mit denen ich mich verteidigen kann, zum Abschrecken anderer Menschen sind meine Jungs nicht da.

    Ich hatte mal eine Situation, wo Vasco mal einen Mann im Gebüsch gestellt hat, im Dunklen, an einer dunklen Ecke eines ansonsten gut einsehbaren Weges.

    Der kam dann etwas verschämt und immer noch an seiner Hose nestelnd aus dem Gebüsch raus (war wohl grad fertig xD), hatte selber wohl nicht mit irgendjemandem gerechnet - und ich habe Vasco zu mir gerufen, dem Mann freundlich "Guten Abend - und Entschuldigung, wir haben uns selber erschrocken!" gesagt - und Vasco kurz und beruhigend abgestrichen: "Alles gut - ist nur ein Mann:D".

    Im Gegensatz zum Bierdosenmann war das aber kein mir selber unangenehmer Mensch, einfach nur ein junger Mann, der den Vorteil der Männer gegenüber den Frauen an einer scheinbar geeigneten Ecke genutzt hat.

    Falsche Zeit, falscher Ort xD

    Ich hatte da echt Verständnis für meinen Vasco, das WAR eine unangenehme Situation, und ohne meine Jungs dabei hätte das bei mir auch Angst ausgelöst, zumindest im ersten Moment.

  • Hundundmehr


    Schwierig an der Sache ist wohl auch, dass ich zwar daran arbeiten sollte, dass sowas nicht passiert, innerlich aber eher auf dem Standpunkt stehe: Wer ständig hundlos über explizite Hundeausläufe trottet und damit Hundefreilauf mitunter verunmöglicht, dem "ghört es nicht anders."

    Innerlich bin ich da mittlerweile sehr auf "Selber Schuld, Flachpfeife" gepolt, auch wenn das rechtlich vielleicht anders aussieht.

    Aber dem Hund zu vermitteln, dass er das nicht soll, wenn man insgeheim wünscht, es mögen sich bitte alle Joggerhorden und nächtliche Biertrinker vom Hundeplatz fern halten, den man eh schon aufsucht, um seine mitmenschliche Umwelt nicht überzustrapazieren und das Getier trotzdem zu beschäftigen, ist hm... wenig authentisch.

    Ich würde vereinzelt noch unnetter reagieren, als das Galgöchen. Durchaus möglich, dass ich ihm das versehentlich so vermittle. Und das wär auch nicht so topoptimal.

  • Ich finde es auch schwierig bei einem impulsiven Hund ihn manchmal stellen zu lassen und manchmal nicht. Das kommt wahrscheinlich auf den Hund an. Und den Auslöser.

    Bei uns gibt es den "Crossroad Dämon" (ein alter gruseliger Mann mit Dreifuß, der nachts stunden lang an Kreuzungen steht, auch bei der Kälte), den dürfen wir beide sehr gruselig finden und Betti darf auch beobachten. Würde ich sie aber aktiv reagieren lassen, wäre das ein Rückschritt.

    Galgöchen wirkt allerdings so als könne er lernen Situationen verschieden einzuschätzen.

  • BettiFromDaBlock

    Dürfen darf er so oder so nicht. Frage mich jedoch, ob ein Teil von mir es phasenweise nicht doch insgeheim... toleriert.

    Galgöchen war in letzter Konsequenz rückrufbar, ich habe nur sehr gezögert, die Katzenfutterpfeife einzusetzen. Zwar auch ein bisschen, um keine Fehlverknüpfung zu basteln, die da lauten könnt: "Wenn ich Passanten einkreise und verbelle, gibt es was Tolles", aber vielleicht bin manchmal auch ich bzw mein innerer Widerwillen gegen solche Hundeauslaufbesetzer, so ein bisschen mit Schuld.

    Wobei ich das Gelände immer vorher abgehe, nur im übersichtlichen Bereich ableine und das auch nur, wenn Hund nicht zu drüber und echt niemand da (jedenfalls vermeintlich). Dabei hab ich vorne, hinten, seitlich und das Gebüsch, wo die Touristen kacken gehen, immer irgendwie im Blick. Den Bierdosenmann hab ich im Dunkeln zu spät gesehen, da war ich grad an Scanblick, was der Hundebursche im Gebüsch treibt.

    Nunja.


    ____________


    24+3 lief besser.

    Die Kontrollrunde ergab: keine Hunde, keine Menschen, keine Jogger abends bei Regen und es blieb auch wirklich so.

    Galgöchen warm eingepackt. (Es quiekt nun bei Regen nicht mehr wie ein nervöses Meerschweinchen).

    Bei Mistwetter geht die Zwickkeife artig bei Fuß. Erstrebenswertes im Futterbeutel tat sein Übriges.

    Bzgl. Futterbelohnung muss ich wieder mehr aufpassen. Galgöchen braucht hochwertigeren Stoff, als der Junior. Gestern war es ein ekliger Matsch aus Schinken-Käse Toast, Schafkäse, ausgekochtem Suppenfleisch und in dem Matsch aufgeweichtes Trockenfutter. Galgöchen war begeistert. Ich brauchte ne Ganzkörperreinigung nach Verfütterung.

    Gerade am Rückruf muss ich weiter schrauben. Ich nutzt ja 3 Formen. Verbal und 2 unterschiedliche Pfeifsignale. Für beide Hunde. Pfiff bedeutet, dass auch der was kriegt, der gar nicht gemeint war. Grad beim Junior hoffe ich so, seine Tendenz zu Fehlverknüpfungen zu unterbinden.

    Der normale, "ernste" Pfeifenrückruf wurde beim Galgöchen nicht wirklich konditioniert, es reagierte von Anfang an drauf. Das hat sich aber etwas abgenutzt. Da sollte ich wieder mehr Wert drauf legen. Und dazu braucht es wieder mehr vom guten Zeug.

    Das Galgöchen ist ja recht wählerisch und frisst vieles nur mäßig begeistert. Auch im Gegensatz zum Junior, der eine Allesfressmaschine is. Wenn es sich aufgeregt schnatternd/zähneklappernd bei mir anstellt, dann ist sein Geschmack getroffen.

    Da war ich auch etwas weniger großzügig in letzter Zeit. Irgendwie war der Fokus mehr auf Fläche finden, wo es sich die Beine vertreten kann, schauen, wie es reagiert und etwas Unheschwertheit ermöglichen.

    Schleppleine halt ich weiterhin in den meisten Situationen für nicht geeignet, um mit dem Galgöchen was zu üben. Mein Timing lässt zu wünschen übrig, vorallem aber ist das Galgöchen zu schnell.

    Mit schnell meine ich nicht schnell, sondern sauschell (Auf Basis von Erinnerung meine ich, dass selbst die Dürrekatastrophe nicht so rasant unterwegs war und die war schon ein Geschoß). Mittlerweile hat es sich gewichtsmäßig bei 19,8kg eingependelt. Es ist ein Hochgeschwindigkeitsbandscheibenkiller.

    Und ich mag das Schleppteil einfach nicht. Bisher ging eigentlich immer alles ohne. Jedenfalls in meinem eher bescheidenen erzieherischen Rahmen.

    Zaunpöbeln zb lies sich auch ohne minimieren, durch Situation nicht meiden, wobei es da noch ordentlich Verbesserungsspielraum gibt.

    Und...was wollt ich eigentlich sagen? Weiter und mehr am "Dringlichkeitsstufe 2" Rückruf konditionieren und arbeiten und wieder mehr auf Superfutter achten. Auch wenn ich dann ausseh, als wär ich in den Schweinetrog gefallen.

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