Hund ist verunsichert, wie reagiert man richtig

  • Wir haben vor 3 Monaten einen Labrador Retriever übernommen. Er ist ein sehr lieber Hund, der gefallen will, trotzdem haben wir so unsere Probleme mit ihm.


    Er ist ein richtiges Kraftpaket, er darf mittlerweile auf Hundewiesen frei laufen, für einen Spaziergang ohne Leine reicht die Konzentration noch nicht lange genug aus, dh. der Abstand von uns wird immer länger bis er irgendwann nichts mehr hört. Bei Gefahr oder verunsicherungen kommt er angelaufen aber sonst fühlt er sich noch "vogelfrei". Wir lasten ihn so gut es möglich ist aus - Spaziergänge, Wasser, Hölzchen werfen, Hundebekanntschaften (er hat sehr viel gelernt - es gibt einige wenige Rüden mit denen er sich nicht verträgt und versucht domianz zu zeigen).


    Derzeit üben wir kurzfristig den Strassenverkehr, er macht das sehr gut, er geht bei Fuss an der Leine, aber Geräusche die er nicht kennt verunsichern ihn. Plastikplanen, Werbetafeln die vom wind durchgeschüttelt werden. Alles sind so Faktoren wo er wirklich davonläuft für eine Schrecksekunde. Ich bin geduldig, zeige ihm diese Sachen, ich gehe mit ihm hin, wenn er sich traut und wir schauen uns das ganze dann auch genau an... Er ist noch ein großer Welpe, er kennt immer noch nicht genug von der Welt. Seit einigen Wochen ist mir aufgefallen, dass er auf lautes Ansprechen, ausschimpfen fast schon panisch reagiert. Aufgefallen ist mir das, als er einen Rüdenkontakt hatte, der ihm angestänkert hat und er seine Nackenhaare aufgestellt hat und sich auf die Hinterbeine gestellt hat (er war an der Leine). Von mir kam ein "aus", ein "Pfui" und ein "tut man nicht"... Der Hund lief den rest des Spaziergangs am Ende der Leine hinter mir her, und ich musste ihn immer wieder heranziehen, ich habe ihm versucht zu erklären, dass ich nicht "böse" bin, aber ich diese "Raufhandlungen" nicht möchte. Aber er war sehr geknickt, auch noch tags drauf. Irgendwie möchte ich aber meinen Hund doch durchaus zurechtweisen können. Alles "gut" machen, kann er noch nicht können. Von der Vorgeschichte des Hundes ist wenig bekannt, Hund lief fast ausschliesslich im Garten der Vorbesitzer herum - er war nicht im Haus (bei uns war er ab den ersten Tag stubenrein - ganz toll) , Hundekontakt nur durch Zaun, aussenkontakt da mussten die Vorbesitzer zu zweit oder zu dritt gehen um den Hund an der Leine zu halten. Dieses Zugtraining haben wir erfolgreich wegbekommen, aber die Bindung zu uns menschen ist immer noch sehr schlecht. Ein Abendlicher Pinkelgang im Garten ist sowas wie ein "Hinauswerfen wollen um ihn nicht mehr hereinzulassen" in seinen Augen. Selbst mit Leine und wenn ich mit ihm hinausgehe ist das nicht möglich, ausgenommen, unsere ersthündin geht mit - da geht er schnell raus - steht aber binnen weniger Sekunden schon wieder an der Terassentüre um hereingelassen zu werden.


    Ich möchte ihm so gerne helfen und ihm diese "Ängste" nehmen. Er ist zwar erst seit 3 Monaten bei uns aber wir arbeiten immer wieder an der Bindung, heranlocken mit Futter, Spieltraining, Ballwerfen - RÜckruf alles mit sehr viel Lob und voller Freude und dann gibt es wieder Situationen wo - wie ein Lichtschalter "gekippt" wird und der Hund liegt da wie ein Häufchen elend dass ich mich am liebsten neben ihn setzen würde und ihn festhalten.

  • Der junge Mann ist derzeit 17 Monate alt und noch unkastriert. Die Vorbesitzer konnten nicht wirklich gut mit ihm umgehen, Kinder, Die Frau selber schwanger, konnte irgendwann den Hund nicht mehr "halten". Und der Hund ist dann mehr oder weniger sich selbst überlassen worden.


    Ich selbst habe mein Leben lang Hunde, teilweise von Geburt an, teilweise auch übertragen. Aber eben noch nie so einen jungen übertragenen Hund, die meisten waren schon "gefestigt in ihrer Art", als wir die Hunde übernommen haben.


    Hundeschule waren wir zweimal, wobei wir abgebrochen haben, damals war er gerade 1 Monat bei uns und die anderen Hunde waren ihm zu viel. Neuer Platz, fremde Hunde er ist dann nur herumgelaufen, war einerseits total verängstigt und überfordert. Hundeschule ist im Herbst geplant, davor üben wir für uns selbst. Leinenführigkeit, Fuss gehen, absetzen und ähnliches, aber es ist ein steiniger Weg ihm das alles beizubringen im Grenzbereich zwischen seinen Verlustängsten und seinem "Gefallen wollen": Es geht sehr langsam voran aber es zeichnet sich bereits einiges sehr positiv ab.

  • Kann es sein, dass Du zu viel mit ihm machst?


    Also zu viele Dinge auf einmal?


    Mit Stöcken sollte man nicht spielen, da es zu schlimmen Verletzungen führen kann.


    Macht ihr auch Nasenspiele?

  • Hallo,
    toll, dass Du Dir hier Hilfe holst und nicht die Flinte ins Korn wirfst

    Seit einigen Wochen ist mir aufgefallen, dass er auf lautes Ansprechen, ausschimpfen fast schon panisch reagiert.

    Das wird Erbgut aus seiner Zeit bei den Vorbesitzern sein. Ich habe auch so einen Kandidaten hier, der völlig panisch bei lauten Worten reagiert.

    Ein Abendlicher Pinkelgang im Garten ist sowas wie ein "Hinauswerfen wollen um ihn nicht mehr hereinzulassen" i

    Wenn ich das lese, stehen mir die Tränen in den Augen.


    Dein Hund hat in seiner wichtigsten Lebenszeit scheinbar nichts gelernt und das aufzuholen, bedeutet viel Geduld und Arbeit.
    Du machst das aber gut, denn gerade gemeinsames Spiel zwischen Hund und Frauchen lassen die Bindung schnell wachsen.
    Faro ist ja aus einer Tötungsstation und hatte viele Baustellen. Was ihm viel gebracht hat, ist das Zergeln, wobei ich ihn auch häufig gewinnen ließ, was gut für sein Selbstvertrauen ist.
    Dank einer sehr tollen Trainerin , hier aus dem Forum, hat Faro so große Fortschritte gemacht, dass man kaum noch einen Angsthund in ihm sieht
    Bestimmte Angstsituationen gibt es immer noch, besonders Kinder versetzen ihn in Angst und Panik, aber daran werde ich auch nicht viel ändern können.
    Du bekommst das mit viel Liebe hin, denke ich.

  • Seit einigen Wochen ist mir aufgefallen, dass er auf lautes Ansprechen, ausschimpfen fast schon panisch reagiert. Aufgefallen ist mir das, als er einen Rüdenkontakt hatte, der ihm angestänkert hat und er seine Nackenhaare aufgestellt hat und sich auf die Hinterbeine gestellt hat (er war an der Leine). Von mir kam ein "aus", ein "Pfui" und ein "tut man nicht"... Der Hund lief den rest des Spaziergangs am Ende der Leine hinter mir her, und ich musste ihn immer wieder heranziehen, ich habe ihm versucht zu erklären, dass ich nicht "böse" bin, aber ich diese "Raufhandlungen" nicht möchte. Aber er war sehr geknickt, auch noch tags drauf. Irgendwie möchte ich aber meinen Hund doch durchaus zurechtweisen können.

    Solche Kontakte würde ich dem Hund in Zukunft ersparen. Aus meiner Sicht und nur aufgrund von deiner Schilderung würde ich nicht sagen, das er sich "falsch" oder übertrieben aggressiv o.ä. verhalten hat. Er wurde angestänkert und hat auf Hundeart reagiert. Wäre er mein Hund hätte ich ihn sobald ihn der andere Hund anzickt ruhig aus der Situation genommen und gar nichts gesagt.


    Die wenigsten Hunde sind mit allen anderen Hunden verträglich.


    Korrekturen würde ich an den Charakter des Hundes anpassen. Wenn er sehr sensibel ist reicht ein ruhiges "nein" bzw. vorausschauend handeln und Situationen meiden in denen der Hund unerwünschtes Verhalten zeigen könnte.

  • Willkommen im Forum :winken:


    Ich finde es auch toll, dass du diesem Hund eine zweite Chance ermöglichst. Du wirst allerdings wahrscheinlich noch viel Geduld brauchen; Unsicherheit/Angst ist eine langwierige Sache. Du machst das insgesamt schon genau richtig, indem du ihm gruselige Gegenstände in Ruhe zeigst. An manches wird er sich mit der Zeit von selbst gewöhnen (mein Dicker hatte anfangs Angst vor im Wind rauschenden Blättern), anderes wird länger problematisch sein.


    Wichtig ist vor allem, dass du ruhig und geduldig bist. Sei ruhig für ihn da, ohne ihn zu bemitleiden. Oft wird ja vom "Trösten" abgeraten, aber ich hab bei meinem Hund die Erfahrung gemacht, dass Körperkontakt in Stresssituationen für ihn durchaus hilfreich sein kann. Wenn er sich z.B. erschreckt und kopflos weg will, halte ich stattdessen inne und lege eine Hand an seinen Körper, meist im Bereich Schultern/Rippen. Dabei atme ich ruhig weiter und versuche, selbst so entspannt wie möglich zu sein. Nach kurzer Zeit beruhigt er sich dann auch wieder etwas. Und natürlich bleibe ich nicht in einer Situation, die er als gefährlich einstuft. In so einem Fall also erstmal Abstand rein und dann gemeinsam durchschnaufen.


    Korrekturen erfolgen hier ohne erhobene Stimme. Er kennt "äh-äh" und "nein" als Abbruch bzw. hört er einfach an meiner Stimmlage, wenn ich gerade mit etwas nicht einverstanden bin. Manchmal schiebe ich mich auch körperlich dazwischen, wenn er etwas nicht soll, z.B. der Hündin meiner Schwiegereltern zu sehr auf den Zeiger geht. Die alte Dame kann sich zwar auch selber wehren, aber es ist ja nicht nötig, dass er sie so nervt, dass sie das für nötig hält. Mit offensiveren Korrekturen kann Marley nicht gut umgehen; da fängt er an zu fiddeln wie bekloppt und braucht dann z.B. ein klares Kommando, damit er weiß, was er tun soll. Bei ihm reicht oft auch schon ein Einatmen und/oder eine Straffung der Körperhaltung, damit er eine Grenze erkennt - und selbst das kann, je nach Aufregung, zum Fiddeln führen.


    Für Situationen draußen, z.B. mit anderen Hunden, an denen er nicht direkt vorbei will, hab ich zu Hause den Griff ins Halsband positiv trainiert. Es klappt noch nicht in jeder Situation, dass er sich dann zu mir umorientiert, aber er lässt sich daran problemlos wegführen. Wenn er also angestänkert wird und dann stehen bleibt und starrt, nehme ich ihn einfach am Halsband, sage "weiter" und nehme ihn mit. Geht also auch ohne laut werden und schimpfen.


    Du wirst mit der Zeit ein Gespür dafür bekommen, was dieser Hund an Korrekturen verkraftet bzw. was er an Beistand braucht. Du hast ja schon viel Hundeerfahrung und offenbar auch ein gutes Bauchgefühl. Vertrau dir da einfach selbst und probier ruhig auch mal aus, was sich für dich richtig anfühlt und ihm zu helfen scheint. Und richte dich drauf ein, dass die Korrekturen bei ihm tatsächlich sehr viel subtiler ablaufen können und sollten als bei anderen Hunden ;)

  • Dein Hund war an der Leine, konnte also nicht frei agieren, wurde einem Kontakt ausgesetzt den er nicht positiv empfand.
    Er wollte sich diesen durch Kommunikation vom Leibe halten und hat von dir Ärger dafür bekommen.


    So züchtet du dir ein Problem ran.


    Besser: an der Leine gar kein Kontakt oder nur mit gut bekannten "Hundefreunden". Freies Spielen nur gezielt mit Hunden wo du weißt das es klappt. Am besten gemeinsame Runden mit diesen Hunden laufen statt irgendwo auf einer Wiese die Hunde machen zu lassen.
    Klassische Hundewiesen würde ich meiden. Zwing deinem Hund solche Kontakte nicht auf.


    Generell würde ich mich mal in Markertraining und positive Verstärkung einlesen statt negativ auf ihn einzuwirken. Vor allem nach seiner Reaktion.


    Und den Leuten und Trainern die von Dominanz und ein Hund muss sich unterordnen faseln nicht zu viel glauben schenken.

  • Nasenspiele machen wir auch, an der Schleppleine im Wald. Das ist für uns beide mittlerweile erholung, wobei er da in eine Art "Ebene" eintaucht wo er viel schwerer abzurufen ist. Für ihn ist das Erholung pur, wir haben uns ausgemacht, er geht voraus, er reisst nicht an der Leine - und er macht Pausen wenn ich es verlange. Meist gehe ich mit unseren beiden Hunden in den Wald, unsere 14 jährige ist zwar flott - hat aber nicht mehr die Ausdauer, dh. die braucht Pinkelpausen, Wassertrinkpausen und muss mitunter steile Wege getragen werden. Er macht das sehr gerne und hat das auch so akzeptiert. Frei Laufen lassen im Wald erlaube ich uns noch nicht, da er einerseits nie gelernt hat zu jagen, andererseits ist er ein Labrador Retriever der tief in der Arbeitslinie steht - Papiere hat er aber nicht. Da ist mir das Risiko zu hoch, dass er jemanden Triff der ihm zeigt wie es geht.


    Ich habe meist irgendein Spielzeug mit, Äste darf er aus dem Wasser ziehen und selber tragen, mitunter machen wir leichte Zerrspiele - werfen tu ich ihm die Stöckchen nur, wenn er sich absetzen lässt und er losläuft wenn die Hölzchen gelandet sind. Ist nicht optimal - aber manchmal hat man nichts anderes bei der Hand.


    Dominanz und Verhalten gegenüber anderen RÜden ist derzeit ein thema an dem wir arbeiten. Er hat sehr viel Kraft und kann diese auch einsetzen. Ich möchte nicht dass er mich umreisst, was er leicht könnte, wenn er sich weiter hineinsteigern würde. Wir vermeiden auch Hundekontakte mit Rüden so gut es geht, mitunter ist er auch gegenüber dominanteren Rüden sehr tolerant, aber es muss eben die Chemie stimmen. Frei hinlaufen lasse ich ihn zu keinem Hund dh. erst einmal hingehen, sehen sie sich positiv an, darf er weiter agieren, möchten beide Spielen darf er frei laufen. Bei manchen Rüden wo ich sehe - dass es möglicherweise krachen könnte, wenn noch eine Hündin dazukommt - lassen wir es trotz allem lieber bleiben. Wir haben hier leider sehr viele Trampelwege so schmal dass man gerade schulter an Schulter aneinander vorbeigehen kann. Da sehe ich zu, dass ich den Hund im hohen Gras absetzen lasse oder eben an der Kurzen leine vorbeiführe (er macht das teilweise schon sehr gut).

  • Uih, wenn ich lese, was Du mit dem Hund machst, denke ich, das ist zuviel. Vielleicht braucht er etwas mehr Ruhe, aber das zu beurteilen, ist schwer, da ich ihn ja nicht kenne

    Nasenspiele machen wir auch, an der Schleppleine im Wald. Das ist für uns beide mittlerweile erholung, wobei er da in eine Art "Ebene" eintaucht wo er viel schwerer abzurufen ist

    Wenn er arbeitet, d.h. er sucht, ist er im Arbeitsmodus und da würde ich ihn auch nicht herausrufen. Du unterbrichst damit das, was er eigentlich tun soll

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