Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2
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Hummel -
6. Juni 2018 um 05:32 -
Geschlossen
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Könntest du mir die Kritikpunkte zusammenfassen?
Ich bin jetzt jedenfalls durch, nachdem ich eine Nachtschicht eingelegt habe.

Nebenbei... kennt ihr das auch? Diese Lese- Nachtschichten, damals als Kind noch mit Taschenlampe unter der Decke, irgendwann merkend, dass der Morgen schon graut. Völlige Selbstvergessenheit. Ich denke das ist etwas, was nur ein Bücherwürmchen wirklich nachempfinden kann.
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Hallo,
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Ich zitiere bissl was aus dem Artikel, das ist einfacher:
Zitat
Der Germanist Moritz Baßler hat jüngst in seinem überaus gelungen kontroversen Buch Populärer Realismus den Begriff des "neuen Midcult" dafür geprägt: ein Genre der Gegenwartsliteratur, das sich mit sogenannten schweren Themen Relevanz und Bedeutung erschreibt bis erdröhnt, dessen künstlerischer, sprachlicher Eigenwert aber geradezu verwechselbar ist. Nicht besonders auffällig. Nicht besonders störend. Nicht besonders herausfordernd. Nichts, das vom Inhaltlichen ablenken könnte.Zitatefan und Teresa streiten sehr viel, er gendert, sie nicht, er lebt in der Stadt, sie auf dem Land. Er rechnet ihr vor, warum ihre Kühe "eine Belastung für unseren Planeten" seien, sie findet, er sitze in seinem "Elfenbeinturm", so geht das 448 Seiten. Beide sind sich zu Beginn des Romans einig, dass dieser Schriftverkehr eigentlich "Komödienstoff" wäre, und damit haben sie recht, nur müsste das Buch dafür dann lustig sein. Zeh und Urban scheinen es jedoch zu ernst zu nehmen, zu ernst mit der Diagnose einer Gesellschaft, die taub geworden ist für die Probleme der anderen; zu ernst mit der sogenannten entgrenzten Debattenkultur, über die Zeh selbst unentwegt Interviews gibt, zuletzt in der NZZ.
ZitatMan muss sagen, dass die Grundannahme des sich in dieser Hinsicht überaus wichtig nehmenden Romans selbst auf das hereinfällt, was er zeigen will: Die Gruselerzählung, die Polarisierung der Gesellschaft sei so stark wie noch nie zuvor, mag zwar etliche erfolgreiche Medienformate, journalistische Schlichtungsversuche und andere sozialtherapeutische Geschäftsmodelle alimentiert haben. Zuletzt haben aber einige Autoren (unter anderem der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube, auch der Soziologe Steffen Mau) den Mythos der "wie noch nie gespaltenen Gesellschaft" durchaus kritisch befragt, ihn als ahistorischen, sonderbaren Import aus gegenwärtigen US-amerikanischen Verhältnissen geschildert, mithin wie eine soziologische Ice-Bucket-Challenge.
ZitatWer es übers erste Fünftel hinausgeschafft hat, kann sich jedenfalls freuen, dass der Satz "Versteh mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Biogas" endlich in die Weihen der Literatur gehoben wird. Wer es noch ein bisschen länger durchhält, darf sich wundern, dass sich Stefan und Teresa uferlose Mails schreiben, obwohl beide andauernd keine Zeit haben. Und man kann sich wundern, warum die Zwei, etliche bittere Beschimpfungen und eine Begegnung an der Grenze zur Vergewaltigung später, überhaupt noch miteinander reden.
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Dankeschön.

Okay. Also, bei einigen Zitaten muss ich sagen: Da haben die guten Herren das Buch einfach nicht verstanden. Und für mich ist das schlichtes Blabla von Menschen, die wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben mit Gummistiefeln in einem Stall standen. Zu behaupten, dass die Spaltung der Gesellschaft gar nicht existiert, ist schlicht und ergreifend Bockmist. Das Witzige ist, dass diese Männer, die das ganze 'kritisch sehen' genau von dem einen Protagonisten, Stefan, verkörpert werden. Die leben in Großstädten am Puls des Geschehens, am Puls des sogenannten Fortschritts. Keiner von denen weiß, wie es in der Provinz wirklich abgeht.
Ich zum Beispiel komme aus der Großstadt, bzw. habe in verschiedenen Großstädten gelebt, die sich des Fortschritts und einer gewissen Diversität rühmen (Köln, Aachen, Dortmund). Ich war in Berlin und oft in Hamburg. Jetzt lebe ich im thüringischen Hinterland.
Es liegen WELTEN dazwischen. Damit meine ich nicht das offensichtliche, sondern die Mentalität. Die Landwirte hier, die Menschen im Dorf, die alten Personen, alle fühlen sich von der Politik vergessen und von den Großstädtern mißverstanden. Und: Sie sind es auch. Während sich in den hochgestylten Machtzentren der Großstädte über Sternchen und Political Correctness gestritten wird, verursacht das hier nur ein riesiges Fragezeichen über den Köpfen. Dieser ganze Diskurs ist von der Lebenswirklichkeit der Menschen auf dem Land hier soweit entfernt wie der Mars. Hier denken die Landwirte darüber nach wie sie ihre Tiere füttern sollen, weil die Ernte wegen der Trockenheit so schlecht war. Es geht um Existenzängste- fängst du hier an, aufs Gendern zu bestehen, schaut man dich an wie ein Mondkalb. Ich bezweifle, dass das in der brandenburgischen Provinz anders ist- sogar schlimmer, weil noch weiter im Osten gelegen. Da leben doch eh nur die unzivilisierten Nazis, mit denen man nix anfangen kann. Das ist in sehr vielen westlichen Köpfen immernoch verhaftet.
Zu behaupten, es gäbe keine Spaltung mit Konfliktpotential und Kommunikationsproblemen ist daher einfach nur dumm und kurzsichtig. Aber das ist ja genau, was das Buch kritisiert. Witzig, dass die Herren genau auf diesen Zug aufspringen.
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Zum Glück gehen mir die Meinungen von ZEIT-Redakteuren seit ein paar Jahren komplett am Allerwertesten vorbei, aber trotzdem Danke für die Zusammenfassung tinybutmighty
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Da haben die Autoren ja offensichtlich ins Schwarze getroffen.
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Also, nur um das nochmal zu betonen: Ich habe das Buch noch nicht gelesen und werde mir ganz sicher meine eigene Meinung dazu bilden.
Allerdings lese ich sehr gerne auch negative/kritische Kritiken zu Büchern, die ich gerne mochte! Ich finde es spannend, mich da in die unterschiedlichen Perspektiven reinzuversetzen und kann oft sogar verstehen, warum jemand bei gleicher Lektüre völlig andere Schlüsse zieht und ja, manchmal werden mir dadurch sogar problematische Aspekte des Buches bewusst, die ich davor nicht wahrgenommen hatte - da muss ich z.B. lilactime danken, die mich mit ihren kritischen Anmerkungen zu Hanya Yanagiharas "A Little Life" ein wenig dazu anregte, da mal genauer zu hinterfragen, weshalb ich das Buch jetzt tatsächlich kritischer sehe.
Da haben die guten Herren das Buch einfach nicht verstanden. Und für mich ist das schlichtes Blabla von Menschen, die wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben mit Gummistiefeln in einem Stall standen. Zu behaupten, dass die Spaltung der Gesellschaft gar nicht existiert, ist schlicht und ergreifend Bockmist.
Sie behaupten doch gar nicht, dass die Spaltung nicht existiert?! Sowie ich das in der ganzen Rezension gelesen habe, meinen sie nur, es wird übertrieben, DASS die Spaltung tatsächlich so krass ist wie oft getan wird. Es gab ja immer schon unterschiedliche Standpunkte und Perspektiven, heute wird das wahrscheinlich auch durch die Entwicklungen (Globalisierung, Internet etc.) oftmals wohl nur noch heftiger. Früher bekam man halt einfach nicht so viel mit von dem, was anderswo abging.
Für mich ist da Corona ein gutes Beispiel, denn die große Mehrheit der Bevölkerung hat ja sehr wohl die Notwendigkeit für Maßnahmen gesehen, selbst wenn man sich über Details mitunter uneinig war. Aber diejenigen, die auf die Straße gingen um gegen "Covid-Diktatur" etc. zu protestieren, wurden ja teilweise so dargestellt, als bildeten sie quasi die Mitte der Gesellschaft und einen nicht unerheblichen Teil dieser ab. Was genau genommen halt nicht der Wahrheit entspricht.
Die Landwirte hier, die Menschen im Dorf, die alten Personen, alle fühlen sich von der Politik vergessen und von den Großstädtern mißverstanden. Und: Sie sind es auch.
Sehe ich nur teilweise so. Ich gebe zu: Mich ärgert ein Teil der Landbevölkerung hier in Österreich häufig, mein Großvater väterlicherseits kommt ja aus der südoststeirischen Gegend, waren sogar Landwirte, seine Familie. Was ich auf dem Land leider immer wieder feststelle sind Verbohrtheit, Engstirnigkeit, immer noch teils sehr salonfähiger Rassismus/Homophobie etc. Ja, habe ich selber schon "am eigenen Leib" erfahren dürfen. Ja, mir ist schon klar, dass es nix bringt, diese Vorurteile und Ressentiments einfach zu ignorieren, wütend macht mich das aber schon oft und gerade in AT finde ich das Stadt-Land-Gefälle da ziemlich auffällig und danke der Birth Lottery dafür, dass ich in Wien aufwachsen durfte.
Meiner Ansicht nach sollte JEDE/R einen Blick über den eigenen Tellerrand werfen können als erwachsener, vernunftbegabter Mensch. Ich kann natürlich Verständnis für die Sorgen und Ängste der Landbevölkerung aufbringen, und tue das auch - aber wenn man dann im Gegenzug anderen Lebensrealitäten direkt mit Ablehnung begegnet - schwierig.
Natürlich sind längst nicht alle Leute auf dem Lande so, wohl nichtmal die Mehrheit! Aber teils ist die Minderheit halt besonders laut und krakeelt rum, die Politik würde sich nicht für ihre Belange interessieren etc. Nun, ob man sich als nichtweißer, nicht ins heteronormative Gesellschaftsbild, Arbeiterklasse-Großstadtmensch wirklich viel besser von der Politik repräsentiert sehen kann? Nur, für mich ist das immer noch keine Entschuldigung dafür, dann Parteien zu wählen, die mit Nazi-Andeutungen kokettieren und die Rechte anderer Minderheiten einschränken möchten (damit meine ich die kleinen, krakeelenden Schreihälse...)
Ist halt die Frage, warum räumen wir denen so viel Raum ein, macht das Sinn? Denen, die eh immer nur schimpfen, alles als eine Art der persönlichen Verschwörung gegen sich betrachten, die selber lautstark auf ihre Rechte pochen, aber anderen Menschen dann nicht mit Respekt und Anstand begegnen können?
. Es geht um Existenzängste- fängst du hier an, aufs Gendern zu bestehen, schaut man dich an wie ein Mondkalb.
Ja, und genau das ist doch einfach BS. So als hätten Menschen, die in der Großstadt leben, automatisch keine Existenzängste
Die alleinerziehende Mutter mit Migrationshintergrund, die putzen geht zusätzlich zum Hauptjob, um sich Wohnung und Nahrung für die Kinder leisten zu können? Der Mittfünfziger mit gesundheitlichen Problemen, der seit Jahren arbeitslos ist und Notstandshilfe o.Ä. bezieht?Da werden doch ganz unnötigerweise Gräben geschaffen, wo gar keine sind, soziale Probleme gibts ja nicht nur auf dem Land
Das ist irgendwie so ein Narrativ, das ich wirklich nicht verstehe, in Wahrheit haben doch der Mini-Landwirt in der tiefsten Provinz und die Leute aus meinen Beispielen durchaus diese Existenzängste, die gefühlte Perspektivlosigkeit etc. gemeinsam, oder nicht?Und ja, ich persönlich denke, dass sich da gerade einiges tut, jüngere Menschen wachsen heutzutage Gott sei Dank schon in einem viel diverseren, inklusiveren Umfeld auf als früher und ich weiß von Leuten aus meiner und jüngerer Generationen, dass da Gendern, korrekte Pronomen benutzen, andere sexuelle Orientierungen akzeptieren etc. als vollkommen normal betrachtet wird. So soll es ja auch sein, und da sind wir eh gerade in einer sehr dynamischen Entwicklung drin. Für die paar Ewiggestrigen, die rumkrakeeln, wie schrecklich schlimm Gendersternchen doch sind, habe ich kein Verständnis und meiner Meinung nach müssen wir solchen letztlich menschenverachtenden Ideologien auch gar nicht so viel Raum einräumen
Wenn jemand sich dem verweigern möchte, weil er meint, das passe mit landwirtschaftlicher Tätigkeit nicht zusammen warum auch immer
, dann denke ich mir, selber schuld, wenn man sich nicht weiterentwickeln möchte, wird man halt auch abgehängt irgendwann -
Ich finde Bücher klasse über die man so diskutieren kann

Achso, bevor ich es vergesse: Ich würde das Buch gegen Versand auch weitergeben. Also falls jemand eh weiß, dass sie es lesen will bzw. Zeh Fan ist. Einfach PN dann.
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Ein neuer Fitzek: „Der erste letzte Tag“ - wobei „neu“ meint, dass er eine andere Seite zeigen wollte, was laut Nachwort im Pandemie-Jahr 2020, als wir in einem „Real-Time-Thriller“ (so der Autor) lebten, durchaus verständlich ist. Keine Leichen, dafür ein Roadtrip zweier sehr unterschiedlicher Personen und gaaaanz viel Humor. Livius Reimer (32) will nach einem Verlagsbesuch, bei dem er seinen Ratgeber für sein ungeborenes Kind angepriesen hat, nun die Rettung seiner Ehe in Angriff nehmen. Mit Lea (21) muss er sich den Mietwagen teilen, da der Flug nach Berlin gecancelt wurde.Auf dem langem Weg von München in die Landeshauptstadt plaudern sie über dies und das, verabreden dann das Experiment, einen/diesen Tag so zu leben, als sei es ihr letzter. Der Klappentext spricht von „schicksalhafter Mitfahrgelegenheit“ und einem „Selbstversuch der besonderen Art“. Ein „Roadtrip voller Komik, Dramatik …“
Nun ja, bei jedem Schlagabtausch folgen Witz, spritzige Bemerkungen und Plattitüden in raschem Tempo aufeinander. Sogar die Gedanken sind total lustig (Vorsicht: Ironie). Beispiel: „Lea starrte mich an, als hätte ich sie gerade gefragt, ob sie mal kurz das Lenkrad halten könnte, weil es mal wieder an der Zeit wäre, meinen Anus mit Hämorrhoiden-Creme einzureiben.“ Tja, meine Sorte von Humor ist das nicht.
Was die beiden dann so alles unternehmen, weckte nur ein müdes Lächeln bei mir.
Ich gebe zu: Zweimal habe ich ordentlich gelacht. Wo, wird nicht verraten. Aber das gilt auf 263 Seiten. Im Schlussteil wird Herrn Fitzeks Geschichte erst wieder ernster, dann wird es makaber und schließlich absurd mMn.
Fazit: Schuster/Autor bleib bei deinen/m Leisten/Genre. S. Fitzek, immerhin über 50, übertreibt es mit der betont jugendlichen Sprache und Gedankenwelt und dem unreflektierten Aktionismus. Ich frage mich, für welche Zielgruppe er das Buch schrieb. Aber gut: Ist Unterhaltung. Nicht für jede/n.
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Warum tust du dir den Fitzek denn auch immer wieder an... hast du da noch viele auf dem SuB rumliegen?
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Stachelschnecke : Da er nicht im Thriller–Genre unterwegs war.
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