Das erste Buch im neuen Jahr war ein Highlight: Carsten Henns „Die Butterbrotbriefe“. Da mir schon der „Buchspazierer“ gut gefallen hat, habe ich diesen Roman aus dem öffentlichen Bücherschrank mitgenommen und wurde nicht enttäuscht.
Erzählt wird ein Ausschnitt im Leben der Protagonistin Kati Waldstein, die mit fast 40 ein neues Leben beginnen will und Abschiedsbriefe an alle Menschen schreibt, die sie in positiver oder negativer Hinsicht geprägt haben. Nach ihrer Scheidung und dem Tod der Mutter will sie endlich ihren Heimatort verlassen, aber zuvor das noch nie Gesagte zu Papier bringen. Sie wird 37 Briefe schreiben, von denen man den Inhalt der fünf wichtigsten erfährt. Auf den Butterbrotpapieren getippt oder handschriftlich verfasst, die ihr verstorbener Vater ihr unter anderem hinterlassen hat.
Berührende Geschichte, die für mich nie kitschig wird. Gegen Ende überraschende Wendungen. Es geht um Vergangenheitsbewältigung und auch um Katis Beziehung zu den aktuellen Menschen in ihrem Leben, also zu ihrem Ex-Mann, ihrem Onkel Martin, dem Obdachlosen Severin und einer Friseurin.
Natürlich sind einige Aspekte etwas weit hergeholt, nicht jeder Wesenszug der Hauptpersonen und nicht alle „zufälligen“ Erlebnisse der Protagonistin haben mich überzeugt. Jede fiktive Geschichte hat mE Schwächen, aber wenn sie den Leser gut unterhält und zum Nachdenken bringen kann, dann ist sie für mich gelungen.
Was der eine seicht und banal findet, hält der andere für bewegend und inspirierend. Ich persönlich habe nach der Lektüre überlegt, wem ich warum noch einen Brief schicken sollte - auch ohne beabsichtigten Aufbruch in eine neue Lebenssituation.