Angst - Panik - deprivierte Hunde - Vorgehensweisen, Erfahrungen etc.

  • Was ist dann hier im Thread damit gemeint wenn es heißt man nimmt Rücksicht?

    Rücksichtsvoll sein schließt doch eine sichere Körpersprache nicht aus.


    Man nimmt Rücksicht, indem man den Hund nicht übermäßig bedrängt und ihn nicht sinnlos in Panik-Situationen bringt.
    Einen Hund mit heftiger Angst vor Gewitter würde ja (hier) auch keiner als "Therapie" mitten im Gewitter nach draußen zerren, damit er ein Gewitter halt mal "kennenlernt".
    Trotzdem kann ich bei Gewitter Ruhe und Souveränität ausstrahlen und so den Hund nicht noch mehr verunsichern (Gewitterangst ist jetzt nur als spontanes Beispiel gedacht!)

  • Das was wir Menschen aber als rücksichtsvoll ansehen erkennen die Hund aber entweder als Bedrohung oder auch je nach Situation als "führungsschwäche" und nichts ist schlimmer als ein eh schon ängstlicher Hund der den Eindruck hat die einzige Bezugsperson hat die Situation nicht im Griff.


    Ruhiges, aber denoch entschlossenes Agieren ist für den Hund sehr viel sinnvoller. Fließende (also keine ruckartigen) Bewegungen in normalem Tempo anstatt langsames anschleichen. Vor allem nicht auf den Hund starren und wenn er dann guckt schnell den Blick abwenden..das macht auf den Hund keinen selbstbewussten Eindruck. Lieber geradwegs am Hund vorbeigucken. Zügiges Vorangehen und den Hund mitnehmen anstatt zu warten ob der Hund sich bewegt. Der Hund muss das Gefühl bekommen dass sein Mensch weiß was er will und dass er sich dem anschließen kann. Dem Hund Sicherheit geben heißt auch Entscheidungen für den Hund zu treffen die er aufgrund seiner Angst gerade nicht treffen kann...genau das tut auch ein souveräner Zweithund wenn man die mal genauer beobachtet er geht voran und der Angsthund folgt...er wartet nicht dass der Angsthund eine Entscheidung trifft


    Die Nummer "Den Hund von selbst irgendwann kommen lassen" beruht in den meisten Fällen leider (mMn) fälschlicherweise auf der Annahme dem Hund ginge es da in seine Ecke gekauert gut. Dies ist meiner Meinung nach aber definitv nicht der Fall..ein Hund der solche Angst hat, dass er lieber freiwillig in den eigenen Exkrementen liegt anstatt sich zu bewegen ist definitiv nicht in einem guten psychischen Zustand. Dann greife ich lieber souverän ein und zeige dem Hund dass hier nirgends ein Monster lauert und danach kann er sich dann wieder einen für ihn sicheren Platz suchen.

  • Was ist dann hier im Thread damit gemeint wenn es heißt man nimmt Rücksicht?
    Wie würde man sich z.B. meiner Sina nähern wenn rücksichtsvoll falsch ist und "einfach machen" auch falsch ist wenn man beim 1. Kontakt vom Schlimmsten ausgeht?

    Ich glaube, der "Fehler", der in diesem Beispiel gemacht wird, daß anscheinend eine pauschale Antwort erwartet wird.


    Es gibt ja verschiedene Stufen zum Thema Angst :ka:
    Auch Dinge, die "nur" ein Unwohlsein, Unsicherheit beim Hund auslösen, lassen Hunde in bestimmte Verhaltensmuster fallen.
    Mit denen geht man etwas anders um, als wenn ein Hund "wirkliche" Angst hat. Diese wird zum größten Teil sicherlich auch anders gezeigt, bzw. kommt anders beim Halter an, als die Unsicherheit.
    Ebenso gilt dies für die Panik. Das ist ja noch einmal eine andere Stufe in der Gefühlswelt beim Hund. Manchmal kann man dies auch dem Hund äußerlich ansehen, manchmal nicht.
    Der einzige richtige Unterschied ist dann wohl der Streßhaushalt im Körper. Ist dieser sehr hoch, kann nichts mehr aufgenommen, sprich was dabei gelernt werden.




    In Deinem Beispiel klingt es für mich jetzt "nur" nach einem etwas unsicheren Hund.
    Da würde man in der Tat besser verfahren, wenn man als Halter, und sogar als fremder Mensch, sicher(er) auftritt, um dem Hund so auf diese Weise helfen zu können, bzw. um zu zeigen, daß "nichts" ist.


    Merken unsichere Hunde, daß ihr Gegenüber ebenfalls unsicher ist, dann reagieren sie natürlich auch dementsprechend anders.
    Das ist für mich aber auch normal :ka: Und ich habe auch das Gefühl, daß dies nicht so selten zu beobachten ist.





    Schiebt ein Hund aber wirklich Panik, dann könnte ich mir vorstellen, daß dann nicht immer ein sicheres Auftreten diesem Hund helfen könnte. Noch weniger, wenn man selbst die Ursache für diese Panik ist.
    Dann kann schon eine, in der Situation angemessene Rücksicht angebracht sein.


    Natürlich würde ich diese Art von Rücksicht nicht im Vorfeld gleich auf alle Hunde "übertragen". Ich glaube, so viele richtige Angshunde wird es nicht geben. Deshalb werde ich auch nicht automatisch bei allen Hunden vom Schlimmsten ausgehen, das nicht.


    Aber, wenn ich schon weiß, oder ich sogar selbst auf großer Distanz schon sehen kann, da ist ein Hund X, daß er mit bestimmten Situationen nicht klar kommt, und ich kenne diesen Hund nicht, dann gehe ich in der Tat erst einmal vom Schlimmsten aus, und nehme tatsächlich erst einmal Rücksicht.


    Durch weitere Beobachtungen, und mit Bauchgefühl, kann ich mein Verhalten dem Hund gegenüber stets neu anpassen, und ihm dann (vielleicht) helfen.






    Ich glaube, die größte Schwierigkeit ist, nicht immer zu sehen, daß der Hund ängstlich wirkt, sondern zu unterscheiden, ob es wirklich schon Panik, DS, oder nur eine (dem Alter entsprechend normale) Unsicherheit ist. :ka:
    Bei fremden Hunden ist es noch mal eine Nummer schwieriger, als beim eigenen Hund, den man ja schon etwas besser lesen kann.


    Wenn dann jemand davon ausgeht, daß der Hund nur unsicher ist, und sich dann so verhält, wie man es sonst auch bei anderen wirklich unsicheren Hunden her bisher gewohnt war, wird eher davon überrascht sein, daß diese "Hilfe" diesmal nicht funktioniert.





    Schöne Grüße noch
    SheltiePower

  • Was ist dann hier im Thread damit gemeint wenn es heißt man nimmt Rücksicht?

    Mein Hund reagiert u.a. panisch auf andere Hunde.
    Rücksicht zu nehmen heißt für mich, dass ich natürlich mit ihm daran arbeite, ihm die Angst zu nehmen, aber eben im Rahmen seiner Möglichkeiten.
    Hat er einen guten Tag, mute ich ihm zu, die ruhige Annäherung zu trainieren. Merke ich, dass er einen schlechten Tag hat, zerre ich ihn nicht durch die Situation, sondern weiche ihr und damit anderen Hunden komplett aus. Dann gibt es eben Management anstelle des Trainings. Kann er an einem schlechten Tag keine großen Spaziergänge verkraften, muss er das nicht, sondern bekommt die kurzen Runden, mit denen er sich wohlfühlt und kann im "sicheren Haus" auftanken, indem er spielen, schmusen und sich ausruhen darf. Habe ich mit ihm trainiert, bekommt er anschließend und am nächsten Tag eine komplette Verschnaufpause und ich fordere nichts von ihm, was ihn anstrengt.
    Im Gegensatz zu meinem Ersthund bin ich auch sehr sparsam damit, Impulskontrolle einzufordern, weil er die für die angstbehafteten Situationen braucht. Wenn mein Ersthund sich z.B. mit einem Spielzeug beschäftigt und mein "Angsthund" hin will, bekommt er kein Abbruchsignal. Ich will nicht, dass er sein Pulver in solchen Momenten verschießt und biete ihm deshalb einfach ein deutlich spannenderes Spielzeug an, um mein Ziel zu erreichen. Von meinem selbstsicheren und gelassenen Ersthund erwarte ich hingegen, dass er in solchen Momenten auf ein "Lass es!" abdreht.


    Mit dieser Kombination aus "trainieren, wenn der Hund gut drauf ist", "Ruhe gönnen", wenn er einen schlechten Tag hat oder viel Energie verbraucht hat und so viel wie möglich, so wenig wie nötig entwickelt er sich insgesamt sehr positiv. Mute ich ihm zu viel zu oder gebe ihm nicht die Zeit, die er braucht, wirft ihn das ganz extrem zurück. Rücksicht ist für meinen Hund und mich also keine Bremse, sondern im positiven Sinne ein Beschleuniger, der das Zusammenleben ungemein erleichtert.

  • Ruhiges, aber denoch entschlossenes Agieren ist für den Hund sehr viel sinnvoller. Fließende (also keine ruckartigen) Bewegungen in normalem Tempo anstatt langsames anschleichen.

    Langsames Anschleichen ist doch nicht gleich zu setzen mit "rücksichtsvollem Verhalten.
    Das andere entschlossenes agieren, fließende Bewegungen, DAS ist Rücksichtsnahme! ;)

  • Vielleicht ist es leichter verständlich, wenn man statt "rücksichtsvollem Verhalten (was einige mit auf Zehenspitzen durch die Wohnung schleichen, nur flüsternd reden und in gebückter Haltung zum Hund schleichen gleichzusetzen scheinen) eher faires, dem Hund angemessenes Verhalten schreiben.

  • Langsames Anschleichen ist doch nicht gleich zu setzen mit "rücksichtsvollem Verhalten.Das andere entschlossenes agieren, fließende Bewegungen, DAS ist Rücksichtsnahme! ;)

    :???: Ich kann mich gar nicht erinnern von "rücksichtsvollem Verhalten gesprochen zu haben"...zumal für mich da so oder so der Fokus nicht drauf liegt...viele Angsthunde brauchen keine Rücksicht sondern jemanden der ihnen Sicherheit gibt und die Welt erklärt.
    Finde es schwierig da das Hauptaugenmerk auf Rücksicht zu legen...wie ich schon schrieb bringe ich keinen Hund in eine Situation die er nicht meistern kann...aber ansonsten ist Rücksicht eher zweitrangig...zumindest nach meiner Sichtweise

  • Das rücksichtsvollste, was ich anfangs für meine Hündin tun konnte, war das Geschirr ohne klirren abzustellen oder die Türen leise zu schließen.
    Sind eben solche Kleinigkeiten, über die man vielleicht nicht nachdenkt, ohne Angsthund. Dass man sich mehrheitlich normal ggü. dem Hund verhält ist ja bei jedem Hund sinnig - ich hatte mir eine emotionslose Neutralität angewöhnt (es sei denn es ging um leises Lob ;) ).

  • Ich glaube, dass es menschlich ist, dass man sehr vorsichtig im Umgang mit so einem Hund ist, wenn man vom Schlimmsten ausgeht.
    Und da denke ich, überträgt sich diese starke Vorsicht auf den Hund und das verunsichert ihn m.E. eher als dass es ihm hilft.

    ich denke, du gehst zu sehr von Deiner Sina aus, die wohl ein bisschen unsicher war/ist, aber ansonsten den positiven Umgang mit Menschen schon kannte und doch recht neugierig ist.


    Damals hatte ich bedingt durch meine Arbeit viele Hunde (aus dem deutschen Tierschutz) kennengelernt und darunter waren auch einige aussortierte Hündinnen aus Massenzucht. Einer wollte ich ein Zuhause geben, und ja, weil ich Hunde aus so einer Haltung schon kennenlernte, war ich auf alles vorbereitet.
    Und trotzdem hängt es mir heute noch nach, wie Menschen die Seele eines Hundes zerstören können.


    Vor allem, wenn ein Hund den Umgang mit Menschen gar nicht gelernt hat, weil der Mensch 6 Jahre lang Gegner war, wenn so ein Hund 6 Jahre nichts, und zwar wirklich nichts vom Leben gesehen hat, keine Natur, keine anderen Tiere, nichts, dann bist du als Mensch sowieso erst mal nur Bedrohung und kannst gar keine Sicherheit vermitteln. Denn Deine Stimme ist Bedrohung, Deine Anwesenheit, Dein Geruch, alles.
    Dann schaut man halt nach einem Weg, um zu diesem Hund erst mal überhaupt Zugang zu finden, bei uns war es der Clicker, weil es nichts menschliches war und auch keine Nähe brauchte.


    Sie hat zb niemals gelernt, richtig zu laufen. Galopp war nicht in ihrem Programm, die motorisch notwendigen Abläufe dafür hat sie in ihrem restlichen Leben nicht mehr gelernt. Ihre Strategie mit Menschenbegegnungen umzugehen war erstarren, auf den Boden legen und aufhören zu empfinden.


    Sie konnte niemals ein normales Leben führen, mich hat sie gut akzeptiert dank meinem Zweithund, der auch all ihre Kommunikationsprobleme mit Hunden ignorieren konnte.
    Sie hatte ihr eigenes Zimmerchen und da konnte sie mich beobachten im Alltag, ungestört Fressen und Trinken und schlafen und rausgetraut hat sie sich Anfangs nur Nachts. In der Natur hat sie sich dann aber wohlgefühlt und wir waren zu dritt stundenlang im Wald und dort hat man ihr fast nichts angemerkt.


    Man muß halt schaun, welche Signale so ein Hund zeigt, und tw zeigt er keine mehr, weil er gelernt hat, daß es eh nichts bringt. Und wenn irgendwas war, Geruch, Geräusche, was auch immer, dann hat sie halt manchmal dicht gemacht, sich auf den Boden sinken lassen und dann ging nichts mehr. Erstarrt in ihrer Welt, um ihre Seele zu schützen. So ein Hund muß auch lernen, daß er wahrgenommen wird in seiner Persönlichkeit, daß seine feinsten Signale registriert werden und im Idealfall respektiert, daß er eben kommunizieren kann und ein Recht auf seine Empfindungen hat. Für mich ist das ein ziemlich emotionales Thema geb ich zu.

  • @Boomerang , eine Frage:


    Wann und vor allem aus welchem Grund hat bei Dir so ein Umdenken statt gefunden.
    Durch Zufall stieß ich gerade auf einen Thread von 2016, da hast Du das noch ganz anders gesehen.


    Hattest Du irgendein "Aha-Erlebnis"?

    Ich würde das ganze locker angehen. Den Hund erstmal in ruhe lassen, nicht durch die Gegend tragen und nur das nötigste machen.
    @ Forum
    Das hier nach vier Tagen via Ferndiagnose ein Fass aufgemacht wird, finde ich etwas eigenartig.

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