Ist Hundeerziehung heutzutage zu verkopft?

  • Erst letzten Herbst in der Anfänger uo Stunde. Frauchen völlig aufgelöst und panisch, warum? Weil ihr Hund eine MAUS gefangen hatte und somit jetzt zum MÖRDER geworden ist und sie ihn nicht mehr mit den Kindern (6 und 8 Jahre alt) zusammen lassen kann.

    Aber so was sind doch keine normalen Leute?! :???:
    Gut, ich mag da nicht so den Überblick haben, weil ich nicht auf Hundeplätze gehe, geschweige denn im Verein bin, aber so krasse Fälle habe ich bisher noch nie erlebt. Eher erlebe ich hier, dass einigen Haltern scheiß egal ist, was ihr Hund treibt. Der Großteil liegt aber irgendwo dazwischen, hat halbwegs nette, erzogene Hunde mit Ecken und Kanten.

  • Denn sieht man es sich genau an, hat sich nicht so viel geändert, außer der persönlich Einstellung. Auch früher durften die Hunde nicht frei in der Stadt umherlaufen und Passanten belästigen und gefährden.

    Ich bin in einer Stadt aufgewachsen und es gab dort einige Hunde, die täglich alleine Gassi gegangen sind. Tür auf, Hund raus, Tür zu. Leinenpflicht gab es nicht und auf die Idee, einen Hund mit in die Innenstadt zu nehmen, wäre in meinem Umfeld niemand gekommen.
    Manchmal trafen sich bei diesen Alleingängen draußen zwei Hunde, die sich nicht so gut verstanden haben. Stellte sich häufig dann raus, wenn man sich mit dem Nachbarn unterhielt und feststellte, dass dessen Hund auch ein wenig blutig nach Hause gekommen ist.


    Bei zwei meiner Freunde stellte sich mit Jahrzehnten Verzögerung raus, dass die Familienhunde ihrer Kindheit gar nicht, wie von den Eltern erzählt, weggelaufen sind, sondern von den Vätern (Jägern) erschossen worden sind, weil sie nichts taugten und man damals keine Lust hatte, sich mit "künstlichen Problemen" rumzuschlagen.


    Die Hunde in diesen Familien sind z.B. auch verprügelt und in einen Fluss geschmissen worden, um sie vor ihrer Angst vor Wasser zu kurieren. Und um diese Hunde scharf für die Jagdt zu machen, hat man sie einfach mit einem angeschossenen Fuchs oder Dachs im Keller eingesperrt und nach ein paar Stunden wieder rausgeholt. Schauergeschichten, die mir von den Jägern selbst und deren Kindern, die es teilweise miterlebt haben, unabhängig voneinander erzählt worden sind.


    Man hat mehr Probleme als früher, weil man sich selbst in einer Tour künstliche Probleme erschafft.

    Alternativ hat "man" früher einfach nicht nachgedacht.
    Die ersten Hunde, die ich in meinem Elternhaus und meinem Umfeld erlebt habe, sind nicht an das Alleinsein gewöhnt worden. Sie hingen tagsüber an einer Laufkette oder saßen im Zwinger und der erste Hund in meiner Kindheit hat sofort nach dem Einzug mit wenigen Wochen alleine im Keller geschlafen. Da gab es auch kein künstliches Problem, sondern eine Feuerschutztür, die jedes Wimmern oder Jaulen geschluckt hat.


    Der erste Tierarzt, den wir hatten, vertrat übrigens auch noch die Meinung, dass Hunde keinen Schmerz spüren. Ich habe damals zum ersten Mal einen Hund gesehen, dem vor Schmerz während der Behandlung die Tränen in die Augen geschossen sind und der still geweint hat. Das Bild werde ich nie wieder vergessen.


    Meine Vorstellungen von "schön" sind weit von dem entfernt, was ich damals gesehen habe.

  • Meine Vorstellungen von "schön" sind weit von dem entfernt, was ich damals gesehen habe.

    Unschönes gibt es auch heute noch, und wird es immer geben.
    Unsere Hunde hatten es z.B. allesamt gut.

  • Als Hundehalterin in einer Großstadt mit sehr hoher Hundedichte muss ich sagen, dass ich in morgen genau 2 Jahren Hundehaltung nur ein Mal jemanden erlebt habe, den ich persönlich als "zu verkopft" im Umgang mit dem Hund empfunden habe - eine eigentlich sehr engagierte junge Ersthundehalterin, die mit ihrem Hund gewaltfrei und positiv arbeitet, was ich super finde, aber irgendwie war sie mir in manchen Situationen zu "gekünstelt", das Loben und Bestätigen wirkte nicht immer... authentisch. Man hatte das Gefühl, sie wollte alles lehrbuchmäßig perfekt machen und konnte darüber hinaus manchmal nicht mehr wirklich spontan agieren. Aber das ist wohl auch eine Typsache und eine Frage der Umsetzung angeeigneten Wissens - und es ist, wie gesagt, nur ein Einzelfall.


    Dieses von manchen so vielgerühmte Bauchgefühl und Intuitive - das haben realistisch betrachtet nun mal kaum Hundehalter. Die meisten würden wohl nicht verstehen, dass ihr sich die Lefzen leckender Hund gerade beschwichtigt oder beim pöbelnden Hund Unsicherheit oder gar ein gesundheitliches Problem vermuten.
    Ich finde es darum gut und durchaus lobenswert, dass immer mehr Hundehalter sich gern Wissen über Hunde aneignen, hinterfragen, bei Problemverhalten des Hundes nicht mehr nur an der Symptomatik rumdoktorn, sondern interessiert daran dind, WARUM ihr Hund in Situation x dies tut und Situation y ihn scheinbar arg stresst. Ich bin auch sehr froh, dass ich ein wissbegieriger, lernwilliger Typ Mensch bin, denn sonst würde ich Rex bestimmt viel öfter "missverstehen" und vielleicht Sachen glauben, die weder Hand noch Fuß haben.


    Die Hundehalter, die ich so kenne und die weder eine gute Hundeschule besuchen noch sich irgendwie über Hunde belesen und informieren, mögen meinen, das sei alles unnötig und ihr Bauchgefühl hilft ihnen schon, das Richtige zu tun - aber oft führt meiner Erfahrung nach gerade dies zu Problemen. So habe ich zB eine Bekannte, wie ich Ersthundehalterin, aber einfach viel weniger informiert und interessiert am Thema Hund. Trennungsstress ihrer Hündin durch langes Alleinbleiben und wechselnde Bezugspersonen sieht sie als "Dominanz" und "Kontrollwahn". Eine andere Bekannte bestrafte ihren Hund, als er einen "gruseligen" Artgenossen aus Unsicherheit verbellte. Solche Dinge erlebe ich halt ständig und darum bin ich froh über Hundehalter, die sich umfassend informieren.

  • in Deutschland gibt es bis heute: Kettenhunde, Zwingerhunde, Gebärmaschinen, ausgesetzte Hunde, verprügelte Hunde, Hunde die erschossen werden wenn sie nicht funktionieren, Tierärzte die Hunde mit Kühen gleichstellen. All diese Dinge sind nicht wirklich Vergangenheit und auch nicht irgendwo "da draußen über dem Tellerrand im Ausland".

  • in Deutschland gibt es bis heute: Kettenhunde, Zwingerhunde, Gebärmaschinen, ausgesetzte Hunde, verprügelte Hunde, Hunde die erschossen werden wenn sie nicht funktionieren, Tierärzte die Hunde mit Kühen gleichstellen. All diese Dinge sind nicht wirklich Vergangenheit und auch nicht irgendwo "da draußen über dem Tellerrand im Ausland".

    Ja, ganz genau.
    Und genauso gab es auch schon früher hysterische Menschen, die alles zum Problem gemacht haben, ebenso wie es heute immer noch Leute gibt, die sich einen Dreck darum scheren, ob ihr Hund glücklich oder gar erzogen ist.
    Ich behaupte aber mal ganz frech, dass die goldene Mitte sowohl früher als auch heute den Großteil ausgemacht hat und kann aus eigener persönlicher Erfahrung zumindest HIER bei uns keinen Trend in Richtung Hysterie entdecken. So etwas sehe ich immer nur im Fernsehen oder lese es im Internet. Ausnahmen gibt es natürlich immer.

  • Tierärzte die Hunde mit Kühen gleichstellen.

    im Studium wird eigentlich klar gemacht, dass ein Hund kein Wiederkäuer ist. Sollte es sich auf den "Wert" des Lebewesens beziehen, setze ich mich jetzt mal lieber auf meine Finger....


  • Die Hundehalter, die ich so kenne und die weder eine gute Hundeschule besuchen noch sich irgendwie über Hunde belesen und informieren, mögen meinen, das sei alles unnötig und ihr Bauchgefühl hilft ihnen schon, das Richtige zu tun - aber oft führt meiner Erfahrung nach gerade dies zu Problemen. So habe ich zB eine Bekannte, wie ich Ersthundehalterin, aber einfach viel weniger informiert und interessiert am Thema Hund. Trennungsstress ihrer Hündin durch langes Alleinbleiben und wechselnde Bezugspersonen sieht sie als "Dominanz" und "Kontrollwahn". Eine andere Bekannte bestrafte ihren Hund, als er einen "gruseligen" Artgenossen aus Unsicherheit verbellte. Solche Dinge erlebe ich halt ständig und darum bin ich froh über Hundehalter, die sich umfassend informieren.

    ohne anmaßend wirken zu wollen muss ich sagen, dass die intuitive hundeführung bzw. die erziehung aus dem bauchgefühl heraus in erster linie beim erfahrenen hundehalter klappt, weniger beim ersthundehalter.


    zumal.. bevor man sich dafür entscheidet einem tier ein zuhause zu geben, gehört es meines erachtens zu den pflichtaufgaben sich vorab über die gattungseigenschften dieses tieres zu informieren und sich anschliessend mit den rassespezifischen eigenschaften auseinanderzusetzen.


    der rest ist learning by doing. keiner ist perfekt. die szenen die du da beschreibst sind selbst für einen erfahrenen hundehalter schwierig auseinander zu halten. ich korrigiere meinen hund ganz sicher heute noch auch noch mal falsch im timing und auswahl der mir zur verfügung stehenden mittel/möglichkeiten.


    eben genau dieses streben nach perfektion á la "wieso hat sie trennungsstress mit kontrollwahn verwechselt" finde ich überzogen. äh.. sie ist ersthundhalterin. sowas passiert. selbst den erfahrenen.

  • Ich habe heute etwas erstaunliches gesehen. Eine Hundehalterin die seit einem Jahr einen Labbi hat und so alles mögliche an "Fehlern" machte (bei denen wir schon zu uns sagen "auweia ... na pass mal auf") wie Hund alles machen lassen, Flexi, Hund dauernd sinnlos voll labern etc macht seit einiger Zeit merkbar Fortschritte. Hund ist Aufmerksam, Hund läuft besser, Frau labert weniger viel auf den Hund ein etc und heute höre ich dann ein Clicker.
    Die Methode von "früher" wäre ein Stachler (wohlgemerkt im Dauerbetrieb ohne Training) gewesen ... den ich eigentlich schon am Hals des Hundes gesehen habe (also so in meinem inneren Auge ;).


    Bauchentscheidungen in der Hundeerziehung gehen meiner Meinung nach erst nachdem man ausreichend Erfahrung und Wissen gesammelt hat ... eine instinktive Hundeerziehung funktioniert nur bei manchen Selbstdarstellern die dann Bücher schreiben und auch nur mit Hunden aus einem russischen Rudel irgendwo in der Pampa ;)
    Will man es ganz ohne Vorbildung schaffen braucht man eine gehörige Portion Selbstreflektionsfähigkeit und Beobachtungsgabe und Kombinationsgabe. Das halte ich für extrem schwierig und ich denke früher haben die Leute einfach nicht so hohe Anforderungen gehabt (zumindest aufm Dorf)

  • in Deutschland gibt es bis heute:

    Ich schrieb von einer damals gesellschaftlich akzeptierten Norm in der Hundehaltung, nicht von einer Ausnahme, auf die Du gerade anspielst.

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