Ideen- und Erfahrungsaustausch: Frustrationstoleranz, Impulskontrolle und Ansprechbarkeit – gezielte Übungen in den Alltag integrieren

  • Darüber habe ich mir z.B. noch keine Gedanken gemacht. Ich bin von der Warte ausgegangen, dass es immer Situationen gibt, bei denen ich meinen Hund nicht mit dem belohnen kann, was er in dieser Situation am liebsten hätte. Ich dachte, dass ich ihm so "beibringen" könnte, dass dieser Ball eben nichts besonderes ist und dass allein die Tatsache, dass ich einen Ball habe, eben nicht bedeutet, dass er ihn bekommt. Meine nächste Trainingsstufe wäre nun gewesen, dass wir den Ballwurf hinzunehmen, wenn das Erblicken des Balls und mein Hochwerfen allein einigermaßen "cool" nimmt.

    Ich hab da heute viel drüber nachgedacht und vermute, dass es auch so geht. Denn die wenigsten kommen ja vermutlich von selbst darauf, so einen kleinschrittigen Aufbau anzufangen und trotzdem können wohl die meisten Hunde Frust aushalten... glaube ich. Oder?
    Naja, ich bin, wie gesagt, mit unserem Weg gut gefahren. Wie andere Möglichkeiten funktionieren wird ja hier im Thread dann hoffentlich noch ausdiskutiert, würde mich sehr interessieren.

    Achso, noch zu dem Punkt, dass der Hund nicht immer mit dem belohnt werden kann, was er haben will: Dazu hatte ich ja in dem Beispiel geschrieben, dass es nicht der Ball sein muss sondern auch eine andere hochwertige Belohnung sein kann. Wichtig an der Methode ist mir der kleinschrittige Aufbau und dass man den Hund aus dem schlechten Gefühl rausholen kann. (Im Alltag gibt es ja eh meistens immer noch genug unausweichliche Situationen, in denen der Hund merkt, dass Frust dazugehört.)

  • Klappt an und füür sich recht gut, aber ab einer gewissen Nähe zum Fremdhund ist die Verlockung einfach zu groß. Auf einem Bürgesteig vorbei, ohne dass mein Hund winselt oder tänzelt - no way.

    Das Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Ich habe nicht gemeint, dass mein Hund bloß leinenführig ist, sondern, dass es meine Hauptübung zur Erregungskontrolle bei meinen Hunden ist. Ich will einen Hund, der runterkommt, sobald die Leine eingeklinkt wird.

  • Wenn er bei Besuch so hochfährt kannst du auch dem Besuch (am besten ein Bekannter) solange die Tür “vor der Nase“ zu machen, bis dein Hund auch beim Öffnen der Tür ruhig bleibt. Dauert etwas und braucht Geduld, aber klappt gut. Der Hund lernt dann, dass der Besuch nur hereinkommt, wenn er sich entsprechend benimmt. Du kannst ihn dann super damit belohnen, dass er den Besuch auf dein (und nur darauf) Kommando begrüssen darf.
    Also es klingelt, Du lässt ihn hinter dir absitzen. Tür einen kleinen Spalt auf - wenn er aufsteht, Tür zu. Bleibt er ruhig machst du die Tür etwas weiter auf und gleiches Spiel. Unruhe - Tür zu, Ruhe -Tür weiter auf. Bleibt er ruhig bis der Besuch in der Wohnung ist - Kommando und er darf begrüssen. So hast du auch gleichzeitig eine schöne Übungen zur Frustrationstoleranz und Impulskontrolle. Wichtig wäre nur wirklich sehr langsam aufzubauen und viel Geduld zu haben.

  • Ich hab derzeit das Glück, das alle Wiesen gemäht sind, insbesondere die an stark frequentierten Wegen. Dort gehe ich mit meinem Hund hin und mache mit ihr entspannte Aufmerksamkeitsübungen. D.h. ausreichender Abstand zum Weg, sie sitzt vor mir ab (angeleint) ich gehe rückwärts, Hund folgt, sitzt wieder ab und es folgt die Belohnung. Der Abstand zum Gehweg wird immer weiter verringert. Ist sie abgelenkt von einem anderen Hund, berühre ich sie locker am Hals um sie aus der Ablenkung rauszuholen, sie nimmt wieder Blickkontakt auf und das Spiel geht von vorne los, Abstand wird ggfs. wieder vergrößert.

    Türklingel ist bei uns nicht so ein Thema. Ich habe mit ihr geübt, dass sie nicht einfach zur Haustür rausprescht, wenn die geöffnet wird, egal obs klingelt oder nicht. Das ging relativ schnell, ich habe sie dann in ihr Körbchen geschickt oder im Flur abliegen lassen. Anleinen würde ich auch, wenn der Hund sich schlecht beruhigen lässt.

    Aus dem Auto darf sie nur auf Kommando. Anfangs wollte sie ungebremst aus der Box auf die Straße, ich habe mich direkt vor die Box gestellt, aufgemacht und sie an der Brust geblockt und absitzen lassen. Raus durfte sie erst, als sie ruhig war. Heute sitzt sie von alleine ab und wartet aufs Kommando.

    Bei uns ist es so, dass wir durch Leinenführigkeits- und Aufmerksamkeitstraining die meisten Erfolge haben, einfach, weil die typischen Ablenkungssituationen gar nicht mehr so wahrgenommen werden. Man trainiert quasi die Ursache und nicht die Symptome. Jogger und Radfahrer habe ich beispielsweise überhaupt nicht bewusst trainiert, mein Hund geht neben mir und das wars. Bei anfänglichen kleinen Aussetzern gabs ein "Nein" und hinter mich und zügig weiter gehen.

  • Hm, mal am Beispiel Ball: Stelle ich mich vor meinem Hund und spiele mit dem Ball, ohne dass sie ihn bekommt, dann lernt der Hund doch eher nur Frust ist Scheiße, oder? Wir haben in der Hundeschule gelernt, wie stark Frust den Hund belastet (Vergleich mit dem Stromstoß) und dass man deshalb Frust im Training sehr vorsichtig dosieren muss.

    hm... ich bin der Meinung, da hat euch eure Hundeschule ein wenig seltsames Zeug erzählt.
    Frust ist sowieso scheiße, Frust aushalten wird einem Hund wohl nie wirklich gefallen, egal wie sehr man das belohnt.
    Klar, wird er es irgendwann aushalten lernen, wenn er hinterher nen Keks bekommt... aber nur wegen eines Kekses wird es nicht unbedingt leichter.
    Mit einem Stromstoß würde ich Frust ehrlich gesagt auch garnicht in Verbindung bringen. Das Meideverhalten bei positiver Strafe ist meiner Beobachtung nach ein anderes als das bei negativer Strafe.

    Frust ist ganz eng an das Vorenthalten primärer Verstärker gebunden, weshalb die negative Strafe mitunter auch frustrierende Strafe genannt wird.
    Bleibt die Belohnung aus, entsteht Frust. Und Frust widerum steigert die Motivation, etwas anderes zu probieren, und sie steigert das Erregungslevel. Natürlich ist es für den Hund auch unangenehm und möchte vermieden werden, aber für die Aufregung ist das mMn eher nciht zuträglich, einen frustrierten Hund zu haben.
    Wenn meine Hündin frustriert, wird sich schonmal destruktiv - schmeißt Sachen um, zerbeißt beim Longieren das Absperrband oder hat beim Alleinebleiben auch schon Türe oder Tisch angenagt.

    Das was bei positiver Strafe geschieht, ist Meideverhalten.Meine Beobachtung ist, dass Strafe weniger Frust verursacht, aber das Lebewesen in seiner Bereitschaft, neues Verhalten zu zeigen, hemmt. der Hund wird vorsichtiger, eher passiv.

    Soviel dazu, für mich klingen die Erläuterungen nicht so richtig sinnvoll, weil ich eben gegenteiliges beobachtet und auch gelernt habe.


    ...
    zu den Impulskontrollübungen - da geht es mir wie @flying-paws. Auch wir haben Leinenführigkeit und ein Laufen im engen Radius als DIE IMPULSÜBUNG schlechthin. Meine Beobachtungen sind ebenfalls, dass meine Hunde dadurch in ihrer Erregung runterfahren.

    Weiterhin nutzen wir auch bei hoher Erregungslage Übungen beim Aussteigen aus dem Auto oder Verlassen der Wohnung.
    Meine Hunde müssen warten, wenn die Türe sich öffnet. Ich agiere dann aber völlig wortlos - kein Nein oder auch kein Markersignal. Wollen die Hunde gleich rausstürmen, geht die Türe sofort zu. Das wird solange durchexerziert, bis die Hunde sich selber mit ihrem ganzen Körper etwas zurücknehmen, zB indem sie sich setzen. Dann gibts aber auch kein schnelles Hör- oder Sichtzeichen, sondern eine gaaaanz langsame körpersprachliche wortlose Einladung, mir langsam(!) nach draußen zu folgen.


    Weiterhin finde ich es auch ziemlich wichtig für eine gute Impulskontrolle und wenig zusätzlicher Aufregung, dass ein "Nein" auch ein "Nein" ist.
    Wenn die Hunde etwas aufnehmen wollen vom Boden, dann dürfen die das auch nicht.
    Zur Belohnung gibt es maximal etwas von mir aus der Hand oder ich nehme das mit und gebe ihnen das erst viel später. Würde ich meinen Hunden dann doch erlauben, das auf dem Boden zu fressen, wäre da ja wieder eine Erwartungshaltung (Die Hunde erwarten von mir, dass ich das Futter freigebe). Die sollen das aber garnicht erst erwarten, weil durch die Erwartung auf den primären Verstärker der Frust steigt und damit wieder die Erregung.

    Für mich hängt das einfach ganz nah zusammen.

    Genauso bin ich inzwischen auch davon ab, wenn die Hunde etwas Jagen wollen, mit ihnen zur Belohnung zum Jagdobjekt zu gehen oder die Spur abschnüffeln zu lassen.
    Wenn wir etwas sehen, gibt es ein "Nein" und wir gehen einfach dran vorbei. Mich interessiert es nicht und ich will auch garnicht, dass die Hunde sich dann damit viel zu sehr beschäftigen. Es soll ihnen egal sein.

    Bei Besuch werden die Hunde auch sofort auf ihren Platz geschickt.
    Am Anfang war das immer so, da hab ich auch mal jemanden zum Klingeln abgestellt, bis die Hunde das verstanden hatten.
    Aber wichtiger noch ist das entspannt Warten können auf den Plätzen - zu Anfangs fernab von irgendwelchen Besuchern oder Leuten an der Türe - selbst wenn man den Raum verlässt.
    Wollten die Hunde aufstehen, wurden sie wortlos in ihrer Bewegung eingegrenzt. Wenn ich das auflöse, dann mit derselben langsamen Einladung wie an der Türe, um nicht gleich wieder zuviel Aufregung da rein zu bringen.
    Sehr oft werden sie aber auf ihren Plätzen mit Knabbersachen belohnt.
    Bevor es bei uns Futter gibt, werden die Hunde ebenfalls auf ihre Plätze geschickt und machen das deshalb sehr gerne. Freigabe gibts, wenn die Näpfe stehen und die Hunde nicht versuchen, dort eigenwillig hinzugehen.

  • Das Buch "Stressfrei über alle Hürden" kann ich sehr empfehlen. Es sieht zwar aus, als ginge es um Agility, aber das stimmt nicht.

  • Mir ist gestern eine Idee beim Gassi gehn gekommen, wie ich vllt mit meinem Hund seine Impulskontrolle üben könnte und wollte fragen was ihr davon haltet. Wir haben hauptsächlich Probleme mit Hunden und Katzen. Und da ist es schwierig eine Übungssituation zu konstruieren, wo ich sicher stellen kann, dass der andere Hund nicht zu nah ran kommt.
    Hier in der Nachbarschaft gibt es eine ruhige Seitenstraße, auf beiden Straßenseiten Grundstücke mit mindestens je einem kläffenden großen Hund drin, wenn wir dran vorbei gehn. Die Strecke ist vllt so 50 m lang und am allerliebsten würde meiner einfach mit ausrasten, reisst sich aber schon ganz prima zusammen. Noch nicht perfekt und weit entfernt tiefenentspannt aber er bemüht sich sehr. Meint ihr es würde etwas bringen, da öfters mit ihm lang zu gehn und zu üben? Mir ist klar dass mein Hund weiß, dass da ein Zaun dazwischen ist und er kennt die Strecke auch schon und wird schon 100 Meter vor besagten Gärten unruhig und wufft sich schon ein.
    Natürlich würde ich nicht 20 mal die Straße rauf und runter gehn, den Bewohnern zuliebe. Aber sonst meide ich die Straße immer wegen des Gekläffes.
    Ansonsten vllt noch die vorm Supermarkt angebundenen Hunde "missbrauchen"? Natürlich nur wenn man merkt, dass die selbst nicht eh schon Stress haben und auch entspannt bleiben.

  • Die angebundenen Hunde AUF KEINEN FALL. Das wäre echt *******!!


    Erst mal würde ich klein anfangen, entspannt an der Leine mit bekannten Hunden (wirklich entspannt, kein Ziehen etc!)

    Sehr gute Leinenführigkeit erarbeiten, in Anwesenheit bekannter Hunde, nebeneineinander gehen (Mensch dazwischen).

    Dann, an bekannten Hunden vorbeigehen, Mensch dazwischen.

    Und so weiter steigern. Unbekannte, ruhige Hunde usw....

    Ich würde ungern mit nem Hund am Zaun üben wollen, v.a. wenn der schon so pöbelt. An sowas gehe ich auch mit meinen 100% gelassenen Hund zügig und mit Abstand vorbei. Das ist einfach eine extrem unangenehme Situation, an die man sich auch nicht "gewöhnen" muss. Ich mag mich auch nicht an schreiende, mit Dosen werfende Menschen gewöhnen müssen, z.B.

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