Überforderung auf beiden Seiten..

  • Hallo ihr :hilfe:

    Ich würde gerne ein paar Gedanken zu einem Thema sammeln, das mich seit einigen Tagen mehr und mehr einnimmt. Es ist ein heikles Thema und der ein oder andere neigt wahrscheinlich dazu mir Vorwürfe machen zu wollen. Ich kann euch versichern, das tue ich selbst zu genüge und ich hoffe einfach das ich hier nicht verurteilt werde für meine Gedanken.

    Letztes Jahr im Dezember habe ich mich nach wochenlanger Vorbereitung und Zusammenarbeit mit dem hiesigen Tierheim dazu entschlossen eine Hündin aus dem Tierschutz bei mir aufzunehmen, die seit fast einem Jahr nicht vermittelt werden konnte obwohl sie nicht mal zu den besonders verhaltensauffälligen Hunden zählte. Die Hündin kommt aus dem Süden und hat dort mehr oder weniger selbstständig auf der Straße gehaust und wurde durch Futterstellen vom Tierschutz versorgt. Letztendlich blieb ihr die Tötungsstation nicht erspart und so kam sie über den Tierschutz wegen guter Vermittlungschancen nach Deutschland. Ihr Hauptproblem liegt darin mit der Umwelt klar zu kommen, sie hat Angst vor allem was laut ist, schnell ist, oder sich auf sie zubewegt. Sie wird nicht gerne gestreichelt und ist an vielen Körperstellen empfindlich, sie ist generell ein schreckhaftes Wesen. So wie ich sie kennen gelernt habe war das aber alles in einem händelbaren Maß. Als Fina bei mir einzog war ich sogar positiv überrascht, dass ihr Verhalten im Gegensatz zum Tierheim direkt am ersten Tag entspannter war. Nach einigen Tagen kippte das ganze dann ins Gegenteil. Von Beginn an bekomme ich Unterstützung von einer positiv arbeitenden Trainerin und auch wenn ich mich zurzeit am Rande meiner Kräfte fühle, kann man nicht leugnen, dass viele Fortschritte passiert sind. Allerdings sind wir längst auf keinem Level, das man als annähernd alltagstauglich beschreiben kann. Ich stehe morgens um 5 auf, damit wir draußen auch wirklich niemandem begegnen. Dasselbe gilt für spät abends um 0 Uhr. Und tagsüber.. Da müssen wir halt durch.. Wir wohnen am Ende einer Sackgasse und ich würde es durchaus als ruhig bezeichnen. Aber natürlich nicht vollkommen abgeschieden vom Rest der Welt, irgendjemandem begegnet man tagsüber immer, das lässt sich einfach nicht verhindern. Aber für den Hund ist das schon zu viel. Wenn es nach ihr ginge, würde sie den ganzen Tag in der Wohnung verbringen. Ich mache unheimlich viele Abstriche für den Hund, bin seit Wochen nicht mehr unter Leuten gewesen, mitnehmen kann ich Fina nicht und alleine bleiben kann sie auch noch nicht. Ich kann nicht mal kurz zum Einkaufen. Da bin ich auf meinen Partner angewiesen, der nur am Wochenende da ist und dann alles allein erledigen muss. Ich hab das Gefühl, mein Leben nicht mehr genießen zu können, weil ich mich für den Hund aufopfere, der zu allem Überfluss aber leider den Eindruck macht als wäre er bei mir nur noch unglücklich, als ginge es ihr wo anders besser. Neuerdings erschweren es uns die 10 Stufen vorm Haus zusätzlich. Fina läuft Treppen nur aufwärts, abwärts hat sie Angst und fiept und schreit sich die Seele aus dem Leib (Schmerzen hat sie keine, das wurde gecheckt). Also haben wir kurzerhand das hochheben positiv aufgebaut, damit ich sie tragen kann. Eine Weile ging das mal besser mal schlechter. Seit 3 Tagen aber möchte sie gar nicht mehr getragen werden. Ich würde ihr das wirklich gerne ersparen, aber sie muss ja raus, das lässt sich nun mal nicht ändern. Deswegen habe ich sie das ein oder andere Mal auch hochgehoben, wenn sie eindeutig vor mir zurück gewichen ist, weil sie sonst in die Wohnung gemacht hätte. Jetzt ist es logischerweise dadurch so, dass sie mir grundsätzlich ausweicht und in ihre sichere Box verschwindet, sobald ich mich fürs Gassigehen fertig mache. In der Box lasse ich sie auch wirklich in Ruhe. Irgendwann lege ich ihr dann eine Futterspur und wenn ich Glück habe, kommt sie raus und ich kann das hochheben nochmal probieren. Es ist unheimlich nervenraubend. Wir sind da mittlerweile wahrscheinlich alle gefühlsmäßig in einem Teufelskreis gefangen und finden den Ausgang nicht. Ich hab das Gefühl, dass ich das alles nicht mehr tragen kann, wenn sich nichts ändert. Mir kommen die Tränen wenn ich das schreibe, aber ich wäre so sehr erleichtert, wenn ich all diese Probleme nicht mehr hätte.. Ich habe das Ausmaß ihrer Defizite unterschätzt und bei all den stressigen Situationen ist mir jeder Spaß an dem Zusammenleben mit ihr vergangen... Ich würde das wirklich alles gerne in den Griff bekommen und ich frage mich auch, wer es stattdessen schaffen soll? Sie könnte wahrscheinlich nur auf einem vollkommen abgeschiedenen Grundstück von ihrem Stress runter kommen, und allein damit wäre es ja längst nicht getan. Aber wer soll ihr all das bieten? Ist ja nicht so, als würde sie einem zum Dank dafür um den Hals fallen. Soll sie von einem überforderten Halter zum nächsten gereicht werden? Ich sehe sie schon, wie sie letztendlich eingeschläfert wird, weil ihre Angst vielleicht in Aggression umgeschlagen ist.... Ich würde ihr so gerne ein besseres Leben bieten und würde auch weiterhin Abstriche für sie machen. Aber wenn sie von all dem überhaupt nichts hat?...
    An diesem Punkt höre ist mal auf zu schreiben, ich drehe mich sowieso nur im Kreis. Ich weiß auch gar nicht, was ich mir für Antworten erwarte, ich hoffe wohl einfach auf einen Strohhalm, der meine Gedanken sortiert und mir andere Sichtweisen ermöglicht.

  • Beim Lesen kam mir unweigerlich der Gedanke, dass Dein Verhalten, das Verhalten Deines Hundes widerspiegelt. Bitte entschuldige! Das ist der 1. Eindruck, den ich gewonnen habe.

    Du bemühst Dich sehr um Deinen Hund und wenn es Rückschritte gibt, fährst Du auf das Level vom Hund zurück. Was lernt der Hund dabei? Nichts! So kommst Du nicht weiter!

    Du hast einen Angsthund; ein Hund der nicht umweltsicher ist. Er wird nicht sicherer, wenn Du ihm ein "abgeschiedenes Grundstück" wünschen würdest, oder ihn in Watte packst und wieder 3 Stufen zurückfährst.

    Mache einfach mal weniger mit dem Hund und ziehe Dein Programm durch. Du entwickelst Dir für jedes Problem eine Strategie und führst die auch so aus. Nicht wieder umschwenken, zurückfahren. Der Hund muss Neues erlernen, damit er aus der Angst heraus kommt.

  • Ehrlich gesagt habe ich mehr Mitleid mit mir als mit ihr.. Mir fehlt nach den Monaten des täglichen Stress oft die Geduld und das Verständnis für sie kommt in stressigen Situationen zu kurz. Solche Gedanken wie "Och der arme Hund, was der alles erlebt hat" habe ich nicht. Das hatte ich nur, als ich am Tierheimzwinger vorbei gelaufen bin und sie gesehen habe.


    Du bemühst Dich sehr um Deinen Hund und wenn es Rückschritte gibt, fährst Du auf das Level vom Hund zurück. Was lernt der Hund dabei? Nichts! So kommst Du nicht weiter!

    Du hast einen Angsthund; ein Hund der nicht umweltsicher ist. Er wird nicht sicherer, wenn Du ihm ein "abgeschiedenes Grundstück" wünschen würdest, oder ihn in Watte packst und wieder 3 Stufen zurückfährst.

    Mache einfach mal weniger mit dem Hund und ziehe Dein Programm durch. Du entwickelst Dir für jedes Problem eine Strategie und führst die auch so aus. Nicht wieder umschwenken, zurückfahren. Der Hund muss Neues erlernen, damit er aus der Angst heraus kommt.

    Wie soll das denn aussehen? Ich kann sie doch nicht zwingen, wenn sie Angst hat. Dann lernt sie doch auch nur, dass sie sich auf mich nicht verlassen kann und dass ich ihre Grenzen überschreite. Wenn sie Angst hat ist das lernen doch eh blockiert.
    Was wäre denn dein Verhalten in Bezug auf die Treppen zum Beispiel?

  • Oje, tut mir sehr leid - für Euch beide.

    Aber Grinsekatze hat schon irgendwo recht. Alles wir offenbar schlimmer, je mehr Du runterfährst. Scheinbar spürt das Tier, dass was nicht stimmt, weil Du Dich so sorgst und grämst und seine Ängste wachsen. Es kann ja nicht kombinieren im Kopf, es ist kein Mensch.

    Ich beobachte ähnliches bei einer Nachbarin. Großer Hund aus dem Tierschutz. Neigt zur Aggression, hieß es. Also ist sie von Tag eins bis heute (über ein halbes Jahr später) nur noch eng angeleint unterwegs, wenn kein Mensch und kein Hund weit und breit zu sehen ist und sie sicher sein kann, dass ihnen niemand begegnet. Leine ab? Feilauf? Nie im Leben, traut sich die Halterin das. Sie schleicht geduckt und heimlich mit ihrem Hund, fast wie auf der Flucht. Und das Ende vom Lied ... ein Hund, der sofort die Krise kriegt, wenn er Hund oder Mensch sieht.

    Wo soll das enden frage ich mich?

    Ist Dir jetzt keine Hilfe, aber vielleicht versuchst Du mit einem fachkundigen Hundemenschen einen ganz neuen Plan aufzustellen?

  • dass ich ihre Grenzen überschreite

    Keine Ahnung wie das Training wirklich läuft, aber man muss mit solchen Hunden durchaus Grenzen überschreiten, damit sie eine Chance haben in unserer Zivilisation klar zu kommen. Vielleicht schützt Du sie tatsächlich zu viel. Das Training mit mit einem solchen Hund ist immer ein Drahtseilakt. Aber bei zu viel Vorsicht, kommt man auch nicht vorwärts.

    Ich persönlich hätte zum Beispiel schon längst das Alleinbleiben trainiert. Für den Hund wäre das eine wichtige Erfahrung und auch für Dich, damit Du Auszeiten von Deinem Hund bekommst.

  • Rasse lässt sich nicht festlegen, sie ist ein Alles-Mix :ops: mittelgroß.

    Es wird schlimmer je mehr ich runter fahre? Ich fahre gar nichts mehr runter. Anfangs habe ich ein paar stressfreie Rituale festgelegt, wie morgens und abends raus gehen, wenn uns niemand begegnet. Das ist auch so aufregend durch den Wind und Äste die sich bewegen. Das braucht sie aber auch, sonst kommt sie vom stressigen Mittagsgassi nicht wieder runter. Das Vorgehen bei einem ängstlichen Hund kann doch nicht wirklich Konfrontation sein? Ich sagte ja auch, dass einige Fortschritte passiert sind, aber wegen dem dauerhaften Stresslevel gibt es eben viele Rückschritte. Und darauf muss ich doch reagieren, statt den Hund einfach mitzuschleifen.
    Ein mal pro Woche treffe ich mich mit einer Trainerin. Zurzeit gehen wir dafür im Wald spazieren mit Schleppleine und üben Kontakte mit anderen Hunden. Es kommt vielleicht so rüber, ich hab ja auch nicht viel dazu gesagt wie unsere Woche sich gestaltet, aber Fina ist nicht ausschließlich zu Hause in ihrem Schneckenhaus gefangen.

  • Unsichere/ängstliche Hund brauchen sichere Menschen.

    Für mich hört es sich auch leider so an, als würdest du dich zu sehr am Hund orientieren.

    Der Hund hatte seinen Stempel ja schon weg und ich glaube, dass man dann oft gar nicht mehr unvoreingenommen an den Hund ran geht.

    Sicherlich ist es gut und richtig gewesen, sich vorher ausreichend Gedanken zu machen, ob man sich diesen Hund zutraut. Die Umwelt lässt sich ja nun leider nicht ausblenden und die Rahmenbedingungen müssen halt auch passen.
    Für mich wäre da ein Garten ein Muss gewesen, um dem Hund erst mal ein stabiles Kernrevier bieten zu können, bevor man von da aus dann in die weitere Umgebung geht.

    Was genau sind denn die Fortschritte, die ihr bisher erzielt habt?
    Wie sieht euer Trainingsplan denn aus, den die Trainerin euch vorgegeben hat?

    Ist der Hund zuhause denn entspannt und "normal". Wie ist sein Verhalten dir gegenüber?

    Wenn der Hund vorher auf der Straße aufgewachsen ist und dort gelebt hat, wird es sich wahrscheinlich ja nicht um ein Deprivationssyndrom handeln. Und der Hund wird da ja auch ausreichend Umwelt erlebt haben. schlechte wie gute Erfahrungen gemacht haben und sehr wahrscheinlich eher wenig Erfahrung mit Menschen und erst recht nicht, mit einem Menschen zu leben, begrenzt zu werden usw.

    Dennoch glaube ich, dass so ein Hund eigentlich gute Chancen hätte, sich auch hier an unsere Umwelt anzupassen.

    Das steht und fällt dann wahrscheinlich mit der Anleitung durch den Menschen.

    Du scheinst dich ja mehr und mehr zurück zu ziehen, weil du dem Hund nichts zumuten willst und Rücksicht nimmst.

    Ich denke, das wird einfach der falsche Weg sein.

    Was passiert denn, wenn du mit dem Hund draußen unterwegs bist? Wird sie panisch, ist innerlich auf der Flucht oder erstarrt sie eher?
    Was machst du dann?

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