Plötzliches großes Problem beim Straßenbahnfahren!

  • Hallo!
    Bei Janosch hat sich scheinbar über Nacht eine Problematik entwickelt, die mir einige Sorgen bereitet, und die ich mir absolut nicht erklären kann!
    Janosch ist jetzt 16 Monate alt und seit dem er seit seiner 9. Lebenswoche bei uns ist, habe ich ihn schrittweise daran gewöhnt mit mir in der Straßenbahn mitzufahren. Das war auch nie ein Problem, ich hatte zwar das Gefühl, dass er nie wirklich gerne mit der Straßenbahn gefahren ist, allerdings eher aus Langeweile. Er hat sich immer relativ unauffällig verhalten und konnte sich selbst in einer vollbesetzten Straßenbahn soweit entspannen, dass er regelmäßig eingeschlafen ist!
    Auch im weiteren alltäglichen Leben zeichnet er sich eher durch Nervenfestigkeit aus.
    Dichtgedrängte Menschenmassen, Hektik, laute Geräusche sind eigentlich nie ein Problem für ihn gewesen.
    Da ich ihn ja auch teilweise mit zur Uni nehme, ist er innerhalb des Semesters bestimmt 2-3 Mal in der Woche mit der Straßenbahn gefahren, in den Semeseterferien allerdings teilweise monatelang nicht.
    Das zur Vorgeschichte!
    Das eigentliche Problem fiel mir gestern auf.
    Ich saß mit ihm in einer Straßenbahn (in letzter Zeit sind wir recht selten gefahren!) und er war von Anfang an sehr hektisch, hat ständig um sich geschaut und war alles andere als entspannt.
    Wir saßen ziemlich nah an der Tür, und jedesmal wenn die Tür aufging, Fahrgäste ein- und ausstiegen, zog er den Kopf ein.
    Der "Super-GAU" ereignete sich, als der Fahrer kurz aus seiner Kabine ausstieg und seine Fahrertür zuknallen ließ (ein Geräusch, dass Janosch schon X-Mal gehört hat und bisher nie drauf reagiert hat!). Janosch sprang wie von der Tarantel gestochen in die Leine und wollte nur noch flüchten :shock:
    Er hat sich zwar nach einigen Sekungen wieder beruhigt, war aber die restliche Bahnfahrt über hoch gestresst und hat nur drauf gewartet, dass wir endlich aussteigen.
    Im Nachhinein habe ich mir natürlich das Hirn zermartert welchen Auslöser dieses Verhalten wohl hatte. Und genau das ist das Problem, es will mir einfach nichts einfallen!
    Er ist in letzter Zeit ausschliesslich mit mir Straßenbahn gefahren, und wie gesagt, bis gestern war er vollkommen unproblematisch, ich fühle mich ein bisschen wie vor den Kopf geschlagen, und kann das Alles noch nicht ganz einordnen.
    Um mir dieses Verhalten nochmal in Ruhe und vor Allem besser vorbereitet anzuschauen, bin ich mit ihm heute Morgen extra nochmal eine Station mit der Straßenbahn gefahren und habe folgende Beobachtungen gemacht:
    An der Straßenbahnhaltestelle ist er noch absolut locker, kommt dann die Straßenbahn um die Ecke beginnt der Streß für ihn, er wird zunehmend hektischer, und seine Rute, die normalerweise immer über den Rücken geschwungen ist wird relativ tief getragen, ohne sie einzuklemmen.
    Er steigt relativ unproblematisch mit ein und sobald man einen Platz gefunden hat, setzt er sich blitzschnell und ziemlich hektisch hin (liegt mit Sicherheit darin begründet, dass ich ihm von Anfang an beigebracht habe, sich in der Bahn zu setzen oder zu legen, und nicht herumzulaufen oder im Weg zu stehen!).
    Er macht insgesamt einen sehr unsicheren Eindruck, zittert teilweise und jeder zusteigende Fahrgast wird kritisch beäugt.
    Irgendwelche Fluchtversuche gab es heute nicht, allerdings sind wir heute ja auch nur eine Station gefahren, die Bahn war ziemlich leer und laute, knallende Geräusche gab es auch nicht!
    Sobald ich Anstalten mache auszusteigen, zieht er zur Tür, und bleibt dann fiepend, aber wieder mit hocherhobener Rute, vor der Tür stehen.
    Er ist zwar sehr gestresst, nimmt aber in jeder Situation noch Leckerchen an, darauf könnte man ja evtl. aufbauen!
    Frage ist jetzt, wie weiter verfahren?
    Wie schätzt ihr die Situation insgesamt ein?
    Wie sollte mein weiterer Trainingsaufbau aussehen, um ihm das Bahnfahren wieder "schmackhaft" zu machen?
    Die Bedingungen sind eigentlich ganz gut.
    Ich habe im Moment relativ viel Zeit, bin nicht darauf angewiesen Janosch längere Strecken in derr Bahn zu transportieren und habe eine Straßenbahnhaltestelle direkt vor der Tür, die in Stoßzeiten viermal in der Stunde angefahren wird!
    Puh...ist ja jetzt doch etwas länger geworden, ich hoffe ihr habt ein paar Anregungen für mich, denn im Moment bin ich noch etwas perplex, Janosch ist wirklich der letzte Hund, von dem ich so etwas erwartet hätte!

  • :winken: Das könnte eine Auswirkung der dritten - und damit letzten - Angstphase in der Entwicklung des Hundes sein. Bei großwüchsigen Hunden ist die meist erst in diesem Alter, bei kleineren geht das alles ein bisschen schneller.


    Ich würde mit dem Straßenbahnfahren jetzt einfach mal für zwei bis drei Wochen aussetzen - es total meiden - und dann nochmal in Ruhe testen. Wenn es wirklich diese Phase, ist er danach wie vorher - sozusagen :wink:


    Wäre mein Weg...


    Viele Grüße
    Corinna

  • Hallo Corinna :winken:


    Kannst Du ein bißchen mehr über diese Angstphasen schreiben ?
    Oder steht das schon irgendwo und ich habe das überlesen ?
    Ich lese Deine Artikel so gerne, da ist alles immer so super erklärt.


    Danke und schöne Grüße
    von
    Christine
    :)

  • Kann mich da Christine nur anschliessen.
    Du schreibst ja desöfteren über diese Angstphasen, dass hört sich auch Alles sehr schlüssig an, allerdings habe ich vorher, auch in entsprechender Fachliteratur, nie davon gehört.
    Wenn es eine Auswirkung dieser Angstphase wäre, müßte man das nicht in seinem Verhalten insgesamt merken, und nicht nur an einem isolierten Auslöser?
    Nach der Bahnfahrt waren wir nämlich in der Kasseler Innenstadt, da war Janosch dann wieder "wie immer", im größten Trubel absolut gelassen!
    Und irgendwie fällt es mir auch schwer zu glauben, obwohl es eine schöne Vorstellung ist :wink: , dass sich dieses Verhalten von ganz alleine wieder ändern soll?!
    Also, bitte noch ein bisschen mehr Input :wink:

  • *püh* Christine, Sowas lernt man in unserer Hundeschule :D Komm doch mal vorbei :lach:


    Angstphasen erkennt man häufig daran, dass der Hund - wie auch Björn so schön schreibt - "plötzlich" vor Dingen Angst hat, die vorher gar kein Thema waren.


    Ein eindrückliches Beispiel schilderte mir letzten Samstag jemand mit einem Drahthaar in der Welpengruppe. Der Hund ist jetzt ca. 4 Monate alt. Der Hund latscht - wie schon zig mal vorher - durch den Keller und bekommt plötzlich die Obkrise, weil dort das Schaukelpferd unter der Treppe steht. Das steht da zwar schon seit der Knirps eingezogen ist, aber jetzt plötzlich ist das Ding hoooooochgefährlich und muss böse verbellt und angeknurrt werden... weggaloppiert isses trotzdem nicht :wink:


    Zum Glück hat die Besitzerin richtig reagiert und kein Theater drum gemacht. Hingegangen ist er zwar nicht, aber immerhin hat er sein Warnbellen irgendwann eingestellt. Nächste Samstag erzählt sie mir ganz sicher, dass das Pferdchen kein Thema mehr ist :wink:


    Meist sind die Besitzer total überrumpelt und können das Verhalten überhaupt nicht verstehen - deshalb besprechen wir sowas bereits in der Welpengruppe, damit die Besitzer nicht auf den Hund eingehen.


    Sehr eindrücklich war für mich auch als Chill ihre Angstphasen hatte. Besonders Bobby - der sich tatsächlich nur mitaufregt, wenn es einen tatsächlichen Grund gibt - hat sie total links liegen lassen. Meine Hunde haben weder nachgeschaut was das Problem ist, noch haben sie versucht sie durch Beschwichtigungssignale oder ähnliches zu beruhigen, was bei "echten" Gründen durchaus stattfindet!


    Daran habe ich mich auch orientiert und halte das für einen guten Weg... meine Hunde wissen schließlich am besten, was man als Hund so tut :D


    Warum davon in der Literatur so wenig zu finden ist, verstehe ich auch nicht... ich denke, es wird zu oft vernachlässigt. Das bekomme ich auch immer wieder von Kunden mit, die in anderen Hundeschulen waren. Das einzige, was jeder kennt, ist die Pubertät... aber das Erwachsenwerden besteht ja aus weitaus mehr.


    Bei Menschenkindern kennt man auch so Phasen, in denen sie Angst haben... eine nennt man z.B. "Fremdeln"...


    Viele Grüße
    Corinna

  • Achja... es ist für eine solche Phase auch typisch, dass der Hund nur vor einigen Dingen Angst zeigt und nicht in genereller Angst verfällt.


    Wie gesagt - es ist eine Vermutung, weil die Beschreibung und das Alter darauf passt :wink:


    Viele Grüße
    Corinna

  • Also wäre dein Tipp, in keinster Weise auf seine Angst eingehen, auch nicht versuchen ihm das Straßenbahnfahren "schön" zu füttern?!

  • Genau. Und zusätzlich das Straßenbahnfahren aussetzen, wenn es geht. Ist es nämlich tatsächlich diese Phase, dann wird er nach wieder das Verhalten von vorher (also vor der Phase) zeigen.


    Oder andersrum: Mit einer Pause kannst Du derzeit nichts falsch machen. Mit dem Weiterfahren allerdings könntest Du das Problem verstärken, weil er dem Angstobjekt ja nicht entgehen kann.


    Chill hatte so eine Phase mal mit Autos. Ich habe dann auch eine Pause von mehreren Wochen gemacht und neu angesetzt.


    Vielleicht nochmal was zum Sinn dieser Phase: Es ist sozusagen die letzte Phase, in der sich Dinge einprägen, vor denen der Hund Zeit seines Lebens Angst haben sollte! Es ist sozusagen der letzte Schrritt vor dem Erwachsen werden - auf eigenen Beinen stehen - und da hat die Natur es eingerichtet, dass der Hund nocheinmal besonders empfänglich ist für solche Auslöser. Diese Vorsicht wäre im "natürlichen Leben" ziemlich wichtig, weil ein Tier, dass ein gesundes Maß an Vorsicht und Neugier hat, am besten leben kann und sich daher auch gut vermehren kann. Das ist sozusagen die Phase, in der man seinen Teenager ins Leben - auf die eigenen Füße schubst. :wink:


    Die erste Angstphase liegt übrigens in einer Zeit, in der die Welpen ihre Zuhause zunehmend verlassen und die Umwelt erkunden... auch in dieser Zeit ist Vorsicht lebenserhaltender als zuviel Mut :wink:


    Viele Grüße
    Corinna

  • OK, danke für deine Hilfe!
    Vielleicht mach ich mir da im Moment auch einfach zu viele Gedanken, aber mit Emma (ok, der Vergleich hinkt ein bisschen, Emma war nie ein ausgeglichener Hund, ihre Sozialisation ist viollkommen fraglich und ich hab sie ja auch erst mit 10 Monaten bekommen) ist es mir ja ähnlich ergangen.
    Anfangs vollkommen problemlos, dann mit etwa 1 Jahr hat sie vollkommen "grundlos" eine Panik vor Markisen etc, entwickelt, die sich soweit ausgeweitet hat, dass ich heute mit ihr, trotz Hundetrainer, intensiver Auseinandersetzung mit ihrer Problematik etc., keine Innenstadt mehr betreten kann, obwohl sie sich einigermaßen gefestigt hat.
    Und das ist eigentlich meine absolute Horrorvorstellung, dass mir das mit Janosch genauso ergeht!
    EDIT:
    Passt ja eigentlich ganz gut:
    Du schreibst, dass der Sinn dieser Phase darin besteht, sich einzuprägen vor was Hund Zeit seines Lebens Angst macht.
    Könnte das nicht bei Emma so gewesen sein, und könnte mir das Gleiche nicht auch mit Janosch passieren?[/quote]

  • Mal eine kleine moralische Stütze in dieser Hinsicht:


    So ähnlich hatte ich es mit Chill auch... Im Hinterkopf war ja immer Teak - ein Hund, der die Angst mit jeder Faser des Körpers spürte und ausdrückte. Da fällt es zuweilen schwer in solchen Phasen gelassen zu bleiben. Die eigene Angst, noch so ein Nervenbündel und Dauerangsthasen zu bekommen, sitzt einem ziemlich im Nacken. Ich musste mich in dieser Zeit auch oft selbst zurechtweisen und mir immer wieder sagen: Immer cool bleiben - Chill ist NICHT Teak! Und alles wird gut!


    Hat funktioniert! Alles ist gut geworden. So gut, dass ich gaaaaanz stolz drauf bin! :freude:


    Viele Grüße
    Corinna

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