Wie 'zähme' ich einen mega-scheuen Straßenhund?

  • Ich würde den Hund im Zwinger lassen, vorausgesetzt dieser ist witterungsfest, trocken, warm genug und sauber. Ich würde den Hund nicht aus der Hand füttern, sondern eine todlangweilige Futterroutine einführen. Das heißt, immer zur gleichen Zeit füttern, immer auf die gleiche Weise. Ich würde die Gesamtration auf vier oder fünf Portionen aufteilen und über den Tag verteilt geben, wenn das zeitlich machbar ist. So hat der Hund viele positive Verknüpfungspunkte. Handfütterung ist im Prinzip eine gute Sache, kann aber auch kontraproduktiv sein, wenn man einen Hund dadurch existenziell abhängig macht und zu Körperkontakt zwingt, den er eventuell kaum ertragen kann.


    Ich würde mich mit einem Buch und einer Decke in den Zwinger setzen und lesen. So lange, bis der Hund meine Anwesenheit vollkommen gelassen erträgt und nicht mehr zurückweicht, nicht mehr erschrickt. Dann würde ich mit Handfütterung anfangen (aber auch keinesfalls die ganze Ration, sondern nur einen Teil davon). Wenn der Hund ruhig und ohne zurückzuweichen das Futter annimmt, würde ich beginnen, ihn zu berühren. Wenn sich der Hund anfassen lässt, würde ich ein Sicherheitsgeschirr dranmachen und vorerst dran lassen (Leine und Geschirr im/am Zwinger hängen zu lassen, ist eine gute Idee). Ein Halsband ist definitiv nicht ausreichend!


    Wenn man so weit ist, kann man anfangen, mit dem Hund raus zu gehen (minutenweise!) oder ihn stundenweise mit ins Haus zu nehmen, wenn dort überhaupt kein Trouble ist. Keine Besucher, keine Kinder, kein laufender Fernseher. Wenn das alles klappt, würde ich den Zwinger schrittweise abbauen. D.h. den Hund immer länger im Haus behalten und mit der Reinlichkeitserziehung anfangen. Zu dem Zeitpunkt kann man auch erste Regeln durchsetzen. Kontakt mit Besuchern würde ich erst aufbauen, wenn der Hund mir gegenüber so viel Vertrauen aufgebaut hat, dass ich ihm in der Situation Sicherheit geben kann.


    Ich würde den Hund am Anfang überhaupt nicht korrigieren, egal, was er tut. Ein so ängstlicher Hund wird sehr wahrscheinlich nicht einfach aufs Sofa springen, sondern sich eine ruhige Ecke unterm Schreibtisch suchen o.ä. Er wird nichts ankauen, nichts kaputt machen, nicht bellen, wenn er alleine ist. Solche Hunde versuchen, sich unsichtbar zu machen. Echtes Fehlverhalten tritt normalerweise nicht auf, das kommt (wenn überhaupt) erst viel später. Es kann sinnvoll sein, einen höhlenartigen Rückzugsort an einer ruhigen Stelle einzurichten (z.B. eine offene Transportbox, die kann bei Tierschutz-Hunden aber auch angstbesetzt sein).


    Eine Freundin von mir hat die ganze Geschichte mit ihrer Angsthündin durch... es ist sechs Jahre her und der Hund ist immer noch sehr zurückhaltend gegenüber komplett Fremden und weicht aus, allerdings in akzeptablem Maße. Sie wird sich nie über Besucher freuen und nie stadttauglich sein. Das, was du dir da vorgenommen hast, ist ein Langzeitprojekt dessen Erfolg maßgeblich davon abhängt, wie du selbst mit der Situation umgehst. Ich finde, dein Bauchgefühl klingt vernünftig. Der Hund braucht im Moment kein Gassi und kein Spielzeug oder sonstwas. Der braucht nur absolute Verlässlichkeit, Souveränität und massenhaft Geduld.


    Ein anderer Hund könnte helfen und Trainingsschritte beschleunigen. Es sollte aber ein äußerst gut (auf Hunde & Menschen) sozialisierter Hund sein, der charakterlich ruhig und ausgeglichen ist.

  • Also ich sehe das jetzt nicht so schlimm wenn er erstmal nur ein Halsband trägt, die TS will ja vorerst nicht mit dem Hund auf die Straße und so kann er sich im Zwinger daran gewöhnen überhaupt irgendwas am Körper zu tragen, falls er das nicht schon kennen gelernt hat.


    Mich würde aber schon interessieren, wie er zur TS kam. Da muss er doch auch an der Leine gekommen sein, der wurde ja bestimmt nicht in einer Box vorbei gebracht. Also hatte er da vermutlich schon das Geschirr an und sollte es ja kennen, in dem Fall könnte es ja eventuell auch am fehlendem Vertrauen liegen? :???:

  • Also Leute - mal ganz gemach. Noch mal lesen: Dieser Zustand des Tieres wurde mir von der vermittelnden Organisation vorenthalten!


    Ich wollte ein Tier aufnehmen, welches mir als ein wenig scheu, aber sehr liebenswert beschrieben wurde. Und sie ist KEIN Angsthund! Sondern eine Straßenhündin, die dort von Hundefängern in ein Shelter gesperrt wurde (Tötung innerhalb 30 Tagen), von sogenannten Tierschützern gerettet, 5 Monate in einem TS-Camp gehalten wurde, ohne viel menschlichen Kontakt (nur Massenfütterung) und dann auf entsprechenden Internetseiten zur Vermittlung stand. Was ich heute weiß: sie ist eigentlich gar nicht vermittelbar. Vermutlich auf der Straße geboren, nie eine menschliche Hand gespürt, die sie streichelt usw,usw. Das wusste ich aber vorher nicht! Was soll ich jetzt machen? Sie zurückschicken, oder was?


    Im Zwinger wird sie nur zu ihrer eigenen Sicherheit, und auch nur vorübergehend gehalten, solange bis sie an der Leine mit mir zusammen da raus geht.


    Ach und Entschuldigung, liebes Schnuffeltuch, dass ich hoffte hier einfach noch ein bisschen mehr Input zu erhalten. Weil auch unter Profis gibt es in diesem Fall sehr unterschiedliche Meinungen.


    Oder wofür sind solche Foren hier überhaupt sonst nützlich?

  • Zitat

    Also Leute - mal ganz gemach. Noch mal lesen: Dieser Zustand des Tieres wurde mir von der vermittelnden Organisation vorenthalten!


    Ich wollte ein Tier aufnehmen, welches mir als ein wenig scheu, aber sehr liebenswert beschrieben wurde. Und sie ist KEIN Angsthund! Sondern eine Straßenhündin, die dort von Hundefängern in ein Shelter gesperrt wurde (Tötung innerhalb 30 Tagen), von sogenannten Tierschützern gerettet, 5 Monate in einem TS-Camp gehalten wurde, ohne viel menschlichen Kontakt (nur Massenfütterung) und dann auf entsprechenden Internetseiten zur Vermittlung stand. Was ich heute weiß: sie ist eigentlich gar nicht vermittelbar. Vermutlich auf der Straße geboren, nie eine menschliche Hand gespürt, die sie streichelt usw,usw. Das wusste ich aber vorher nicht! Was soll ich jetzt machen? Sie zurückschicken, oder was?


    Ja, aber das ist doch das, worüber wie uns aufregen (bzw. ich mich - will da nicht für andere sprechen)! Es ist für das Tier ganz großer Mist und es ist auch für dich total blöd.
    Und nicht zuletzt sind solche Geschichten Wasser auf die Mühlen der Gegner von Auslandsvermittlungen.


    Wie definierst du denn Angsthund? Also, der Begriff "mega-scheu" und deine Beschreibungen klingen schon danach, finde ich. :???:


    Tja, was sollst du machen... ich kann dir nur sagen, was ich machen würde. Ich würde dem Verein die Hölle heiß machen und zusehen, dass sie Hündin zu jemandem kommt, der ihr ein gutes Leben bieten kann.
    Ich finde es toll, dass du mit ihr arbeiten willst und Geduld hast, aber so, wie du das beschreibst, ist das doch kein Hundeleben. Sei mir nicht böse, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du sie so schnell therapieren kannst, dass sie bei dir als Einzelhund ein ausgefülltes Hundeleben führen kann.


    Vielleicht schätze ich die Situation auch falsch ein und es ist nicht so schlimm. Aber in all den Jahren und vielen, vielen Tierschutzhunden habe ich nie davon gehört, dass ein Hund so scheu war, dass er im Zwinger gehalten werden muss. Also, das muss doch irgendwie schlimm sein, sonst wäre sie ja bei dir im Haus.

  • Danke für dein ausführlichen Tipps Sjerri,


    die Hündin ist mega-misstrauisch - nicht ängstlich. Sie schreddert gerne Sachen und HAT bereits auf meinem Sofa gelegen - aber das ist eine andere, sehr lange Geschichte.


    Ich sitze schon stundenlang bei ihr und lese. Und ich kann sie ja mittlerweile auch schon streicheln. Sie lässt immer mehr Nähe zu. Allerdings bin immer ich es, die sich ihr nährt. Vielleicht sollte ich sie eher ignorieren um zu schauen, ob sie sich mal von alleine nähert.


    Mit einem anderen Hund versuchen wir sie gerade immer mal wieder kurz zu vergesellschaften - ein älterer, ruhiger, souveräner Rüde. Erst fand sie ihn doof - wird aber langsam besser.


    Transport-Box haben wir vor kurzen raus genommen, weil sie der Erfahrung mache sollte, dass ihr ohne die Box auch nichts passiert (sie ist da immer sofort rein, sobald ich den Zwinger betrat). Der Zwinger ist übrigens sehr o.k. - warm, trocken, + Außenbereich.

  • CreamCake, sie wurde mir ungesichert, also ohne Geschirr oder Halsband, auf einer Autobahnraststätte vom Transportkäfig in meine Box 'gekippt'...


    Und im Übrigen MACHE ich diesem Verein die Hölle heiß! Da sind wir gerade dabei, Fusselnase.
    Und - sie WIRD hier bei uns ein schönes Leben bekommen, und nirgendwo anders. 2 nette Meschen, 2 tolle Katzen (die sie auch schon mag) und 1 Hund ist doch auch ein kleines Rudel. Sie muss nur noch ihr Misstrauen verlieren...

  • Zitat

    CreamCake, sie wurde mir ungesichert, also ohne Geschirr oder Halsband, auf einer Autobahnraststätte vom Transportkäfig in meine Box 'gekippt'...


    Und im Übrigen MACHE ich diesem Verein die Hölle heiß! Da sind wir gerade dabei, Fusselnase.
    Und - sie WIRD hier bei uns ein schönes Leben bekommen, und nirgendwo anders. 2 nette Meschen, 2 tolle Katzen (die sie auch schon mag) und 1 Hund ist doch auch ein kleines Rudel. Sie muss nur noch ihr Misstrauen verlieren...


    Ich verstehe aber trotzdem nicht, warum darf sie nicht ins Haus? Wenn sie "nur" misstrauisch ist, ließe sich das doch sicher beheben, wenn sie ins Haus darf und da dann ruhig ungestört liegen an einem Ort, wo ihr selten hingeht. So gewöhnt sie sich durch die Geräusche etc. doch viel besser an Euch, als wenn Du vor und nach der Arbeit mal im Zwinger bei Ihr vorbeischaust.


    Falls sie viel kaputt macht oder es mit den Katzen nicht klappt, würde ich einen Bereich für den Hund abteilen mit einem Kindergitter. Aber wie soll sie die Scheu verlieren, wenn sie die meiste Zeit allein ist?

  • Ich werf mal ein: Hast du es schonmal mit einem Halsband versucht?




    Halsband hat sie drum - ist aber auch genau so schnell wieder runter wie ich es drauf bekommen habe. Einmal kurz Rückwärtsgang einlegen und der Hund ist weg...

  • Zitat

    CreamCake, weil ich nicht mit ihr Gassi gehen kann...?



    das ist jetzt nicht dein ernst, oder????? du sperrst einen hund in den zwinger, weil du nicht mit ihm gassigehen kannst? von welcher orga kommt der hund?

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