Belohnungen muss man "auftrainieren"

  • Also, so ganz check ich das noch nicht, ehrlich gesagt.
    Belohnung abwerten leuchtet mir ein. Mein Hund kann Käse noch so toll finden, wenn gleichzeitig mit dem Käse immer was Unangenehmes kommt, findet er Käse irgendwann nicht mehr toll.
    Aufwerten insofern, dass ich den Hund danach suchen lasse oder hinterher rennen - denn das jagen dürfen an sich ist ja auch schon Belohnung - leuchtet mir auch ein.


    Aber ich tu mich schwer mit dem Beispiel: Keks + buddeln. Gut, der Hund findet dann Kekse toll, weil er ja hinterher buddeln darf. Aber wertet das wirklich den Keks auf? Was ist, wenn er nach dem Keks dann nicht mehr buddeln darf?


    Ich nehm jetzt mal als Beispiel den Rückruf. Da ruf ich den Hund ab aus Situationen, die für ihn super sind und besser als jede Belohnung von mir. Wenn er kommt, gibt es ein Stück Käse und danach darf er weiter rennen und spielen. Das mach ich aber nicht, weil ich den Käse "aufwerten" will, sondern weil ich logisch finde: wenn der Hund lernt, wenn Frauchen mich ruft und ich renn dahin, dann ist immer jeder Spaß vorbei und es gibt nur ein olles Stück Käse als Entschädigung, dann kommt der Hund irgendwann vielleicht nicht mehr, weil ihm das Spielen dann doch wichtiger ist als der Käse.


    Aber damit werte ich doch den Käse nicht auf? Sondern der Hund lernt einfach: auf Frauchen hören ist toll. Ich krieg lecker Käse und weiter spielen darf ich auch noch.


    Versteht jemand, was ich mein?

  • Zitat

    Verstehe ich nicht,warum nimmt man dann nicht gleich das Objekt als Belohnung,welches den Hund mehr reizt, anstatt das reizlose mit dem reizvollen aufzupeppen? Irgendwie finde ich das ein bisschen arg manipulativ.


    Weil man, wie schon oft gesagt, nicht unbedingt ein Belohnungsobjekt findet, welches den Hund mehr reizt als Hasen hetzen z. Bsp. Natürlich ist es besser, wenn man mit einem schon von Anfang an hochwertigen Objekt arbeitet, um eine Topp-Belohnung draus zu machen - damit hat man die besseren Chancen.


    Manche arbeiten mit dem System wohl auch ganz bewusst für moderate Verstärker, aber da bin ich nicht so der Profi.


    Natürlich ist das manipulativ, aber das ist jede Art von Belohnung oder Bestrafung - ich will doch damit immer den Hund manipulieren, sein Verhalten zu ändern.

  • Zitat


    Aber damit werte ich doch den Käse nicht auf? Sondern der Hund lernt einfach: auf Frauchen hören ist toll. Ich krieg lecker Käse und weiter spielen darf ich auch noch.


    Doch, ganz genau das tust du. Der Käse wird durch die positive Verknüpfung noch leckerer. Dasselbe passiert mit dem Click beim Clickertraining: der anfangs neutrale Click wird aufgewertet durch das, was danach folgt, und wird selber erstrebenswert.


    Aber: das ist nicht von Dauer, man kann nicht irgendwann niemals mehr eine Belohnung folgen lassen, und der Hund findet den Click bis ans Lebensende obertoll. Der Käse hat als primärer Verstärker da eine deutlich stärkere Startposition. Aber wie du selber schreibst: wenn man ihn negativ verknüpft, wird er irgendwann nicht mehr so begehrenswert sein.


    Es geht aber beim aufwerten/auftrainieren von Belohnungen noch um mehr als darum, nach einem mediokren Bestärker noch was supertolles folgen zu lassen, sonst wären wir bei den hochwertigen Bestärkern schnell am Ende der Fahnenstange. Ich kann ja da nicht immer einen Hasen zum hetzen lassen hervorzaubern. Es geht um die neuronalen Verknüpfungen, die bei Erfolgserlebnissen gebildet werden. Vereinfacht gesagt an einem Beispiel: mein Hund hat Jagderfolg beim kontrolliert Bällchen (oder wasauchimmer) hetzen lassen. Wieder, und wieder, wenn er sich an die Spielregeln hält. Damit wird Bällchen hetzen immer attraktiver, was vorher auf neuronaler Ebene eine Nebenstrasse war, kann zur Hauptstrasse werden. Der Ball gewinnt immer mehr al Wertigkeit als Belohnung. Wenn ich gleichzeitig zuverlässig jede Hasenhatz im Ansatz ersticken kann, der Hund dort also Null Erfolg verbucht, werden zu dieser Handlungsoption keine neuen neuronalen Verknüpfungen gebildet. Die Wertigkeit des Hasen stagniert und nimmt mit der Zeit ab. Die des Balles toppt den Hasen mit der Zeit, genährt durch die Erfolgserlebnisse.


    Das ist wie gesagt eine stark vergröbernde Darstellung des Prinzips. Ob und wie das mit dem individuellen Hund funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab. Aber man kann durch viele starke damit verknüpfte Erfolgserlebnisse eine Belohnung deutlich aufwerten mit der Zeit.

  • naijra: Danke für die Antwort :smile:


    Genau das meinte ich auch so irgendwie. Der Käse wird zwar toller, aber nicht für immer. Wenn ich irgendwann das Tolle, was auf den Käse folgt, weglasse, kapiert der Hund das ja nach einer Weile. Und dann ist der Käse auch nicht mehr so toll. Ich muss doch dann zeitlebens - zwar nicht immer, aber immer mal wieder - auf den Käse das Tolle folgen lassen.


    Warum nehm ich dann nicht gleich nur den Käse (wenn der ausreicht als Belohnung)?e


    Und ich gestehe: ich clicker nicht, das war für mich auch immer schon "doppeltgemoppelt".

  • Zitat

    Warum nehm ich dann nicht gleich nur den Käse (wenn der ausreicht als Belohnung)?e


    Weil der evt. doch nicht ausreicht als Belohnun?


    Für den Alltag mit Sitz und Fuss mache ich mir da auch keinen Kopf - da reicht Käse oder Wurst völlig. Und wenn die nebenbei mit der Zeit noch wertvoller werden, umso besser. Aber was mache ich, wenn der Hund lieber jagen geht als Käse abholt?

  • Zitat


    Weil der evt. doch nicht ausreicht als Belohnun?


    Für den Alltag mit Sitz und Fuss mache ich mir da auch keinen Kopf - da reicht Käse oder Wurst völlig. Und wenn die nebenbei mit der Zeit noch wertvoller werden, umso besser. Aber was mache ich, wenn der Hund lieber jagen geht als Käse abholt?


    Dann mache ich das, was Du ja schon beschrieben hast. Den Hund was erlaubtes jagen lassen plus Erfolgserlebnis immer. Und bei der Hasenjagd stoppe ich ihn immer.


    Lernt dann der Hund nicht auch ohne den Zwischenschritt "Käse", dass Hasen jagen für ihn nichts bringt, aber Spielzeug jagen toll ist?

  • Hey



    So ist es.


    Man muss nur dran glauben.


    Hunde sind ja nicht dumm.


    Zu glauben, man könnte die liebste aller Beschäftigungen des Hundes mit einer angeblich „auftrainierten Belohnung“ noch toppen, hat schon was.


    Der sogenannte Ruhestörer in einer Gruppe bekommt eine Gutschrift, wenn er eine Zeit lang nicht stört, wenn es funktioniert wird, es ausgebaut und irgendwann braucht man diese Belohnung nicht mehr, so die Idee.


    Nur womit haben wir es hier zutun?


    Mit Motivationen, die Belohnung muss schon höherwertig sein, als die selbstbelohnende Störerei die Aufmerksamkeit bringt, nur dann kann sie auch wirken.
    D. h., nicht die Belohnung selbst, sondern die Motivation ergibt sich aus der Erwartungshaltung, denn der Störenfried muss selbst entscheiden, welche der Belohnungen für ihn höherwertig ist, die direkte oder die aufgeschobene Belohnung, das motiviert ihn zum Handeln.
    Nicht anders verhält es sich bei Hunden, die müssen auch eine Entscheidung treffen, nur wie sie das tun, entzieht sich uns.
    Wir dürfen nicht vergessen, Erziehung ist ein sehr komplexer Prozess, es fließen immer auch Erfahrungen in das Verhalten mit ein, die der Hund dabei gemacht hat, die wir Menschen nicht alle und immer auf dem Schirm haben.


    Zum Klickern, doppelt gemoppelt kann man nicht sagen, denn wir haben es ja nicht immer nur mit Konditionierung zu tun, Kognition kann auch eine Rolle spielen.


    In der Einführungsphase ist es „klassische Konditionierung“ der neutrale Reiz das Klicken wird verstärkt.


    Danach sollte eigentlich das Shapen erfolgen, das eine kognitive Leistung ist, da der Hund etwas von sich aus anbieten sollte. Dann sagt der Klick richtig gemacht, die Vorfreude auf ein Leckerli ist geweckt, das ist die Erwartungshaltung und die Belohnung folgt darauf. "Nach dem Motto, Vorfreude ist die schönste Freude."


    Das Ziel der intrinsischen Motivation des Klickerns ist für kognitive Leistungen nicht zu unterschätzen, das macht schon Sinn.


    Natürlich hast du auch nicht ganz unrecht, wenn du sagst, der Klicker und Belohnung ist doppelt gemoppelt, nämlich dann, wenn man die Idee des Klickers zweckentfremdet und ihn für die Alltagserziehung verwendet, z. B. Sitz/Platz/Fuß usw.



    Der wahre Egoist kooperiert.

  • Natürlich geht es um die Motivation des Hundes. Aber die ist in einem gewissen Rahmen verändrbar, und das kann man gezielt ausnutzen. Wenn der Hund mit der Zeit immer motivierter ist, einen Ball oder wasauchimmer zu erbeuten, dann hat diese Belohnung für den Hund eine höhere Wertigkeit erlangt als vorher. Mit Glauben hat das wenig zu tun.


    Dass noch andere Dinge zur aktuellen Motivationslage des Hundes beitragen, hat hier niemand bestritten. Der Focus in diesem Thread liegt aber auf der Erfahrung, dass sich die Wertigkeit einer Belohnung für den Hund, ihre Stellung in der "Hitliste", verändern kann, und dass man solche Veränderungen gezielt trainieren kann.

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