Hund trotz viel Arbeit!
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paul,
um dir mal einen Einblick zu geben: ich habe seit 2 ½ Monaten einen Welpen, der mich zur Arbeit begleitet. Sie ist mein 4. Hund, Erfahrung ist also vorhanden.
Was sie konnte, als ich sie bekommen habe: süß gucken.
Was sie bis jetzt gelernt hat: das Geschirr zu tolerieren, an der Leine bzw. draußen überhaupt zu laufen und sich nicht alle drei Meter hinzusetzen. Stubenrein zu werden (das bedeutet über Wochen, wenn du Pech hast auch nachts: alle zwei Stunden zum Lösen raus). Beißhemmung aufzubauen, damit die eigenen und fremde Hände nicht von Kratzern übersät sind. Anstelle von Möbeln, Fußleisten, Schuhen usw. nur Knochen anzunagen. Baden, wenn der Hund sich eingesaut hat, und sich untersuchen zu lassen (Pfoten, Ohren, auf den Rücken drehen). Sich bürsten zu lassen. In ganz kleinen Schritten alles kennen zu lernen, was er später problemlos mitmachen soll: Besuche bei Fremden und beim Tierarzt, ruhig liegen zu bleiben, wenn um sie herum Trubel herrscht, im Restaurant zu sein, Auto- und Straßenbahn fahren, richtiger Umgang mit Kindern, „komisch wirkenden Menschen“ (Betrunkene, laute Menschen, Menschen auf Krücken etc), Pferden, Katzen, Kleingetier bis hin zu Rasenmähern und aufspannenden Regenschirmen. Freilauf (erst an der Schleppleine) und Rückruf. Jagdverhalten umlenken/ ausbremsen. Zudem musste sie lernen, dass am Arbeitsplatz Sendepause für sie herrscht, dass das Bett und das Essen vom Tisch nicht für sie bestimmt sind und dass der gefüllte Napf erst nach einem „O.k.“ für sie freigegeben ist. Außerdem gehen wir einmal pro Woche in eine Hundeschule. Nicht nur, damit ich weiter lerne, sondern damit sie den richtigen Umgang mit gleichaltrigen/ älteren/ kleineren/ größeren/ruhigeren/ wilden/ aggressiven/zurückhaltenden Hunden lernt und weiß, wann sie sich durchsetzen muss und wann sie besser die Klappe hält und sich zurückzieht.
Daneben Kommandos: „Decke“, damit der Hund auf seinen Platz geht, „Aus“, damit er vom Stein über Schnecken, Kaugummis bis hin zum Inhalt des Mülleimers nicht Welpen typisch alles inhaliert, was ihr über den Weg läuft. „Fuß“, damit man beim Spaziergang nicht ständig über die Leine fliegt oder einen zerrenden Hund vor sich hat. „Sitz, Platz, Bleib“ – direkt neben dir und auf Entfernung. „Schau“, damit der Hund dich ansieht, wenn er abgelenkt ist. „Nein“, um dumme Ideen von vornherein auszubremsen. „Hier“, um den Hund heranzurufen, ruhig an anderen Menschen und Hunden vorbeilaufen, ohne dass er dir in die Leine springt und (abgeleint) erst auf dein O.k. spielt oder Gas gibt. Zudem kann mein Hund, wie viele, nicht von alleine runterfahren. Wenn sein Kopf einmal auf Party- Modus steht, kommt er von alleine nicht wieder zur Ruhe. Auch das muss man einem Hund (besonders einem Welpen, der viel Schlaf braucht) mit viel Geduld beibringen.
Das Alleinsein bauen wir immer noch auf. Es gibt Hunde, die es schnell können und Hunde, bei denen es dauert. Fakt ist: wenn dir ein Hund die Bude in deiner Abwesenheit zerlegt und bellt, ist er nicht unerzogen, sondern gestresst und lenkt sich ab. Heißt also, dass du dafür sorgen musst, dass der Hund entspannt und kapiert, dass du immer wieder zu ihm zurück kommst. Das braucht Zeit, Geduld und Konsequenz – beginnend vom Wechseln des Raumes über das minutenweise Verlassen der Wohnung, das sich langsam steigert.
Was die Familie anbelangt: Das funktioniert nur, wenn ihr euch absolut einig über die Erziehung seid. Mein letzter Hund konnte umschalten zwischen „Familie“ (dort habe ich das Kommando) und mir (Finja hat das Sagen). Mein jetziger kann es nicht und nach ein paar Stunden Hundeparadies („Ich darf alles“) habe ich erst einmal einen Tanz mit ihr zu absolvieren.
Stichwort Zeit: es reicht, je nach Charakter bzw. Rasse nicht, mit dem Hund zu laufen oder zu toben. Wenn du dir, so wie ich, einen Hund angelst, der sehr aufgeweckt und clever ist, muss der Kopf beschäftigt und gefordert werden. Nach einem 8 Stunden Tag, den sie mit Spaziergängen und kleinen Übungen vorher und währenddessen ruhig durchschläft, muss meine Kleine beschäftigt werden – sonst habe ich abends einen aufgedrehten Kotzbrocken in der Wohnung, der sich selbst Beschäftigung sucht. Heißt: Kommandos üben, Suchspiele, Neues einüben.
Mag sein, dass dir das alles sehr viel, vielleicht zu viel erscheint. Die Frage ist, was du erwartest. Wenn du (wie ich) einen gut sozialisierten Hund haben willst, der dich auch im Job den ganzen Tag über problemlos begleitet, wirst du eine Menge Zeit, Geduld und Nerven investieren müssen. Je einfühlsamer, vorausschauender und konsequenter du bist, desto besser wird sich dein Hund führen lassen. Ich bin auch selbständig und habe meinen Tagesablauf zugunsten der kleinen Maus gewaltig umkrempeln müssen. Kein Vergleich zu den Erinnerungen, die ich an die vielen Jahre mit meinen kürzlich verstorbenen Jagdhund- Mix hatte. Aber bis Mensch und Hund so gut wie er und ich als Team funktionieren, ist es eben ein langer Weg, dessen steinige Phasen man, wie auch ich in den letzten Wochen immer wieder feststelle, rückblickend gerne vergisst.
Gruß Finja
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