Schutz- und Wachtrieb

  • Mit pflichtbewusst meinte ich den Hund.

    Mir fällt auf das Du nach Erfahrungen und Einschätzungen fragst, bei Deinen Antworten aber sehr in die Defensive gehst. Auf Schilderungen von Erfahrungen und Einschätzungen muss man nicht so reagieren, die nimmt man eigentlich nur zur Kenntniss, es sei denn.....

    Bitte beachte auch, Dein Hund ist mit zweieinhalb noch nicht fertig. Das waren erst Vorübungen! Du solltest in imho viiiiieeeel weniger selbst entscheiden lassen. Nimm das nicht auf die leichte Schulter, bleib weiter so am Ball wie bisher.

    Meiner Ansicht nach hast Du da ein Modell erwischt, dass ich nicht als Familien- und Begleitexemplar empfehlen würde. Zur Erweiterung meines Erfahrungsschatzes würde mich interessieren, aus was für einer Zucht Du den Hund hast, und wie es bei den Elterntieren aussah bezüglich Menschenfreundlichkeit, Wachtrieb und Sozialisierung auf Umweltreize. Weist Du da was?

  • Zitat

    Mit pflichtbewusst meinte ich den Hund.

    Lach... tut mir Leid. Das habe ich wohl falsch verstanden! :D

    Meine Defensive rührt vielleicht daher, dass ich mich zwischendurch im Rechtfertigungsmodus befand, weil ich später meinen Eingangspost wohl anders formuliert hätte und ich das Gefühl bekam, als würde man jetzt denken, dass ich hier ein Modell sitzen habe, dass beim Kleinsten irgendwas hinrast, stellt, an die Kehle springt und nicht zu kontrollieren ist. Oder ich gar nicht die Muße besäße, daran etwas zu ändern
    (Vielleicht habe ich auch nur zu oft den Selbstmordattentäter Thread gelesen :D bzw. das sich hier gerade ein paar um Kopf und Kragen in verschiedenen Threads schreiben)

    Seitdem Hund bei mir wohnt, ist sein "selbst entscheiden lassen" quasi ausgelöscht worden, meinerseits. Jetzt nach 6 Monaten kann ich so langsam anfangen, mal wieder zu schauen, wie er selbst entscheiden würde. Niemals zum Risiko anderer Menschen oder Tiere. Und das auch nur, weil er sich nunmal immer besser an mir orientiert (sieht man in den Situationen dann zB ja auch daran, dass ich Personen "absegnen" kann und Hund wirklich direkt aufhören würde)
    Und ja, am Ball bleibe ich sowieso.


    Zu Hermanns Vorgeschichte:
    Er fand vor einem halben Jahr den Weg zu mir übers städtische Tierheim. Von seiner Geschichte weiß ich nicht viel, und das was ich weiß, ist höchstwahrscheinlich ausgeschmückt und teils gelogen. Der Hund fand nach mehrmaligen Runden den Weg als "ist nicht gut mit Rüden, aber ansonsten Problemfrei - eher Einzelhaltung" zu mir und zeigte, dass da ganz und gar nichts "problemfrei" war.

    Vom Aussehen her, ist das ein 1a nicht überzüchteter chinesischer (!) Shar-Pei. Ich schlussfolgere daraus, dass der gar nicht billig hätte sein können. Umso mehr wundert man sich, dass so einer im Tierheim landet.
    Aber Shar-Peis sind eben nicht einfach. Viele sind sich der Konsequenz bei der Erziehung nicht bewusst und dann irgendwann halt überfordert.

    Er macht sich rundum gut, wird immer sicherer und ist aufgeweckt neugierig. Alles andere wird trainiert.
    Bzgl. Menschen muss er jemanden vielleicht 2x sehen, weiß dann, dass er zur "Familie" gehört und liebt diesen dann abgöttisch, wie jeden anderen, den er kennt. Das ist aber einfach "typisch Shar-Pei".
    Er Urlaub mit meiner Familie war zB auch kein Problem und selbst der schreiende 3monatige Neffe hat ihn in keinster Weise aus seinem chilligen Gemüt geholt.


    Aber ich habe hier jetzt wohl von Anfang an den Fehler gemacht, überhaupt von Hermanns Situation zu schreiben und hätte es bei der generellen Frage, ob Schutz- und Wachtrieb abtrainiert werden können, belassen sollen.
    Und in solche Situationen kann ich mich nicht nicht rechtfertigen ^^ auch wenn ich weiß, dass ich es nicht müsste!

  • Zitat


    Aber ich habe hier jetzt wohl von Anfang an den Fehler gemacht, überhaupt von Hermanns Situation zu schreiben und hätte es bei der generellen Frage, ob Schutz- und Wachtrieb abtrainiert werden können, belassen sollen.


    Ach, ich find die Beschreibungen jetzt gar nicht so dramatisch. Gibt halt Dinge, da müsst Ihr beide Euch noch besser reinfuchsen, besser zusammenarbeiten und das kommt mit der Zeit.

    Ich war vom ausgeprägten Schutzverhalten bei Finlay ja auch etwas überrascht ;). Ich kannte das zwar durchaus schon von Pondi, hatte das aber beim Collie nicht so erwartet. Fin wird demnächst 4 Jahre alt und ist seit Welpentagen hier. Heute muß ich ihn nicht mehr mit Schlepp oder sonstwie sichern, weil ich genau weiß, wo er reagiert und weil er meine Entscheidungen respektiert. Das läuft irgendwann mehr automatisch, wie Elsemoni schreibt.

    Aber es werden nie Retriever (ich mein jetzt grad den Durchschnitts-Golden, den ich genau so öfter antreffe), die vor offenen Autos und Haustüren liegen und fremde Menschen freundlich wedelnd begrüßen. Ein Augenmerk, möglicherweise Reaktionsschnelle und Sicherung muss man da immer haben. Gerade auch, weil heute der Trend ja eindeutig da liegt, daß Hund aus Prinzip freundlich zu sein hat. Fehler kann man sich hier also nicht leisten. Mir persönlich sind solche Hunde aber immer viel sympathischer, auch wenn ich bei der Arbeit dann öfter mal ganz artig und langsam den Rückzug antreten muß.

  • Es wäre natürlich schön, wenn man möglichst den Hund "erschaffen" kann, den sich die Gesellschaft wünscht, aber hier in der Stadt wird das für meinen wohl nichts werden. In einem halben Jahr ist aber eh ein Umzug geplant und dann auch ränd- bzw. ländlicher, da Hund sich dort wesentlich wohler fühlt und auch frei laufen kann (inkl. Gegenverkehr, selbst Hunde).

    Meine Kritik-Abblock-Haut ist nach 6 Monaten echt in Mitleidenschaft gezogen worden, weil Herr und Hund hier häufiger mal angekeift werden, weil Hund ja "immer noch NICHTS" gelernt haben soll (was nicht stimmt). Und mit der Unfähigkeit Kritik aufzunehmen/zu ignorieren steigt das Rechtfertigungspotential... Man nehme es mir also derzeit nicht allzu übel! ;)

  • Ich habe u.a. 5 Herdenschutzhunde und alle haben einen angeborenen Schutztrieb und eine gehoerige Portion Eigenstaendigkeit. Der Trieb alleine die Dinge regeln zu wollen, ist sehr stark, da er eben, wie auch evt bei Deiner Rasse, zuechterisch gewollt wurde (und wird) und seit Jahrhunderten selektioniert wird.

    Das heisst als Halter muss man einen guten Mittelweg finden, dem Hund auf der einen Seite seine Triebe ausleben zu lassen, auf der anderen Seite aber das ganze so gut hinkriegen, dass man damit seine Umwelt nicht belaestigt.

    Umlenkung. Ersatz.... das sind Schlagwoerter, die man dazu immer mal hoert.

    Ich persoenlich halte es nicht fuer moeglich den Trieb so zu unterdruecken, dass er nicht mehr herauskommt und natuerlich waere ich auch dagegen. Ich wuerde niemandem einen Hund von mir geben, der mir von vorneherein sagt, diese Eigenschaften sind unerwuenscht und damit kaeme ich nicht klar. Das Ergebnis waere ein frustrierter Halter, denn er wuerde daran scheitern und ein frustrierter Hund, der zu einem gefaehrlichen Hund werden koennte.

    Bei mir ist es z.b. so, dass meine Hunde zuhause zu 100% ihrer Veranlagung nachkommen koennen. Ok wir haben keine Schafe, aber die duerfen Haus und Garten bewachen und melden.
    Besuch haben wir natuerlich nicht sehr oft, aber das liegt nicht an meinen Hunden, sondern eher an meinem Lebensstil.
    Auf Spaziergaengen oder in Restaurants oder oeffentlichen Plaetzen, duerfen meine Hunde natuerlich nicht "Territorium einnehmen" und dieses bewachen. Im Jugendalter wird das allerdings gemacht und durch erzieherische Einwirkung so beeinflusst, dass es abgeschwaecht gezeigt wird oder gar nicht.

    Der wichtigste Punkt dabei ist fuer mich immer, das meine Hunde "in meinem Sinne handeln". Und das ist Erziehung.

  • :gut:

  • Merci. Das meinte ich, dass Erziehung auf solches Verhalten eben noch -generelle- Auswirkungen haben kann.

    Rassetypisch war oder ist Hermanns Verhalten nicht. Möglicherweise speziell gezüchtet (unschön) oder eben durch falsche/keine Erziehung an den Punkt gebracht, an dem es war, als er hier eingezogen ist.

    Du sprichst ja auch von Jugendalter. Hermann ist jetzt 2 1/2 - soweit ich weiß, kann sich die Pubertät bis zum 3. (oder 4.) Lebensjahr ziehen. Gibt es dann etwas, woran man merkt, ob etwas noch aus "jugendlichem Leichtsinn" gemacht/ausprobiert wird oder schon "zu spät" ist?


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  • Ein tolles Bild von Deinem Hermann, klasse sieht er aus.

    Eigentlich wollte ich aber etwas von meinen Erfahrungen mit Schutz- und Wachtrieb erzählen:
    Meine Finja hat von väterlicher Seite eine Menge Hovawart-Gene mitbekommen. Sie ist seit dem Welpenalter bei mir und mittlerweile 5 Jahre alt. Weg ist der Trieb nicht, aber kontrollierbar, was aber nicht heißt, daß ich mich immer und überall entspannt zurücklehnen kann. Es ist zwar alles entspannter, weil sie mittlerweile sehr gut abrufbar ist, wenn es sie mal wieder packt, aber ein rundum Sorglos-Paket ist sie immer noch nicht und wird sie wahrscheinlich auch nie sein. Damit habe ich gelernt zu leben, ich habe immer ein Auge auf meine Umgebung.

    Für mich war der Schutz - und Wachtrieb nie erwünscht, ich wußte es aber nun mal nicht vorher und als Ersthundebesitzer war ich auch nicht wirklich darauf vorbereitet. Hovawart sagte mir nichts und sie sah ja auch aus wie ein Labbi;-), wie die Mutter halt, nur ein bißchen kräftiger und größer.
    Je nachdem wie man wohnt, mag so ein Trieb ja vielleicht seinen Sinn haben, bei mir aber überflüssig. In einer Mietswohnung in einer größeren Wohnanlage im kleinstädtischen Umfeld muß nichts bewacht werden, im Gegenteil, man kann sich damit richtig schön unbeliebt machen. Selber so erlebt. Es war ein langer und zäher, nervenaufreibender Weg, ihr beizubringen, daß sie hier nicht aufpassen muß. Ich wollte von Anfang an nicht, daß hier in der Wohnung gebellt wird oder im Treppenhaus, Tiefgarage oder Hofanlage jeder Mensch angebellt oder womöglich sogar noch gestellt wird. Draußen im Gelände war es ähnlich. Waren wir im Café oder irgendwo zu Besuch, durfte sich anfangs keiner bewegen, sofort fing Finja an zu kontrollieren. Bei mir zu Hause natürlich erst recht. Genauso, wenn man irgendwo "gemütlich" auf einer Parkbank oder einer Wiese saß.
    4 Jahre ihres Lebens mußte Finja lernen, bei Fuß kommen, wenn uns jemand entgegenkommt, anfangs mit absitzen, also sogar aus der Bewegung rausnehmen, weil im Laufen ist schneller duchgestartet als im Sitzen. Hatten wir Besuch oder waren wir irgendwo zu Besuch, mußte sie sich ablegen und da auch bleiben, Rumhibbeln gab es nicht. Ich stehe auf den Standpunkt, alles ist meins, der Hund hat hier nicht zu bestimmen, was erlaubt ist oder nicht. Auf einsamen Waldwegen oder nachts darf sie mir natürlich mitteilen, was sie sieht oder riecht, aber bitte ohne Kampfansage, sondern dann auch akzeptieren, wenn ich sage, das ist schon ok.

    Heute sind wir ungefähr da, wo ich mit leben kann. Finja geht nicht mit auf Partys oder Großveranstaltungen mit viel Menschengetümmel (z.B. Karneval), fühlt sie sich nicht wohl, hat sie nichts von, weil sie auch eher so ein Pflänzchen-rühr-mich-nicht-an ist, bleibt sie also zu Hause. Sie geht aber mit auf kleinere Kneipenbesuche, in Biergärten oder auch schon mal Wochentags nachmittags auf den Weihnachtsmarkt zum Glühwein suffeln. In der Regel kann ich sie auch ablegen, wenn ich auf die Toilette gehe und sie wartet, natürlich nicht alleine, sondern wenn andere dabei sind. Aber sie macht dann nichts und benimmt sich, so wie ich es von ihr erwarte. Sind wir schon ganz viel für gelobt worden. Nach den anfänglichen Beschimpfungen salbt das richtig die Seele und schweißt auch zusammen. Und mittlerweile werden auch schon mal ein paar Regeln gelockert.
    Diesen Sommer hat mich richtig gefreut, wir waren ganz oft am Badesee, wo zig Menschen, Kinder und Hunde rumrannten und sie war dabei, ganz ohne Leine und total entspannt. Ich hätte nie gedacht, daß das so toll klappt.
    Also es bessert sich schon, gib nicht auf. Es braucht halt seine Zeit, bis er weiß, was Du von ihm erwartest.

    Was mir noch so auffiel bei Euch war, daß wenn Du die Leute begrüßt, die Situation entschärft ist. Eine ähnliche Phase hatte Finja auch mal. Ich habe dies mir zu Nutze gemacht und mich auf alte Erziehung besonnen und alle Leute freundlich begrüßt, bzw. Guten Tag gesagt. Ist ja heute nicht mehr überall üblich, mir war es aber egal, dem Hund hat es geholfen.

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