Hassliebe
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Man sucht sich einen zweiten Hund, weil man denkt zwei sind immer besser als einer.
Die Ansprüche sind klein, gefallen soll er halt. Alles andere wird schon und ist Erziehungssache. Erziehen und trainieren ist ein Grund den Hund zu holen, schließlich machen die Erfolgserlebnisse glücklich und bietet neue Herausforderungen.Anfangs geht alles gut. Der rohe Hund erkennt einwandfrei die neuen Regeln an, benimmt sich unauffällig und man lernt sich immer besser kennen.
Es geht schleichend. Erst rennt er nur einmal zu einem Jogger. War Zufall, aus dem Spiel heraus, nächstes Mal besser aufpassen. Zwei Wochen später stellt er einen Fahrradfahrer. Was sucht der auch auf dem Fußgängerweg?
Schleppleine wieder dran und weiter üben.Dann häufen sich die Vorfälle. Streitereien mit intakten Rüden, stellen von Fremden in der Dunkelheit, alles ankläffen was ungewöhnlich ist. Jogger und Fahrradfahrer werden zum Hauptproblem.
Die logische Konsequenz, man geht in eine Hundeschule. Der Trainer ist einnehmend in dem was er sagt, alles klingt logisch. "Nein, der muss das aushalten da sitzen zu bleiben". Die Raufereien beim Toben am Anfang sind normal, es wird laut brüllend dazwischen gegangen.
Janosch hält sich im Hintergrund. Irgendwie merke ich, dass ihm das alles zu viel ist, aber ich mache nichts.
Irgendwann will der Hund nicht mehr auf den Platz. 100m vorher wird aus dem ziehenden Hund einer der nicht mehr weiter will.
Ich beende das Projekt "Hundeschule".Nachdem ich einige Zeit später bei einer Pöbelei von ihm ins Knie gebissen werde, begebe ich mich auf Trainersuche. Trainer 1 rät zur Wasserspritze, Leine hochziehen wenn er nicht sitzen will und hält ihn für keineswegs unsicher. Wer sich so aufführt ist er Proll dem mal klar gemacht werden sollte, wer der Chef ist.
Trainer 2 macht eine Analyse, sagt ich soll in der Wohnung das "geh Platz!" weiter üben und war dann nie mehr gesehen. Völlig unerreichbar per Email, Handy, Telefon.Man wurschtelt sich also selber durch. Sucht Hilfe in Foren, probiert dies und jenes. Erfolgserlebnisse werden von herben Rückschlägen überdeckt, kommen aber wieder. Man arrangiert sich mit den Problemen des Hundes und kommt irgendwie durch den Alltag. Es ist nicht gut, aber auch nicht so schlecht, dass man unbedingt was ändern möchte.
Bis der unberechenbare Hund quer 200m über die Wiese rennt und einen Jogger in die Wade zwickt.
Ungläubig fragt man sich wie das wieder passieren konnte? Thema Jogger war eigentlich schon lange keins mehr. Was hat man falsch gemacht?Die nächste Trainersuche geht los.
Trainer 3 ist wirklich gut, hat Lösungswege an der Hand die schnell funktionieren, verstanden werden und so scheinen alle Probleme gelöst.
Bis wieder die Rückschläge kommen. Schließlich lebt man nicht allein auf der Welt. Man übt und wird beschimpft, man findet Verständnisvolle und Verständnislose. Irgendwie macht sich Resignation breit. So viel geübt, so wenig erreicht. Die Grundprobleme bestehen nach wie vor.
Unsicherheit mit Sturheit und durch Prolligkeit überdeckt.Was hat man falsch gemacht? Warum klappt das nicht besser? Ist man einfach unfähig so einen Hund zu halten? Hätte er es woanders besser?
Trauer, Wut und Frustration wechseln sich ab.Warum tut man sich das an? Warum ist der Hund also noch da?
Man liebt ihn einfach! Man ist für das Lebewesen verantwortlich, d.h. ein lebenlang. Ca. 15 Jahre, wie man vorher schon wusste. Die Vorstellung den Hund zu jemand anders zu geben ist einfach unrealistisch.
Schließlich ist es unbezahlbar was man doch erreicht hat. Wie der Hund einen anschaut, wie er sich an einen schmiegt, wie er Schutz sucht, wie er einen zum Lachen bringt und wie er trotz der Widrigkeiten mit einem durch dick und dünn geht.
Für Hass zu wenig, für wahre Liebe reicht es nicht.
Das was ich nie bestreiten werde: Du bringst mich an meine Grenzen, forderst mich heraus. Durch dich lerne ich unendlich viel über mich und über die Eigenheiten eines Hundes.
Trotzdem nächstes Mal bin ich schlauer
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Zitat
Man sucht sich einen zweiten Hund, weil man denkt zwei sind immer besser als einer.
Die Ansprüche sind klein, gefallen soll er halt. Alles andere wird schon und ist Erziehungssache.Das halte ich mittlerweile fuer die groesste Illusion ueberhaupt (die ich ehrlich gesagt mit meinem ersten Hund auch hatte).
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Du sprichst mir aus der Seele. Jedenfalls aus manchen.. naja.. vielen Momenten, die ich mit Fény hatte.
Jetzt ist alles anders.
Ich habe aber auch davor irgendwann schon aufgehört gegen ihn zu kämpfen, aufgehört zu versuchen mich ständi zu behaupten und ihm klarzumachen, dass er dies und jenes gefälligst endlich sein lassen soll, weil ich das nicht will. Ab da wurde es unendlich viel besser. Aber wie man da hinkommt.. keine Ahnung. Vielleicht so wie ins "Abenteuerland".Ich habe jedenfalls aufgehört auf andere zu hören, das weiß ich. Ich bin kein Wattebauschwerfer und werds nie sein, ich sitze nicht alles aus, wenns mich irgendwann einfach nervt und es den Hund eh nicht juckt, weil er nicht MICH meint mit seinem Gejanke und sonstwas, sondern die Welt, das Universum, das Schicksal oder was weiß ich. Wenns mich nervt, wirds abgebrochen. Ja, auch "böser".
Oh Wunder, er kann mich irgendwie besser verstehen und einschätzen. Vermutlich weil ich ich bin und nicht versuche irgendwer zu sein, den mir irgendein Trainer (nach bestem Wissen und Gewissen natürlich) mal eingeimpft hat.Und sonst habe ich einfach Kompromisse geschlossen...
Er hat keinen kleinen Radius, da kann ich machen, was ich will. Dann soll er eben weit weg gehen, so lange er kommt, wenn ich rufe.
Er wacht wie ein Beknackter. Dann darf er eben Knurren (was mich sooooo unendlich nervt!!!), aber nicht bellen.
Er mag keine fremden Leute in seinem Haus. Dann kommt er eben in den Kennel.
Er findet jeden Mist und frisst ihn. Das wird er nie lassen, unterbricht er wird er überschwänglich gelobt.
Er explodiert häufig bei Fremdhundebegnungen. Dann gibt es keine Fremdhundebegnungen mehr.
Er mag nicht in seiner Transportbox neben Fremden sitzen. Dann kommt er eben in den Kofferraum... und so weiter und so fort. Ich lasse mich NICHT mehr von meinem Hund einschränken, denn das belastet meine Beziehung zu ihm viel zu sehr. Ich suche hingegen kleine Umwege, mit denen er und ich beide leben können.
Er ist nicht der perfekte Hund für mich, aber er ist MEIN Hund. Und ich liebe ihn sehr. Wirklich sehr. Es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich nur daran denke, dass er nicht ewig da sein wird.
Ich liebe ihn, ich liebe ihn, ich liebe ihn. Und dennoch könnte ich ihn manchmal würgen, wenn er mich wie letzte Woche nach Wochen und Wochen ohne Ausfälle einfach in den Fuß beißt und ne Macke, so wie nen blauen Fleck hinterlässt.Und, doch... er ist in so unglaublich vielen Dingen besser geworden. Hat so viel gelernt, sich so verändert... er ist zwar nicht 08/15, aber er ist toll.
Mit Lumi habe ich mir einen Hund ausgesucht, der komplett anders ist als Fény. Er erfüllt meine Vorstellung von äußerer Schönheit ziemlich, sie erfüllt meine Vorstellungen von innerer Schönheit. Sie passt besser zu mir, sie ist süß, lieb, schlau, unkompliziert. Genau so, wie ich meinen Hund möchte.
Trotzdem ist Fény mein Baby, mein Kumpel, mein größter Schatz, einfach mein ganzes Herz.Ich glaube, Anja, so richtig viel machen kann man da nicht. Sie enttäuschen einfach immer wieder und man ist immer wieder einfach traurig und verletzt und WILL NICHT MEHR. Aber... sie sind da. Mittlerweile sage ich mit nem Schulterzucken einfach: er ist nunmal so.
Mir hats geholfen. -
Ich kann gut nachempfinden, wie es Dir gerade geht . . .
Mein einjähriger Malirüde aus dem TH war damals auch eine Art "Zeitbombe": Fremde Menschen (besonders ihn beachtende) ein Graus (im Sinne von nach vorne gehen), hyperschnell gestresst, zeitweise aggro gegen unterwürfige Rüden (meistens Retriever) . . . Je triebiger man ihn hatte, desto mehr glich er einem Fass, dem nur ein Tropfen fehlte.
Ich habe mich und ihn zu sehr unter Druck gesetzt, weil die Ansprüche im Verein recht hoch waren, zumal der Hund eine grandiose Unterordnung lief und super im Sport war.
Irgendwann habe ich mein eigenes Ding gemacht und auf dem aufgebaut, was er liebte: Arbeiten. Für Situationen "aushaklten" gab es Arbeit. Erst Arbeit und dann in die Situation, dann genügte die Aussicht auf Jackpot.
Und plötzlich ging es. Den Fehler einen Hund triebmäßig zu sehr und zu schnell hochzufahren, der noch nicht so weit ist, werde ich nie wieder machen.
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Zitat
Das halte ich mittlerweile fuer die groesste Illusion ueberhaupt (die ich ehrlich gesagt mit meinem ersten Hund auch hatte).
Ja da muss ich dir zustimmen. Vor allem eben wenn man sich einen Hund mit Vorgeschichte holt. Gewisse Sachen lassen sich nicht weg erziehen.
Er war ja eigentlich nicht mein erster Hund, aber mein erster selbst ausgesuchter.
Durch Nele dachte ich eigentlich ich könnte sehr sehr gut Hunde erziehen, aber das hätte wahrscheinlich jeder gedacht. Sie ist halt ein braves Herzchen@Tjani
Eigentlich war der Eingangspost gar nicht so negativ gemeint.
Du hast es ja quasi umgekehrt gemacht wie ich. Erst den Krawallo und dann die süße Maus. Dann weiß man das brave und unkomplizierte viel mehr zu schätzen.Ich werd halt glaub ich nie bei Janosch sagen: "Ich liebe ihn total!". Ich mag ihn natürlich und möchte ihn nicht mehr missen, aber so wie es mit Nele ist, wird es mit ihm nie.
Vielleicht dauert es auch einfach etwas, bis man die negativen Sachen vergessen kann und einfach hinnehmen.
Aber zurzeit kann ich nur lachen wenn ich lese: "Was nervt euch manchmal an eurem Hund?" oder "Du bist das beste was mir je passiert ist".Ich geb die Hoffnung aber nicht auf, dass es vielleicht mal ist wie bei dir und ich das lockerer sehen kann.
Falco
Ja der Druck von außen ist wirklich erheblich und mit ein Grund warum man häufig nicht akzeptieren kann wie der Hund einfach ist.
Wie du schon schreibst, aus den Fehlern lernt man zumindest für den nächsten Hund. -
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Ich weiß genau, was du meinst.
Aiko ist auch so ein Kandidat. Wir haben ihn mit etwas über 2 Jahren von privat übernommen. Er konnte nicht, machte nicht, wollte nichts. Wir haben auch ziemlich blauäugig gedacht, dass wir das mit Erziehung weitgehend alles in den Griff kriegen. Ein Herz von einem Hund, der nur nichts gelernt hat. Pustekuchen!
Nach einigen Wochen/Monaten fing der Herr an "aufzutauen" und lebte sein A...loch-Image so richtig aus. Draußen gegenüber anderen Hunden eine Furie, im Haus der unsichere Hund, der meinte uns mit ziemlicher Regelmäßigkeit anknurren zu müssen. Ich bin mir sicher, dass wir teilweise sein schlechtes Verhalten durch unsere Unerfahrenheit verstärkt haben; außerdem wäre es sicher sinnvoll gewesen viel eher ein "Machtwort" zu sprechen und ihm zu zeigen, dass das so nicht geht.
Hundeschule Nr. 1 haben wir nach 1/2 Stunde wieder verlassen. Aiko sollte in der Gruppe "Sitz" machen und saß etwas schief neben meinem Mann. Der Trainer ging zielstrebig auf Aiko zu, packe ihn am Hintern und wollte ihn gerade rücken. Aiko fand das doof und hat geknurrt - daraufhin hat der hoch kompetente Trainer ihm eine geschossen. Wild fluchtend haben wir den Platz verlassen.
Als wir bei Hundeschule Nr. 2 vorstellig wurden und unsere Probleme geschildert hatten, schickte man uns mit den Worten "So etwas tun wir uns nicht freiwillig an!" nach Hause.
Hundeschule Nr. 3 besuchten wir immerhin ein gutes halbes Jahr. Aikos Pöbelei wurde außerhalb des Hundeplatzes noch schlimmer; unserer mehrmaligen Bitte um einen Hausbesuch, um sich unser Problem zu Hause anzuschauen kam der Trainer nicht nach.
Ich weiß nicht wie oft wir darüber nachgedacht haben Aiko abzugeben, weil er uns an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. Ich kann es aber einfach nicht, weil mir dieser kleine Mistkerl zu sehr ans Herz gewachsen ist. Wie er sich freut, wenn ich nach Hause komme - wie er Schutz bei mir sucht, wenn ihm etwas unheimlich ist - wie er durch das Wohnzimmer hüpft, wenn er sich freut und seine 5 Minuten bekommt - wie toll und freundlich er zu Fremden ist - wie geduldig er mittlerweile mit unserem ewig infantilen Zeithund ist... und, und, und.
Wir haben uns arrangiert und einen "Neustart" gemacht; andere Hunde werden nur noch selten angekläfft, im Haus hat er ganz selten Phasen, in denen er wie ein armer geprügelter Hund durch die Gegend läuft und rumknurrt. Er wird, wenn auch schleichend, immer mehr ein guter Hund ;-). Unsere Rückschläge werden immer kürzer und sind nicht mehr ganz so heftig.
Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn mich jemand anspricht, der Aiko vor unserer Zeit kannte und mir sagt, wie toll er sich gemacht hat und wie glücklich er wirkt. Das sind dann die Momente, in denen ich ihn hochgradig verliebt anschaue und weiß, dass wir auf dem richtigen Weg sind und weiter kämpfen.
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Zitat
Und sonst habe ich einfach Kompromisse geschlossen...
Er hat keinen kleinen Radius, da kann ich machen, was ich will. Dann soll er eben weit weg gehen, so lange er kommt, wenn ich rufe.
Er wacht wie ein Beknackter. Dann darf er eben Knurren (was mich sooooo unendlich nervt!!!), aber nicht bellen.
Er mag keine fremden Leute in seinem Haus. Dann kommt er eben in den Kennel.
Er findet jeden Mist und frisst ihn. Das wird er nie lassen, unterbricht er wird er überschwänglich gelobt.
Er explodiert häufig bei Fremdhundebegnungen. Dann gibt es keine Fremdhundebegnungen mehr.
Er mag nicht in seiner Transportbox neben Fremden sitzen. Dann kommt er eben in den Kofferraum.Sie ist fremden- und seniorenfeindlich. Schade eigentlich, wenn man von Seniorenheimen umgeben ist. Gut, muss ich halt immer aufpassen, was sich am Horizont nähert. Hab ich gepennt, steht die Oma stramm, und ich versinke im Boden, entschuldige mich tausendmal und bin heilfroh, dass der Herzschrittmacher seinen Dienst getan hat.
Sie mag null von familienfremden Menschen angefasst werden und meckert jeden an, der sie nur anspricht. Gut, dann eben nicht (wenigstens habe ich ein nettes Pferd!)
Sie ist nicht besonders umwelttauglich. Schon der Gang zum Bäcker ist scheiße. Raschelnde Tüten, wehende Schirme, überhaupt viele Menschen in unübersichtlichen Situationen, alles Kacke. Gut, dann geht sie halt nicht mit in die Stadt und nimmt im nächsten Urlaub wieder 3 kg ab...
In Scheiße wälzen ist toll, da lässt man sich langsam zurückfallen, um sich danach stolz zu präsentieren. Gut, gehen wir halt wieder nach Hause, duschen...
Sie ist sehr mäkelig, was Futter betrifft, und wir barfen, und es ist echt abwechslungsreich. Gut, dann fastet Madame heute halt mal...Ich fände es auch schöner, wenn manche Dinge anders wären, aber ich habe mich arrangiert und weiß, wo meine Schmerzgrenze ist. Ich würde ihr manchmal echt gerne in den kleinen Corgi-Arsch treten, ... aber ich liebe sie sehr, so dass ich mich beherrschen kann. Die schönen Momente wiegen die mistigen immer auf
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