Deprivationssyndrom

  • Ich würde gern mal eure Meinung hören, ob es sich bei dem Verhalten von meinem Dackel/Jack Rassel-Mix Balou um ein Deprivationssyndrom handeln könnte:
    Ich habe Balou mit (vermutlich) 12 Wochen von einem Vermehrer gekauft. Er saß allein in einem Pferdestall und ich weiß gar nichts über seine Vorgeschichte. Er hatte Würmer und Flöhe und konnte komischerweise von Anfang allein bleiben und hat nichts zerstört. Vielleicht kannte er das schon?
    Balou war immer ein schwieriger Hund: Wenn ich mir ihm Gassi gehe bleibt er oft stehen „scannt“ die Umgebung ab (Löcher in die Luft starren) obwohl es nichts zu sehen gibt.
    Wenn vor uns unbekannte Dinge (Pferde, Fahrräder, Menschen, andere Hunde) sind bleibt Balou stehen und ich kann ihn nur sehr schlecht dazu bringen weiterzugehen.
    Es ist sehr schwer ihm neue Sachen beizubringen.
    Er kommt in fremder Umgebung (Restaurants oder bei Bekannten zu Besucht) sehr schlecht zur Ruhe und schläft dort gar nicht. Als junger Hund wurde er versehentlich von einer Bedienung in einem Restaurant gegen den Kopf getreten. Das hat er nie vergessen und fängt immer wenn sich jemand Unbekanntes ihm in fremder Umgebung nähert an zu knurren und zu bellen.
    Fremde unkastrierte Rüden mag er gar nicht. An der Leine knurrt er und stellt die Bürste auf. Lasse ich die Leine los kommt er hinter mir her.
    Ich möchte Balou so gern verstehen und ihm helfen, damit er sich „sicher“ fühlt.
    Balou ist jetzt gut 3 Jahre alt. Ich füttere ihn ausschließlich aus der Hand und mache viel mit ihm.
    Zu Hause ist er ein Kuschler, der mir aber nicht in jeden Raum hinterherläuft. Er bellt viel wenn er draußen etwas hört, kann aber aufhören wenn ich mich vor ihn stelle.
    Was mein ihr? Ist das ein leichtes Deprivationssyndrom oder einfach ein schwieriger/schlecht erzogener Hund?


    Da Balou mein erster Hund ist dachte ich immer, dass Hunde einfache so sind aber mein zweiter Hund Mogli ist ganz anders.

    • Neu

    Hi


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    • Zitat

      Als junger Hund wurde er versehentlich von einer Bedienung in einem Restaurant gegen den Kopf getreten. Das hat er nie vergessen und fängt immer wenn sich jemand Unbekanntes ihm in fremder Umgebung nähert an zu knurren und zu bellen.


      das muss nicht mit deprivation zu tun haben. eine solche erfahrung kann auch bei perfekt sozialisierten hunden ein bleibendes trauma hervorrufen.



      versuche doch zu verhindern dass er fremde menschen anknurren und verbellen muss. ich weiss, einfach gesagt und schwierig ausgeführt. trotzdem: jedes mal wenn sich dein hund gezwungen fühlt jemanden zu verbellen oder anzuknurren wird er auch bestätigt. sobald die person das weite sucht ist die mission erfüllt. gerade bei solchem defenssiv agressivem verhalten solltest du alles möglich machen damit der hund solche situationen nicht erlebt.


      frag dich doch mal bei welchen menschen der hund grosse angst hat, und welche menschen er nicht so erschreckend empfindet. dann fängst du ganz klein an. meine hündin mag zb lieber frauen, jedoch auch die machen angst. setzt die frau die körpersprache richtig ein dann ist sie weitaus weniger erschreckend. also übe ich zuerst dass solche frauen etwas positives sind. verknüpfe sie mit etwas tollem, einem spielzeug oder dem lieblingsleckerli. ist der hund soweit arbeite dich vor zu schwierigeren menschen. ganz langsam.


      deprivationssyndrome können auch als stempel benutzt werden um starke angst schon fast zu rechtfertigen. sowas ist falscch. egal ob ein hund gut sozialisiert ist oder nicht, die vorgehensweise bei solchem verhalten bleibt gleich. ein an deprivationssyndrom leidender hund zeigt früher oder später verhaltensstörungen. lecken der pfoten (bis zum kompletten abknabbern der fusballen). deprivate hunde essen oft nur im dunkeln und wollen nur dann raus. wenn alles schläft. sie vermeiden den kontakt zu allem und empfinden die situation nur entspannt wenn nichts sie stört. zudem reagieren diese hunde oft mit defensiver agression, was aber kein kriterium ist. defensive agression kann auch ganz einfach erlernt sein. bringt man seinen hund immer wieder in solche situationen dann entsteht ein lerneffekt- weil die strategie funktioniert. zudem haben studien erwiesen dass wenn man defensiver agression mit schimpfen und strafe begegnet sie keinen anderen ausweg finden.


      Zitat

      Ist das ein leichtes Deprivationssyndrom oder einfach ein schwieriger/schlecht erzogener Hund?


      aufgrund der geschichte macht das sinn und es könnte sein. es spielt aber eigentlich keine rolle. zudem ist die bezeichnung "schlecht erzogener hund" äusserst zweifelhaft. das hat nichts mit erziehung zu tun. es hat mit angst zu tun und diese sollte man ernst nehmen. das wichtigste bei stark ängstlichen hunden ist die führung.

    • Danke für deine Antwort, lajosz.


      Ich möchte für Balou gern eine zuverlässige "Führungspersönlichkeit" sein aber ich befürchte, dass mir das nicht immer gelingt.


      Bei "fremden" Personen die sich in Restaurants meinem Tisch näheren habe ich die Situation im Griff indem ich Balou mit Leckerchen ablenke, aber das löst ja nicht das Problem.


      Da ich den Thread hier nicht mit OT sprengen möchte werde ich mal einen Neuen eröffnen, vielleicht hat jemand einen Tipp für mich.

    • Ich habe meine Depri-Hündin :D jetzt seit 2 Jahren.
      Es hat sich vieles gebessert, eins bleibt: zuviele Reize hintereinander, egal wie gut sie die mittlerweile meistert, verursachen Panik und Flucht.
      Mit ihr in ein Restaurant gehen? Undenkbar.
      Zuviele fremde Menschen, Gerüche, musternde Augen, Eingesperrtsein...nee, das geht gar nicht und das muss sie auch nicht.
      Ich wäre mittlerweile "froh" wenn sie bei Angst nach vorn gehen würde (hatte ich auch schon), finde das einfacher zu trainieren und klarer zu erkennen.
      Fips beginnt bei Stehenbleiben hektisch zu scannen, zittert, so lange bis sie kaum noch stehen kann und klemmt die Rute bis unter die Brust. Sie steigert sich komplett rein egal wie ruhig ich dabei bin.
      Habe da oft den Eindruck dass da Auslöser eine Rolle spielen, die nur für sie selbst fassbar sind.


      Wie gesagt, Restaurant geht nicht und muss nicht.
      Irgendwo anbinden sowieso nicht.
      Städte?! Nee schonmal gar nicht. Wenn ich sie brechen wollte, dann ja.


      Was ihr hilft ist bekannte Umgebung (Gärten, Wohnungen etc. nur mit mir eingeübt, dann schafft sie dort auch Fremde- dosiert) und in z.B. eingezäunten Flächen ein Sichtschutz, ebenso beim Autofahren.


      Ich erkenne auch deswg den Deprivat in ihr, weil sie zuviele Reize einfach überfordern, egal welche Fortschritte es sonst gibt.
      Zusätzlich erkenne ich Traumata, die nie und trotz allem Training kaum auszuhalten sind.


      Oft erzählen mir Leute sie hätten Deprivat, und was der nach Jahren alles kann und dass er jetzt ein ganz normaler Hund ist.
      Früher hab ich dann gedacht ich mach mit Fips alles falsch oder habe falsche Trainingsansätze etc.
      Mittlerweile lache ich drüber.


      Ich sehe GROßE Unterschiede zwischen "normaler" fehlender Sozialisierung, Angst oder Agression aufgrund von Trauma und tatsächlichem Deprivationssyndrom aufgrund von kompletter Isolierung, oft gepaart (logisch bei dieser Haltung und Aufzucht) mit Trauma aufgrund von Misshandlung.


      Ich wünsche euch allen von Herzen Fortschritte mit euren Hunden- ich habe gelernt mich an winzigen Fortschritten zu orientieren, für den betroffenen Hund sind sie nämlich riiiiiesig.

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