Taube und/oder Blinde Hunde

  • Huhu,


    Mich würde mal interessieren, wie viele hier im Forum taube und/oder blinde Hunde haben. Wenn unser Lütte aus dem Gröbsten raus ist und unser Rundherum wirklich passt, würden wir gern einen Zweithund dazu haben, bis dahin wird noch viel Zeit vergehen, midestens ein Jahr, wenn nicht sogar mehr.


    An unseren Lütten sind wir ja auf eine etwas recht seltsame Art gekommen, beim Zweithund haben wir uns dafür sehr viele Gedanken darüber gemacht, was wir wollen und was wir nicht wollen. Auf gar keinen Fall wollen wir einen Hund von irgendeinem Vermehrer, ein guter Züchter käme schon eher in Frage, aber am liebsten einer aus dem Tierschutz.


    Da wir uns zu unserem Aussie für einen Border entschieden haben, aus vielen, verschiedenen Gründen. Jaja, viele werden jetz die Hände über dem Kopf zusammen schlagen: Zwei solche Powerpackete?! Ja denn, gute Nacht (-; aber das ist und soll hier nicht das Thema sein.
    Gerade durch den Rassewunsch solpert man ganz besonders seit Merle recht beliebt geworden ist in den Nothilfen immer wieder über taube oder blinde Hunde. Oder gar beides. Etwas das für uns persönlich kein Indikator wäre, einen Hund abzulehnen, da unserer bei behinderten Hunden (Mein Renter ist taub und nahezu blind, einfach Altersbedingt) irgendwie eine sehr Fürsorgliche Ader an den Tag legt, aber wir uns natürlich auch vorher klar sein wollen, ob wir einem solchen Hund überhaupt gerecht werden würden.


    Daher würde ich mich über ein paar Erfahrungsberichte von Hundehaltern von Wuffs mit genau diesen Besondersheiten freuen.


    Wie geht ihr mit euren Hunden um? Wo sind die Besonderheiten? Wie sieht das bei Fremdhundbegegnungen aus? Und was ist mit Sport? Hundeschule? Was wird so gemacht? Wie ist das so mit der Zeit, vergleichbar mit einem normalen Hund oder brauchen die Hunde quasi eine rund-um-die-Uhr-Betreuung?


    Bei einem tauben Hund stelle ich mir das ja noch vergleichsweise 'einfach' vor, aber bei einem blinden Hund der noch jung ist, könnte ich mir vorstellen das es schon ziehmlich knifflig ist^^ Mit meinem Rentner kann man das ganz bestimmt nicht vergleichen^^


    Liebe Grüße
    Keku

  • Meine Hündin erblindete mit acht Jahren binnen eines Monats, und ja: es war ein Fulltimejob - zumindest das erste halbe Jahr, bis sie den Schock überwunden und sich auf die Behinderung eingestellt hatte. Würde ich nicht zuhause arbeiten, wäre das überhaupt nicht machbar gewesen. Und so, wie sich später auf mich eingespielt hatte, hätte zumindest ich keinen zweiten Hund mehr führen können, weil der Job als "Blindenmensch" volle Konzentration gefordert hat.


    Mit einem Hund, der schon an seine Behinderung gewöhnt und dazu noch jung ist, sieht das sicher anders aus, und sicher kann der von einem "fürsorglichen" Artgenossen enorm profitieren und der Mensch hat's leichter. Aber zu blauäugig, so nach dem Motto: "Das ist einfach ein normaler Hund, der nichts sieht", würde ich da nicht mehr rangehen.


    Vielleicht magst du mal diese, sehr schöne Seite durchgehen, da findest du viel über solche Erfahrungen - kannst aber auch zwischen den Zeilen lesen, was es für eine enorme Aufgabe bedeutet, alles so "easy" laufen zu lassen:


    http://www.dreamdogs-trio.de/

  • Vielen Dank für die Antworten!


    Ja, so blauäugig wollen wir da auch nicht ran gehen. Natürlich hängt es auch vom Hund ab und bei so einem Kandidaten muss man es sich wirklich genau überlegen. Uns interessiert es einfach, weil JD eben so positiv auf den tauben, schlechtsehenden Alten reagiert hat und der Ältere vor allen Dingen richtig aufgeblüht ist. Aber es nützt natürlich nichts, wenn man dann den Anforderungen als Mensch nicht gerecht wird, wenn der Hund nen super 'Blindenführer'/'Sprachrohr' abgibt.


    Vielleicht hat auch einfach der Hütehundinstinkt durchgeschlagen und er fand es super den Alten zu behüten (-; Sah zwar nicht nach Hüten aus, aber wer weiß was das für Formen annehmen kann.


    Vielen Dank Schara, ein paar von deinen Beiträgen hab ich auch schon über die Suche gefunden^^ Hab aber den ganzen Thread noch nicht lesen können (-; (Arbeit und so XD)

  • Bei uns gibt´s auch nen blinden Hund: meine Frieda-Terrine.


    Ich kann nur sagen - die ist nicht anders als die anderen beiden.... Genauso frech und rennt genauso irre in der Gegend rum. Wenn ein Baum im Weg stand - wird sich kurz geschüttelt, und weiter geht die Jagd..... ;-)


    Ich habe Frieda mit ca. 8 Jahren aus dem Tierschutz bekommen. Sie lebte in der Tschechei, und wurde auf der Straße gefunden, wo sie sich offenbar gegen sehende und jüngere Hunde durchzusetzen geschafft hatte. Aus dieser Zeit schätze ich, stammt auch ihre Abneigung (ums mal euphemistisch auszudrücken) gegen andere Hunde: alles, was 4 Füße hat, muß gefressen werden.....


    Ansonsten, im Alltag, ist die Maus total "normal": in der Wohnung bewegt sie sich nur wenig vorsichtiger als die anderen beiden, eben mehr über die Nase als die Augen orientiert, d.h. die Nase ist ständig unterwegs am Schnüffeln. Erziehungstechnisch ist sie nicht anders als die anderen beiden: kann auch mal "taub" sein (der aaarme Hund, vor allem beim Rückrufkommando, also reichlich selektiv *gg), freut sich, wenn sie von jemandem betatscht wird, egal, wie fremd, mit Kindern verträglich, liebt alle Menschen und springt gerne an den Leuten hoch ("gib mir was", also Bettelei von ihrer Seite aus). Sie hat ganz schnell Sitz gelernt, auch das mit dem Rückruf funktioniert, solange kein anderes Tier in der Nähe ist (daher Freilauf nur sehr begrenzt und unter 100% Aufmerksamkeit von mir), Platz findet sie doof (ruhig liegen ist nicht ihrs...) und löst es nach 2 Sekunden wieder auf. Bin aber ehrlich, liegt eher an meiner Konsequenz als an ihr. Ist aber sehr hibbelig beim Training - sobald sie was gut gemacht hat, springt sie wieder auf, um ihr Leckerli zu erbetteln *gg Kennt Warte-Kommando, Bleib, Aus (das mag sie nicht wirklich *gg), Weiter/Geh ´mer, Schluß (wenn sie zu aufgeregt kläfft), Hopp, Trinken, auf die Seite (an der Straße), Schlaf-Kommando ( :lachtot: , ehrlich..... Da legt sie sich hin, krümelt sich zusammen, und Ruhe ist....), "noch was?" (Leckerli).


    Sie kennt nur wenige andere Kommandos als die anderen beiden: Vorsicht (Hindernis auf dem Weg), Treppe (wenn sie mal unsicher ist, wie´s weitergeht), Wasser (wenn sie reingehen will, aber auch als "Frage", ob sie hin will - wenn sie gradeaus weiterdackelt, weiß ich, sie will nicht, ansonsten schaut sie mich freudig an und folgt mir dorthin), rechts/links (wobei rechts besser klappt *gg), Stop/Warten (wobei die anderen das auch kennen, aber bei ihr ist es natürlich wichtiger, da sie kommende Autos nicht sehen kann und auch nicht hört, ob diese bei uns vorbeikommen werden. Auf der Straße fahren die ja an einem vorbei, ohne daß was passiert, aber beim Kreuzen der Straße muß man warten, hört sich ja auch nicht anders an, wenn sich da ein Fahrzeug nähert).


    Wenn die Frieda nicht so aggressiv auf andere Hunde reagieren würde, wäre sie komplett unkomliziert wie ein sehender Hund. Konnte von Anfang an alleine bleiben, egal wo (auch im fremden Hotelzimmer!), kannte Autofahren (springt ins Auto, sobald der Kofferraum geöffnet wird (nur dumm, daß meist die Boxentüre noch zu ist - dann gibts aua an der Nase...*gg)), wartet brav vorm Laden (nur, wenn ich sie im Blick habe aufm Kaff (da darf kein fremder Hund kommen.....), und liebt Menschen wie schon beschrieben. Sogar ins Wasser geht sie hemmungslos, wenns recht warm ist, sie geht gern am Rand unseres Bachlaufes im Wasser, ich parallel dazu am Land, und planscht neben mir entlang. Ist auch schonmal einfach losgeschwommen in tieferem Wasser - zum Glück angeleint.... *gg


    Ich habe bei ihr nie irgendwelche Hilfsmittel verwendet (Glöckchen am Fuß oder so n Quatsch - selbst wenn ich als Mensch schleiche, ist das doch für nen Hund wie Buschtrommel zu hören!) und nie darauf geachtet, im Haus nix umzustellen oder in den Weg zu stellen. Wenn ich dem Hund jeden Weg abnehme und alles sichere, mache ich sie doch nur unselbständig, und das will ich nicht. So sucht sie sich ihren Weg selbst, ein Außenstehender merkt das kaum, und ich mache sie nicht künstlich von mir abhängig. Höchstens, wenn sie auf der Wiese rumrennt, und irgendwann mal bemerkt, daß ich nicht mehr zu hören bin, steht sie da und lauscht richtig in unterschiedliche Richtungen, das sieht süß aus - dann geb ich mal kurz "laut", wo ich stehe, als kleine Orientierungshilfe. Wobei ich das ab und an aber mit Absicht nicht mache und sie erstmal warten und mich dann suchen lasse, damit sie in Gedanken "bei mir" bleibt, und mich net einfach immer irgendwo stehenläßt (á la "die kommt schon mit und meldet sich dann schon wieder").


    In der Wohnung hüpft sie auch ungebeten aufs und vom Sofa (da muß ich etwas auf die Ecken vom Glastisch aufpassen....), oder die Eckbank, die kleine Neugiernase (mich fasziniert, wie sie gelernt hat, welcher Abstand zum Boden dort vorliegt!), und unterwegs mach ich ab und an den Spaß, daß sie auf irgendwelche Hindernisse raufkraxeln und wieder runterspringen darf - allein nach Gehör. Das erfordert Mut, aber sie macht es toll, da gebe ich dann Hilfe, indem ich Geräusche auf dem Boden mache, damit sie die Entfernung nach unten abschätzen kann. Raufwärts klopfe ich einfach mit der Hand auf den Gegenstand (Bank o.ä.) und sage Hopp.


    An Beschäftigung haben wir 2012 angefangen, zu trailen. Ist total süß, sie ist mit Freude dabei, mal schauen, wie weit wir kommen, sind noch ganz am Anfang (ich hatte es paarmal im Abstand von mehreren Wochen probiert, das war zu lang, erst seit ca. Nov. trainieren wir wöchentlich). Die Nase ist sicherlich gut genug, übt sie ja täglich im Alltag. Auch wenns böse klingt, erleichtert ihre Blindheit die Arbeit mit ihr: sie kann gar nicht auf Sicht gehen, sondern muß sich mit der Nase bis ans Ziel vorarbeiten, egal, wie "mitten auf der Wiese" die gesuchte Person steht..... ;-) Da braucht´s keine Verstecke.


    So ist meine Maus inzwischen fast (geschätzte) 12 Jahre alt geworden, und am 5. Febraur werden es 4 Jahre, daß wir uns kennen...... ;-) Sie ist nach wie vor so eine Hibbel-Suse, daß keiner mir auf den ersten Blick ihr Alter abnimmt (die Zähnchen verraten sie dann aber....), und wir hoffen, daß sie noch lange mit uns durchs Leben wuselt....:herzen1:


    Es gibt also, wie Du siehst, noch mehr so Verrückte, die sich zu zwei Powerpaketen (ein Jagdterrier- und ein Pudel-Pinscher-Mix) ein weiteres (Jagdterrier) holen *gg

  • BieBoss das ist ein ganz wunderbarer Beitrag der viel Mut zu Hunden mit einer so (für uns Menschen) schwierigen Einschränkung. Und es ist auch extrem faszinierend darüber zu lesen, wie problemlos die meisten Hunden mit ihrer Einschränkung klar kommen. Hätte ich wirklich nicht erwartet, das es für den Hund eigentlich gar kein wirkliches Problem ist.


    Das mit der Einschränkung beim Trailen hört sich wirklich fast etwas 'gemein' an *lach* aber ich weiß genau was du meinst. JD nutzt seine Augen extrem gern und lässt sich gerne von sich bewegenden Dingen ablenken oder schaut lieber, wo das gesuchte ist, anstelle es zu erschnuppern, da würde man ihm dann doch fast ganz gern mal die Augen verbinden (machen wir natürlich nicht, würde ihm vermutlich nicht gefallen). Soll er den Futterdummy suchen, mit der Nase, muss man ihn auch wirklich wo verstecken, erst wenn er sich verwissert hat, das er ihn nirgendwo sieht, fängt er wirklich an gezielt zu schnuppern, wo man langelaufen ist und wo das Ding sein könnte.


    Nochmal danke für deinen detaillierten Beitrag!

  • Moin,


    wir hatten früher einen blinden Husky. Der kannte ehe er zu uns kam nur ein Leben an der Kette.
    Hugin hat man seine Blindheit kaum bis gar nicht angemerkt (er ist halt immer mal gegen nen Schrank oder Stuhl geknallt, wenn er sich zu sehr gefreut hat und zu zügig durchs Haus gedüst ist).
    Ich bin heute noch fasziniert mit welcher Präzission dieser Hund Insekten gejagdt hat, da waren die Ohren wie Radarschüsseln.
    Mißverständnisse mit anderen Hunden gab es jedoch häufiger. Ich kann aber nicht sicher sagen ob das an Hugins Blindheit, seiner vermutlich im Welpenalter nicht erfolgten Sozialisierung oder daran lag, dass Hugin auch geistig behindert war und es mit seiner Auffassungsgabe folglich nicht so weit her war.
    Wann immer er einen anderen Hund roch/hörte wollte er mit diesem spielen, auch wenn dieser schon auf 100m Zähne fletschte, knurrte und keinen Zweifel daran ließ, dass er NICHT spielen möchte.
    Da Hugin zu allem Überfluss auch noch über keine nennenswerte Blutgerinnung verfügte hat uns das natürlich durchaus sehr gefordert.
    Allerdings war Hugin (ggf auch durch die geistige Behinderung) ausgesprochen gefügig und für einen Husky auffallen treudoof.
    Im Haus war er ein Traum, irgendwo zwischen Sofakissen und Hupfball.
    Ein toller Hund, der als Einzelhund oder mit sehr verträglichen Hunden gleichsam glücklich gewesen ist.
    Nur eben mit Hunden, die Wert auf eine Einhaltung ganz normaler hündischer Verhaltensnormen bestanden wars hier und da schwierig (es gab öfter mal Klopperein mit meinem anderen Schlittenhund, aber die waren stehts so harmlos, dass selbst Hugins eingeschränkte Blutgerinnung kein Problem darstellte.
    Mit fremden Hunden war natürlich immer Vorsicht angesagt, ein Hund, der die Körpersprache anderer Hunde nicht lesen kann ist schon ein besonderer Fall.
    Mit Menschen war er ein Traum, den hätte man morgens in nem Kindergarten oder Altersheim abgeben können und abends wieder abholen ;)
    Bei mehrere Erste-Hilfe-Kursen für Hundehalter hab ich ihn als Vorführhund mitgebracht.
    Hugin lag auf dem Rücken, ließ sich von 4 Teilnehmern alle Pfoten gleichzeitig verbinden, die er von sich streckte, weil ein 5. Teilnehmer ihm den Bauch streichelte und war glücklich, aus seiner Sicht waren die alle nur da um IHN lieb zu haben.
    Als wir in der Uni nen Hund brauchten der sich nen EKG ableiten läßt hat Hugin das nicht nur für meine Gruppe möglich gemacht, sondern für den halben Jahrgang ;)


    Die Mischung aus Blindheit und geistiger Behinderung hatte hier echt einen Hund hervorgebracht bei dem alle die ihn mal getroffen haben bis heute froh sind ihn gekannt zu haben (er ist vor einigen Jahren verstorben).


    Als im November 2011 unser Greyhoundmix Stuart Little (den hatten wir 9 Jahre zuvor als Angsthund aufgenommen) gestorben ist haben wir lange hin und her überlegt an wen wir seinen Sofaplatz vergeben wollen.
    Da wir bereit sind Hunde mit "Handycap" aufzunehmen und auch unser Platz begrenzt ist waren wir uns schnell einig, diesen Platz auch wieder mit einem Hund mit "Macke" zu besetzen.


    Einen blinden Hund wollten wir nicht wieder, da unsere beiden bereits verhandenen Rüden großen Wert darauf legen, dass ein Hund ihre Körpersprache liest und beachtet.
    Außerdem sind mein Mann und ich recht unordentlich, lassen schonmal was rumliegen und hier in Haus stehen auch noch ettliche Renovierungsarbeiten an, dass wir nicht denken, dass es da gut gewesen wäre einen Blindwauwau zu nehmen.
    Da aufgrund der Treppen im Haus und meiner eigenen Körperbehinderung auch Dreibeinchen und Co ausfielen entschieden wir uns für die Aufnahme eines tauben Hundes.


    Ende Mai 2012 zog dann Filipendula, eine taube, junge Podenca Andaluz bei uns ein.
    Fordern tut uns eigentlich nur die Tatsache, dass sie auf uns wirkt wie ein depriviertes kleines Hündchen von dem es unwahrscheinlich ist, dass sie ehe sie zu uns kam viel mehr als eine dunkle Box (vielleicht die Wurfbox in der sie verbleiben mußte als ihre hörenden Geschwisterchen verkauft wurden?) gekannt haben wird.
    Knochendichte und Zustand der Gelenke, sowie die fast vollständige Abwesenheit von brauchbarer Skelettmuskulatur sprechen dafür, zum Glück isse klein und leicht genug, dass mein Mann sie völlig problemlos tragen kann und auch ich sie gut tragen kann, wenn ich sie mir über die Schultern legen.


    Über ihren "Geistszustand" wußten wir vor der Adoption nichts, erst nach und nach stellte sich herraus, dass sie keienswegs geistig behindert, eher sogar sehr intelligent ist.
    So arbeiten wir daran ihr beizubiegen, dass die Welt zwar groß aber nicht gefährlich ist.
    Ihre Taubheit aber ist völlig nebensächlich.
    Wir dachten. diese "Behinderung" würde uns fordern und kommen uns deswegen nun unendlich dumm vor, mußten wir doch erkennen, dass Hunde einander niemals etwas zurufen. Dass es für einen Hund das normalste der Welt ist darauf zu achten, was die Körpersprache anderer Hunde und Menschen ihnen vermittelt.


    Zitat


    Wie geht ihr mit euren Hunden um?


    Ganz normal, wie mit den anderen auch. Ihre Grunderziehung und -ausbildung erfolgt mit den gleichen Handzeichen mit denen wir schon die Hörzeichen der anderen Hunde unterstrichen haben. Zusätzlich eingeführt haben wir Handzeichen für "gut", "komm" und "nein".
    Allerdings reden wir auch ganz normal mit ihr, weil wir "Angst" haben unserer Körpersprache unbewußt etwas zwanghaftes/Unnatürliches zu verleihen, wenn wir angestrengt versuchen nicht mit ihr zu sprechen.
    Wenn wir "Nein" gebärden, sagen wir es auch bzw "schimpfen", wenn wir sie trösten oder beruhigen wollen reden wir ihr gut zu "Alles ok Schatz".



    Zitat


    Wo sind die Besonderheiten?


    Man kann Chips aus knisternden Tüten essen und sie pennt weiter. Sie erschrickt nicht, wenn mir mal wieder etwas runterfällt.
    Die größte Besonderheit ist wohl, dass wir darüber nachdenken ihr ein GPS Halsband zu kaufen.
    Unser Alptraum ist es, dass sie mal abhanden kommt und sich verkriecht. In dem Moment wäre sie vermutlich ein für alle male weg.
    Die anderen kann ich rufen und sie finden mich dann. Bei ihr ist das nicht möglich. Das ist die einzige Sorge, die mir ihre Taubheit macht.


    Zitat


    Wie sieht das bei Fremdhundbegegnungen aus?


    schwierig. Sie möchte auf jeden Hund zustürmen und diesen ohne Umweg zum Spielen auffordern. Ohne die üblichen Normen einzuhalten (schnuppern und beschnuppern lassen). Aber das hat sicher eher mit ihrer "Kindheit" als mit der Taubheit zu tun.

    Zitat


    Und was ist mit Sport? Hundeschule? Was wird so gemacht?


    Sobald ich mir im Bezug auf ihre Knochen, Gelenke und Muskeln sicher bin werde ich ganz normal mit ihr arbeiten und ggf auch in die Hundeschule gehen. Im Moment spare ich auf ein besseres Vibrationshalsband, weil das was wir schon haben einfach nur doof ist ;) Außerdem überlege ich ne besondere Taschenlampe als "Rufzeichen" zu etablieren.

    Zitat


    Wie ist das so mit der Zeit, vergleichbar mit einem normalen Hund oder brauchen die Hunde quasi eine rund-um-die-Uhr-Betreuung?


    Abgesehen von dem besorgniserregenden Zustandes ihres Bewegungsapparates und der Tatsache, dass wir darauf achten müssen ihr die große weite welt mit einer beruhigenden Selbstverständlichkeit näher zu bringen ist sie ein ganz normaler Hund.


    Wenn ich mir ihr unterwegs bin erwähne ich anderen Hundebesitzern und generell anderen Menschen gegenüber selten, dass sie taub ist, warum auch. Wenn ich es mal erwähne folgt oft erstaunen, weil man es ihr gar nicht anmerkt, gleichzeitig konnte mir aber auch noch niemand sagen wie er denn erwarten würde, dass man es ihr anmerken müsse
    Ich denke, dass es bei blinden Hunden doch einiges mehr zu beachten gibt.
    Aber ein tauber Hund ist meiner Einschätzung nach einfach nur nen Hund, den man nicht mit Hörzeichen erziehen kann und viele Halter von tauben Hunden die ich beruflich kenne berichten das gleiche:
    Erst hat man die Erwartung und jeden Willen sich auf die "Behinderung" einzustellen um dann zu erkennen, dass der Hund weder behindert ist noch überhaupt auch nur vermutet, dass er anders sein könnte.
    Ganz ehrlich vermute ich, dass Filis Taubheit im Bezug auf ihre Deprivationsschäden sogar ein Vorteil ist.
    Die erste Zeit hatte sie Angst vor fallenden Blättern, alles bewegliche und unbewegliche um sie herum war zu viel, gruselig und überwältigend. Ich denke dass ihr das ankommen in dieser großen Welt möglicherweise noch schwerer fallen würde wenn dazu noch Geräusche kämen.



    Das gilt zumindest für taub geborene Hunde.


    Aus beruflicher Erfahrung kann ich sagen, dass ich stets den EIndruck hatte, dass Hunde besser mit Erblindung und Ertaubung klarkommen je schneller dieser Prozess vonstatten geht.
    Wacht ein Hund morgens auf und kann nichtmehr sehen oder hören scheint es für ihn deutlich einfacher zu sein sich umzustellen, als wenn diese Sinne über einen größeren Zeitraum schleichend verloren gehen.


    Das erinnert mich an meine Katze.
    Kam angefahren mit einem zertrümmerten Bein in die Praxis.
    Nach der Amputation stand sie auf, dachte sich vermutlich "oh, ok, das Laufen und stehen geht nun eben so" und machte halt auf 3 Beinen weiter.
    Ein Hundepatient der eine schleichende Lähmung im Hinterbein hatte viel dauernd um, torkelte, war verwirrt.
    Erst als klar war, dass die Lähmung gravierend und ireversibel war entschieden sich die Halter zur Amputation.
    Nach dieser OP zeigte er sich ähnlich wie meine Katze.
    Der unsichere Faktor war weg und das Leben wurde auf 3 Beinen fortgesetzt.


    lg
    Fraukie

  • Auch dir Danke ich für deinen detailreichen Bericht Fraukie.


    Wir haben auch einen Dreibeinigen Kater bei Eltern, der ist fitter und flinker als seine 4 Beinigen Artgenossen und hatte nach der OP auch keinerlei Probleme. Die ersten paar Schritte isser umgefallen und dann hat man eigentlich nur mehr gemerkt, das er nur 3 Beine hat, wenn er recht langsam dahin 'schlenderte'.
    Einen halb-blinden Kater und einen komplett Blinde Katzendame gibt es auch, die beiden haben auch keine Probleme, nur die Katzendame darf nicht unbeaufsichtigt raus (will sie aber auch gar nicht), aber überall wo sie sich ein bisschen auskennt, fällt es nicht auf, das sie nichts sieht.


    Wirklich interessant, das es bei Hunden eigentlich nicht anders ist, ich hätte mir das wirklich viel komplizierter vorgestellt.
    LG Keku

  • Ich find´s immer schön, wenn man ein bißchen darüber erzählen kann, wie das Leben mit so nem Hund ist. Denn überall, wo ich mit Frieda auftauche, ist das erste, was den Leuten auffällt, wie fröhlich die Süße ist, und ihr Temperament. Oft werde ich gefragt, wie groß der Welpe denn wird *gg (sie ist ja "erst" 12 Jahre jung *gg), weil sie einfach so viel Quatsch macht, z.B. zerrt gerne mit der Leine und hüpft an mir herum, wenn ich Leckerli dabei hab.


    Irgendwann fragen die Leute dann, was die mit den Augen hat, ob eines davon blind ist. Ich sag, ne, alle beide...;-)
    Viele reagieren dann fast ungläubig und finden das toll, wie sie damit umgeht, einige sagen aber auch "ach, der arme Hund" - nachdem sie gerade noch bewundert haben, wie fröhlich sie ist :headbash:


    Ich find dieses Mitleid furchtbar, weils irgendwie den Eindruck vermittelt, daß man den Hund nicht für voll nimmt. Und nimm mal nen Jagdterrier nicht für voll, dann haste echt Spaß *gg Außerdem will Frieda Spaß haben und Leckerli und Streicheleinheiten, net Mitleid, damit kann sie nichts anfangen ;-) Deswegen sag ich es nie dazu, wenn ich sie irgendwem vorstelle, und sie trägt daher auch kein Blinden-Halsband oder so. Für mich ist die nicht behindert, denn die kriegt mit ihrer Nase wahrscheinlich noch mehr Details im Leben mit, als ich mit meinen Augen...


    (ich geb zu, ich glaube, einen kleinen Blindi-Bonus hat sie bei mir auch, besonders, wenn man meine Konsequenz in der Unterordnung betrachtet - andererseits ist sie der dritte Hund, und beim ersten -Biene- wollt ich noch alles perfekt beibringen, der zweite -Bossi- war die Herasuforderung, weil alle gesagt haben, nen Jagdi kannst nie von der Leine lassen. Jetzt hab ich´s mir bewiesen, daß es doch geht, und der Perfektionismus kann Gassigehen ohne mich *gg Sie kann alles, was sie im Alltag braucht, Kunststückchen sind net Ihrs, aber Nasenarbeit, und die kann sie - da gibts nur 2 Kommandos - "Riech" und "Such" ;-) Und die Grunderziehung paßt schon, siehe oben - Terrier ohne geht net...)

  • ...ändern ging nimmer...



    Viele Menschen stellen sich einen behinderten Hund viel zu kompliziert vor. Ein behinderter Hund akzeptiert einfach die Behinderung als Zustand (ist halt jetzt so) (hängt aber auch vom Umgang des Besitzers damit ab!! Man kann den Hund selbst auch gut verunsichern, indem man ihn jetzt über-behütet.), der lamentiert net, wie schön es wäre, wenn er die saftig grüne Wiese jetzt sehen könnte o.ä., der macht einfach das Beste draus und wälzt sich drin.


    Obendrein hat ein blinder Hund ja 4 Beine, wenn er also stolpert, ist´s nicht so schlimm wie für nen Menschen, seine Nase "sieht" mehr als unsere Augen, und seine Ohren hören besser als unsere. Beim Trailen schafft es Frieda z.B. sogar, an der Versteckperson die Vorderseite zu finden (frag mich net, wie - wahrscheinlich ist DA vorne, wo sie über die Füße der VP stolpert *gg), sie punktgenau "anzusehen" und nach Leckerli hochzuspringen.

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